Wir segeln und wandern durch die Welt

Doc Campbell’s bis Pie Town 03.05. – 12.05.2017

Wir sind total begeistert von unserem abseits gelegenen Campingplatz mit hohen Bäumen, die Schatten spenden, eigenem Picknick-Tisch direkt neben dem Zelt und den drei heißen Quellen. Auf dieser Etappe gibt es keine Orte mit Motel und Komfort, also ist dieses eine gute Möglichkeit zum Ausruhen. Sehr zu empfehlen ! Nachdem wir gestern ausgiebig in den Hot Pools entspannt haben, folgte ein 11- stündiger Schönheitsschlaf. Nun haben wir uns genug ausgeruht und möchten beide weiter. Zunächst verdaddeln wir noch eine Stunde bei Doc Campbell’s mit Kaffee, hausgemachten Eis und Internet. Von dort aus laufen wir 5 Kilometer Straße bis zum Visitor Center. Die nette Rangerin gibt uns Informationen über die heimische Tierwelt, zur Umgebung und die aktuelle Wettervorhersage. Außerdem können wir uns einen Film über die Geschichte der Mogollon-Kultur und die Entstehung der Cliff Dwellings ansehen. Dieser Abstecher hat sich ebenfalls absolut gelohnt. Auf halbem Weg zu den Höhlen stellen wir unsere Rucksäcke ins Gebüsch und gehen unbeschwert weiter. In 7 Höhlen gibt es ungefähr 40 Räume aus der Mogollon-Kultur, von der Größe kleiner Einzelzimmer bis hin zu großen Gemeinschafts-Räumen. Ein gepflegter Rundweg führt uns vorbei an gut erhaltenen und restaurierten Relikten aus der Vergangenheit einer Gesellschaft, die vor rund 750 Jahren hier in den Felsen gelebt haben. 

Ein rundum schöner Nachmittag auf der Hochtour, einer Alternativ-Route in der Gila Wilderness, mit leichten Auf- und Abstiegen. Zum Ende des Tages verengt sich die Schlucht mehr und mehr. Wir laufen durch den Little Bear Canyon.
Hunderte von Metern hoch sind die Felswände, die uns zu beiden Seiten umgeben. Rot-weißes Gestein, Fels-Überhänge, dazwischen hohe Laubbäume. Die Landschaft ist wirklich spektakulär. Wir finden einen perfekten Zeltplatz direkt am Ende der Schlucht. Vor uns liegt wieder der Gila River und plätschert munter vor sich hin. Also genug Wasser für’s Abendessen und zum Trinken direkt vor der Nase. Für heute kommen wir ganz ohne nasse Füße davon. Morgen früh dürfen wir uns wieder in die kalten Fluten stürzen. Das wird dann auch die nächsten 50 Kilometer so bleiben. Man sagt, dass zwischen 180 und 250 Fluss- Überquerungen über den Gila River nötig sind. Das kommt ganz auf die gewählte Route und die Geschicklichkeit an.

Ist es eigentlich die Angst vor dem Verhungern, die uns viel zu viel Essen in ein 7-Tage-Proviantpaket stopfen lässt ? Auf jeden Fall haben wir mehr als genug, obwohl wir noch 10 Müsli-Riegel, eine Tüte Trail-Mix, Weingummi, Sonnencreme und Shampoo an andere CDT-Hiker verschenkt haben. Mein Futterbeutel liegt wie ein schwerer kompakter Stein im Rucksack und verursacht Rückenschmerzen. Schon nach wenigen Meilen haben wir unser erstes Tagesziel erreicht. Ein dünnes Rinnsal aus dem Berg lässt den Weg zur Jordan Hot Springs erahnen. Wir folgen dem Verlauf des warmen Wassers nach oben bis zu seinem Ursprung und finden eine traumhafte Kulisse vor. Eine richtig große Badewanne, idyllisch inmitten von Felsen und grünen Bäumen gelegen, tiefer als die Pools auf unserem Campingplatz. Dazu noch schön sauber, auf dem Boden weiße Kiesel anstatt Modder, angenehm temperiert. Und das Beste daran : Wir sind ganz alleine in diesem Paradies. Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, in dieser heißen Quelle ein Bad zu nehmen.

Der weitere Vormittag verläuft zunächst ereignislos. Große Vögel schweben über uns am Himmel, bunte kleine Singvögel hüpfen in den Bäumen um uns herum. Dicke Käfer, pelzige Raupen, Libellen, Echsen …. und dann sehen wir die Spuren eines Bobcats ( Luchs ) im Sand. Von dem Tier selber sehen wir leider nichts. Unzählige Male fjorden wir den Gila River. Der Fluss ist voller Leben. Dicke Forellen, Karpfen und Frösche schwimmen stromabwärts. Und dann sitze ich plötzlich selber drin. Einmal kurz auf einem glitschigen Stein ausgerutscht, das Gewicht des Rucksackes zieht mich herunter, und schon falle ich filmreif nach hinten. Sitze auf dem Po mitten im Strom, Klamotten bis zur Brust nass. Handy ist trocken geblieben, nicht wehgetan, alles gut. Thomas pflückt wieder Minze für unseren abendlichen Tee. Auch Brunnenkresse ist heute im Angebot. Die Schlucht, in der wir laufen, wird immer enger. Am Fuße einer der hohen steilen Felswände kriecht eine Schlange. Sie ist etwa einen Meter lang, zierlich, braun mit hübschem Muster und gelbem Längsstreifen. …. Etwas später entdecken wir einen Bärenhaufen vor uns. Das muss schon ein etwas größeres Tier gewesen sein. Nur eine halbe Stunde später nochmal Bärenkot auf dem Weg. Solche Portionen haben wir auf dem Appalachian Trail nie gesehen, obwohl wir doch im Shenandoah Nationalpark insgesamt 17 Bären-Begegnungen in einer Woche hatten. Immer wieder haben wir umgestürzte Baumstämme vor uns, die wir überklettern müssen. Sturm und Waldbrände haben in dieser Region ordentlich Spuren hinterlassen. Ein großer Hügel mit Totholz, locker geschichtet, da müssen wir auch noch drüber. Irgendwann bleibt Thomas beim Klettern an einem Stück Ast hängen und fällt. Wieder nichts passiert, weiter geht’s. In mehreren kleinen Becken paddeln Hunderte von Kaulquappen. Das muss ja eine wahre Frosch-Invasion werden, wenn die sich alle entwickeln. Und dann sehen wir endlich unseren ersten Bären – und was für ein stattliches Exemplar ! Er befindet sich am gegenüberliegenden Ufer des Flusses, also nur rund 20 Meter entfernt von uns. Als der Bär uns bemerkt, versteckt er sich zunächst hinter dichten Büschen. Wir bleiben einfach ganz ruhig stehen und warten, bis er erstaunlich behende den Hang auf der anderen Seite hinauf flüchtet. War das nun ein Schwarzbär ? Eigentlich sah das dichte Fell eher dunkelbraun aus. Vor lauter Begeisterung haben wir wohl nicht besonders gut aufgepasst und einmal das Fjorden verpasst. Zur Strafe müssen wir uns durch stacheliges Gestrüpp drängeln und schließlich an einer ziemlich steilen Felskante einige Balance-Akte vollbringen. Das habe ich ja gar nicht gerne zum Ende des Tages. Auf der anderen Seite des Gila River sieht das Gelände viel einfacher aus. Unser Weg war ziemlich blöd gewählt. Naja, man kann nicht immer alles richtig machen. Während des Abendessens summt und zirpt es überall um uns herum. Ein Grillen-Konzert begleitet uns in den Schlaf.

 

Die Lichtung, auf der wir zelten, sieht aus wie ein Versammlungsort irgendwelcher Huftiere. Dutzende von Abdrücken im weichen Boden, dazu liegen reichlich trockene Äpfel herum. Sowas wie Pferde-Äpfel, aber nicht vom Pferd, sondern kleiner. Kurz nach dem Start haben wir mehrmals einen strengen Geruch von Wildtieren in der Nase. Luchs oder Berglöwe werden in der Nähe sein, aber natürlich lassen die Raubkatzen sich nicht blicken. Dafür sehen wir genau gegenüber ein weibliches Deer, das ist ein etwas größeres Reh, hellbraun mit weißem Schwanzbüschel. Das Tier ist überhaupt nicht scheu, sondern spaziert eine Weile am anderen Ufer quasi neben uns her. Kurz darauf sind ganz deutlich die Abdrücke von sehr großen Huftieren im feuchten Sand am Ufer zu erkennen. Die werden wohl von einem Elk stammen. Der ist in unseren Zoos als Wapiti-Hirsch bekannt, von der Größe her zwischen Hirsch und Elch angesiedelt. Wir entdecken einen riesigen Tausendfüßler, der sich durch den Sand kämpft und sogar fotografieren lässt. Gestern haben wir unzählige Kaulquappen gesehen. Heute kommen wir an einem Tümpel vorbei, in dem sich viele fast fertig entwickelte Frösche tummeln. Die sind schon beinahe 10 Zentimeter groß, haben aber immer noch ihren langen Kaulquappen-Schwanz dran. Und überall springen Frösche verschiedener Größen ind Farben herum. Die Tierwelt hier am Gila River ist faszinierend. Ich glaube, wenn man sich eine Woche lang nur still am Ufer hinsetzen und beobachten würde, dann hätte man genügend Material für einen interessanten Tierfilm. Wir staunen über einen Stachelbeer-Strauch, der einsam an einem Felsen wächst. Stachelbeeren hier ? Ja, warum eigentlich nicht ? Leider sind noch keine Früchte am Strauch. Am Nachmittag zieht sich der Himmel zu. Donnergrollen über uns, erst weit entfernt, dann kommt das Gewitter langsam näher. Mehrere kurze Regenschauer, allerdings immer nur so kurz, dass wir kaum nass werden. Die Erde dampft, der Waldboden riecht moderig. Der Donner wird immer lauter, dann ein Blitz, dann wieder Sonnenschein. Als wir gerade eine Pause machen, da frischt der Wind heftig auf und ein Gewitterschauer ergießt sich vom Himmel. Sobald wir unsere Regenponchos angezogen und die Rucksäcke wasserdicht verpackt haben, da klart es wieder auf und wir können die Sonnenbrillen herausholen. Richtiges April-Wetter, und das im Mai ! Immerhin ist dieses der erste Regen, der uns auf dem Trail erwischt. Abends zieht noch einmal eine Front durch. Es ist kühl, dunkle Wolken ziehen schnell über uns hinweg. Wir beeilen uns mit dem Abendessen, verzichten auf den Tee und kommen trocken ins Zelt.

 

Es sind nur 6 Kilometer am Morgen, bis wir die ersten Anzeichen von Zivilisation entdecken. Ein langer Stacheldraht-Zaun, ein Staudamm, Parkplatz. Auf einem Schild kann man lesen, dass der Fang für jeden Angler auf zwei Forellen pro Tag limitiert ist. Wir finden, das ist eine sehr vernünftige Regelung, damit auch in ein paar Jahren noch Fische im Teich sind. Picknick-Tische, bärensichere Abfallbehälter und eine Kompost-Toilette gehören zu diesem Erholungsgebiet um den Snow Lake. Ein Auto parkt dort, ein Ehepaar mit erwachsenem Sohn steigt aus und macht uns ein unmoralisches Angebot. Vater und Sohn möchten ein paar Tage am Gila River wandern, die Ehefrau und Mutter bringt die Beiden nur und fährt gleich wieder nach Hause. Sie wohnt ganz in der Nähe von Pie Town, unserem nächsten Ziel, und bietet uns an, dass wir mitfahren können. Damit wären wir in knapp 3 Stunden in Pie Town. Bis dahin sind es noch knapp 100 Meilen, also mal eben 160 Kilometer, für die wir zu Fuß mindestens noch 5 Tage brauchen. Aber das geht natürlich völlig gegen unsere Hiker-Ehre. Wir möchten auch auf dem CDT ehrlich bleiben und wirklich jeden Meter auf dem Trail laufen. Also bedanken wir uns für das freundliche Angebot und setzen uns zu einer sehr windigen Pause an einen der Picknick-Tische. Eigentlich hatten wir gedacht, vom Snow Lake aus wird das Gelände einfacher und wir könnten richtig viele Meilen schaffen. Leider mal wieder Fehlanzeige ….. Es gibt viel zu viele Möglichkeiten, schmale Pfade gehen vom Parkplatz in alle Richtungen ab. Wir suchen und müssen andauernd stehenbleiben, um unser GPS zu checken. Ja, wir haben uns für den Continental Divide ein GPS zugelegt. Und seit Neuestem wissen wir auch, wie das Ding funktioniert. Aber es hält auf, ich bin schon leicht genervt. Wir sehen ein Schild vom Forest Service mit einer detaillierten Karte der Umgebung, wo seit Tagen Waldbrände lodern. Wir hatten schon bei Doc Campbell’s von diesen Buschfeuern gehört. Es brennt nord-westlich voraus, bis jetzt haben sich die Feuer aber noch nicht bis zum Trail ausgebreitet. Wir hoffen, dass die Lage so bleibt und die Waldbrände sich nicht in unsere Richtung ausdehnen. Weiter geht es. Manchmal müssen wir die Rucksäcke absetzen und auf dem Boden rollend unter Stacheldraht hindurch. Eine halbe Stunde später ist da schon wieder eine Absperrung mit Stacheldraht – das ist ganz schön lästig. Dann finden wir überhaupt keinen Pfad mehr, noch nicht einmal Spuren, denen wir folgen können. Wahrscheinlich sind alle anderen Hiker gleich auf der Landstraße geblieben, um ordentlich Tempo und Meilen zu schaffen. Wir laufen an einem Bach entlang, springen mal hier und mal dort drüber, balancieren auf Felsen, schließlich klettern wir einen steilen Hang hinauf. Irgendwie passt das alles nicht. Alle paar Minuten halten wir an, schauen auf unser GPS und müssen oft genug feststellen, dass wir falsch sind. Dann wieder umkehren, die richtige Richtung suchen und auf eine Spur hoffen. Inzwischen habe ich ziemlich schlechte Laune, denn wir sind bis zur Mitte des Tages noch nicht besonders weit gekommen. Geduld ist nicht meine Stärke. Aber dann sind wir endlich raus aus dem undurchschaubaren Gelände. Nun müssen wir nur noch stundenlang einer Schotterstraße folgen, die sich durch die Landschaft windet. Wir reden kaum miteinander, sondern geben richtig Gas. Insgesamt sind wir 5 Tage im oder direkt neben dem Fluss gelaufen. Unsere Beine sind zerschunden und mit blutigen Kratzern verziert. Ich bin froh, dass ich meine kurze Shorts nun wieder gegen eine lange Hose eintauschen kann. Meine Salomon-Schuhe zeigen erste Abnutzungserscheinungen. Der Oberstoff auf dem Fuß hat ein paar Löcher. Das altbekannte Problem : nass, trocken, nass, trocken, nass. Trotzdem sollen mich diese Schuhe noch mindestens bis Chama begleiten, am Liebsten sogar noch den Schnee in den San Juan Mountains überstehen. Meine dünnen Handschuhe zieren inzwischen auch zwei große Löcher. Eigentlich wollte ich die noch nähen, aber inzwischen ist Wegschmeißen und neue Handschuhe kaufen wohl die bessere Alternative. Am Ende des Tages kommen wir immerhin doch auf knapp 30 Kilometer. Thomas läuft noch einen Extra-Kilometer, um Wasser zu holen. Die Quelle, in deren Nähe wir unser Lager aufschlagen wollen, liegt leider nicht auf dem Trail. Der Weg ist weiter als angegeben, Thomas muss eine Weile suchen, kehrt aber schließlich erfolgreich mit 3 Litern Wasser zurück. Der Abend ist gerettet !

Der Wald um uns herum war in der Nacht unheimlich still. Und kalt war es ! Ich habe inzwischen zwei Schichten Kleidung im Schlafsack an. Sehr früh am Morgen werden wir von einem hartnäckigen Klopfen geweckt – ein Woodpecker ( Specht ) stört die Ruhe. Der Himmel ist grau bedeckt. Ein Tag ohne Sonnencreme und Hut. In unserer Pause ist es richtig kühl, das bedeutet, schnell ein paar Kalorien zuführen und lieber gleich weiter. Heute haben wir unsere Freude an Dutzenden von niedlichen Streifenhörnchen. Es sieht so aus, als ob alle gleichzeitig aus dem Winterschlaf erwacht sind und sich nun die kleinen Bäuche dick futtern. Sehr possierlich und gar nicht scheu sind diese Tierchen. Am Nachmittag geht es hoch hinauf bis auf 3000 Meter Höhe. Leichter Regen, dann Hagel, dann wieder Regen. Nicht besonders gemütlich ! Besonders blöd in dieser Situation ist, dass wir den Trail verlieren und querfeldein laufen müssen. Dann quälen wir uns einen supersteilen Hang hinauf, ohne Weg und durch stachelige Sträucher. Habe dabei einen Handschuh verloren und einen neuen Kratzer am Bein ( durch die Hose ). Wir sind länger unterwegs als geplant. Die letzten 5 Kilometer ziehen sich scheinbar endlos in die Länge. Wir laufen über mehrere hohe Berge durch eine trostlose Landschaft mit verkohlten Bäumen. Links voraus sehen wir dicke Rauchschwaden von Waldbränden. Gleich zwei Täler brennen offensichtlich immer noch. Dieses Mal kommen wir gut an den Buschfeuern vorbei. Im Sommer werden sicherlich noch einige Gebiete, durch die wir wandern, von Bränden betroffen sein. Unsere anvisierte Wasserquelle nach 32 Kilometern Marsch existiert leider nicht mehr. Deswegen müssen wir ungewollt noch ein Stück dranhängen. Endlich erreichen wir einen Teich, der wohl als Tränke für Rinder dient. Nicht schön, aber wir haben Hunger und möchten Tee zum Aufwärmen. Es wird ein langer Tag. Warm eingepackt sitzen wir im Dunkeln vor dem Zelt und essen. Beide Stirnlampen flackern nur noch, neue Batterien müssen her. In der Nähe jaulen Kojoten oder Wölfe. Es scheint richtig was los zu sein um uns herum, denn das Geheule geht die ganze Nacht hindurch weiter.

Während der Nacht hatten wir Temperaturen um den Gefrierpunkt. Regen und Hagel am Vormittag, es ist lausig kalt. Wir kommen durch ein Gebiet, in dem der Waldboden neben dem Trail noch qualmt. Die Luft ist trübe, es stinkt nach Rauch. Glück gehabt ! Hier ist das Feuer wohl gerade erst gelöscht. Vor uns sind ganz deutlich Pfoten-Abdrücke einer Raubkatze im Staub zu erkennen. Die sehen ganz frisch aus, aber vom Verursacher ist natürlich keine Spur zu sehen. Wasser wird seit Verlassen des Gila River wieder zum Problem. Wir müssen wohl oder übel aus einem Kuh-Teich unsere Flaschen füllen. Den Spuren und Hinterlassenschaften nach zu urteilen wird dieser Tümpel recht häufig von den Vierbeinern besucht. Leider macht unser mechanischer Wasserfilter Probleme – es dauert etwa eine Stunde, um einen Liter klares Wasser herzustellen. Wir haben zwar noch Wassertropfen zum Behandeln, aber damit bleibt es eine hellbraune Brühe. Ein junger Mann hat aufgeholt und gesellt sich in der Pause zu uns. Er lässt uns seinen Wasserfilter benutzen, damit macht er uns eine große Freude. Wir schenken ihm dafür ein Abendessen, da er sich anscheinend mit der Entfernung verrechnet hat und etwas knapp mit Essen ist. Das ist die Hiker-Tauschbörse, die meistens gut funktioniert …. wenn man Jemanden trifft. In einiger Entfernung liegt etwas mitten auf dem Weg, was aussieht wie ein Stofftier. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es ein toter Kojote ist. Man kann schon noch erkennen, dass es noch vor Kurzem ein sehr schönes Tier war. Nun sieht es leider nicht mehr so gut aus. Um uns herum ertönen die Schreie von Truthähne, die sich aber gut versteckt halten. Am Abend finden wir mal wieder eine angegebene Wasserstelle nicht, die Position stimmt einfach nicht. Diesmal haben wir vorgesorgt und genug dabei. Morgen früh können wir uns weiter den Kopf zerbrechen. Die Schuhe von Thomas gehen jetzt auch kaputt. Aber das ist ganz okay, denn damit ist er auf dem Appalachian Trail 2012 bereits 1000 Kilometer gelaufen. Meine Armbanduhr hat den Geist aufgegeben. Wahrscheinlich ist die Batterie leer, aber das Problem können wir erst in Grants lösen. Auch das GPS verlangt nach neuen Batterien, die haben wir natürlich zum Wechseln dabei. Mein Handy ist mausetot, das Akku ist leer. Jetzt haben wir nur noch das Handy von Thomas mit einem Viertel Ladekapazität. Das bedeutet, es wird nur noch ganz selten angestellt, damit wir im Notfall telefonieren können. Keine Fotos mehr mit dem Handy machen und nicht mehr abends meine Notizen schreiben – schade, aber darauf muss ich die nächsten Tage verzichten.
Die Fuß-Inspektion am Abend ergibt : Thomas hat eine neue Blase zwischen den Zehen, die verarztet werden muss, wahrscheinlich durch Reibung von Sand im Fluss entstanden. Ich habe einen dunkelblauen Zehennagel. Mal gucken, ob der noch zu retten ist oder ob ich ihn verlieren werde.

Wir haben offensichtlich gerade eine Schlechtwetter-Phase. Da müssen wir jetzt durch. Gejammert wird nicht ( oder nur ein bisschen ). In der Nähe unseres Lagers haben wir mehrere große Höhlen im Erdboden entdeckt, ganz so, wie wir sie am Anfang in der Wüste gesehen haben. Es scheint jeweils einen Ein- und einen Ausgang zu geben. Die Öffnungen haben bestimmt 50 Zentimeter Durchmesser. Wir tippen auf Kojoten-Bau, aber genau wissen wir es nicht. Am Morgen ist auch das Handy von Thomas entladen. Seit Verlassen unseres Motel-Zimmers in Silver City sind inzwischen 10 Tage vergangen. Alle Geräte sind platt bis auf das GPS. Wir brauchen dringend mal wieder eine Steckdose. An einem Wasserloch steht ein weibliches Deer mit Jungtier und starrt uns neugierig an. Wir können mehrere Vögel mit orangefarbenem Bauch ( Western Bluebird ) beobachten. Außerdem sehen wir noch einen besonders hübschen Piepmatz mit kobalt-blauem Gefieder ( Stellar’s Jay ). Das Wetter ist sehr unbeständig. Mit blauem Himmel und Sonne ist es mal kurz richtig warm, dann lassen uns plötzlich Wolken und viel Wind schlottern.

 

Bitterkalt ist es in der Nacht ! Es schneit ! Nicht schön, wenn man in der Nacht mal raus muss, um die Blase zu entleeren. Erst will man gar nicht aufstehen und versucht wieder einzuschlafen. Und dann dieses ernüchternde Gefühl, wenn man mit nackten Füßen in die Crocs schlüpft, diese aber mit einer Schneeschicht bedeckt und eiskalt sind …. Wir stapfen am Morgen immer weiter hinauf bis auf 3200 Meter Höhe. Der Himmel ist bleigrau. Eine Lücke in der Wolkendecke nutzen wir für eine schnelle Frühstücks-Pause. Kaum sitzen wir und haben ausgepackt, da fängt es leicht an zu schneien. Mittags-Temperatur 0 Grad. Unterhalb des Gipfels sehen wir den ersten Schnee, der liegengeblieben ist. Hier gibt es keinen Wald mehr als Schutz vor dem kalten Wind, sondern nur noch Krüppel-Bäume. Graupelschauer, Schnee und Hagel wechseln sich ab. Inzwischen habe ich dicke Socken als Handschuhe angezogen und friere trotz der Anstrengung. Wir marschieren volle 3 Stunden in heftigem Schnee-Gestöber. Dick vermummt, nur schmale Augenschlitze sichtbar, können wir nur wenige Meter vor uns gucken. Stillschweigend laufen wir, so schnell wir können, und sind froh, als wir endlich absteigen. Weiter unten im Tal sind die Temperaturen etwas moderater, wir haben eine Chance zum Trocknen. Und dann endlich mal wieder Trail Magic : An einem Forstweg stehen zwei Kanister mit Wasser. Wir füllen uns jeder einen Liter ab und freuen uns über dieses leckere saubere Wasser. Trinken kann man es so allerdings nicht, dafür ist es viel zu kalt. Kurz darauf haben wir noch ein schönes Erlebnis. Auf einer kaum befahrenen Landstraße kommt uns ein Wagen entgegen. Der Jeep hält bei uns an, ein Cowboy wie aus dem Bilderbuch steigt aus. Wir unterhalten uns eine Weile mit dem Mann, der hier in der Nähe wohnt. Zum Abschied wünscht er uns viel Glück auf unserem Weg nach Canada und schenkt uns zwei Dosen Bier. Die nehmen wir natürlich gerne an, weil wir sowieso bald den Tag beenden wollen. Man merkt, dass wir der Zivilisation näher kommen. Auf beiden Seiten der Straße ist alles eingezäunt. Überall stehen Schilder mit „Privat“ oder „Betreten verboten“ oder „Kein Durchgang“. Wir latschen immer weiter. Thomas hat 4 Liter Wasser im Rucksack, dazu die beiden Dosen Bier, ich zum Glück nur 2 Liter Wasser. Irgendwann reicht es uns ! Nein, wir klettern nicht verbotenerweise über einen Zaun …. aber da steht ein Tor einladend sperrangelweit offen. Wir nutzen die gute Gelegenheit und schlagen kurz vor Einbruch der Dunkelheit unser Lager auf einer Weide auf. Gerade, als das Zelt steht, da fängt es wieder an zu schneien. Danke an den unbekannten Farmer.

Früh aufgestanden, denn wir möchten nicht unangenehm auffallen. Außerdem haben wir keinen Proviant mehr. In der Pause gibt es Tee mit den letzten trockenen Keksen. Immer noch befinden wir uns auf 2600 Metern Höhe, aber der anfangs noch graue Himmel klart auf. Es wird endlich wieder wärmer. Bis nach Pie Town sind es noch etwa 25 Kilometer, die wir möglichst schnell schaffen wollen. Wir hoffen, dass wir dort rechtzeitig ankommen, um einen anständigen Kaffee und etwas Gutes zu essen zu bekommen. Laut unseren Informationen ist in diesem winzigen 180-Seelen-Dorf schon ab 15.00 Uhr alles geschlossen. Wir laufen die letzten 15 Kilometer einfach stramm durch und schaffen es, um 13.45 Uhr im Pie Town Cafe anzukommen. Es gibt noch Mittagstisch, dazu Kaffee für 1,- Dollar, mit drei Nachfüllungen. Dafür hat sich die Mühe doch gelohnt ! Bis hierhin haben wir ungefähr 600 Kilometer auf dem Continental Divide Trail zurückgelegt. In drei Wochen haben wir zusammen 12 Kilo abgenommen, die Hosen passen jetzt besser. Für die Nacht quartieren wir uns im sogenannten „Toaster House“ ein. Dieses urige Häuschen gehört Nita, einer sehr liebenswerten und herzlichen Dame. Früher hat sie selber hier gewohnt. Seit einigen Jahren stellt sie ihr Haus den CDT-Wanderern zur Verfügung. Wir können ein eigenes Zimmer beziehen, duschen, Wäsche waschen, die Küche benutzen. Eine kleine Spende in die Spardose, mehr wird nicht verlangt. Aber wie das an solchen Orten so ist …. es trudeln immer mehr Leute ein, die gerne hier übernachten möchten. Uns ist es schon wieder zu gesellig. Normalerweise schlafen wir früh, aber nebenan geht die rege Unterhaltung noch stundenlang weiter.