Wir segeln und wandern durch die Welt

Creede bis Salida 21.06. – 24.06.2017

Die Alternativ-Route durch Creede war eine richtig gute Wahl. Nicht nur, dass wir dem Schnee und der Kälte ein paar Tage entfliehen konnten. Wir hatten total schöne Landschaft, überwiegend gute Wege und faszinierende Tier-Erlebnisse. Haben wieder nur nette Menschen getroffen. Schon vor dem Ortseingang ruft uns eine Frau von ihrem Mobil-Wohnheim zu und fragt, ob wir CDT-Hiker sind. Debbie bietet uns eine Rundfahrt durch’s Dorf an, versorgt uns mit allen nötigen Informationen und gibt uns ihre Telefonnummer. Wir sollen anrufen, wenn wir ihre Fahrdienste oder Hilfe brauchen. Auf der Hauptstraße bleiben wir staunend vor einer Veranda stehen, auf der etliche Kuriositäten ausgestellt sind. Der Besitzer spricht uns an und lädt uns ein, sein kleines Reich von innen zu besichtigen. Es ist ein Trödelladen, der wie ein Museum eingerichtet ist. “ Mines & Memories “ nennt er seinen Laden. Faszinierende Schätze sind dort ausgestellt. Unzählige Steine, Mineralien, Silberstücke, denn der Mann war früher Arbeiter in der nahegelegenen Silber-Mine. Aber es sind auch die Original-Helme seiner Kollegen sowie Poster und Fotos von John Wayne aufgehängt, der tatsächlich einmal in Creede gewesen ist. Es wird nicht langweilig hier, aber leider können wir nichts von dem Sammelsurium mitnehmen. Auch sonst gibt es viele interessante Geschäfte und mit viel Liebe zum Detail gestaltete Häuser zu sehen. Es macht Spaß, hier durch die Gassen zu schlendern. Leckeres Frühstück im Café, wo wir Bow-Leg wiedertreffen, der an der Brücke gecampt hat und eine Stunde vor uns angekommen ist. Nach dem Proviant-Einkauf sitzen wir lange Zeit zusammen in einem kleinen Park am Picknick-Tisch und sortieren unseren Kram. Im Café nebenan gibt es Internet und Steckdosen, um unsere Geräte aufzuladen. Perfekt ! 🙂 Gegen 17.00 Uhr laufen wir endlich los. Der kleine Touristen-Ort Creede bleibt bis zum Schluss attraktiv. Er liegt eingebettet zwischen senkrechten Felswänden mit schroffen Zacken, die in der Sonne leuchten. Die einzige Straße aus Creede heraus führt zwischen diesen gewaltigen Bergen hindurch. Auf dem Weg durch diese Schlucht liegt eine nicht alltägliche Feuerwehr-Station und ein Museum. Vor dem Gebäude, das in den Felsen gebaut wurde, werden gerade Streifenhörnchen gefüttert. Dann geht es nur noch schwer bergauf. Der Weg aus Creede heraus ist ungefähr so steil wie die Skipiste letztens, nur ohne Schnee. Uns kommen Jeeps mit Touristen entgegen, die den Berg hinunter fahren und sich wahrscheinlich wundern, wieso wir beladen wie die Packesel zu Fuß nach oben streben. Links von der Straße fließt ein wilder Bach. Überall stehen Hütten und Ruinen der alten Silber-Mine. Sogar der Eingang zu einem Stollen und Schienen zum Abtransport sind noch gut erhalten. Wir marschieren also durch diese Überreste der Geschichte immer weiter hinauf. Ein Freiluft-Museum, das wir einfach ohne Eintrittsgeld hautnah erleben dürfen. So einen spannenden Weg hätten wir nicht erwartet. Die Zeit vergeht wie im Flug. Nach 2,5 Stunden sind wir total durchgeschwitzt, haben aber bereits 700 Höhenmeter geschafft. Zum Ende des Tages können wir zufrieden sein. Alles Wichtige erledigt, keinen Stress gehabt. Wir sind morgens 8 Kilometer bis nach Creede hinein, dann nach einem schönen Stadt-Aufenthalt nochmal 8 Kilometer heraus gelaufen. Viele Stunden Freizeit und doch ein Stück weiter gekommen, so dass wir morgen früh bereits wieder auf die Original-Route treffen. 🙂 

In knapp 4000 Meter Höhe ist es in der Nacht schon wieder merklich kühler gewesen. Die ganz frostigen Temperaturen müssten aber eigentlich der Vergangenheit angehören. Schon kurz nach unserem Start kreuzt eine Elchkuh vor uns die Straße. Es geht zwei Stunden stramm bergauf, dann haben wir den Anschluss zum Continental Divide Trail erreicht. Der Weg ist ab hier vorbildlich gepflegt, denn er verläuft jetzt gleichzeitig mit dem viel begangenen Colorado Trail ( ca. 780 Kilometer Länge von Denver bis Durango ). Der San Luis Peak mit 4270 Meter Höhe liegt majestätisch vor uns, aber da müssen wir heute nicht hinauf. Zunächst laufen wir noch kurze Stücke durch matschigen Schnee. Einmal falle ich und rutsche zwei Meter tief ab, bis ich in einem schon vom Schnee freigelegten Geröllfeld lande. Das war es schon, nichts Spektakuläres passiert. Dazwischen wird immer öfter der Weg sichtbar. Am Nachmittag sieht es so aus, als ob wir es geschafft haben. Wenig Schnee, viel Trail. Wir hatten ordentlich Respekt vor den nach Norden gerichteten Bergflanken, die wir in unserer Papierkarte gesehen haben. Für heute sind alle von uns so gefürchteten Nordhänge passiert. Von nun an gibt es eine eindeutige Spur, der wir folgen können. Das GPS bleibt aus. An einem Teich sehen wir eine weitere Elchkuh. Das behäbige Tier steht dort völlig regungslos und glotzt uns minutenlang an. Die wissen schon, dass sie nicht vor uns Menschen davon rennen müssen. Wir laufen nun in der La Garita Wilderness und kommen gut vorwärts. Plötzlich fährt uns der Schrecken in die Glieder, denn direkt neben uns ertönt ein lauter Schrei. Es hört sich unmenschlich an, wie der Schrei eines großen Vogels. Thomas entdeckt ein gepunktetes Rehkitz, das sich direkt neben dem Weg in den dichten Sträuchern versteckt. Das kleine Reh jammert noch einige Male, dann tritt es den Rückwärtsgang durch das stachelige Gestrüpp in Richtung freies Feld an. Wo bloß die Mutter dazu ist ? Der unerwartete Schrei ging uns durch Mark und Bein. Da fragt man sich doch ….. wer hat hier nun wen zuerst erschreckt ? Nur ein paar Meter weiter habe ich Wildkatzen-Geruch in der Nase. Vielleicht hat ein Puma unser niedliches Bambi so in die Enge getrieben ? Das könnte der Grund dafür sein, dass das Rehkitz so panisch und die Mutter nicht in der Nähe war. Es ist auf jeden Fall jeden Tag auf’s Neue spannend hier im Wald. Der Weg führt an Hängen aus Schiefer-Geröll entlang, wo sich die Murmeltiere wohlfühlen. So viele dieser braunen Pelz-Tierchen haben wir noch nie auf einmal gesehen. Es ist schon spät, als wir an einem Zelt vorbeikommen, vor dem zwei junge Mädels den Sonnenuntergang genießen. Sie sind sehr euphorisch, freuen sich über ihr kleines Abenteuer in der Natur und sind total begeistert über unsere Erzählungen vom CDT. Am Ende des Tages finden wir einen schönen Zeltplatz auf grüner Wiese mit rauschendem Bach im Hintergrund. Haben wieder ohne große Anstrengung die 30 Kilometer erreicht. Das Einzige, was stört, ist die Mückenplage.

Manchmal kommt es anders, als man denkt. Praktisch seit Beginn des Trails habe ich immer wieder Probleme mit einem empfindlichen Zahn gehabt. Schon seit Dienstag habe ich das Gefühl, als ob eine Entzündung im Anmarsch ist. Nehme abends eine Schmerztablette. Mittwoch früh wache ich mit einer dicken Backe auf. So ein Mist ! Das sieht nicht so aus, als ob es von selber wieder besser wird. Antibiotika haben wir auf dem Boot, aber nicht im Rucksack. Wir müssen eine Lösung finden, wie wir von hier wegkommen. Es sollte schon eine größere Stadt sein, denn in den Dörfern gibt es keinen Zahnarzt. Und das Wochenende naht …. Wir laufen zum nahen Eddiesville Trailhead, wo es einen Parkplatz und eine Kompost-Toilette gibt. Hier beginnt der Gunnison National Forest. Wir hoffen, dass im Laufe des Tages ein paar Autos mit Wochenend-Wanderern ankommen, von denen sich dann Jemand erbarmt, uns in einen Ort oder zu einer besseren Straßen-Anbindung zu fahren. Also setzen wir uns am Parkplatz in den Schatten und üben uns in Geduld. Wir warten ungefähr eine Stunde, als nacheinander einige Hiker aus dem Wald kommen. So gibt es ein Wiedersehen mit Phil alias Mathador, den wir praktisch von Beginn an ( aus Lordsburg ) gelegentlich getroffen haben und sehr schätzen. Außerdem lernen wir den deutschen “ Treeman “ kennen, wirklich ein Baum von einem Mann. Wir schmeißen eine Runde Snickers und Müsli-Riegel auf den Markt, weil wir ja für 6 Tage Proviant im Rucksack haben. Hiker sind immer hungrig und nehmen jedes Extra-Essen gerne an. Unsere intensive Unterhaltung lässt die Zeit schnell vergehen. Dann kommt tatsächlich ein Auto, der einzige Wagen, der auf dem Parkplatz stand. Am Steuer eines der beiden jungen Mädchen, mit denen wir gestern kurz vor Feierabend noch nett gequatscht haben. Sie hat 5 Stunden Fahrt bis südlich von Denver vor sich. Als sie von unserer Situation hört und meine angeschwollene Wange sieht, da dürfen wir ohne Zögern unsere Rucksäcke einladen und einsteigen. Vom Trailhead aus sind es insgesamt 3 Stunden Fahrt, davon 2,5 Stunden über holprige Steinpisten mit tiefen Löchern drin. Sie muss den Wagen sogar mehrmals durch Wasser bugsieren, welches wie ein kleiner Fluss von links nach rechts die Straße überschwemmt. Normalerweise zelten wir nie in der Nähe eines Parkplatzes, weil wir gerne unsere Ruhe haben. Eigentlich wären wir auf einer 6-Tage-Etappe in der Einsamkeit unterwegs. Wir haben unser Lager nur in der Nähe des Wander-Parkplatzes aufgeschlagen, weil es gestern mit unserer Tages-Distanz gut aufgegangen ist und wir auf einen Picknick-Tisch zum Abendessen gehofft hatten. Was haben wir für ein Glück ! Wir werden tatsächlich bis nach Salida gebracht, für uns die optimale Lösung, weil wir hier sowieso hin müssen, um unser Paket von der Post abzuholen. Mehr als 5000 Einwohner, da wird es wohl auch einen Zahnarzt geben. Wir steigen im American Inn ab, einem sehr einfachen Motel am Stadtrand. Aber uns genügt es, und wir bekommen sogar 10,- Dollar Preisnachlass pro Nacht. In derselben Straße gibt es einen Zahnarzt, der hat jedoch am Freitag um 14.00 Uhr bereits geschlossen. In der Apotheke frage ich nach Antibiotika, aber die gibt es nur auf Rezept vom Arzt. Die nette Dame ruft noch bei einem anderen Zahnarzt an, leider auch keine Sprechstunde. Wochenende ! Ich soll zur Notfall-Ambulanz ins Krankenhaus gehen, Downtown etwa 5 Kilometer entfernt. Na, da habe ich ja gar keine Lust zu. Vor allen Dingen möchte ich erstmal duschen und saubere Klamotten anziehen. Thomas spricht dem Zahnarzt, dessen Praxis in der Nähe ist, auf’s Band und bittet um einen Termin für Montag. Derweil hat unser Hotelmanager angeboten, dass ich die Penicillin-Tabletten seiner Frau haben kann. Die hat sie von ihrem Zahnarzt bekommen, verträgt sie aber nicht. Ich vertrage normalerweise alles, einen Versuch ist es also wert. Mal abwarten, wie sich die Zahn-Entzündung entwickelt, und dann wird es hoffentlich am Montag einen Termin zur Behandlung geben. So schnell kann es gehen, dass man aussteigen muss. Gerade noch haben wir uns über 3 erfolgreiche Tage mit gutem Gelände und zufriedenstellenden Tages-Distanzen gefreut. Jetzt sind wir schon in Salida, wo wir eigentlich erst in 4 Tagen zu Fuß​ ankommen wollten, und wissen nicht genau, wie lange wir hier festsitzen werden. Aber damit muss man sich wohl abfinden – ein Beinbruch wäre schlimmer.

 
Salida ist eine sehr bunte Stadt, in der es ehrwürdige alte Gebäude, aber auch moderne Häuser mit gepflegten Gärten gibt. Grüne Parks, eine historische Altstadt, der Arkansas River und ein Hausberg locken viele Menschen an. Downtown kann man stundenlang durch Kunstgewerbe-Läden oder alternative Geschäfte, die verrückte Sachen anbieten, stöbern. Marihuana ist im Bundesstaat Colorado legal und wird in speziellen Shops verkauft. Die haben so klangvolle Namen wie : Green Solution, Botanico, Native Roots, Green Man. Das ist für uns schon ziemlich befremdlich im sonst so spießigen Amerika. In anderen Bundesstaaten wird man fast verhaftet, wenn man mit einer Bierdose in der Hand herumläuft. Touristen, aber auch ziemlich schräge Typen, prägen das Stadtbild. Etliche Harley Davidson-Maschinen rollen langsam durch die Straßen und werden vor den Cafés zur Schau gestellt. Adler sitzen entspannt auf Laternenpfählen, anscheinend ein ganz normaler Anblick für die Einheimischen. Wir haben ein Reh gesehen, das tagsüber den Highway 50 überquert, als wäre es hier zu Hause. Zum Glück nehmen die Autofahrer Rücksicht, und nichts passiert. Ein anderes Reh läuft am frühen Abend über den Parkplatz unseres Motels und direkt an unserem Zimmer vorbei. Alles fast so wie auf Norderney. 😉
Wir erleichtern unsere Rucksäcke, indem wir uns unserer Winter-Ausrüstung entledigen und diese im großen Paket voraus schicken. Wir sehen zwar noch Schneekappen auf den Bergen im Norden, aber jeden Tag wird es weniger. Ein paar 14000-er liegen demnächst noch auf unserem Weg, das sind Gipfel mit mehr als 4200 Meter Höhe. Aber bei durchschnittlich 300 Sonnentagen im Jahr und 14 Sonnenstunden pro Tag muss der Schnee doch im Juli endlich mal weg sein.

2 Kommentare zu “Creede bis Salida 21.06. – 24.06.2017

    1. Frauke

      Danke Ingrid !
      Der Zahn ist raus. Geht mir schon ganz gut. Morgen ist noch Ruhe angesagt, Mittwoch laufen wir weiter.
      Lieben Gruß sendet dir Frauke