Wir segeln und wandern durch die Welt

Culatra bis La Coruña – 2. Woche auf See

Frühmorgens schwimmen die ersten Delfine um unser Boot herum. Endlich sind wir aus der Starkwind-Zone heraus, und endlich können wir den richtigen Kurs anlegen. 🙂 Morgens zeigt sich das Wetter von der besten Seite. Der Wind hat nachgelassen, das Meer hat sich beruhigt, Sonnenschein gibt es gratis dazu. Schönstes Segeln, genauso haben wir unsere Atlantik-Überquerung in Erinnerung. 🙂 Thomas repariert den gebrochenen Block vom Groß und wechselt ihn aus. Danach beschäftigt er sich stundenlang mit dem Ausprobieren und dem richtigen Trimm der Segel. Bietet sich heute an, auf dem Vordeck herum zu turnen, wo doch das Boot endlich einmal ruhig durch’s Wasser gleitet. Am Nachmittag gibt es eine kurze Flaute, die uns aber bald einen Winddreher ganz nach Wunsch bringt. Wir gehen auf den anderen Bug, alle 3 Segel auf steuerbord, und können so tatsächlich direkt Kurs Nord anlegen. Ich habe schon fast nicht mehr dran geglaubt …. Dachte, dass wir bis zu den Azoren segeln, wo wir dann die Sabir und die La Belle Epoque treffen könnten. 😉 Okay, nun stimmt die Richtung. Wir sind auf dem Weg nach Hause.

Die Fußpumpe für den Salzwasser-Hahn an der Spüle ist schon wieder kaputt. Thomas hat das Teil erst vor wenigen Tagen ausgetauscht, allerdings nicht gegen eine neue Pumpe, sondern gegen die nicht benötigte aus dem Bad. Nun ist die also auch hinüber. Eigentlich kein Wunder, es ist eben alles alt. Also noch einmal aus- und wieder einbauen, neue Ersatzteile gibt es genug an Bord.

Nachts nimmt der Wind wieder zu. Der Klüver muss runter. Geschwindigkeit bei 7 Knoten, das haben wir mit der kleinen Walkabout nie erreicht. Ein Schiff kommt von achtern immer näher. Ich schalte für eine halbe Stunde zusätzlich zum Dreifärber das Dampferlicht an, damit wir besser gesehen werden. Damit habe ich bereits wieder unseren Energie-Haushalt geschrottet, die Spannung liegt nur noch bei 11,8 Volt. Ich bin sauer ! Das darf doch wohl nicht wahr sein …. Lampen, die man nicht anmachen darf. Dringender Handlungsbedarf ! Die rückwärtige Leuchte am Heck scheint gar nicht zu funktionieren. Auch das Radar bekomme ich nicht an, genau in dem Moment, wo ich es gebrauchen könnte. Vor ein paar Tagen beim Testen lief es noch, nun sagt es keinen Piep mehr und zeigt kein Bild. 🙁 Auf Norderney wartet zum Glück unsere Radaranlage vom alten Boot, die kann dann direkt auf den Plotter geschaltet werden. Bis dahin heißt es : Augen auf und besonders gut aufpassen. Ich werde vom Lärm des Windbaggers wach. Es hört sich an, als wäre das Ding direkt neben unserer Seekoje montiert, dabei sind es nur die Schwingungen der Reling, die sich auf die Bordwand übertragen. Bei wenig Wind ist es okay, bei mehr als 4 Windstärken ist der Wind-Generator unerträglich laut.
Samstag ist ein trüber Tag mit schlechter Sicht, Himmel und Meer sind gritzegrau. Draußen ist es wieder etwas ruhiger geworden, aber es sind immer noch 5 Windstärken als Grundwind, in den Böen mehr. Da freuen wir uns doch einmal mehr über unser geschütztes Deckshaus, in dem wir uns die meiste Zeit der Wache aufhalten. Unser Bordleben spielt sich nun auf der anderen Seite ab, seit wir gestern auf Steuerbord-Bug gegangen OP sind. Das Wasser in der Spüle drückt nicht mehr hoch. Ahhh – das ist also ein positiver Nebeneffekt vom Kurs-Wechsel.

Der Wind gönnt uns keine lange Pause. Die Wellenhöhe steigt, konfuse See aus mehreren Richtungen. Walkabout segelt wunderbar am Wind, aber so langsam reicht es mit dem ungemütlichen Gestampfe. Immer wieder taucht das Boot hart in ein Wellental ein, wird aufgestoppt und kämpft sich weiter vorwärts. In der Nacht haben wir erneut eine unangenehme Begegnung mit einem Schiff, welches sich langsam von hinten nähert. Es dauert mehr als eine Stunde, bis klar wird, dass es uns auf der Backbord-Seite überholen wird. Wir haben uns lange dagegen gesträubt, aber nun endgültig entschieden : ein AIS muss angeschafft werden. Und schon wieder 6 Beaufort, die ganze Nacht durch und auch noch am frühen Morgen. Immer auf die Nase, wir segeln ständig hoch am Wind. Wer hat sich bloß diese Route Anfang Mai von Süden in die Nordsee ausgedacht ? 😉 Wir gehen noch einmal gemeinsam die Bord-Elektronik durch. Diesmal springt das Radar sofort an. Kein Bedienungsfehler, ich habe alles genau richtig gemacht. Das Gerät ist in der Nacht nicht angegangen, weil wir nicht genügend Strom hatten. Wir werden es auf jeden Fall austauschen. Außerdem gefällt uns der Anbringungsort gefällt nicht. Dieses Radargerät ist nicht außen, auch nicht im Deckshaus, sondern unten im Boot montiert. Solche weiten Wege sind wir nicht gewöhnt. 😉 Ausschau, Seekarte, Kompass, Radar und Steuerung sollten dicht beieinander sein. So werden wir es bald einrichten, wenn wir den Karton mit unserem Radargerät an Bord gebracht haben. Die Aries quietscht und hat gut zu arbeiten. Aber sie hat uns positiv überrascht. Kein Grund, die Aries gegen unsere Windpilot auszutauschen, denn diese Windsteuer-Anlage funktioniert bis jetzt einwandfrei.

Die eingeholten Wetterberichte verheißen nichts Gutes. Bis auf eine leichte „Störung“ in 12 Stunden dürfen wir weiter gegen den Nordwind anbolzen. Und wenn wir die Biscaya erreichen, dann gibt es laut der aktuellen Prognose mehrere Tage nur Starkwind direkt von vorne. Da bleibt zu überlegen, ob wir uns nicht in eine geschützte Bucht an der spanischen Küste verziehen und abwarten, bis wir ein besseres Wetterfenster für die Biscaya erwischen.
Erneut schaukeln wir in einer hohen Dünung aus Nord. Durch das Gerumpel an Bord hat sich die Klappe unter unserem Bett in der Vorkoje geöffnet und ist aus den Angeln gefallen. Das ist in diesem Falle sogar gut, denn so sehen wir, dass ein darunter gestauter Wasserkanister kaputt gegangen ist. Ist nicht allzu viel passiert, nur etwa ein Liter Wasser im Unterbau der Koje ausgelaufen. Und Wasser gibt ja bekanntlich keine Rotwein-Flecken. 😉 Auch im Schrank unter der Spüle ist es nass. Kein Grund zur Besorgnis, nur ein weiterer Punkt, der verbessert werden muss. Wahrscheinlich ist die Fuge um die Becken herum nicht mehr dicht, so dass es von dort nach unten leckt. Aber auch das steht auf unserer Liste ziemlich weit oben : neue Spülbecken. Eigentlich möchten wir die ganze Pantry umbauen, aber das schaffen wir aus zeitlichen und finanziellen Gründen wahrscheinlich nicht bis zum Herbst. Da werden wir noch ein paar Monate länger mit der Küche leben müssen, wie sie jetzt eingerichtet ist. Wie gut, dass Thomas immer kocht. 🙂 Ein neues Rigg ist das Wichtigste, damit wir uns mit gutem Gefühl in entlegene Gebiete wagen können. Eine Stunde mit weniger Wind am Nachmittag nutzt Thomas aus, um an den Drähten zu schmieren und zu schrauben, die Unterwanten fester anzuziehen.

Nachts immer wieder dasselbe Spiel. Meistens gleich nach dem Abendessen legt der Wind zu, der Seegang steigt. Wir segeln die meiste Zeit nur mit Groß und Fock, um das Rigg und uns zu schonen. Und kalt ist es ! Kein Gedanke daran, draußen in der Plicht zu sitzen. Eindeutig die falsche Richtung um diese Jahreszeit, wenn man es gemütlich haben möchte. 😉 Wir haben etwas Wasser in der Bilge unter der Werkstatt. Woher ? Keine Ahnung. Vielleicht vom kaputten Salzwasser-Zulauf zur Spüle ? Es ist nur ein halber Liter, also kein Grund zur Besorgnis. Das müssen wir einfach nur weiter beobachten. Wir haben weiterhin Probleme mit dem Strom-Haushalt. Während der Nacht geht die Spannung in den Keller. Der Wind-Generator ist ab 5 Windstärken so laut, dass er mir Kopfschmerzen verursacht. Jetzt sind wir dazu übergegangen, alle überflüssigen Dinge wie Armaturen-Beleuchtung und Kompass auszustellen ( den Kurs gibt der Plotter ebenso gut an ). Der Motor muss gestartet werden, um Strom-Fresser wie das Horn oder das Radar zu betreiben. Das ist natürlich keine Lösung, aber so können wir uns helfen, bis auf Norderney neue Elektro-Geräte und Lampen eingebaut werden. Erneute Rigg-Kontrolle. Wir trauen den alten Drähten nicht so richtig, die nach jahrelanger Standzeit nun plötzlich belastet werden.

Wellenhöhe 4 Meter. Nieselregen. Es ist rattenkalt. Wenn wir nicht unser geschlossenes Deckshaus hätten, dann wäre es jetzt Zeit für den Faserpelz während der Nachtwachen. Alle 15 Minuten draußen Ausschau halten und dann schnell wieder unter die Wolldecke, das kann man ganz gut aushalten. Nass wird man hier drinnen auch nicht. 🙂 In den letzten 24 Stunden haben wir insgesamt 4 Stunden die Maschine im Leerlauf betrieben, damit sie die Batterien lädt. Von morgens bis abends Nebel, sehr schlechte Sicht. Inzwischen rattert der Windbagger an der Reling und raubt uns den letzten Nerv. Thomas experimentiert mit den verschiedenen Strom-Abnehmern herum. Ergebnis : Die Positionslampe im Top braucht genauso viel Strom wie das veraltete Radargerät. Beides zusammen geht nicht, auch nicht, wenn der Wind-Generator läuft. Wegen des dicken Nebels brauchen wir ab und zu das Radar, um einen Blick drauf zu werfen. Während dieser Zeiten muss Thomas unser Licht im Mast ausstellen. Was für ein blöder Zustand – das geht ja gar nicht !
Achtung, Schiffs-Verkehr ! Wir sind nur noch ca. 100 Seemeilen von der Küste entfernt und nähern uns dem Cap Finisterre. Stockfinstere Nacht, weiße Schaumkronen, eiskalter Wind und Meeresleuchten. Walkabout läuft mit 5 – 6 Knoten Richtung Norden und zieht dabei einen leuchtenden Schweif im Kielwasser hinter sich her. Der Wetterbericht hat sich zu unseren Gunsten geändert. Unsere eigenen Wetterkarten zeigen für die kommenden Tage umlaufende Winde in moderater Stärke. In der Funkrunde von Intermar wird es noch einmal bestätigt.

Am Nachmittag begleiten uns ein paar Delfine, die eine Weile neben dem Boot her schwimmen und ihre Pirouetten drehen. Ansonsten ist die Welt um uns herum sehr grau. Grauer Himmel, graues Wasser, graue Delfine …. allerdings kann man manchmal ein Stückchen weiß am Bauch aufblitzen sehen. Unser Kurs wird wieder schlechter. Der Wind hat deutlich abgenommen, kommt aber viel zu sehr aus Nord. Wir müssen nach Osten ausweichen und werden weiter in die Bucht der Biscaya vertrieben, als uns lieb ist. Endlich können wir das Reff aus dem Groß nehmen. Der Wetterbericht hat sich schon wieder geändert. Beim Funk-Kontakt mit Intermar erfahren wir, dass einige Tage mit konfusen Winden vor uns liegen. Es wird wieder viel aus Nord blasen. In 3 Tage soll es sogar Ostwind geben, damit können wir nicht durch den englischen Kanal nach Hause. Wir sind sehr unschlüssig. Abdrehen nach La Coruña und abwarten, bis sich die Situation verbessert ? Es wird mal wieder länger dauern. 😉 Nachts tasten wir uns in etwa 50 Seemeilen Abstand um den letzten Zipfel des Festlandes herum. Erneut sagenhaftes Meeresleuchten. 🙂 Mehrere Meter ums Boot herum glitzert das Wasser wie ein klarer Sternenhimmel. Reger Schiffsverkehr, und das bei schlechter Sicht. In einer Stunde haben wir 8 große Schiffe um uns herum. Das ist kein Spaß mit dem nur bedingt einsetzbaren Radargerät und der kleinen Funzel von Licht im Top. Wir entschließen uns dazu, einen Hafen anzulaufen, bis sich die Wetter-Bedingungen eindeutig verbessern. Die portugiesische Nationale wird eingeholt, die spanische Gastlandflagge wird gehisst. Wir werden die Zeit für einige Reparaturen nutzen und ein AIS bestellen. Damit unterteilen wir den Heimweg ungefähr auf halber Strecke. Bis jetzt haben wir 920 Seemeilen von Faro bis La Coruña zurückgelegt.

Neue Pläne reifen ! Waren wir doch bisher völlig unschlüssig, in welche Richtung wir im Herbst den Bug drehen und in welche Richtung es uns verschlagen wird ….. An Bord der Walkabout entstehen gerade einige interessante Ideen, die immer konkreter werden. Jetzt könnten wir gut See-Handbücher und Karten gebrauchen, um den zukünftigen Weg im Detail planen zu können. Gibt es aber erst auf Norderney, die genaue Ausarbeitung muss also etwas warten. Außerdem ist es möglich, dass die vor uns liegenden 1100 Kilometer auf dem CDT nochmal alles durcheinander würfeln. Beim mehrmonatigen Wandern sind schon mehr als einmal unsere Pläne über den Haufen geworfen worden, weil es immer wieder neue Augen-Öffner gibt.

2 Kommentare zu “Culatra bis La Coruña – 2. Woche auf See

  1. AKKA

    Spannend zu lesen (wie immer, danke!) Wieso ärgere ich mich eigentlich über kurzzeitige Amwindkurse? Ick werde an Euch denken in den nächsten Tagen…

    AIS ist eine wirklich gute Idee. Macht einen leider frühzeitig rappelig 😉 (wir lachen schon immer drüber, wenn in 48 Minuten eine Annäherung auf xy Fuß ansteht, meistens machen die Großen – wir sind „aktiv“ – sowieso Platz. Klasse, man sieht 3° Kursänderung und schon ist der Drops gelutscht). Aber lieber frühzeitig rappelig als die fette Überraschung vor dem Bug.

    Witzig übrigens – nicht getroffen, aber neulich den Ankerplatz in Deshaies geteilt: SABIR!

    Gute Reise Euch!

    Vielleicht gibt es ja auch eine Reise ins Masttopp und eine Großinvestition in eine LED-Lampe. Unglaublich, was die alten Leuchtmittel ziehen.

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Ja, das war auch immer meine Befürchtung …. zu viel Aufregung um Schiffe, die noch viel zu weit weg sind. So nach dem Motto : Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. 😉 Zumal immer einer von uns draußen Wache schiebt 24/7 . Aber hier am Cap Finisterre ist die Hölle los – völlig unentspannt. AIS wird sofort bestellt. Und neue Leuchtmittel …. Klaro. 🙂