Wir segeln und wandern durch die Welt

Dalton bis Hanover – Hanover bis Glencliff und zurück

120. + 121. Tag Dalton / Massachussetts

Dienstag, 15.07.                                             120. Tag

Bin die letzten Tage wieder stramm gelaufen, damit ich möglichst früh ankomme. Dalton ist ein netter Ort mit 7000 Einwohnern. Auch hier gibt es Cumberland Farms, wo ich einen neuen Protein-Drink entdecke : Core Power Energy-Shake mit 26 % Protein gibt es hier „zwei zum Preis von einem“. Eine Flasche deckt angeblich 52 % des Proteinbedarfs eines normal aktiven Erwachsenen. Da ich täglich etwa 6000 Kalorien verbrauche, müsste ich also 6 Flaschen am Tag trinken. Ich glaube, dann wird mir schlecht. Aber es hört sich gut an, und es gibt sogar Schokoladen-Geschmack.

Im Java Coffee Shop habe ich auf unserem AT 2012 die besten Blueberry-Muffins aller Zeiten gegessen, gegrillt und mit Butter. Dahin führt auch heute mein erster Weg. Danach ist es Zeit zum Check Inn. Bei Laura im Shamrock Village Inn bekomme ich ein richtig schön eingerichtetes Zimmer. Nicht ganz billig, eher mittlere Preisklasse, aber es ist gemütlich und sauber. An der Wand gegenüber der Rezeption befindet sich eine Pinnwand. Ich freue mich sehr darüber, dass ich unsere Summit-Karte aus dem Jahr 2012 dort hängen sehe.

Ich habe Schwielen in der rechten Handfläche von den Stöckern, aber sonst keinen einzigen Kratzer oder blauen Fleck. Die Regenwahrscheinlichkeit beträgt heute 80 %, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 93 %. Im Wetter-Kanal wird vor plötzlichen Überschwemmungen auf den Straßen gewarnt. „Flash flood warning in effect.“ Gut, dass ich hier bin !

Die Internet-Nutzung in der Bücherei ist auf 60 Minuten pro Tag begrenzt. Der Computer im Hostel an der Rezeption ist ein uraltes Modell und macht nicht so, wie ich das gerne hätte. Deswegen werde ich diesmal versuchen, möglichst viele Fotos einzustellen. Wahrscheinlich sind die Bilder vom Trail sowieso interessanter für die meisten Besucher meiner Seite. Ich selber habe das Gefühl, dass ich mich in meinen Berichten nach fast 4 Monaten ständig wiederhole. Deswegen gibt es heute weniger Text zum Lesen und dafür mehr Fotos !

Mittwoch, 16.07.                                              121. Tag

Aus 80 %  Regenwahrscheinlichkeit sind nun 100 % geworden. Heftiges Gewitter in der Nacht, es hat ordentlich geschüttet und regnet morgens immer noch. Ich bleibe gerne !

Nach meinem Frühstück im Bett mit Kaffee und Blueberry-Muffins von nebenan mache ich einen Ausflug zum 2 Meilen entfernten Walmart. Da bekomme ich so wichtige Dinge wie Moskitospray, After Bite, Sonnencreme und Puder zu einem günstigen Preis. Außerdem Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50, so hoch brauche ich eigentlich nicht, aber es war die einzig akzeptable Größe.

Ich werde den Tag nutzen, um meinen Rucksack zu nähen, ein paar Sachen mit der Hand auswaschen und mich mit der weiteren Planung beschäftigen.

Die nächste große Stadt wird Manchester in 82 Meilen Entfernung sein. Leider haben Mary und Frank, die ich dort zu treffen hoffte, nächste Woche keine Zeit. Wahrscheinlich muss ich trotzdem in die Stadt trampen, um neuen Proviant einzukaufen. Von Manchester aus sind es noch einmal knapp 100 Meilen bis nach Hannover, wo ich gerne 2 Tage bleiben möchte. Diese Stadt liegt direkt auf dem Trail und ist ausgesprochen Hiker-freundlich. Dort werde ich sicher mehr als eine Stunde in der Bücherei sitzen dürfen und weitere Bilder einstellen können.

122.-127. Tag Dalton bis Manchester / Vermont

Donnerstag, 17.07.                                          122. Tag

10.00 Uhr Start aus Dalton. Habe mich gleich zu Beginn verlaufen, weil vom Wander-Parkplatz aus so viele Wege in den Wald führen. Nach einer Viertelstunde ohne White Blaze bin ich umgedreht und habe schließlich meinen richtigen Trail gefunden.

Es hat sich ordentlich abgekühlt. Tagsüber liegen die Temperaturen zwischen 22 und 24 Grad Celsius, in der Nacht gehen sie auf 10 Grad hinunter. Für’s Laufen ist es so angenehmer. Ich schwitze nur noch ganz „normal“.

Nachmittags komme ich durch ein kleines Dorf namens Cheshire. Hier können Thru-Hiker im Haus der Kirche „St. Mary of the Assumption“ kostenlos unterkommen. Die Räume sind noch abgeschlossen, weil erst ab 16.00 Uhr Einlass ist. Aber im Foyer liegt ein dickes Buch zum Eintragen. Ich schreibe einen Gruß an Pfarrer David und meinen Dank für 2 trockene Nächte in 2012 hinein. Außerdem stehen dort mehrere Hiker-Boxen mit Geschenken. Nehme mir nur einen Protein-Riegel, eine kleine Tüte Trail-Mix sowie ein paar Pflaster mit, die ich hoffentlich nicht brauchen werde. Ein letzter Stopp an der Tankstelle, wo es Möhrenkuchen und noch einen leckeren Kaffee gibt.

Von nun an habe ich 8 Meilen Anstieg vor mir bis auf den Gipfel des Mount Greylock .

Freitag, 18.07.                                             123. Tag

Habe das erste Mal seit langer Zeit wieder in mehr als 3000 Fuß Höhe gezeltet. Dementsprechend kalt war es in der Nacht, und das trotz drei Schichten Kleidung.

Frühstück in der Bascom Lodge auf dem Gipfel des Mount Greylock. Dies ist mit 3491 Fuss der höchste Gipfel in Massachusetts. Meinen Müll kann ich leider nicht dort lassen, denn auch hier gilt das „Carry in – Carry out“ – Prinzip. Nur meine Cola-Dose, die ich in der Lodge teuer gekauft habe, die darf ich wieder abgeben.

Am Nachmittag laufe ich knapp eine Meile durch die Ortschaft North Adams, schmucke Häuser und gepflegte Gärten zu beiden Seiten. Aber hier gibt es keine Leckereien, noch nicht einmal einen Kiosk gibt es auf dem Weg. Klar, die Amerikaner haben ja auch gleich mehrere Autos pro Familie vor dem Haus stehen. Den Abstecher ins Zentrum spare ich mir, ich muss nicht schon wieder einkaufen.

Ein Grenzschild sagt : Massachusetts ist Vergangenheit, ab jetzt durchquere ich Vermont. An der Bundesgrenze befindet sich außerdem das südliche Ende vom Longtrail, der ab hier in einer Länge von 105 Meilen denselben Verlauf hat wie der Appalachian Trail.

Der Weg ist sehr matschig, so dass ich nur langsam vorankomme. Immer wieder muss ich über Steine balancieren, von einem Baumstamm zum nächsten springen oder einen Umweg machen. Trotzdem geht das nicht ohne nasse Füße ab. Manchmal kann man einfach nur mitten durch den Schlamm stapfen. Bin froh, dass ich hier nicht schon vor 2 Tagen unterwegs war.

Eine kleine Gardener Snake schlängelt sich am Wegesrand entlang und verschwindet schnell.

Habe Mühe, abends einen Zeltplatz zu finden, denn das Gelände ist entweder zu sumpfig oder sehr steil und felsig.

Samstag, 19.07.                                              124. Tag

Voll verlaufen ! Der Trail ist nach wie vor an einigen Stellen unpassierbar. Matsch und tiefe Pfützen bestimmen das Bild, in den Talsenken haben sich knietiefe Teiche gebildet. Das bedeutet, seitlich ausweichen und irgendwie dran vorbeilaufen. Dabei bin ich wohl vom richtigen Weg abgekommen. Als ich es endlich bemerke, kehre ich zunächst um. Aber es gibt zu viele Gabelungen, und auch die Seitenwege sind ordentlich breit und voller Fuß-Abdrücke. Ich verfolge zwei Trails, die beide in einer Sackgasse enden, aber die White Blaze finde ich nicht mehr. Ich folge einer ausgedienten Forststraße nach unten, in der Hoffnung, dass diese mich aus dem Wald heraus führt. Der Himmel ist komplett bewölkt, keine Sonne zu sehen. Deswegen weiß ich irgendwann noch nicht einmal mehr, ob ich nach Norden oder nach Süden laufe. Immerhin geht es bergab, das lässt auf ein Gap mit einer Straße hoffen.

Rote Hinweis-Schilder sagen : „Privat-Grundstück ! Betreten und Durchgang bei Strafe verboten !“ Die ersten beiden ignoriere ich einfach, denn ich will diesem Weg bis zum Ende folgen. Dann kommen zwei weitere rote Warn-Schilder, da wird mir schon etwas mulmig. Ich kann ja schlecht behaupten, dass ich die alle nicht gesehen habe. Ein letztes Privat-Schild, von da aus kann ich ein Haus ausmachen. Ich parke meinen Rucksack und die Stöcker, ziehe mir ein frisches T-Shirt an und wage mich weiter auf das verbotene Grundstück. Habe ein bisschen Angst, dass ich gleich erschossen werde. Aber so gefährlich wirke ich wahrscheinlich nicht …. Rufe vorsichtig „Hello“, schon lange, bevor ich das Haus erreiche. Die Tür geht auf, auf der Veranda erscheinen die Hausfrau und ihr erwachsener Sohn. Ich entschuldige mich mehrmals für mein unerlaubtes Eindringen und erkläre ihnen meine Situation.

Diese Leute sind total nett ! Aber sie wissen auch nicht, wo der Appalachian Trail ist. Und ich habe wirklich überhaupt keine Ahnung, wo ich hier gelandet bin. Zuerst einmal bekomme ich ein großes Glas Wasser angeboten. Dann werde ich gefragt, ob ich das Bad benutzen möchte, ob ich etwas essen will usw.

Ein Telefonat mit dem Vater und Google Maps bringen Klarheit in meinen Standort. Jane und Dan bieten mir an, mich mit dem Auto zum Trailhead zu fahren, was ich nur allzu gerne annehme. Es sind nur 10 Minuten Fahrt, dann sind wir an der Bennington Road, die mein nächstes Ziel gewesen wäre. Bin also gar nicht so weit aus der Richtung gekommen mit meinen Extra-Touren. So habe ich etwa 3 Meilen vom Appalachian Trail verpasst, dafür bin ich sicherlich 5 Meilen auf anderen Wanderwegen gelaufen. Ich werde von Mutter und Sohn sehr herzlich mit Umarmungen und vielen guten Wünschen verabschiedet.

Beim Umziehen auf der Toilette des Wander-Parkplatzes habe ich aus Versehen meine lange Unterhose liegen gelassen. Nun habe ich nur noch zwei Schichten für die Nächte, meine Leggins und die Trecking-Hose. Muss jetzt unbedingt darauf achten, dass ich mein Lager nicht in der Höhe aufschlage, bis ich meinen Schlafsack wieder habe.

Die Brücke über den Hell Hollow Brook ist gesperrt. Sie sieht auch nicht besonders vertrauenerweckend aus. An beiden Seiten rotes Flatterband und ein Verbots-Schild „Bridge closed“. Aber es gibt mehrere Stellen, an denen man den Fluss slalom-hüpfend auf Steinen überqueren kann. Das klappt sogar ganz gut ohne nasse Füße.

Seit gestern habe ich bereits mehrere Male Spuren von Elchen auf dem Weg gesehen. Habe ich gar nicht gewusst, dass es die auch schon hier in Vermont gibt.

Meine Schwielen in der rechten Handfläche haben sich zu einem nässenden Ekzem entwickelt. Wenn ich das nicht in den Griff kriege, dann muss ich mir im nächsten Ort cortison-haltige Salbe kaufen. Die gibt es hier in den USA rezeptfrei in jedem Supermarkt.

Sonntag, 20.07.                                                  125. Tag

Wache bereits um 6.00 Uhr morgens auf – es regnet. Also drehe ich mich nochmal auf die andere Seite und schlafe glatt 3 Stunden weiter. Später Start um 10.30 Uhr. Ich habe mich gerade von dem Gedanken verabschiedet, weiterhin 20 Meilen und mehr am Tag zu laufen. Die Berge werden immer höher, und mir fehlt abends schon eine Stunde Tageslicht. Also werde ich das Ganze mal etwas entstressen. Anstatt jeden Tag möglichst schnell und möglichst weit zu laufen, damit ich Montag am Mittag in Manchester bin, werde ich einfach kürzere Etappen gehen und somit die Stadt erst am Dienstag vormittags erreichen.

Der Regen hat’s nicht besser gemacht. Der Trail ist wieder sehr matschig. An manchen Stellen, wo die Trittsteine ganz verschwunden sind und eine sumpfige Brühe den Weg versperrt, da rechne ich beinahe damit, dass ich gleich ein Krokodil auftauchen sehe. Aber die gibt es hier wohl ( noch ) nicht. Dafür begleiten zahlreiche Salamander und Frösche meinen Weg.

Der Trail ist sehr schlecht markiert in Vermont. Das Problem ist, dass die Abbieger nicht gekennzeichnet sind. So läuft man normalerweise auf dem Weg geradeaus weiter. Einige Male gehe ich verkehrt, drehe aber immer gleich wieder um, wenn ich keinen White Blaze sehe. Hier laufen nicht nur der Appalachian Trail und der Longtrail parallel, sondern es gibt noch einige andere Wanderweg. Manchmal gibt es Hilfe von anderen Hikern, die die falschen Trails mit Barrikaden aus Stöckern und Zweigen deutlich absperren.

An der Kid Gore Shelter baue ich auf einem kleinen Stück Wiese mein Zelt zum Trocknen auf und haue mir beim Einschlagen der Heringe mit einem Stein auf den Finger. Der wird auch sofort blau, aber zum Glück ist der Fingernagel nicht angegriffen. Während ich dort auf einem Stein sitze und Pause mache, bekomme ich Besuch von gleich 3 Eastern Ribbons. Dann sind es 4, dann 5, zum Schluss liegen 8 Eastern Ribbon Snakes auf dem Felsen direkt neben meinem, zwei große, die anderen sind alle gleich klein. Und ich entdecke noch mehr um mich herum, im Gras, im Gebüsch, auf morschen Baumstämmen. Ich sitze mitten in einem Schlangennest ! Aber die sind zierlich und absolut ungiftig, die werden mir nichts tun.

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Gegen 17.00 Uhr bin ich schon wieder so hungrig, dass ich nicht auf den Feierabend warten kann. An der Story Spring Shelter gibt es gutes Wasser, da koche ich. Das ganze Prozedere mit Umziehen, Wasser holen, Auspacken, Kochen, Essen, Abwaschen, Wegräumen und wieder Umziehen dauert insgesamt 1,5 Stunden.

Von da aus möchte ich eigentlich noch 5 Meilen weiter, aber daraus wird heute nichts. An der nächsten Gravel Road wartet eine nette Trail Magic : Bier, Bier oder Bier – es gibt mehrere Sorten zur Auswahl. Ich nehme mir zwei Dosen mit für heute Abend, so muss ich am Fluss weniger Wasser aufladen.

Als ich endlich am Black Brook ankomme, da ist es bereits 19.20 Uhr. Nur noch eine Stunde Tageslicht, und hinter der Flussbrücke gibt es einen Campsite. Also Schluss für heute, obwohl ich nur 13,5 Meilen geschafft habe, das sind knapp 22 Kilometer.

Später Start, lange Pause zum Trocknen, Kochen unterwegs, dadurch habe ich einige Stunden verloren. Aber mein neuer Plan war ja, Manchester am Dienstag zum Frühstück zu erreichen. Das passt schon.

Montag, 21.07.                                                      126. Tag

Der Tag beginnt mit einem knapp 5 Meilen langen, anstrengenden Aufstieg bis auf den Gipfel des Stratton Mountain mit 3936 Fuß Höhe. Dort steht ein kleines, niedliches Haus, in dem ein caretaker-Ehepaar in den Sommermonaten wohnt. Vom Aussichtsturm bietet sich ein toller Blick über tiefgrüne Wälder und richtige Berge. Hier oben hat Benton MacKaye die Idee gehabt, den Appalachian Trail zu erschaffen.

Dieselbe Höhe gilt es danach wieder im Abstieg zu bewältigen, bis tief hinunter zum Stratton Pond. Der See ist über die Ufer getreten, so dass der Trail jetzt stellenweise ganz unter Wasser steht. Ab jetzt sind einige Shelter und Campsites gebührenpflichtig, wie es auch in den White Mountains die Regel ist.

Auch danach bleibt das Gelände sumpfig, jedoch führt der Weg heute zumeist über Holzstege und Brücken durch den Modder. Es sieht hier aus wie im Urwald, alles total wild und zugewachsen. Der Weg ist so schmal, dass keine zwei Leute aneinander vorbei passen.

Das Feld hat sich gelichtet. Es sind nur noch wenige Hiker gleichzeitig mit mir in Richtung Norden unterwegs. Dafür begegnen mir jetzt jeden Tag 1 – 2 Southbounder auf ihrem Weg zum Springer Mountain.

Eine ganz besonders schöne Aussicht über ein offenes Tal bietet sich vom Prospect Rock.

Heute habe ich schon um 17.30 Uhr Feierabend. Bin jetzt nur noch 1,5 Meilen von der Straße nach Manchester entfernt. Ich habe zwar große Lust auf ein richtiges Abendessen, aber um in die Stadt zu trampen, dafür ist es mir inzwischen zu spät. Als ich gerade alles zum Kochen bereitgestellt habe, da fällt mir auf, dass ich kein Wasser mehr habe. Dummerweise habe ich in alle drei Wasserflaschen Getränke-Pulver mit Zitronen-Geschmack geschüttet. Deswegen gibt es nur einen Protein-Riegel und eine Tüte Trail-Mix, dazu ausreichend Zitronen-Limo. So schlimm ist das im Moment nicht, denn ich hatte am Nachmittag schon etwas Deftiges : 2 Packungen Tunfisch mit Crackern. Und ich freue mich schon auf ein ordentliches Frühstück mit viel Kaffee !

Dienstag, 22.07.                                                   127. Tag

Ich hatte heute Nacht Besuch von einem Elch ! Das war wirklich ziemlich „scary“. War gerade zufällig wach, weil ich kurz vorher einmal raus musste, da höre ich das schwerfällige Traben oben auf dem Weg. Mein Zelt ist etwa 10 Meter unterhalb auf einer kleinen Lichtung aufgeschlagen, und genau dorthin wendet sich das große Tier, wie ich ganz deutlich an den Geräuschen ausmachen kann. Es stampft und knistert im trockenen Laub um mich herum, dazu schnaubt es die ganze Zeit gewaltig. Ich mache das Rotlicht meiner Stirnlampe an und sehe draußen eine Elch-Kuh, die meinen Hiking-Stock abschleckt. Ja …. Tiere lieben das Salz vom Schwitzen. Hoffentlich findet die Elchdame meine Schuhe nicht attraktiv, denn die stehen direkt vor dem Zelt-Eingang. Der Elch ist riesig, viel größer als ein Pferd, und ich sehe ihn ja zunächst nur aus meiner Liege-Position. Habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll. Irgendwann sitze ich senkrecht im Zelt, und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Nach einer Weile und vielem weiteren Schnauben entfernen sich die Schritte, aber ich kann nicht erkennen, ob das Tier nun ganz weg ist. Wieder einschlafen funktioniert eine ganze Weile nicht, zu viel Adrenalin im Körper. So etwas habe ich noch nicht erlebt, nur ein Bär im Stockdunkeln so nah wäre noch schlimmer gewesen.

Stehe bereits um kurz nach 9.00 Uhr an der Straße, nachdem ich mich stadtfein gemacht und meinen Rucksack regensicher abgedeckt  am Trailhead deponiert habe. Ein netter Section-Hiker nimmt mich mit und zeigt mir, wo ich am Besten meinen Einkauf erledigen kann. Mein Proviant ist verschwindend gering, es ist noch da : eine warme Mahlzeit, ein Protein-Riegel und ein halbes Glas Nutella. Also bedeutet das Groß-Einkauf, alles neu – und der Rucksack wird wieder deutlich schwerer.

Das Frühstücks-Cafe, in dem ich eigentlich einkehren wollte, ist leider vor 4 Wochen komplett abgebrannt. Deswegen bringt mich der Mann zu einem Bagels-Imbiss, wo es guten Kaffee und einen Bagel mit Rührei und Käse gibt. Danach checke ich das Angebot im Supermarkt ab, kaufe einen großen Becher Eis, einen Liter Kakao und eine Cola zum Sofort-Verzehr. Damit habe ich mir locker 3000 Kalorien zum Frühstück einverleibt. Puh – das ist schon wieder hart an der Grenze zum Schlechtwerden. Der Bauch drückt, ich mache erstmal einen Spaziergang zur 2 Meilen entfernten Bücherei. Die sind hier super-freundlich, ich darf unbegrenzte Zeit ins Internet. Deswegen werde ich gleich nochmal versuchen, ein paar Fotos einzustellen.

127.-133.Tag Manchester bis Hanover / New Hampshire

Dienstag, 22.07.                                               127. Tag

Es ist schon 17.30 Uhr, als ich endlich aus der Bücherei komme, und ich habe noch 2 Meilen zurück bis zur Stadt zu laufen. Großer Einkauf im Price Chopper, danach noch schnell ein Chicken Teryaki im Subway essen. Beim Trampen stehe ich heute länger als mir lieb ist. Schon wieder alles knapp, es wird bald dunkel.

Direkt am Trailhead gibt es einen Campsite, aber der ist mir zu nahe an der Straße gelegen. Also laufe ich noch ein Stück weiter den Berg hinauf, wo ich schon bald einen relativ flachen Platz entdecke. Ich muss ein paar Äste und Steine an die Seite räumen, aber um 21.00 Uhr steht das Zelt.

Ich habe einen ganzen Tag in Manchester verbracht, aber wieder keine Zeit zum Rumgammeln gehabt. Die Stunden in einer Stadt verfliegen immer so schnell.

Mittwoch, 23.07.                                            128. Tag

Mein Lagerplatz liegt relativ nahe am Weg und ist deswegen nicht zum Ausschlafen geeignet. Habe wie so oft am frühen Morgen einen steilen Aufstieg von 2,5 Meilen vor mir. Bei 500 Metern Höhenunterschied gerate ich gleich wieder ins Schwitzen, dafür werde ich aber auch mit einem außergewöhnlich schönen Frühstücks-Platz belohnt. Auf dem Gipfel des Bromley Mountain in 3260 Fuss Höhe befindet sich eine Ski-Station mit einer voll eingerichteten Hütte, die für Hiker geöffnet ist. Draußen auf der Veranda stehen Holzbänke mit Blick auf die Ski-Loipen und den Lift. Leider ist sonst von der Umgebung nicht viel zu sehen, denn der Gipfel ist komplett vom Nebel verschluckt.

Bergab bis zur Mad Tom Notch ist der Weg einfach zu begehen. Dort steht eine Wasserpumpe, die aber leider keinen Tropfen hergibt. Dann wieder hinauf zum Styles Peak mit 3394 Fuß, danach noch auf den Peru Peak in 3429 Fuß Höhe. Drei hohe Gipfel am Vormittag, damit ist der anstrengendste Teil für heute erledigt.

Am Nachmittag komme ich am Lake Griffith vorbei. Auch hier wohnt ein Caretaker im Zelt und kassiert Gebühren für’s Übernachten. Von da aus geht es stetig hinunter, immer von hohen Bäumen und dichtem Unterholz umgeben. Ich komme mir vor wie im Urwald, sehe kein Licht und keine Sonne mehr. Versuche stundenlang, eine SMS zu senden, habe aber nirgends Empfang. Das gelingt mir erst auf dem Gipfel des Baker Peak. Der steile Weg hinauf ist eine Kletterpartie über rauhe Felsen, eine willkommene Abwechslung zum dunklen Wald. Hier gibt es endlich wieder offene Sicht zu allen Seiten und ein Mobilfunk-Signal.

Auf den nächsten 5 Meilen gibt es 4 Shelter in kurzen Abständen, was zeigt, wie beliebt und begangen dieser Abschnitt Vermonts ist.

Es grummelt schon wieder eine ganze Weile am Himmel, das lässt nichts Gutes ahnen. Ich habe gerade meinen Rucksack beim Big Branch abgestellt, um dort mein Wasser zum Kochen zu holen, da fallen schon die ersten Tropfen. In einer Blitzaktion wird der Regenponcho über den Rucksack gebreitet und das Zelt mehr oder weniger auf dem Weg aufgebaut. Heute kommt hier sowieso niemand mehr vorbei. Muss aber trotzdem noch hinunter zum Fluss und werde dabei von einem heftigen Wolkenbruch nass bis auf die Haut. Gehe nackt in mein Zelt, die triefende Kleidung lasse ich gleich draußen liegen. Oh Schreck – ich sitze in einer Wasserpfütze ! Zelt undicht ? Aber das viele Wasser habe ich mit hereingebracht. Ich bin ja klitschenass, und meine Haare tropfen. Nachdem ich mich mit meinem eben noch sauberen Handtuch abgetrocknet und danach den Boden aufgewischt habe, bleibt es innen trocken. Es ist gerade erst 18.00 Uhr und schon Feierabend. Bin noch gar nicht müde. Leider hat mein e-book den Geist aufgegeben.

Donnerstag, 24.07.                                          129. Tag

Nachts um 2 Uhr musste ich einmal nach draußen – das war wirklich eklig. Aber bei der Gelegenheit habe ich gleich noch meine Sachen ausgewrungen und über das Brückengeländer gehängt, meine nassen Schuhe mit Papier ausgestopft sowie im Zelt Ordnung gemacht. Irgendwie war ich schon ausgeschlafen.

Ein Blick morgens aus dem Zelt ist trostlos, es ist immer noch neblig und feucht um mich herum. Beim Zusammenrollen meines Zeltes muss ich insgesamt 8 Nacktschnecken abpflücken. Wieder ein Fall von „Igitt !“.

Der Weg führt steil bergauf über Steine, dabei kommt mir die ganze Zeit fließendes Wasser von oben entgegen. Immer wieder wird erzählt, dass der Longtrail so schön sein soll – für mich war er die ganze letzte Woche nur unglaublich matschig.

Weiter geht der Trail auf schmalem Pfad über Geröll entlang des Little Rock Ponds. Hier höre ich Kinder-Gebrabbel und denke zuerst, dass ich mir das nur einbilde. Aber tatsächlich – da steht eine Familie mit drei Zwergen am Ufer. Die Kleinen sind zwischen 3 und 5 Jahren alt, total schmutzig, aber haben leuchtende Augen. Das erhellt diesen trüben Morgen ganz gewaltig. Der Vater trägt einen riesigen, vollgepackten Rucksack auf dem Rücken. Die Mutter hat auch nicht viel weniger zu schleppen, dazu noch ein Tragegestell für das jüngste Kind. Aber alle sind gutgelaunt und freuen sich über das Zeltlager am See.

Ich suche nach einer Lichtung für die Mittagspause, damit ich meine Sachen trocknen kann. Aber sowas gibt es hier momentan nicht. Der beste Platz ist ein relativ ebener Abschnitt, auf dem eine ganze Landschaft aus Steinmännchen aufgebaut ist. Jeder, der Lust hat und sich die Zeit nimmt, baut noch etwas dazu. Hier stelle ich das Zelt im feuchten Moos auf, hänge meine nasse Kleidung auf und mache geschlagene zwei Stunden Pause. Aber es trocknet gar nichts. Die Sonne schafft es kaum durch die dichten Bäume, zudem ist die Luftfeuchtigkeit enorm hoch.

Bin schon fast froh, dass es am Nachmittag wieder in die Höhe geht. Aber der Bear Mountain ist eine Enttäuschung. Anstrengende Kletterei über Felsen steil nach oben – und dann ist da gar nichts. Kein richtiger Gipfel, keine Sonne, keine Aussicht. Der Pfad verläuft einfach irgendwann wieder bergab, und das war’s. So langsam mag ich keine Bäume mehr sehen.

Gegen 18.00 Uhr habe ich endlich die erste schöne Aussicht des Tages. Von einem ausgesetzten Felsen aus gibt es freie Sicht auf den Flughafen von Rutland.

Ich habe mich dazu entschieden, schon heute zum Einkaufen in die Stadt zu trampen und eine Nacht im Hostel zu verbringen, da ich mein Zeug nicht trocken bekommen habe. Auf den letzten 2 Meilen überhole ich einen älteren Thru-Hiker, den ich gestern und heute schon mehrmals getroffen habe. Er wird 4 Wochen lang von seiner Frau mit dem Auto begleitet, wandert nur mit kleinem Tages-Rucksack und bekommt an jedem Parkplatz Sandwiches und kalte Getränke gereicht. Danach dann jeden Abend in ein anderes Hotel, Duschen, ordentliches Essen und ein richtiges Bett. Sehr komfortabel ! Ich bin ein bisschen neidisch auf diesen Luxus. Heute nutze ich die Gelegenheit eiskalt zu meinem Vorteil aus. Ich frage ihn, bis zu welcher Straße er läuft. Ja, genau dahin bin ich auch unterwegs. Seine Frau hat ein Hotel in Rutland reserviert, und natürlich nehmen sie mich gerne mit. So werde ich gegen 19.00 Uhr ganz bequem bis vor die Tür des Yellow Deli gebracht.

Im dazugehörigen Restaurant bekommen alle Hiker 15 % Rabatt auf Essen und Trinken. Ich bekomme vom Chef Aishi sogar 50 %. Seine Erklärung dafür : 15 % gibt es sowieso, 25 % für mich, weil ich den Rabatt-Coupon von Damascus bis hierher getragen und vorgelegt habe, und 50 % Ermäßigung, weil ich seinen Namen noch kenne. So komme ich zu einem genialen Abendessen mit Chef-Salat, frischgebackenem Brot und Käse-Kuchen mit Erdbeeren zum Nachtisch, dazu ein Glas Orangensaft – insgesamt für 8,- US$. Kennengelernt haben wir Aishi bereits bei den Damascus Trail Days 2012, und in diesem Jahr habe ich ihn in Damascus wiedergetroffen und kurz mit ihm geredet. Dafür gibt es nun 50 % auf alles, dies gilt sogar für Waschmaschine und Trockner.

Das Yellow Deli Hostel ist wunderschön, von innen wie von außen. Schade, dass wir vor 2 Jahren nicht dort übernachtet haben. Hier sind Männer und Frauen in getrennten Räumen untergebracht, was ich als sehr angenehm empfinde. Im 6-er Zimmer der Frauen schlafen außer mir noch 2 andere Mädels und Geisha, die hier in der “ Community “ wohnt und arbeitet. Es ist alles sehr gemütlich eingerichtet und picobello sauber. Richtige Matratzen, wohlriechende Laken und Kissen. Die Luft ist angenehm, es gibt eine Klimaanlage, und es stinkt nicht. In einem großen begehbaren Kleiderschrank hängt Kleidung zum Ausleihen, hauptsächlich Blusen und Röcke in der Art, wie sie von den Frauen in der Community getragen werden. Die Dusche ist genial. Im Badezimmer stehen sämtliche Sachen zur allgemeinen Verfügung. Da gibt es alles, was Frau sonst auf dem Trail nicht hat. Wohnzimmer und Küche werden von allen gemeinschaftlich genutzt. Alle Lebensmittel in der Küche dürfen wir einfach nehmen, dazu gibt es noch drei prallgefüllte Hiker-Boxen mit allem möglichen Kram. Außerdem werden wir von Aishi und Geisha für den nächsten Morgen um 7.00 Uhr zum kostenlosen Frühstück eingeladen. Bestes Hostel auf dem Trail – und das alles für 20,- US$ Donation. Hier könnte ich es länger aushalten.

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Freitag, 25.07.                                                  130. Tag

Hilfe, ich habe schon wieder verschlafen ! Die anderen drei Frauen sind aufgestanden und haben sich fertiggemacht, ohne dass ich etwas gemerkt habe. Netterweise weckt mich “ Ladyslipper “ um 7.15 Uhr, weil mein Platz leer geblieben war. Zum Frühstück gibt es so etwas wie Brotstücke mit Rührei vermischt in einer Schüssel. Dazu Toast, Bananen, Apfel- und Orangenschnitze, Kaffee, Milch und zwei Sorten Mate-Tee. Der Tisch ist schön gedeckt, im Hintergrund läuft leise Musik, alle erzählen der Reihe nach von sich. Richtige Wohlfühl-Atmosphäre ist das hier.

Nach einer Stunde müssen Aishi und Geisha an die Arbeit. Ich packe meinen Kram zusammen ( mit frisch gewaschener und trockener Kleidung ) und gehe zum nahegelegenen Walmart für den Proviant-Einkauf. Dort bin ich um 10.00 Uhr mit dem Hiker von gestern und seiner Frau verabredet. Wieder ein einfacher Weg zurück zum Trail, ohne dass ich Trampen muss. An der Straße stehen Schilder „Achtung – Elche kreuzen die Fahrbahn“.

Ungefähr nach 6 Meilen liegt ein Kunstwerk aus kleinen Ästen neben dem Weg mit der Aufschrift „500 miles left“. Das ist ein tolles Gefühl – schon so weit geschafft ! Diesen Ansporn kann ich sehr gut gebrauchen, denn vor mir liegen 7 Meilen Aufstieg. Lang und quälend, denn es ist wieder sehr heiß geworden. Das letzte Stück wird über steile Felsen geklettert, das raubt mir die letzte Energie. Aber oben auf dem Mount Killington erwartet mich ein Pausenplatz, wie man ihn sich schöner nicht wünschen kann. Da bleibe ich doch gerne etwas länger, um mich auszuruhen.

Danach geht es gnädigerweise nur noch bergab. Der Weg ist inzwischen wieder trocken, und ich kann sehr schnell laufen. Komme so gut voran, dass ich noch 7,5 Meilen weiter bis zu einem Seitenweg schaffe, den wir 2012 als guten Zeltplatz entdeckt haben.

Am Abbieger weist ein großes Holzschild darauf hin, dass die Grenze zu Kanada von hier aus nur noch 158 Meilen entfernt ist.

Samstag, 26.07.                                                  131. Tag

Habe sehr gut geschlafen, mein Lager war weich und trocken. Schon nach 2 Meilen erreiche ich den Gifford Woods State Park. Hier gibt es Münz-Duschen, aber das muss ja nicht schon wieder sein.

Gleich danach liegt ein idyllischer See direkt am Trail, der Kent Pond. Es folgt ein steiler Aufstieg zum Quimby Mountain, danach ein ständiges Hoch und Runter für den Rest des Tages.

Ich mache einen Abstecher über einen Seitenweg zu „The Lookout“. Hier steht eine private Hütte, deren Besitzer sie aber für die Hiker offenlassen. Draußen führt eine wackelige Leiter zu einer Aussichts-Plattform aus Holz, von der man einen tollen Rundum-Blick hat. Vor 2 Jahren haben wir in dieser geheimen Shelter ganz alleine übernachtet, aber jetzt ist es noch zu früh, um den Tag zu beenden.

Das Wetter ist richtig gut zum Laufen, heute kann ich endlich mal wieder viele Meilen schaffen.

Abends erreiche ich den Ascutney Mountain, der nicht besonders hoch ist, aber trotzdem eine schöne Aussicht bietet. Und ich habe Glück, denn auf dem Gipfel gibt es einen geraden Platz für mein Zelt.

Ich habe meinen Kamm verloren, der wird wohl gestern im Hostel liegengeblieben sein. Und die Batterie-Abdeckung meiner Stirnlampe ist weg. Die Lampe geht nicht mehr an, also habe ich  diesen Abend kein Licht und muss schon früh schlafen. Kein Problem !

Sonntag, 27.07.                                                    132. Tag

Der Gipfel war nicht besonders hoch, die Temperaturen deswegen in der Nacht gut auszuhalten. Und ich habe morgens direkt Sonnenlicht im Zelt. Da kann ich leicht früh aufstehen und weit kommen. Zunächst suche ich draußen nach der Abdeckung für meine Lampe und finde sie schon bald dort, wo mein Rucksack gestanden hat. Da tut sich immer noch nichts, aber nach einem Batterie-Wechsel gibt es wieder Licht.

Kaffee bei der “ On the Edge Farm “ fällt aus, obwohl sie nicht weit entfernt vom Trail liegt. Die öffnen vormittags um 10.00 Uhr, jetzt ist es aber erst 7.30 Uhr.

Ein ständiges Bergauf und Bergab heute, aber insgesamt nicht besonders anstrengend. Ich bin nicht mehr ganz so dicht von dunklem Wald umgeben. Auf dem Weg genieße ich einige lohnenswerte Aussichtspunkte, die in den letzten Tagen kaum zu finden gewesen sind.

Komme an einem Schild vorbei, auf welches ein Hiker geschrieben hat : „If you are in doubt – the AT goes up !“ Wenn du im Zweifel bist ….. der At geht immer bergauf. Manchmal kommt es einem wirklich so vor.

Am Nachmittag führt der Trail durch das kleine Dorf West Hartford. Dort kann ich mich im kleinen Lebensmittel-Laden mit Kaffee, Eis und Hot-Dogs stärken. Bei Steve darf man in seinem wunderbar gepflegten Garten einfach so umsonst zelten. Aber es ist noch nicht die richtige Uhrzeit für mich, ich möchte lieber noch etwas weiterlaufen.

Bis nach Hanover schaffe ich es heute nicht mehr. Mein Ziel ist die Powerline 3 Meilen vor der Stadt, und diesmal habe ich Glück. Es gibt eine weite, ebene Fläche mit kurzgeschnittener Wiese ringsum die Hochspannungs-Masten. Es sieht so aus, als ob hier öfter gecampt wird. Ich habe viel Platz zum Auspacken und gemütlich Sitzen, dazu Licht von allen Seiten. Ich kann es jetzt wieder ganz gut draußen aushalten. Es gibt zwar noch Mücken, aber längst nicht mehr so viele, und diese sind relativ klein. Die Stiche sehen „normal“ aus, ohne Blutblasen oder Beulen, und verschwinden nach 2-3 Behandlungen mit dem After Bite-Stift wieder.

Montag, 28.07.                                                     133. Tag

Easy going ! Zuerst führt der Trail bergab, danach geht es etwa 2,5 Meilen entlang der Straße weiter. Gleich wenn man aus dem Wald heraustritt, fällt sofort auf, dass Hanover sehr Hiker-freundlich ist. Fast an jedem 2. Grundstück gibt es Trail Magic mit kalten Getränken und kleinen Snacks. Dazu viele Zettel mit Telefon-Nummern von Familien, bei denen man kostenlos übernachten kann sowie etliche weitere Hilfe-Angebote. Und es stehen so viele Hiker-Boxen an der Straße, dass ich mir nicht die Mühe mache, in allen Kisten nach Brauchbarem zu suchen.

Beim Überqueren des Connecticut River stehe ich mit einem Bein in Vermont, mit dem anderen Bein in New Hampshire. Die Grenze verläuft mitten auf der Brücke. Ich habe nun meinen 13. Bundesstaat von insgesamt 14 entlang des AT erreicht.

Der Trail verläuft mitten durch die City, die sehr vom Studentenleben geprägt ist. Es gibt auffallend viele junge Leute, es wird Fahrrad gefahren, alle Thru-Hiker kommen irgendwann vorbei – richtig schön ist es hier. Ich habe Bagger’s wieder getroffen, bei dessen Familie ich in Pittsfield eingeladen war. Diesmal muss er seinen Rucksack selber tragen, er ist jetzt zu weit weg von zu Hause.

In einer Pizzeria gibt es für alle Hiker ein kostenloses Stück Pizza, Das Einzige, was dafür erwartet wird, ist eine Eintragung ins Logbuch. Dorthin führt mich mein erster Weg ( natürlich reicht ein Stück nicht aus für meinen Hunger ). Danach mache ich im gut sortierten Co Op einen kleinen Einkauf, bevor ich zum Trailhead Richtung Norden laufe. Am Eingang zum Wald hängt ein Schild „Camping verboten“. Aber ich folge trotzdem dem mir schon bekannten Seitenweg und baue mein Zelt möglichst weit entfernt vom Hauptweg auf. Ganz am Anfang steht noch jemand, ansonsten bin ich bisher alleine hier, aber das wird wahrscheinlich nicht lange so bleiben. Ich glaube nicht, dass es irgendwen stören wird, wenn der Platz sauber und ordentlich wieder verlassen wird.

Ohne meinen Rucksack geht es dann zurück zur Stadt, die mit gut 11000 Einwohnern eine angenehme Größe hat. Das berühmte Dartmouth College sowie mehrere bekannte Sportvereine haben hier ihren Standort. Dementsprechend ist das Publikum in Hanover jung und fit.

Bei der Metro Bakery kann man sich als Thru-Hiker umsonst einen Bagel abholen. Das passt gut, dazu kann ich meinen restlichen Käse essen. Kaffee gibt’s auch – was will man mehr ?

Das Richard W. Black-Seniorenzentrum bietet Duschen und Waschmaschinen für die Hiker an.

In der Bücherei waren die Angestellten vor 2 Jahren supernett, und heute mache ich wieder dieselbe positive Erfahrung. Kein Eintragen in eine Liste, kein Vorzeigen des Ausweises, kein Zeitlimit am Computer. Ich werde herzlich zum „Hanging around“ eingeladen. Man ist als Hiker sehr willkommen in Hanover. Ich entdecke Fotos von unserem gemeinsamen Thru-Hike mitsamt ausgedruckter e-mail an der großen Pinnwand. Freue mich riesig darüber, dass unsere Bilder hier hängen !

Ich bekomme in der Bücherei einen englischsprachigen Roman von Nicolas Sparks geschenkt, weil ich denen von meinem kaputten e-Book erzählt habe. Den Film dazu habe ich schon gesehen, daher dürfte das mit dem Lesen und Verstehen kein Problem sein.

Das Wetter sieht gar nicht gut aus. Der Himmel zieht sich zu mit dunklen Wolken, und es donnert schon wieder. Thunderstorm-warning ! Wie gut, dass mein Zelt bereits aufgebaut ist. Habe wieder Licht und etwas zum Lesen, muss nur noch kurz auf dem Weg bei Co Op etwas für den Abend einkaufen. Dann kann ich es mir gemütlich machen.

 

134. Tag Hanover / New Hampshire

Dienstag, 29.07.                                               134. Tag

Gestern habe ich den ganzen Tag in der Bücherei verbracht, und niemand hat sich daran gestört. Ein Gewitter nach dem anderen, dazu strömender Regen ohne Unterbrechung. Ich muss mein kleines Tarptent nochmal loben. Es ist zwar feucht von innen, hat aber die Wassermassen recht gut überstanden.

Ich werde schon um Viertel nach 5 in der Frühe wach – wieder von einem Elch, der schnaubend durch den Wald stapft und auch einen kurzen Abstecher in Richtung Campsite macht. Zum Glück kommt dieser nicht ganz so nahe an mein Zelt und läuft wirklich nur vorbei. Es dämmert bereits, ich liege hier nun schon seit mehr als 9 Stunden, bin eigentlich bereit zum Aufstehen. Wie gut, dass ich wenigstens etwas zum Lesen habe.

Muss lange auf meinen Morgenkaffee warten, denn der Co Op öffnet erst um 8.00 Uhr. Aber dann gibt es Kaffee, Kakao, Blueberry-Muffins, griechischen Joghurt mit Erdbeer-Honig-Geschmack, natürlich Sahne dazu, und einen Picknick-Tisch zum ordentlich Frühstücken.

Außer mir konnten wohl noch mehr Leute das Verbotsschild nicht lesen. Inzwischen stehen 8 Zelte auf dem kleinen Stück direkt neben dem Eingang zum Trail.

Wir haben uns dazu entschieden, dass ich bald nach Hause fliege. Es gibt eine sehr gute und günstige Busverbindung von Hanover aus bis zum Flughafen nach Boston. Vorher muss ich noch ein paar Dinge abchecken, e-mails schreiben und nach Glencliff laufen, um dort meine Pakete mit der Winter-Ausrüstung abzuholen. Es wäre gut, einen Platz zu finden, wo ich ein paar Dinge lagern kann, bis ich aus Glencliff wieder zurück bin. Die technisch sehr anspruchsvollen White Mountains und die Fluss-Durchquerungen in der 100-Mile-Wilderness werden wir zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gemeinsam in Angriff nehmen.

In der Pizzeria bekomme ich heute neben meinem Bezahlt-Stück gleich 3 Stücke Pizza geschenkt. Das ist mir gerade im Moment eigentlich zu viel, aber in der Cafeteria der Bücherei steht eine Mikrowelle, da kann ich mir den Rest später warmmachen.

Morgen möchte ich weiterlaufen, es sind nur 45 Meilen bis zum HikersWelcome-Hostel in Glencliff. Weil schon einige hohe Berge vor mir liegen – immerhin stehe ich direkt vor den White Mountains – plane ich für diese Strecke 3 Tage. Dann soll es auf demselben Wege southbound wieder zurück nach Hanover gehen.

135.-137. Tag Hanover bis Glencliff / New Hampshire

Mittwoch, 30.07.                                                   135. Tag

Um kurz nach Mitternacht wurde ich vom hellen Schein starker Taschenlampen und lautem „Hello !“ geweckt. Da standen zwei Polizisten in Uniform vor meinem Zelt. Einen Moment lang dachte ich, dass ich nun meinen Kram zusammenpacken und mein Zelt abbauen muss. Aber die beiden Beamten suchten irgendjemanden. Sie fragten mich, ob ich diesen Hiker kenne und ob hier noch mehr Zelte in der Nähe stehen. Dann entschuldigten sie sich für die Störung und verabschiedeten sich mit einem freundlichen „Have a good night.“

Später Start erst um 12.30 Uhr. Der Himmel ist bedeckt, es nieselt ganz leicht. Ich habe überhaupt keine Lust zum Loslaufen, bin mit dem Kopf und mit dem Herzen wohl schon viel zu sehr zu Hause.

Der Weg ist immer noch total matschig. Schon nach einer Stunde habe ich die erste blutige Schramme am Bein, und im Wald umschwirren mich sogleich die Mücken.

In der Pause kommt das Moskito-Spray großzügig zum Einsatz. Jetzt rieche ich schon wieder wie ein richtiger Hiker.

Danach wird alles besser. Der Himmel klart auf, die Sonne kommt heraus, aber es wird nicht zu heiß. Inzwischen habe ich mich „eingelaufen“. Es ist ein gutes Gefühl, wieder unterwegs zu sein.

Auch der Trail ist jetzt angenehm zu gehen, da kann ich nun gar nicht mehr meckern. Er führt zwar oedentlich bergauf, aber ohne schwierige Passagen.

Heute habe ich meinen ersten Doppel-Gipfel vor mir, den Moose Mountain mit South + North Peak. Normal anstrengend, aber nicht schlimm. Der Pfad geht einfach immer weiter in die Höhe, aber ich muss nicht klettern. Auf dem Süd-Gipfel komme ich bei strahlendem Sonnenschein an, fantastische Aussicht und lange Genießer-Pause. Der Abstieg vom Nord-Gipfel ist zwar ziemlich steil, aber immer noch ein richtiger Weg.

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Unten im Tal führt eine Brücke aus zwei halben Baumstämmen über einen Fluss. Einer der beiden Balken ist in der Mitte durchgebrochen, beide Enden liegen im Wasser. Der andere Teil sieht auch sehr morsch aus, aber er hält mich aus.

Auf Bretterstegen geht es durch ein sumpfiges Gebiet rund um einen Teich herum. Eine riesige Kröte erschreckt sich vor mir und taucht mit einem lauten „Platsch“ unter.

Am Abend finde ich die im A.T. Guide angegebene Wasserstelle nicht. In drei Talsenken muss ich über Trittsteine durch matschige Pfützen, auf denen auch ein bisschen Wasser steht. Aber das möchte ich nicht, da trinke ich lieber gar nichts. Habe noch eine halbe Flasche Gatorate, und das war’s dann. Beim Weiterlaufen entdecke ich schließlich doch noch einen kleinen Strom, der im Buch nicht angegeben ist, wahrscheinlich weil er nicht direkt am Trail liegt. Ich höre es seitlich unter mir plätschern und finde auch einen guten Weg dorthin. Mit zwei Flaschen Wasser im Rucksack bin ich nun wieder total unabhängig bei der Wahl meines Zeltplatzes.

Nehme deswegen noch einen weiteren Berg in Angriff und erreiche kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Holts Ledge. Ich habe tatsächlich noch 15,3 Meilen in Richtung Glencliff geschafft, obwohl ich erst mittags losgelaufen bin. Rechts vom Trail befindet sich eine steile Kante, hier geht es geradewegs in die Tiefe. Mehrere vorspringende Felsen sind als Aussichtspunkte markiert. Nachdem mein Zelt aufgebaut und das Lager eingerichtet ist, kann ich von hier aus die Lichter zweier einsamer Häuser im Tal sehen – sonst nichts. Gegessen wird im Dunkeln, es ist kühl und sehr windig hier oben, deswegen keine Insekten.

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Donnerstag, 31.07.                                                       136. Tag

Morgens stelle ich fest, dass eine Komponente meiner Wassertropfen leer ist. Bei näherer Untersuchung finde ich einen Riss im Schraubverschluss, dadurch muss die Flüssigkeit ausgelaufen sein. Naja, macht nichts, die restlichen paar Tage werde ich wohl auch ohne Wasser-Entkeimer überleben. Mein Snickers und der Müsli-Riegel sind hart, auch der Käse ist nicht zerlaufen. Es war kalt in der Nacht. Hier oben weiter im Norden scheint jetzt der Herbst Einzug zu halten. Nur noch eine weitere Nacht, dann habe ich meinen kuscheligen Schlafsack wieder.

Den Sidetrail zum Haus von Bill Ackerly lasse ich links liegen, obwohl es dort ein kostenloses Eis und Soda gibt. Um 8.00 Uhr morgens scheint es mir noch zu früh für einen Besuch zu sein, obwohl der mittlerweile 87-jährige Opa sicherlich schon auf seiner Veranda sitzt und auf Unterhaltung wartet.

Ich beginne den Tag mit einem Anstieg zu den Lamberts Ridge, wo die erste Pause auf den Felsen mit Aussicht geplant ist. Leider fängt es kurz vorher an zu nieseln, das finde ich nun nicht so passend. Leichter Regen in den nächsten zwei Stunden, aber ich bin damit ganz zufrieden, denn angesagt war Schlimmeres.

Von dort aus geht es weiter steil bergauf zum Gipfel des Smarts Mountain mit 3237 Fuß Höhe. Dieser Anstieg ist schon etwas anspruchsvoll, eine steile Kletterei über Felsen und Wurzeln. Manchmal muss ich die umstehenden Bäume zur Hilfe nehmen, um mich festzuhalten. An manchen Stellen sind Stufen aus Holzbalken angebracht. Als die Steigung fast senkrecht wird, da sind Eisensprossen in den Felsen geschlagen. Kurzer Abstecher zur Fire Wardens Cabin auf dem Gipfel des Smart Mountain. Das ist eine private Hütte, die netterweise von den Besitzern für die Hiker offengelassen wird. Der Abstieg gestaltet sich noch schwieriger, denn nun sind die Felsen nass und rutschig.

Unten im Tal saufe ich beim Balancieren über einen Sumpf ab, weil der morsche Baumstamm nachgibt und untergeht, während ich drüberlaufe.

Ein weiterer richtiger Berg liegt vor mir, der Mount Cube mit 2911 Fuß Höhe. Hier oben sieht die Vegetation schon ganz anders aus. Es wächst kaum noch etwas am Wegesrand. Die Baumgrenze ist zwar noch nicht erreicht, aber zwischen den Felsen stehen nur noch niedrige Tannenbäume.

Kurz vor Feierabend sehe ich an der Straße nach Wentworth eine große Plastik-Kiste stehen. Trailmagic leere Bierdosen.

Ich finde einen ausgesprochen schönen Campsite, bevor es auf den nächsten Hügel geht. Bin mit meinen gelaufenen 18,1 Meilen sehr zufrieden, denn die Berge waren ganz schön heftig. Sonnenuntergang ist jetzt schon gegen 20.00 Uhr. Freue mich auf zu Hause, bin aber auch ein bisschen traurig – meine letzten Nächte im Wald sind angebrochen.

Freitag, 01.08.                                                         137. Tag

Werde schon wieder um 5.00 Uhr morgens wach, weil ich komische Geräusche im Wald höre. Laute, hohe Schreie ganz in der Nähe von meinem Zelt. Sowas habe ich noch nie gehört, aber weil die Laute von oben kommen, vermute ich, es sind irgendwelche großen Vögel.

Bin sehr früh unterwegs, denn ich habe ja ein gutes Ziel : Glencliff, wo hoffentlich meine beiden Pakete mit Schlafsack und Winter-Kleidung bereitstehen. Einmal hinauf auf den Ore Hill und sanft wieder hinunter. Sehr schön einfach wird das heute.

Nach der Hälfte der Strecke mache ich Pause an einer Lichtung direkt hinter einem Wander-Parkplatz. Ich höre, wie ein paar Autos anhalten und eine ganze Horde Kids aussteigt. Eine Schulklasse macht einen Wandertag. Die Lehrer erzählen ihnen vor dem Start viel Wissenswertes über den Appalachian Trail. Irgendwann später muss ich die etwa 8 – 10 jährigen Kinder alle überholen. Sie sind inzwischen in zwei Gruppen aufgeteilt, Mädchen und Jungen brav getrennt. Staunende Blicke auf meinen großen Rucksack und die Iso-Matte, dann ein paar neugierige Fragen nach dem „woher“ und „wie lange schon“. Ein echter Thru-Hiker, der ganz aus dem Süden von Georgia kommt und seit mehr als 4,5 Monaten im Wald lebt ! Die Kinder bekommen fast den Mund nicht mehr zu vor Ehrfurcht. Plötzlich stellen sie sich alle der Reihe nach am Weg entlang auf und applaudieren. Viele gute Wünsche, Hände-Schütteln, dann bin ich vorbei und habe sicherlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Easy-Going ist heute angesagt auf diesen 10 Meilen. Es geht nur einmal über den Ore Hill, danach noch über den Mount Mist. Leider hat keiner dieser Berge eine Aussicht zu bieten.

Bin schon um 11.00 Uhr beim HikersWelcome-Hostel in Glencliff, wo tatsächlich meine beiden Pakete seit Ende Mai auf mich warten. Wo soll ich das Zeug nur alles lassen ? Mein Rucksack ist gestopft voll, und eine Tasche steht noch in Hanover, die muss auch noch mit. Ich frage nach einem Shuttle zurück, aber der soll 60,- US$ kosten, das ist mir zu teuer. John ist sehr hilfsbereit und telefoniert eine lange Liste von Trail Angeln ab, damit ich das Geld sparen kann. Leider erfolglos – entweder nimmt niemand ab oder sie haben keine Zeit oder die Strecke ist zu weit. Ich schaue mir kurz den Bunkroom an. Das ist ein typischer, unordentlicher und düsterer Hiker-Schlafsaal für 18 Personen. Und voll ist es, genau eine Matratze wäre noch frei für mich. Nein, danke, da laufe ich lieber heute noch wieder zurück. Hier im Hostel steht eine Personenwaage, das wird spannend : 125 pounds zeigt mir die an, das bedeutet, ich habe insgesamt 17 Kilo abgenommen. Mein Handy-Akku ist leer. Der Computer ist besetzt, die einzige Anschlussbuchse ist mit einem e-book belegt. Das Ladekabel für die Steckdose habe ich nicht mitgenommen, sondern in Hanover gelassen. Der Chef gibt mir einen Adapter, aber der funktioniert leider nicht. Das Handy bleibt tot, so dass ich noch nicht einmal meine PIN-Nummer eingeben kann. Vielleicht erholt es sich ja unterwegs ein bisschen, damit ich mal ein Lebenszeichen nach Hause senden kann. Gehe nur eben kurz duschen, trinke zwei Cola, esse ein Eis und eine Pizza, danach mache ich mich auf den Rückweg. Ich möchte dieselben Etappen gehen wie zuvor, das ist gut zu schaffen, und die Zeltplätze waren okay. Außerdem werde ich dann am Sonntag nicht zu spät in Hanover ankommen. Habe dort etwas außerhalb ein Zimmer reserviert und möchte diesen Luxus natürlich nach 5 anstrengenden Tagen im Wald so früh wie möglich genießen.

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137.-140. Tag zurück nach Hanover

Freitag, 01.08.2014 bis Montag, 04.08.2014

Die erste Nacht mit meinem Daunen-Schlafsack war viel zu warm ! Ohne lange Hose und ohne Socken, nur mit Trägertop bekleidet, habe ich trotzdem noch geschwitzt. Es war wohl doch eine gute Entscheidung, das Ding nicht über den Sommer zu schleppen. Und ich habe Hunger in der Nacht, mein Magen knurrt. Das muss in Zukunft anders werden.

Über meinen Rückweg gibt es nicht viel zu erzählen. Ich bin einfach mal ganz absichtlich von Norden nach Süden gelaufen und habe ein paar dumme Gesichter von entgegenkommenden Hikern gesehen. In umgekehrter Reihenfolge sind die Gipfel anscheinend leichter zu erklimmen. Es geht noch einmal über den Mount Cube, den Smarts Mountain, die Holts Ledge und den Doppel-Gipfel Moose Mountain. Ich hatte ja schon immer den Eindruck, dass die Berge northbound im Anstieg steiler sind als wenn man den AT von Maine nach Georgia geht. Zumindestens auf diesen 45 Meilen, die ich nun kurz hintereinander in beide Richtungen gemacht habe, scheint sich das zu bestätigen.

Der Weg ist endlich nicht mehr so matschig. Das Wetter bleibt gut, obwohl eigentlich Regen vorhergesagt war. Das hat den Vorteil, dass ich das Zelt trocken zusammenrollen konnte und nicht nochmal auspacken muss. Die letzten 10 Meilen sind einfach und superschön zu laufen, da komme ich wieder mit 3 Meilen in der Stunde voran.

Um 16.00 Uhr erreiche ich den Trailhead von Hanover, wo ich meine Sachen gelagert habe. Ich hatte einen Zettel mit in die Tasche gelegt „Please, leave it. I will be back in a few days.“ Das war die einfachste Lösung, und kein Hiker wird sich mit unnützem Kram beschweren. Heute liegen ein paar ausgemusterte Kleidungsstücke am Zeltplatz, da packe ich meine Stöcker und die Iso-Matte dazu. Beides hat seine Dienste getan, das muss ich nicht mit nach Hause nehmen.

Am Picknick-Tisch vor dem Co Op erlebe ich zum Abschluss noch eine große Überaschung : Ich treffe Jule mit ihrem Hund Lotta wieder. Das letzte Mal habe ich sie bei den Damascus Trail Days gesehen und danach komplett aus den Augen verloren. Dann gibt es auch noch ein Wiedersehen mit Siesta, der mir zu Beginn und in den Great Smokey Mountains ein fast täglicher Begleiter war. Auch er ist damals von Pearisburg nach Damascus zurückgefahren, und seitdem haben sich unsere Wege nie mehr gekreuzt. Es ist schon ein komischer Zufall, dass ich ausgerechnet diese Beiden an meinem letzten Tag hier wiedertreffe.

In der Bücherei gebe ich das geschenkte, aber inzwischen durchgelesene, Buch zurück und bekomme dafür ein anderes. Ich bitte die nette Angestellte an der Rezeption, mir ein Taxi für den Weg zum Hotel zu bestellen. Aber die Dame ist so freundlich, dass sie mir anbietet, wenn ich noch eine Viertelstunde bis zur Schließung warte, dann bringt sie mich mit ihrem Wagen zum Sunset Motor Inn. Ehrlich gesagt – so etwas hatte ich gehofft.

Und ich bekomme noch ein letztes Gratis-Stück in der Pizzeria. Bin nun schon zum 4. Mal hier, so langsam wird es mir peinlich. Sollte ich morgen vielleicht doch lieber zur Abwechslung ins Subway gehen ?

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