Wir segeln und wandern durch die Welt

Cody bis Helena / Montana 16.09. – 19.09.2017

Unsere Fläschchen zur Wasser-Desinfektion sind ausgelaufen. Thomas hatte sie in der Bauchtasche vom Hüftgurt aufbewahrt, nun hat die Chemie den Stoff kaputt gefressen. Wird mit Zahnseide genäht, damit nichts mehr herausfallen kann. Um den Rucksack ist es nicht so schade – der Lack ist sowieso ab. Leider ist nun eine Flasche der neuen Wassertropfen schon wieder halb leer. Das ist viel schmerzlicher. 🙁 Ich habe seit längerer Zeit den Verdacht, dass sich die Fußnägel von den großen Zehen verabschieden werden, weil beide in der oberen Hälfte blau und gesplittert sind. Hoffentlich hat das noch ein bisschen Zeit, bis wir hier fertig sind. Auf dem Boot stört es nicht besonders, weil wir dann ja wieder ein ganz anderes Leben führen. Ohne viel Bewegung und mit Kalorien-Zählen. 😉
Wir haben bei unseren telefonischen Reservierungen viele Anweisungen erhalten zum Aufhängen der Futterbeutel und dem Verhalten bei Begegnungen mit Bären. Außerdem wurden wir unterrichtet, dass wir keine wilden Tiere füttern und kein Feuer machen dürfen. Wie lange sind wir jetzt schon auf dem CDT ? Es ist der dritte Longtrail für Thomas mit knapp 10.000 Kilometern insgesamt, der vierte für mich mit ungefähr 12.800 gelaufenen Kilometern. Alles lächerlich ! 😉 Eine Warnung ist allerdings neu : Wir sollen uns vor Jägern in acht nehmen. Das gilt nicht im Yellowstone, dort darf nicht gejagt werden. Jenseits der Grenzen des Nationalparks muss man aber besonders aufmerksam sein, denn jetzt ist gerade Jagdsaison. 🙁
Voll motiviert verlassen wir morgens um 10.00 Uhr unser Motel und hoffen auf eine Mitfahrgelegenheit. Über Nacht hat es erneut geschneit. Zwei von vier Straßen in unsere Richtung sind gesperrt. Auch der Ost-Eingang vom Yellowstone ist geschlossen, wenigstens für Autofahrer. Das macht die Sache nicht leichter, allgemein weniger Verkehr und keine Touristen, die zu unserem Ziel fahren. Trotzdem werden wir schon nach wenigen Minuten von einem Einheimischen mitgenommen. Allerdings nur knapp die halbe Strecke, dann muss der Mann abbiegen. Er lässt uns an einer einsamen Tankstelle heraus, wo wir geschlagene zwei Stunden stehen. Dick verpackt mit Daunenjacke, Mütze, Handschuhen, langer Unterwäsche. Es ist kalt. Als es dann auch noch anfängt zu regnen, da wird es echt ungemütlich. Gegenüber an der Tanke können wir uns unterstellen, zur Toilette gehen, einen Kaffee trinken. Endlich hält ein Wagen, in dem ein junges indisches Paar sitzt. Die Beiden kommen aus Kalifornien und sind 18 Stunden lang unterwegs gewesen, nur um ein paar Tage Urlaub im Nationalpark zu verbringen. Die Fahrt vergeht wie im Flug, denn das indische Pärchen hat genau unsere Wellenlänge. Unheimlichlich nette Leute, lustig und intelligent. Wir stellen sogar fest, dass die Inder uns Deutschen in mancher Hinsicht recht ähnlich sind. In Bezug auf die amerikanische Kultur und das Leben in den USA finden sie genau dieselben Dinge merkwürdig, die uns auch von Anfang an komisch vorkamen. Das Ende dieser angeregten Unterhaltung während der Autofahrt ist eine Einladung nach Kalifornien, die wir sehr gerne annehmen. Kalifornien liegt zwar jetzt gerade nicht auf unserem Weg, aber spätestens im Jahr 2019, wenn wir den PCT laufen. 🙂
Die Inder bringen uns bis zum Trail, wo wir gegen 13.00 Uhr starten. Das passt gut, denn heute haben wir uns nur 20 Kilometer vorgenommen bis zum Dead Indian Pass.

Unser Weg ist total matschig nach drei Tagen und Nächten mit Regen. Tiefe Pfützen und der rutschige Pfad lassen uns nur langsam vorwärts kommen. Schneller als 3 Kilometer in der Stunde können wir so nicht laufen, das heißt, wir werden unser Tagesziel erst ganz knapp vor Anbruch der Dunkelheit erreichen. Je höher wir kommen, umso schlimmer wird es. Eine regelrechte Schlamm-Schlacht, wie wir sie vom Te Araroa kennen. Nach nur einer Stunde sind Schuhe, Socken, Hose, Regenzeug und Handschuhe nass und total dreckig. Dann beginnt es zu schneien. Der Himmel sieht gritzegrau aus, ungefähr so, wie auf Norderney im Dezember. Alle warten auf weiße Weihnachten, und dann kommt nur so ein nasser Matsch herunter. Heh – das war jetzt aber nicht geplant ! Der Wetterbericht hatte die Spitze der Kaltfront für Freitag ( also gestern ) vorausgesagt. Ist nicht gemütlich, trotzdem möchten wir unbedingt unsere 20 Kilometer schaffen, damit unsere Taktung für die reservierten Zeltplätze nicht durcheinander kommt. Wir laufen jetzt in der North Absaroka Wilderness, wie wir auf einem hölzernen Schild erfahren. Als Nächstes müssen wir den Shoshone River überqueren, und das an einer Stelle, wo sich der Fluss in mehrere Ströme verästelt hat. Inzwischen fallen dicke Schneeflocken zu Boden. Wir haben keine Lust, mit Schuhen durchzuwaten und suchen nach einer besseren Stelle am Ufer. Auf der anderen Seite ist in einiger Entfernung ein kleines Zeltlager aufgebaut. Zwei Reiter nähern sich von dort und durchqueren auf ihren Pferden ganz einfach den Fluss. Im Schlepptau haben sie einige Last-Tiere, alle mit leeren Packtaschen. “ Gutes Wetter zum Wandern.“ ruft uns der vordere Reiter zu. Höre ich da etwa Spott ? 😉 Wir stellen ein paar Fragen bezüglich des Geländes und der Schneehöhe voraus. Die Antwort ist nicht besonders ermutigend, denn ein kleines Stück weiter sollen 50 Zentimeter Neuschnee liegen. So kommen wir heute nicht über den Pass, vermutlich morgen auch noch nicht. Der Mann bietet uns an, dass wir im Zeltlager übernachten dürfen, denn die Gäste werden erst morgen erwartet. Wir bedanken uns für das freundliche Angebot und sind unschlüssig, was wir tun sollen. Zunächst liegt das Fjorden des Shoshone Rivers vor uns. Mindestens knietief, wie wir bei den Pferden gesehen haben, mit einer starken Strömung aufgrund der Regenfälle. Wir ziehen Schuhe, Socken und lange Hosen aus und sichern uns gegenseitig. Eingehakt im Kiwi-Stil, wie wir es in Neuseeland gelernt haben, stapfen wir in Unterhosen durch das eiskalte Wasser und am anderen Ufer bis zu der kleinen Zelt-Stadt. Wir finden das Gemeinschafts-Zelt mit Tischen und Stühlen, wo wir uns einen Pott Tee zum Aufwärmen kochen und in die Karten gucken. Wenn wir weiter unserem geplanten Trail folgen, dann müssen wir über diverse Pässe und hohe Berge. Ganz schlecht bei diesen Wetter-Verhältnissen, denn nach zwei halbwegs trockenen Tagen soll gleich die nächste Kaltfront einsetzen. Es macht wenig Sinn, bei diesem winterlichen Wetter noch weiter in die Höhe zu steigen. Zähneknirschend müssen wir uns eingestehen, dass es gerade kein guter Zeitpunkt für entspanntes Wandern im Yellowstone Nationalpark ist. Wir entschließen uns dazu, morgen UMZUKEHREN und dann unseren Weg im flacheren Gelände über Straßen zu suchen. 🙁 Damit ist natürlich unsere gesamte Planung hinfällig. Durch die wetterbedingte Verzögerung und die neue Route können wir auch die Reservierungen für die Campsites nicht einhalten. Aber das werden wir nach und nach aufdröseln …. erst einmal zurück zum Trailhead, dann einen anderen Weg ausdenken und eventuell nochmal wegen neuer Reservierungen telefonieren, falls wir mit dem Handy überhaupt Empfang haben. Ist blöd, aber leider gerade nicht zu ändern, weil uns der dritte Tag mit Schnee einen Strich durch unsere Pläne gemacht hat. Aber man muss auf dem CDT flexibel bleiben, auch wenn uns Umkehren gar nicht gefällt. Draußen gibt es verschließbare Metallkästen, um unser Essen sicher zu verstauen. Zum Schlafen beziehen wir eines der kleineren Zelte. Da drin stehen zwei Feldbetten mit Kartoffelsäcken als Matratze. Wir richten uns darauf mit Luftmatratzen und Schlafsäcken etwas persönlicher ein. Ein Gasofen und eine Petroleum-Lampe vervollständigen die Einrichtung und machen unser “ Zimmer “ richtig komfortabel. Es riecht etwas streng. Das können noch nicht wir sein nach drei Tagen im Motel mit Dusche und nur 2,5 Stunden Laufzeit heute. 😉 Wahrscheinlich stammt der Geruch von den Kartoffelsäcken oder von den Jägern, die dieses Lager nutzen. Es gibt Schlimmeres. In Anbetracht der kalten Temperaturen und Mangel an Fernseher, Internet, Bier liegen wir schon um 19.00 Uhr mit voller Montur im Schlafsack. Beste Vorsätze für morgen – um 6.00 Uhr klingelt der Wecker.

Die Nacht war lang und bitterkalt. Zwei Kapuzenpullover, darüber Daunenjacke und Regenjacke, zwei lange Hosen, zwei Paar Socken, Mütze, Schal und Handschuhe reichen nicht. Wir haben tatsächlich gegen 3.00 Uhr den kleinen Gasofen angestellt. Trotzdem wurden die Füße nicht warm. Morgens ist der Boden knüppelhart gefroren und glatt. Und wir müssen als allererstes wieder durch den Fluss, wenn wir zurück zur Straße möchten. Brrr – eisig ! Wir hassen es umzukehren. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals absichtlich umgekehrt sind ( außer wenn wir uns verlaufen haben ). Aber bei diesen Wetterbedingungen weiterzulaufen, das würde an Dummheit grenzen. Und diesmal werden wir für unsere weise Entscheidung belohnt. Wir sehen unseren ersten Bison in freier Wildbahn. Ein mächtiges Exemplar sitzt ganz ruhig am Wegesrand. Wir haben mächtig Respekt und weichen vom Trail ab, um mehr Abstand zu bekommen. Das riesige Zotteltier steht auf und kommt nicht etwa drohend auf uns zu, sondern beginnt entspannt zu grasen. Wir wagen uns in etwa 20 Meter Entfernung vorbei und schießen dabei ein paar Fotos. 🙂

Plan A haben wir verworfen, bei einem kleinen Mittags-Snack in der Pahaska Lodge hecken wir Plan B aus. Trotzdem kommt mal wieder alles anders als man denkt. Also Plan C …. 😉 Wir möchten per Anhalter bis nach Fishing Bridge zum Visitor Center, um dort unsere Reservierungen zu stornieren und unseren Aufenthalt zu legalisieren. Wir sind gerade startbereit und halten den Daumen heraus, da wird Thomas von einer Frau in unserem Alter zu sich gerufen. Sie steht mit einem vollgestopften Kleinwagen an der Tankstelle, außerdem sitzen noch zwei junge Männer im Auto. Die Lady erzählt uns, dass die beiden Jungens ihre Arbeitskollegen sind und sie denen ein bisschen was vom Yellowstone Park zeigen möchte. Selbstverständlich nimmt sie uns gerne mit, räumt ihren Wagen auf, damit wir und unsere Rucksäcke Platz finden. Sehr cool ! 🙂 Während wir ihr erklären, wo wir zwecks Reservierung hin müssen, wächst langsam Plan D ….. Unsere Fahrerin ist nämlich auf dem Weg nach Old Faithful, wo der weltberühmte Geysir in regelmäßigen Abständen seinen weißen Dampf in die Atmosphäre spuckt. Insgeheim hatte ich schon bedauert, dass unsere Route nicht über Old Faithful führt. Jetzt bietet sich uns die Gelegenheit, ganz unkompliziert und ohne Extrakosten dort hinzukommen. Natürlich dürfen wir mitfahren und erleben so eine spontane Sightseeing Tour durch den Nationalpark. Eine schöne Straße führt um den Yellowstone Lake herum. Links und rechts liegt erstaunlich viel Schnee, etwa 20 Zentimeter hoch. Unser Pass auf dem Trail und die dahinter liegenden Berge wären noch gut 500 Meter höher gewesen. Hunderte von Fahrzeugen schieben sich in beiden Richtungen über die einzige Straße im Yellowstone Nationalpark. Es ist eng, für Fußgänger gar nicht geeignet. Wir sehen zwei Radfahrer, die von den Auto-Touristen regelrecht abgedrängt werden, im Graben landen und absteigen müssen. Niemanden ist etwas passiert, aber es gibt uns doch zu denken. Linda ist so nett, dass sie mehrmals anhält, damit Tony und Dean unterwegs Fotos von ihrem Ausflug machen können. Wir stoppen an heißen Quellen und an einem See mit Sandstrand, hinter dem schneebedeckte Berge wie ein Ansichtskarten-Motiv wirken. Sehr lohnenswert ! 🙂

Ohne Auto wären wir hier nicht vorbei gekommen. Das Beste allerdings ist ein stattlicher Bison, der auf der rechten Seite der Straße entlang läuft. Unglaublich ! Er beeilt sich nicht, sondern trottet ganz langsam vorwärts, während er immer mal wieder ein paar Grashalme malmt. Kein Stress. 😉 Der Bison entwickelt sich fast zum Verkehrs-Hindernis, denn alle Autos bremsen und fahren total langsam. Linda bleibt sogar neben dem Tier stehen, damit wir aus dem Fenster heraus fotografieren können. Das ist natürlich DIE Gelegenheit, um ein paar Bilder ganz aus der Nähe ( aber doch in Sicherheit ) zu knipsen.

Danach sehen wir im Vorbeifahren noch zwei weitere Bisons, die einfach so in Sichtweite der Straße mitten in der offenen Steppe ruhen. Toll – unser erster Bison früh am Morgen, und jetzt noch diese drei Exemplare. Wir sind ziemlich begeistert von unserer Extra-Tour. In Old Faithful besuchen wir zuerst das Visitor Center, wo wir aus dem Fenster heraus Aussicht auf eine Eruption des gleichnamigen Geysirs haben …. und auf Hunderte von Touristen, die ringsherum sitzen und stehen, um sich dieses Natur-Schauspiel anzusehen. Wegen näherer Informationen und eventueller Reservierungen werden wir zur Ranger Station geschickt, wo sich eine sehr freundliche und sachkundige Mitarbeiterin viel Zeit für uns nimmt. Trotzdem ist das Ergebnis nicht besonders befriedigend. Hier im Ort gibt es keine Möglichkeit zum Campen. Wir sollen bis Madison fahren. Ach ja, wir haben kein Auto und möchten eigentlich laufen. Geht aber nicht so einfach. Auf der Strecke nach Madison gibt es genau drei Campsites. Zwei davon sind bereits ausgebucht, der dritte liegt in einem Sumpfgebiet, nach den schweren Regenfällen und dem Schnee der vergangenen Tage absolut nicht zu empfehlen. Im Nationalpark wild zu zelten ist strengstens verboten, das Risiko möchten wir nicht eingehen. Inzwischen ist es 16.00 Uhr, von hier aus bis nach Madison sind es aber ungefähr 25 Kilometer. Das ist für uns zu Fuß nicht mehr bei Tageslicht zu schaffen. Wir müssen also tatsächlich schon wieder trampen, ob wir wollen oder nicht. Vorher schauen wir uns aber noch den nächsten Ausbruch vom Old Faithful-Geysir an. Kaufen uns im kleinen Laden etwas zum Picknicken und besetzen mit unseren Iso-Matten einen Logenplatz genau in der Mitte von dem ganzen Spektakel. Essen, Trinken, Warten …. Es lohnt sich, die Fontänen sind wirklich beeindruckend.

Man muss nur die vielen Menschen ausblenden, die links und rechts und hinter uns auf den Bänken sitzen wie im Theater. Etliche Raben spazieren auf der Wiese rund um den Geysir, als ob sie sich im Wasserdampf wärmen möchten. Blau-schwarz glänzen diese rätselhaften Vögel in der Sonne und stören sich nicht an den Zuschauern. Aus der Nähe betrachtet sind die Raben viel größer als man denkt. Nach dieser Vorstellung laufen wir ein gutes Stück heraus aus dem Touristen-Zentrum und hoffen, dass uns Jemand mitnimmt bis nach Madison. Dutzende Autos ignorieren uns und fahren vorbei. Dann hält endlich ein schicker PKW an, die Insassen diskutieren ein Weilchen, bevor sie die Tür öffnen. Die meinen doch wohl nicht uns ? Der Wagen ist voll. Da drin sitzen zwei Männer, eine Frau und zwei Kinder – wieder Inder, genau wie gestern. Endlich sind sich die Erwachsenen einig, räumen den Kofferraum auf für unsere Rucksäcke und ändern die Sitzordnung, damit wir mitfahren können. Einer der Männer rutscht auf die Rückbank, die beiden Erwachsenen nehmen je ein Kind auf den Schoß, Thomas sitzt vorne, ich quetsche mich nach hinten. Bisschen eng, die Scheiben beschlagen sofort, aber geht alles ! Wir sind echt fassungslos, dass diese netten Menschen es sich freiwillig so unbequem einrichten, um uns zu helfen. So erreichen wir dank der indischen Familie noch zu einer halbwegs anständigen Uhrzeit den Campingplatz in Madison, zahlen knapp 20,- Dollar für die Nacht, haben aber dafür einen Picknick-Tisch und eine bärensichere Metallkiste für unseren Proviant direkt am Zelt. 🙂

Die tiefere Lage und der rundum geschützte Platz haben es in der Nacht nicht zu frostig werden lassen. Um 8.00 Uhr dürfen wir uns an der Anmeldung Kaffee abholen. Dieses Angebot gilt natürlich nicht für die dicken PKW’s, Wohnmobile und Camper-Vans, die ja gemütlich in ihrem Salon frühstücken können. Die Angestellten haben sich wohl überlegt, dass es für die Besitzer von Leichtgewicht-Zelten ziemlich kalt ist morgens am Picknick-Tisch. Das ist ein Extra-Service nur für Hiker und Biker, wie wir ihn lieben. 🙂 Wir haben uns einige Tage auf der Straße vorgenommen, damit wir überhaupt zu Fuß weiterkommen. Heute laufen wir 25 Kilometer auf der Haupt-Verkehrsader durch den Nationalpark. Sehr viel Verkehr, kein Fußgänger-Weg. Ist nicht schön, zudem gefährlich. Wilde Tiere sieht man natürlich auch nicht. Lediglich einige Wapiti-Hirsche grasen entlang des Highway. 🙁 In der Mitte des Tages erreichen wir die Grenze Wyoming-Montana. Wir haben jetzt ungefähr 3300 Kilometer auf dem Continental Divide Trail zurückgelegt.

Unser letzter Bundesstaat Montana liegt vor uns. Aber wir sind unschlüssig, ob wir nicht an dieser Stelle aufhören und unseren CDT nächstes Jahr “ in schön “ zu Ende bringen sollen. Die meisten Trails in der Höhe sind wegen des frühen Schneefalls unbegehbar. Durch die aktuelle Wetterlage können wir nicht auf unserer ursprünglich geplanten Route wandern, sondern die nächste Woche wieder nur auf der Straße laufen. Wir müssen eine Grundsatz-Entscheidung treffen. Der Himmel hängt voller Schnee. Die Niederschlags-Wahrscheinlichkeit für morgen ist mit 90 % angegeben, dazu Nacht-Temperaturen bis -9 ° Celsius. Wir zweifeln gerade an dem Sinn unserer Unternehmung. Sollen wir ganz stur unseren Weg über die Straßen fortsetzen ? Die Bob Marshall Wildernis und den Glacier National Park, auf jeden Fall die Highlights von Montana, werden wir in diesem Jahr nicht erleben. Zur Zeit sind viele Trails wegen der Brände gesperrt. Keiner weiß genau, wann die wieder für Wanderer geöffnet werden. Und selbst wenn es nach dieser Kälteperiode noch einmal eine kurze Phase mit schönem Wetter gibt, der Schnee auf den Pässen und hohen Bergen wird nicht mehr schmelzen. Das bedeutet, wir würden die Sahne-Stückchen in niedrigeren Regionen umgehen, auf Straßen durch die Täler bis nach Canada gehen. Wir verlassen den Yellowstone Park durch den West-Eingang und dürfen nun außerhalb der Grenzen ( und ohne Reservierung ) zelten, wo es uns gefällt. West Yellowstone ist unsere erste Kleinstadt im US-Bundesstaat Montana. Wir besuchen das Visitor Center und lassen uns ausführlich beraten. Thomas spricht mit den Rangern, die unsere Einschätzung eigentlich nur bestätigen. Im Backcountry Office ist die allgemeine Meinung, dass dieser Wintereinbruch außergewöhnlich früh kommt, es vielleicht noch ein paar schöne Herbst​-Tage geben kann, aber …. Der Ranger sagt, er würde davon abraten, den CDT unter solchen Umständen dieses Jahr zu vollenden. Wir haben zwei Probleme : Feuer und Schnee. Seine sachkundige Auskunft gibt für uns den Ausschlag. Wir möchten die Bob Marshall Wildernis und den Glacier National Park auf keinen Fall verpassen. Uns treibt Keiner, wir können jederzeit wiederkommen und den kleinen Rest bei besseren Bedingungen zu Ende bringen. 🙂 Heute, genau 5 Monate nach dem Start an der mexikanischen Grenze, brechen wir unsere Wanderung ab. Das ist hart, aber wahrscheinlich vernünftig. 🙁 Wir staunen selber darüber, wie flexibel wir geworden sind. Es ist nicht einfach, alle Pläne über den Haufen zu werfen und die verbleibende Zeit in den USA komplett neu zu stricken. Das Positive daran ist, dass wir diese schwerwiegende Entscheidung gemeinsam und in schönster Eintracht treffen. Keiner von uns fühlt sich überredet oder muss einem faulen Kompromiss zustimmen. Wir sind uns einig und werden nun neue Pläne für die Zukunft schmieden. Montana – wir kommen im nächsten Jahr wieder und werden unseren CDT ab der Stelle weiterlaufen, an der wir vor ein paar Tagen umdrehen mussten. 🙂 Zunächst organisieren wir einen Shuttle-Bus, der uns von West Yellowstone bis nach Bozeman bringen soll. Außerhalb der Saison fährt dieser Kleinbus nur zwei mal in der Woche, aber wir haben Glück. Morgen um 7.30 Uhr früh soll es losgehen. Das Ticket kostet pro Person akzeptable 20,- Dollar für eine Strecke von 130 Kilometern. Im Visitor Center versuchen wir eine Unterkunft für die Nacht zu bekommen, aber die Preise von 100,- Dollar aufwärts schrecken uns ab. Das lohnt sich nun gar nicht mehr, weil es schon 18.00 Uhr ist und wir früh aufstehen müssen. Da gehen wir lieber essen. 😉 Wir finden ein ausgesprochen gutes Restaurant mit netter Bedienung. Hier können wir unsere Entscheidung sacken lassen und Abschied nehmen vom Continental Divide Trail 2017. Es regnet, als wir das Lokal verlassen. Trotzdem laufen wir ein Stück zurück in Richtung Wald, wo wir unser Zelt im Regen aufstellen.

Stundenlang starker Regen ohne Unterlass, aber unser Zelt hat dichtgehalten. In der zweiten Hälfte der Nacht wird aus dem Regen Schnee. Morgens hängen die Zelt-Bahnen von der Last nach unten durch. Schnell stopfen wir unseren Kram nass und ungeordnet in die Rucksäcke. Wir haben ja die Aussicht auf ein Zimmer, in dem wir trocknen können. Ein kurzer Weg zum Visitor Center, wo wir uns unterstellen können. Wir beobachten das Schnee-Gestöber mit gemischten Gefühlen. Dicke Flocken fallen zu Boden, die uns nicht mehr an einen schönen Spät-Herbst glauben lassen. Der Bus hat eine halbe Stunde Verspätung, aber ein Kaffee von McDonald’s macht das Warten angenehmer. Wir fahren mit dem Bus durch den Gallatin National Forest, eine Strecke, die wir eigentlich heute laufen wollten. Aus dem Fenster heraus sehen wir eine weiße Winter-Landschaft. Wie Weihnachten, Tannen und Fichten hängen voller Schnee. Und das hier im Flachland, wir befinden uns nur noch auf einer Höhe von 2000 Metern. Es bestätigt die Tatsache, dass die Trails in der Höhe zur Zeit unpassierbar sind. Ganz nebenbei gibt es entlang dieser vielbefahrenen Straße keinen Randstreifen. Die Autos auf dem Highway verspritzen zu beiden Seiten Wasser und Schneematsch. Keiner möchte da wirklich zu Fuß unterwegs sein. Man würde den ganzen Tag nass und vollgeschmoddert laufen. Also versuchen wir, unsere gestrige Entscheidung zu akzeptieren, was noch ein bisschen schwerfällt. Einen kleinen Zwischenstopp macht unser Bus im Ski-Ort Big Sky, den wir eigentlich zum Einkaufen für die nächste Etappe eingeplant hatten. Alles weit auseinandergezogen und sehr touristisch – nicht geeignet für einen längeren Aufenthalt. Nun wissen wir das auch schon für nächstes Jahr, wenn wir wieder als Hiker durch Montana laufen. Der Bus setzt uns in Bozeman vor dem Walmart ab, wo wir die weiteren Schritte organisieren. Bozeman ist eine Universitäts-Stadt mit 37.000 Einwohnern, die viertgrößte Stadt des Bundesstaates Montana. Aber auch hier gewinnen wir den Eindruck : nein, nicht besonders attraktiv für uns. Tages-Höchst-Temperatur 6° plus. Also weiter …. Mit dem Greyhound-Bus möchten wir am Nachmittag in vier Stunden Fahrzeit nach Helena. Anscheinend muss man studiert haben, um ein Bus-Ticket zu kaufen. Alles nicht so einfach, aber irgendwann halten wir einen dicken Stapel Papiere in den Händen. Den Leuten beim Aus- und Einsteigen zuzusehen, das ist schon ein Schauspiel für sich. Menschen-Studien – ganz großes Kino. 😉 Thomas sagt : “ Wenn man den Bodensatz der USA sehen will, dann muss man Bus fahren. “ Nach 5 Stunden Wartezeit in Bozeman fahren wir endlich ab. Wir erhaschen einen Blick aus dem Fenster auf die Tobacco Root Mountains. Der Schnee von den Gipfeln reicht bis weit nach unten. Ein Schwarm Wild-Gänse fliegt vorbei in Richtung Süden. Vielleicht sollten wir uns auch lieber wieder in die wärmeren Regionen verziehen. Unterwegs haben wir grauen Himmel und Schnee-Regen. Eine weitere Stunde verbringen wir in Butte, wo wir umsteigen müssen. Auch dieser Ort liegt in der Nähe vom CDT …. Wiedersehen im nächsten Jahr. 🙂 Helena ist die Hauptstadt von Montana und erscheint uns als ein guter Ort, um von hier aus die Reise per Mietwagen fortzusetzen. Außerdem warten zwei Pakete auf der Post, die wir abholen bzw. weiterschicken müssen. Thomas reserviert über’s Internet eine Unterkunft im Super 8. Wir erleben eine angenehme Überraschung, denn die Zimmer kosten plötzlich nur noch die Hälfte. Wir sind in Montana, haben anscheinend die hochpreisige Mitte von Colorado und Wyoming hinter uns gelassen. 🙂 Um 20.30 Uhr sind wir endlich beim Motel angekommen und ziemlich erledigt. War ein langer Tag, wir sind müde auch ohne Laufen. Schnell noch die nassen Sachen auspacken und zum Trocknen im Zimmer verteilen …. Nach nur einer halben Stunde sieht es bei uns aus, als wenn eine Bombe eingeschlagen hätte. 😉 Inzwischen hat uns eine e-mail von Rabinath erreicht. Der sympathische Holländer hängt aufgrund des Wetters in Anaconda fest und plant, den Rest des Weges auf niedrigeren Routen zurückzulegen. Sehr schade für alle unsere Hiker-Freunde, die bisher eine unvergesslich schöne Zeit hatten. Wir haben uns von Anfang an vorgenommen, die Geschwindigkeit herauszunehmen und jeden Tag auf dem Trail zu genießen. Das ist uns 5 Monate lang gelungen, keine ernsten Verletzungen und keine größeren Verluste. Alles gut ! 🙂