Wir segeln und wandern durch die Welt

Approach Trail bis Hiawassee

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1. Tag Approach Trail & more

Dienstag, 18.03.2014

Ein grauer und nebliger Tag, der Weg ist matschig und modderig. Wenigstens liegt kein Schnee ! Es ist zu kalt zum Pause machen, nur jede Stunde einmal kurz Anhalten für Pipi und Trinken. Es regnet zwar nicht, aber dicke Tropfen kommen von oben, so dass man nach kurzer Zeit nass ist. Zum Glück ist meine Wasser-Phobie nicht mehr so stark ausgeprägt, denn ich weiß ja inzwischen, dass alles wieder trocken wird.

Am Vormittag habe ich mich auf dem Approach Trail ziemlich gequält. Habe mir sogar auf der Treppe nach der Hälfte der 604 Stufen zu den Amicalola Falls eine kurze Rast zum Verschnaufen gegönnt. Den Hinweisschildern nach hatte ich mir ausgerechnet, dass ich so gegen 16.00 Uhr am Top des Springer Mountain sein müsste, bin dann aber schon um 13.30 Uhr am offiziellen Startpunkt des AT angekommen. Das ging ja schneller als erwartet. In der Mittagspause musste ich mir meine Daunenjacke und die Handschuhe anziehen, so kalt war es. Vergleichbar mit dem Wetter am Tag unserer Besteigung des Mount Katahdin im September 2012. Gleich hinter dem Springer Mountain hing eine Plastiktüte in den Bäumen mit einem Zettel dran: „Your first Trail Magic !“ Eine Packung süßer, klebriger Donuts – wie schön ! Einen Donut mit auf den Weg genommen – mein Essen besteht in den nächsten 3 Tagen sowieso nur aus Keksen, Schokolade, Nüssen und getrockneten Aprikosen. Mit Glück löst sich die Swiss Miss auch in kaltem Wasser auf, dann könnte ich da Müsli hineinrühren. Durch meine verspätete Ankunft sind wir am Montag leider nicht mehr zum Outfitter gekommen. Das bedeutet : kein Jetboil und kein warmes Essen. Schuhe, Kleidung und Rucksack haben knapp 14 Kilo Gewicht – passt alles und fühlt sich gut an.

Nach der Mittagspause hatte ich endlich meinen Rhythmus gefunden und konnte zügig laufen. Es war, als ob mein Körper sich plötzlich an die Bewegungen erinnert und Freude daran hat. Wegen der Füße und Beine hätte ich noch nicht aufhören müssen, eher wegen Nacken und Schultern, die anfingen zu schmerzen.

Nach 6 Stunden Laufen habe ich um 15.30 Uhr Feierabend gemacht und mein Zelt uneinsehbar vom Weg am Ufer der Long Creek Falls aufgestellt. Das Aufbauen hat super geklappt, dauerte keine 5 Minuten. Wasser direkt nebenan, sofort mit den Tropfen behandelt, mein Zeug sortiert und das Zelt fertig eingeräumt. Habe mir gleich viele warme Sachen angezogen und früh Zeit zum Schreiben und Entspannen der Muskeln gehabt. Gleich nur noch etwas essen und den Futterbeutel in die Bäume hängen. Alles schön ! Ich bin froh, dass ich ganz alleine zelte und nicht in der Shelter bin.

Nun bin ich gleich am ersten Tag schon 14 Meilen gelaufen. Hoffentlich rächt sich das nicht ! Erst einmal freue ich mich auf viele Stunden Ausruhen in der Waagerechten und ungestörten Schlaf mit dem Geplätscher der Wasserfälle im Hintergrund.

2. Tag Bad weather day

Mittwoch, 19.03.

Bitterkalt wurde es in der Nacht ! Bin gegen Mitternacht aufgestanden und habe mir noch mehr Klamotten angezogen. Das waren dann : Slip, 2 Paar lange Unterhosen, darüber meine Trecking-Hose, langärmeliges Unterhemd, langer Kapuzenpullover, darüber die Daunenjacke, über alles noch Regenhose und Regenjacke, 2 Paar dicke Socken, Mütze zusätzlich über die Füße gewickelt, Handschuhe an und mein Tuch vor Mund und Nase gebunden. Konnte mich kaum bewegen im Schlafsack und habe trotzdem noch gefroren. Die Füße wurden überhaupt nicht warm, auch nach 16 Stunden im Schlafsack nicht. Das kenne ich noch aus Patagonien, wenn die Füße auch in der Freiwache im Bett nicht warm wurden. Alleine im Zelt kamen mir so Überlegungen wie: Was braucht es wohl, um Frostbeulen an den Füßen zu bekommen ? Und falls es allzu schlimm wird, dann folgender Plan : Go on hiking ! Denn beim Laufen werden die Füße nach spätestens 30 Minuten warm. Gegen Morgen fängt es auch noch an zu regnen. Ich muss eine halbwegs trockene Phase abwarten, um mein Zeug draußen zusammen zu packen und komme deswegen erst um 11.15 Uhr los.

Bilanz des gestrigen 14-Meilen-Tages : ein Hot-Spot am großen Zeh, den muss ich beobachten. Oder besser gleich behandeln ? Meine Beine fühlen sich schwer an, aber das wird sich wohl in den nächsten 5 – 6 Monaten nicht ändern, falls ich nicht abbreche und vorher nach Hause fliege.

Den ganzen Tag bleibt es grau und nieselig. Kein Wetter, um Pause zu machen. Ich habe meine volle Montur an incl. Regenhose und -jacke. Trotzdem friere ich bei jeder Pause schon nach ein paar Minuten. Zu Beginn des AT in Georgia gibt es nicht viel zu sehen, also stapfe ich einfach immer weiter dem Weg nach. Trostloses Laufen durch Regen, Matsch und Kälte – einer der „bad days“ auf dem Trail, der die Abbruchrate sicher in die Höhe treiben wird. Aber ich zweifle nicht einen Augenblick an meinem Vorhaben. Hier bin ich nun, genau das wollte ich machen. Und es werden noch sehr viel mehr schöne Tage vor mir liegen.

Am Cooper Gap, wo Pat und Stan uns vor 2 Jahren mit Wasser und allerlei Leckereien erfreut haben, da stehen heute 2 Kanister mit Wasser. Wunderbar, das hatte ich irgendwie gehofft, denn die nächste Quelle ist 4 Meilen entfernt. Also werde ich hier ganz viel trinken und dann eine Flasche zum Mitnehmen füllen.

Ungesellig wie ich bin, stelle ich mein Zelt genau zwischen einer Shelter und dem nächsten Campsite auf. Herrlich, so ganz alleine und abgelegen im Wald zu schlafen !

Ich bin heute 6 Stunden nur durch Matsch gelaufen und dabei 12 Meilen weitergekommen. Von den 5 Millionen Schritten habe ich bereits ein paar geschafft. Und überholt hat mich in den ersten 2 Tagen noch niemand.

3. Tag Sunshine and Neel Gap

Donnerstag, 20.03.

Als ich morgens aufwache, ist das Zelt zwar nass und der Schlafsack feucht, aber es sieht nach besserem Wetter aus. Also befrage ich erstmal meinen Körper, ob ihm 13,5 Stunden in der Waagerechten als Erholungsphase ausreichen und bekomme das „Okay“. Also los. Ich würde ja zu gerne die 14,5 Meilen bis Neel Gap schaffen, um die nächste Nacht auf einer Matratze im warmen Bunkroom zu verbringen. Es war wieder lausig kalt in der Nacht. Morgens das Zelt abbauen, den Futterbeutel aufbinden, selbst die Tropfen zur Wasserentkeimung aus der Flasche drücken, ist eine Qual mit meinen klammen Fingern. Mein Rucksack scheint heute 2 Kilo mehr zu wiegen wegen der nassen Sachen darin. Sherpa – wo bist du ?

Am Woody Gap steht ein Mann in grünem Anzug vor einem Wagen mit offenem Kofferraum. Juchhu – Trail-Magic ! Es gibt meine ersten Swiss Rolls und eine Banane als zweites Frühstück, außerdem noch eine kleine Flasche Wasser zum Mitnehmen. Der Tag wird immer besser, gegen Mittag muss ich sogar die Sonnencreme für’s Gesicht herausholen. Meine Schultern fühlen sich wund an, die bekommen eine Massage mit Bepanthen-Creme. Die Stöcker darf ich im Moment nicht mehr allzu viel benutzen, weil sich in den Oberarmen ein leichter Muskelkater bemerkbar macht. Ich komme ganz gut vorwärts und erreiche am frühen Nachmittag das Jarrard Gap. Von hier bis zum Neel Gap darf man unterwegs nur campen, wenn man einen festen Bärencontainer mit sich führt. Habe ich natürlich nicht – also entweder an dieser Stelle bleiben oder weiterlaufen. Es sind nur noch 5 Meilen bis zum richtigen Essen, Kaffee und Cola, evtl. einem warmen Platz in der Nacht. Diese Aussicht lässt mich gerne weitermachen. Unterwegs werde ich von einem älteren Herrn angesprochen : Woher ich komme, wohin ich will usw. möchte er wissen. Als er hört, dass ich Thru-Hikerin bin, schenkt er mir eine Tüte mit Sweeties für den weiteren Weg.

Dann kommt der Aufstieg auf den Blood Mountain mit 4461 Fuß, vor dem alle so viel Respekt haben. Wie …. das war’s schon ? Oben auf dem Gipfel habe ich das erste Mal eine Aussicht bei blauem Himmel und Sonnenschein, die das Fotografieren lohnt. Und Handy-Signal ! Ich empfange eine SMS von Manja aus Neuseeland und kann nach Hause telefonieren. Bin total aufgedreht und nehme die letzten 2,5 Meilen gutgelaunt in Angriff. Um 2 Minuten vor 6 erreiche ich den kleinen Outfitter-Laden am Neel Gap und erlebe dort eine Überraschung. Vor mir steht kein anderer als Baltimore Jack und fragt nach meinen Wünschen. Der Typ ist auch überall auf dem Trail zu finden ! Vor 2 Jahren haben wir ihn bei den Damascus-Trail-Days kennengelernt, einige Wochen später auf dem Campground des YMCA in Waynesboro VA wiedergesehen. Dann trafen wir ihn als Verkäufer beim Outfitter in Harpers Ferry und ein letztes Mal als Vertretung im Hikers Welcome Hostel in Glencliff. Er erinnert sich an uns ( sagt er wenigstens ). Aber welche Enttäuschung : es gibt kein warmes Bett für die Nacht, der Schlafsaal ist bereits voll. Und der kauzige Pirat ist auch nicht mehr da, dabei hatte ich mich so auf ein warmes Abendessen und sein leckeres Pancake-Breakfast gefreut. Ich kann gerade noch kurz vor Ladenschluss 2 Dosen Cola kaufen und bekomme sogar noch einen abgestandenen lauwarmen Kaffee dazu – for free. Außerdem den guten Tipp, dass heute irgendeine Kirche nebenan ein Hiker-Feed veranstaltet. Grund genug, sich in das Gemeinschafts-Wohnzimmer zu wagen. Und ja, es hat sich gelohnt. Es gibt das erste warme Essen seit meinem Frühstück im Hiker-Hostel. Leckere Lasagne, dazu frischen Salat und Gatorate, Nachschlag bekomme ich auch noch. Serviert wird das alles von einigen netten jungen Mädchen, die sich sehr interessiert mit uns Hikern unterhalten. Sie sind gutgelaunt und glücklich, uns etwas Gutes tun zu können. Kein Wort von Kirche oder Donation.

Satt und aufgewärmt muss ich dann leider doch mein Zelt aufbauen. Der Campsite hinter dem Haus ist seines Namens nicht wert, total schief und steinig. Da dort schon einige andere Zelte stehen, muss ich mich mit dem verbliebenen schlechten Platz begnügen und baue mein kleines Tarptent schief und krumm an einem Hang auf. Die abschüssige Seite sichere ich mit dicken Steinen, trotzdem rutsche ich die ganze Nacht immer wieder bergab. Neben mir hustet ein junger Mann ununterbrochen ganz fürchterlich. Ich weiß schon, warum ich lieber alleine zelte. Dummerweise muss ich auch noch 2 x zum Pinkeln nach draußen, was auch um Einiges lästiger ist, wenn man so nahe Gesellschaft hat. Kann nicht einschlafen, weil ich von Cola, Kaffee und Gatorate so aufgeputscht bin. Gegen Mitternacht stehe ich noch einmal auf, um die Heringe und Verspannungen zu kontrollieren und die Hangseite mit weiteren Steinen zu sichern. Habe das Gefühl, ich werde morgen früh irgendwo da unten liegen. Wieder eine sehr unbequeme Nacht !

4. Tag ab Neel Gap

Freitag, 21.03.

Bis zum Dicks Creek, wo ich für 1-2 Tage nach Hiawassee trampen möchte, sind es 38 Meilen. Ich habe mir ausgerechnet, dass ich diese Distanz locker in 3 Tagen schaffen kann und dafür als Belohnung am Sonntag ein warmes Essen und ein Bett bekomme. Morgens gibt es noch einen Kaffee in Neel Gap. Ich kaufe mir ein Thermarest-Inlet für meinen Schlafsack, der die eisigen Temperaturen in der Nacht hoffentlich erträglicher machen wird. Leider gibt es immer noch keinen Jetboil für mich, denn sie haben dort nur das große Modell. 1,2 Liter Flüssigkeit sind zu viel für mich alleine. Und als ich dann noch das Gewicht von 560 Gramm sehe…. da verzichte ich lieber noch ein paar weitere Tage auf warmes Essen.

Das Wetter ist wieder sonnig, so dass ich viele Pausen machen kann. Macht ja auch wenig Sinn, alles schnell durchzulaufen und um 16.00 Uhr Feierabend zu machen, wenn es um die Zeit schon zu kühl zum Draußen-Sitzen ist. Viel angenehmer ist es, Pause in der Mittagssonne an einem Platz mit schöner Aussicht zu machen.

Nachmittags läuft mir dummerweise bei einer Rast meine Wasserflasche aus, die ich nicht ordentlich verschlossen neben mich auf einen Baumstamm gelegt hatte. Aber zum Glück habe ich noch eine Dose Cola von Neel Gap zum Trinken dabei. An der nächsten Quelle versuche ich, weiter stromaufwärts das sauberste Wasser zu bekommen und versinke dabei im Schlamm. Ziehe den Fuß heraus, aber der Schuh bleibt im Matsch stecken. Ich wechsele die Socken und trenne mich von den Einlegesohlen. Da meine Füße schon wieder größer geworden sind, war das sowieso zu eng geworden mit den Einlagen. So ist es viel bequemer.

Es sind viele Leute unterwegs, vor mir Raupen von jungen Männern und hinter mir eine Gruppe von etwa 20 Warrior-Hikern. Irgendwann am Nachmittag habe ich tatsächlich gleich 6 Wanderer vor mir, die ich nicht alle einzeln überholen will. Zum Glück biegen sie nacheinander auf einen größeren Campingplatz ab, wo es bereits von bunten Zelten nur so wimmelt. Ich laufe freundlich grüßend vorbei und noch 2 Meilen weiter, damit ich meine Ruhe habe. Dann wieder die abendliche Prozedur : alles auspacken, Zelt aufbauen und einräumen. Zum Abendessen mache ich mir diesmal Müsli in kaltem Wasser mit Swiss Miss verrührt. Schmeckt nicht besonders toll, aber so habe ich doch wenigstens das Gefühl, etwas Richtiges gegessen zu haben. Da ich ja im Moment noch nicht kochen kann, schleppe ich den ganzen Proviant wie Asia-Nudeln, Mashed Potatoes, Swiss Milk und Tee schon seit Tagen völlig unnütz ueber die Berge.

Beim Bärensack-Aufhängen passiert mir fast ein böses Missgeschick. Der mit Steinen beschwerte Beutel kommt voller Schwung wieder auf mich zu und fliegt nur ca. einen Meter neben meinem Kopf vorbei. Ich muss besser aufpassen !

Bin heute bei Neel Gap erst um 10.30 Uhr gestartet und trotzdem noch 13 Meilen weitergekommen. Guter Schnitt, genau wie geplant. Am Ende des 4. Tages sind meine Salomon-Schuhe beide an den Fersen durchgescheuert.

5. Tag Warrior Hike – Trail Magic

Samstag, 22.03.

Dank Schlafsack-Inlet war die letzte Nacht wärmer, aber immer noch nicht komfortabel. Es ist total eng und verwurstet sich immer alles. Außerdem rutscht meine Isomatte jede Nacht quer durch’s Zelt, weswegen ich oft nur auf dem nackten Boden liege. Und der ist richtig kalt !

Schon in der ersten halben Stunde nach dem Start passiert mir etwas Dummes, was vielleicht noch langfristige Folgen haben wird. Ich knicke ganz böse mit dem linken Fuß um, das Gewicht meines Rucksacks reißt mich nach unten, und ich falle unglücklich hin. Autsch ! Es zieht ganz furchtbar in meinem linken Knöchel. Ganz langsam rappele ich mich wieder auf und versuche aufzustehen. Es schmerzt höllisch, ich kann gar nicht auftreten. So ein Mist, dass mir so etwas passieren muss ! Und das nicht etwa in schwierigem Gelände, sondern beide Stöcker locker in einer Hand schwingend und Hans-guck-in-die-Luft. Ich ärgere mich maßlos über meine Unachtsamkeit. Langsam und vorsichtig bewege ich mich humpelnd weiter. Nach einiger Zeit kann ich meinen linken Fuß wieder etwas belasten, indem ich meine Stöcker als Krücken benutze. Bei der nächsten Pause schaue ich mir die Bescherung genauer an. Ja, der Knöchel ist in Windeseile dick angeschwollen. Ich mache die Schnürung meines Schuhs lockerer und nehme eine Ibuprofen. Ab Mittag kann ich fast wieder normal laufen. Ich muss nur immer ganz gerade auftreten, dann geht es. Bloß nicht schief aufsetzen und nicht zu sehr belasten, dann sticht es wie verrückt.

Am Unicoi Gap erwartet mich eine Super-Überraschung, die meine Stimmung wieder ansteigen lässt. Hatte mir gerade noch überlegt, ob ich mir meinen Haferflocken-Papp zum Mittagessen zubereite, da sich nagender Hunger bemerkbar machte. Aber schon beim Abstieg zur Straße sehe ich unten auf dem Parkplatz eine Menge Autos und eine große Gruppe von Hikern herumstehen. Es sind die Sponsoren vom Warrior-Hike, die hier ein Barbecue veranstalten. Ich bin selbstverständlich auch herzlich eingeladen und esse 2 Hot-Dogs, danach noch ein Stück Pizza. Herrlich, diese Stärkung ! Dazu gibt es 2 Dosen Cola, und selbst die Cherry-Coke, die ich versehentlich gegriffen habe, schmeckt in dieser Situation lecker. Zum Abschied möchten die mir noch ein Bier spendieren. Aber nein danke, das geht ja gar nicht auf dem Trail. Gerne nehme ich mir eine Apfelsine mit, die ich 1,5 Meilen weiter oben auf dem Gipfel des Rocky Mountain mit Genuss verspeise. Komisch, die Orangen auf dem Trail scheinen die schmackhaftesten auf der ganzen Welt zu sein. Oben auf dem Top mache ich eine ganze Stunde Pause in der Sonne. Es kommt kein Wanderer mehr nach, die sind alle am Unicoi Gap ausgestiegen und nach Hiawassee hinein. Also sitze ich fein alleine dort, gönne meinen Schultern noch eine Bepanthen-Massage, selbst etwas Körperpflege ist möglich.

Am späten Nachmittag begegnet mir auf dem Weg ein Ridgerunner, den wir bereits im Jahr 2012 kennengelernt haben. Wir unterhalten uns eine Weile, denn er kann sich noch gut an uns Deutsche erinnern. Er erzählt mir, wann und wo wir uns getroffen haben, und dass ihm damals unser grüner Rucksack besonders gut gefallen hat.

Kurz bevor ich Feierabend machen will, sehe ich an einer kleinen Gravel-Road einen Jeep, dazu ein paar Campingstühle und ein Lagerfeuer. Schon wieder Trail Magic, diesmal von einem Section-Hiker mit Trailnamen „Smalltalk“. Ich setze mich kurz zu ihm, trinke noch eine Cola und nehme gerne für mein Abendessen eine Banane und einen Apfel mit. So langsam weiß ich inzwischen, wie Peace-Warrior sich durchgeschlagen hat. Verhungern muss man nicht auf dem AT. Es war eigentlich ein Super-Tag, wenn nicht die Sache mit dem Umknicken am frühen Morgen passiert wäre.

Das Laufen ging mit der Zeit immer besser, so dass ich gar nicht mehr aufhören wollte. Vielleicht dank Ibuprofen ? Alles, was ich heute schaffe, das muss ich morgen nicht mehr machen. Wer weiß, wie es mit meinem Knöchel morgen aussieht ? Es soll den ganzen Sonntag nur regnen, die nassen Sachen machen den Rucksack schwerer. Also lieber heute noch weit kommen, denke ich, und morgen dann nur den Rest bis Hiawassee. Als ich um 19.00 Uhr einen einsamen Platz zum Übernachten finde, da habe ich mit Hinkefuß 17 Meilen zurückgelegt. Ob das so gut war ?

6. Tag mit Hinkefuß nach Hiawassee

Sonntag, 23.03.2014

Gestern Abend, kaum dass ich in den Schlafsack gekrochen war, da knisterte und knusperte es um mein Zelt herum. Was für ein Tier das wohl gewesen ist ?

Ich habe in der Nacht nicht gefroren und wache bereits um 6.15 Uhr auf. Fühle an meinem Zelt, dass es trocken ist. Dabei soll es doch heute den ganzen Tag nur regnen. Also will ich aufstehen und sehr früh los. Aber – upps – das geht heute gar nicht mehr ! Ich habe starke Schmerzen im Fuß und kann ohne meine Stöcker als Krücken gar nicht mehr auftreten. Nehme sofort eine Ibuprofen ein und starte um 7 Uhr morgens. Es ist noch stockdunkel, aber mit Stirnlampe taste ich mich langsam voran. Gut, dass mich keiner sieht. Komme nur an einem einzigen Zelt vorbei, wo aber noch geschlafen wird.

Bergauf gerate ich zwar gut ins Schwitzen, muss aber trotzdem meine Wollmütze tragen, so kalt ist die Luft. Gegen 8.30 Uhr fängt es an zu regnen, aber ich bin gut vorbereitet und ziehe ruckzuck meine Regenhose und -jacke an. Der Rucksack wird zwar nass, aber das soll mir jetzt egal sein. Am Mittag werde ich im Hostel sein, dort kann ich alles in die Ecke werfen und trocknen.

Wegen des ekligen Wetters halte ich nur einmal kurz zum Trinken an. Das Laufen geht inzwischen wieder etwas besser. Bin deswegen schon um 10.45 Uhr am Dicks Creep Gap, das waren dann insgesamt 8 gehumpelte Meilen. Hier möchte ich auf den Shuttle vom Budget Inn warten, der hoffentlich in einer Dreiviertelstunde ankommen sollte. Aber so lange muss ich gar nicht warten, denn es fährt ein Bulli mit großem AT-Aufkleber vor. Darin sitzt die rothaarige Miss Janet, daneben Baltimore Jack und Puma Ghostwalker, ebenfalls eine AT-Legende und Trail Angel. Wir haben sie 2012 in Port Clinton bei CandoWilldo kennengelernt. Miss Janet bringt mich direkt bis zu meinem Hostel. Dort fragt man mich nach meiner Reservierung, die ich natürlich nicht habe. Aber da ich so zeitig dran bin, bekomme ich noch ein Zimmer für mich alleine. Kostet 40 $ pro Nacht, ich miete mich gleich bis Mittwoch ein, weil mein Fuß dringend Pause braucht und außerdem die Temperaturen wieder unter 0 Grad fallen sollen. Kaffee gibt es an der Tankstelle gegenüber, das Subway ist gleich nebenan – wie praktisch. Nach einer ausgiebigen Dusche entdecke ich Zweierlei : Mein linker Knöchel und der ganze Fuß sind dick geschwollen und blau angelaufen. Außerdem bin ich am ganzen Oberkörper voll mit Mückenstichen oder Bissen irgendwelcher anderer Insekten. Es juckt und kratzt wie verrückt. Gold Bond Puder hilft nicht, Fenistil Salbe auch nicht wirklich. Ich muss mir unbedingt beim Dollar General ein Anti-Allergikum zum Einnehmen kaufen, aber heute ist mir der Weg dorthin zu weit. Ich humpele gerade noch bis zum Supermarkt, wo ich mich mit allerlei Leckerem eindecke: Erdbeerjoghurt, Mandarinen, Chips, Orangensaft und ein halbes gebratenes Hähnchen. Bier gibt es heute nicht, denn wir sind im Bundesstaat Georgia, und da darf am Sonntag kein Alkohol verkauft werden. Kommt mir bekannt vor, das hatten wir schon einmal in Suches. Der Rest des Tages wird auf dem Bett liegend mit Tagebuch-Schreiben, Internet, Telefonieren und Fernsehgucken verbracht.

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7. Tag Zero-Day

Montag, 24.03.

Letzte Nacht hatte ich es gut warm, denn ich habe die Heizung laufenlassen und mich daran gefreut. Frühstück im Southside Cafe ist ausgefallen, denn das hatte leider geschlossen. Also gibt es wieder Kaffee von der Tankstelle, Erdbeerjoghurt und Mandarinen. Bei dem winzigen Outfitter gleich nebenan kann ich endlich den richtigen 0,8 Liter-Jetboil kaufen. Muss mich morgen unbedingt mit der Bedienung dieses Teils beschäftigen. Ich habe mich den ganzen Tag nicht weiter als 200 Meter vom Hostel entfernt, sondern meinen Fuß wirklich stillgehalten. Tagebuch-Einträge sind alle nachgeholt und meinen Blog habe ich endlich ans Laufen gekriegt. Gleich humpele ich nur noch eben zum Subway hinüber. Morgen schaffe ich es dann vielleicht weiter bis zum Dollar General und zum „All you can eat“ bei Daniels.

8. Tag Zero-Day

Dienstag, 25.03.

Die erste Nacht wunderbar geschlafen und deswegen heute früh gleich nochmal bis Donnerstag verlängert. Dann sollte auch die ganz große Kälte mit Minusgraden in der Nacht vorbei sein. Meine Stiche heilen langsam ab und jucken nur noch vereinzelt. Habe wohl doch keine Flöhe im Zimmer – da bin ich aber froh ! Ich habe noch eine neue Blase am kleinen Zeh entdeckt, die mir bisher noch nicht aufgefallen war. Gleich behandelt, das ist nicht der Rede wert.

Heute bin ich wieder nicht weiter als bis zur Tankstelle gegenüber gegangen, wo es leckeren Kaffee gibt. Den ganzen Tag nur auf dem Bett gelegen und die Füße hochgelegt. Hoffentlich nützt es etwas, wenn ich mich schone, so dass ich ab morgen wieder einigermaßen laufen kann. Bis Franklin, wo ich als nächstes wieder aussteigen kann, sind es knapp 40 Meilen. Das muss irgendwie gehen !

Kurze Eintragungen auf der Trailjournals-Seite, mich mit dem Jetboil vertraut gemacht und mein neues Inlet mit Zahnseide in den Schlafsack eingenäht. Das war es an Aktivitäten. Lausig kalt ist es hier, dazu weht ein scharfer Wind. Um 17.30 Uhr schneit es in Hiawassee auf nur 2600 Fuß Höhe. Bei mir im Zimmer laufen die Heizung, der Fernseher, Facebook und WhatsApp.

9. Tag Zero-Day

Mittwoch, 26.03.

Hiawassee ist ein kleines Dorf mit ca. 850 Einwohnern, sehr beschaulich und spießig. Also nicht gerade der Knaller für „Ferien in den USA“ – aber für mein erzwungenes Nichtstun ist es ideal. Ich war gerade noch einmal bei dem netten Outfitter von Eagles Creek, der schöne Grüße an meinen Mann ausrichten lässt. Außerdem konnte ich endlich das Guthaben auf meiner Otelo-SIM-Karte aufladen, war nicht ganz einfach, aber hat schließlich doch geklappt.

Nun muss ich gleich 2-3 Meilen laufen: zur Post, Kreditkarte am ATM-Automaten testen, zum Dollar General, Bandage kaufen und eventuell endlich  „All you can eat“ für 7 $ bei Daniels ( das Steakhaus, in dem es alles gibt, nur kein Steak).

Danach werde ich langsam mein Zeug sortieren und alles für morgen vorbereiten …. Bin für den Shuttle-Bus um 11.00 Uhr zum Dicks Creek Gap eingetragen. Von dort soll es ca. 10 Meilen nur bergauf gehen bis auf 4666 Fuß Höhe. Werde ich unterwegs Schnee sehen ?

10. und 11. Tag Hiawassee

27.03. und 28.03. immer noch mehr Zero-Days