Wir segeln und wandern durch die Welt

Dubois bis Cody 08.09. – 13.09.2017

Die Nacht von Donnerstag auf Freitag verbringen wir wieder ganz alleine in unserem Häuschen. Sehr komfortabel, auch wenn wir auf dem Boden schlafen. 🙂 Wir verlassen die St. Thomas-Kirche erst gegen Mittag, nachdem wir gründlich geputzt und gesaugt haben. Müssen in Dubois gar nicht lange an der Straße warten, denn schon nach wenigen Minuten hält ein Auto. Wir lieben die Dörfer entlang des Trails viel mehr als die größeren Städte. In den kleinen Gemeinden sind die Menschen freundlicher und gesprächiger. Man findet sofort Kontakt und wird bereits nach zwei Tagen wiedererkannt und gegrüßt. Wir haben unseren Fahrer Steward vorgestern bei der Post kennengelernt und gestern beim Seminar für die Jäger nochmal getroffen. Nun hat er uns stehen sehen, ist extra umgedreht und bringt uns eben die 40 Kilometer bis zurück zum Togwotee Pass, wo wir am Dienstag ins Auto gestiegen sind. Der 2944 Meter hohe Gebirgspass ist Teil der Kontinentalen Wasserscheide und bildet zudem die Grenze zwischen der Wind River Range im Süden und der Absaroka Range im Norden. Die Gipfel der Berge am Horizont wirken verschwommen. Die Luft ist immer noch nicht gut. Wir sind froh, dass wir spätestens morgen Abend die Richtung wechseln und vor dem Rauch nach Nord-Osten ausweichen werden. Es sind etwa 8 Kilometer auf einer unbefestigten Straße bis zum Brooks Lake. Unterwegs kommen uns mehrere komische Vehikel entgegen, flach gebaut und dunkelgrau. So etwas habe ich noch nie gesehen, vielleicht sind das Militär-Fahrzeuge. Als wir den See erreichen, da sehen wir noch eines dieser Dinger auf dem Wasser. Aha – das sind Amphibien-Fahrzeuge für den Zeitvertreib am Wochenende. Am Brooks Lake gibt es gut eingerichtete Campingplätze mit Picknick-Tischen und festen Schränken aus Metall, die nach dem Verschließen von Bären ganz sicher nicht zu öffnen sind. Ein Rotschwanz-Bussard fliegt majestätisch über uns hinweg. Außerdem können wir einen weiteren Greifvogel beobachten, der sich einen Fisch aus dem See geholt hat und damit ewig lange seine Runden dreht. Wahrscheinlich fliegt er so lange herum, bis der Fisch endlich nicht mehr zappelt. Erstaunlich ist nur, dass der Vogel seine Beute so fest in den Krallen hat und nicht wieder verliert. Unser Weg führt eine Weile am See entlang, wo wir auf der anderen Seite einige hellbraune Tiere im Wasser entdecken. Es sind vier Weißwedel-Hirsche. Sie haben aus der Ferne Ähnlichkeit mit Antilopen, sind aber nicht ganz so schlank und elegant. Sehr scheu, denn sie rennen davon, obwohl wir noch weit weg sind. Auf dem Trail sehen wir die Abdrücke von Bären-Pfoten, wahrscheinlich vom Grizzly, wie wir gestern bei der Veranstaltung gelernt haben. Einfaches Gelände, sogar den Anstieg zum Bear Cub Pass merken wir nicht wirklich. Die ganz hohen Gebirgszüge liegen erstmal wieder hinter uns. An einem Bach bauen wir unser Zelt auf, hängen die Futterbeutel extra hoch und weit weg. Ein Cowboy kommt auf einem schönen Pferd angeritten, hinter sich her zieht er noch zwei vollbepackte Last-Tiere. Vorneweg tobt ein schwarz-graues Fellbündel mit Bären-Glocke um den Hals. Laut seinem Herrchen ist es eine Mischung aus Australian Shepherd und Texas Blue Lacy. Ganz besonders auffällig durch das zweifarbige lange Fell, unheimlich temperamentvoll und verspielt. Was für ein toller Hund ! Wir unterhalten uns eine Weile mit dem Mann, der ganz stilecht mit Lederhose, Hemd, Halstuch, Cowboy-Hut und Stiefeln gekleidet ist. Er erzählt uns, dass er alleine mit seinen Tieren unterwegs ist und die beiden Maultiere seine Camping-Ausrüstung für’s Wochenende tragen. Das ist ja verrückt ! Wieso braucht der so viel Zeug ? Wir tragen seit der mexikanischen Grenze alles im Rucksack. 😉

Beide haben wir mit Daunenjacken geschlafen, so kalt ist es bereits in der Nacht. Um 8.00 Uhr morgens stehen wir vor unserem ersten Hindernis. Ein Fluss muss überquert werden, und wir finden keine flache Stelle. Also Schuhe und Strümpfe ausziehen, barfuß in Crocs waten wir hindurch. Das Wasser ist eisig ! Uns stockt fast der Atem. Wir haben erst Anfang September. Sowas möchte ich mir im November gar nicht vorstellen. Wir wandern weiter im Bridger-Teton National Forest. Es geht immer über die Hügel, auf und ab. Viele Spuren auf dem Weg : Schwarzbär Vorderpfote, Grizzly Hinterpfote …. dann später nochmal ganz deutliche Abdrücke im Sand vom Grizzly vorne und hinten. Wir sind gute Fährtenleser geworden. 😉 Mittags müssen wir durch den Buffalo Fork auf die andere Seite queren. Mittlerweile scheint zwar die Sonne, aber das Wasser ist kein bisschen wärmer geworden. Wir laufen durch weite Regionen von angekohlten Baum-Leichen. In der Teton Wilderness muss es mal übel gebrannt haben. Sogar das Wasser aus dem Bach schmeckt rauchig. Beim Versuch, Wasser aus einer Quelle aufzufangen, bekomme ich leider keinen Tropfen in meine Tasse. Dafür rutsche ich aus, halte mich irgendwo fest und komme mit Ruß-geschwärztem Hemdsärmel wieder zurück. Am Nachmittag sind wieder einige kleine Bäche und Ströme im Weg. Auf Steinen oder Baumstämmen können wir trockenen Fußes drüber balancieren. Allerdings fasse ich dummerweise beim Überqueren eines breiteren Flusses einen angekohlten Baumstamm an. Schon habe ich wieder beide Hände und diesmal den anderen Ärmel total schwarz. Wir sehen überall Anzeichen von Bären, einige Haufen auf dem Weg, Abdrücke von Schwarzbären im Sand. Dann folgen wir längere Zeit ganz deutlichen Spuren von Grizzlys, sowohl Vorder- als auch Hinterpfoten, immer schön hintereinander und neben den Schuh-Abdrücken der Hiker. Es muss in diesem Gebiet wirklich eine Menge Bären geben, und sie laufen lustig über unseren Trail, wenn wir nicht hingucken. 🙂 Wir haben uns überlegt, dass wir unsere Haupt-Mahlzeit ab jetzt früher einnehmen, deshalb kochen wir bereits um 17.00 Uhr. Zum Einen, weil dann kein Essensgeruch beim Zelt entsteht und Tiere anlockt, zum Anderen, weil es abends schon empfindlich kalt wird. Danach können wir weiter laufen bis kurz vor Einbruch der Dunkelheit und relativ schnell im Zelt verschwinden. Den ganzen Tag haben wir nur einen entgegenkommenden Wanderer gesehen. Und überhaupt keine großen Tiere – eigentlich ein bisschen langweilig. 😉 Inzwischen haben wir schon mehr als 3000 Kilometer auf dem CDT zurückgelegt. Diese Distanz entspricht dem Te Araroa, Nord- und Süd-Insel zusammen. Ungefähr ein Drittel des gesamten Weges haben wir geschafft. Jetzt fehlt nur noch das bisschen Rest. 😉

Leichter Regen am Morgen. Bin nicht besonders motiviert, aber wir stehen trotzdem früh auf. Uns fehlt nun abends schon eine Stunde Tageslicht. Und es sind immerhin 35 Kilometer bis zu unserem reservierten Platz im Yellowstone Nationalpark. Für die kommenden Tage ist viel Regen angesagt, Mal sehen, wieviel wir davon abkriegen. Bisher haben wir ja meistens großes Glück gehabt mit dem Wetter. 🙂 Riesige Bärenpfoten auf dem Weg, nach dem Regen sind die Abdrücke nochmal besser zu erkennen. Schwarzbären und auch Grizzlys, große und kleine Bären hintereinander und nebeneinander. In dieser Region sind eindeutig mehr Bären-Spuren auf dem Trail als Schuh-Abdrücke von Wanderern. Da es sonst nicht viel zu sehen gibt, laufen wir zügig und schauen fasziniert auf die vielen Spuren im Sand. Lange Zeit folgen wir den Abdrücken eines Pumas. Es muss sich um ein erwachsenes Tier handeln, denn die Pfoten haben ca. 10 Zentimeter Durchmesser. Später entdecken wir noch Spuren einer kleineren Raubkatze, vielleicht von einem Luchs. In der Pause ist es so kühl, dass wir uns Pfefferminz-Tee kochen anstatt das kalte Wasser aus dem Bach zu trinken. Ungefähr in der Mitte des Tages verlassen wir den Continental Divide Trail. Ab jetzt werden wir eine Route laufen, die uns von mehreren anderen Hikern empfohlen wurde. Die Big Sky-Variante soll insgesamt schöner sein. Auf jeden Fall bleiben wir so mehrere Tage im Yellowstone Park, dem ältesten Nationalpark der Welt. Auf dem Original-CDT wären wir in 2 – 3 Tagen durch. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass unsere Strecke von den Waldbränden wegführt. Auf unserem GPS haben wir diese Route nicht, auch die Handy-App hilft nicht weiter. Wir müssen uns mit selbst ausgedruckten Karten und Kompass zurechtfinden. Wenn es Wege gibt, dann sollte das nicht weiter problematisch sein. Allerdings haben wir keine Meilen-Angaben, deswegen müssen wir unsere zurückgelegten Entfernungen anhand der gelaufenen Stunden schätzen. Wir kommen über den Two Ocean Pass und laufen lange am Atlantic Creek entlang. Die Teton Wilderness präsentiert sich heute wieder schöner. Gesunde Bäume, Wasserläufe, viel Grün, Sumpfgebiet und Berge. Der Yellowstone River schlängelt sich durch die Landschaft und muss mehrfach überquert werden. Dann geht es vorbei am Bridger Lake, den wir ganz knapp am Ufer entlang umrunden. Es fängt an zu regnen, aber gleichzeitig scheint die Sonne. Ein Regenbogen erscheint an der vor uns liegenden Felswand. Kurz darauf bildet sich ein doppelter Regenbogen hinter uns. Gegen 18.30 Uhr stehen wir endlich an der südlichen Grenze zum Yellowstone National Park. Ein schlichtes Holz-Schild auf einer Wiese, das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Aber wir befinden uns an einer Ecke des Parks, die nicht so sensationell und nicht so touristisch ist. Haben den ganzen Tag wieder keine Menschenseele getroffen. Es sind noch knapp zwei Stunden bis zu unserer reservierten Campsite zu laufen, und wir können uns gleich in der Navigation mit unseren Papierkarten üben. Verwirrend viele schmale Wege gibt es hier, dazu kommen natürlich unzählige Trampelpfade von den großen Tieren. Ein riesiges Geweih liegt am Wegesrand, noch komplett mit dem Schädel verwachsen und sehr gut erhalten. Erstaunlicherweise fühlen sich die Knochen ganz weich und seidig an, wie poliertes Elfenbein. An lebenden Tieren sehen wir auf dem Yellowstone River besonders hübsche Enten mit grünem Hals und blauem Kopf. Das sind nordamerikanische Pfeifenten. Außerdem sitzen am Ufer riesige gänseartige Vögel, die beinahe die Ausmaße von Emus haben, wie sie da so im Gras hocken. Wir können Trompeterschwäne beobachten, die mit einer stolzen Körperlänge von 150 bis 180 cm wirklich riesig aussehen. Die Flügel-Spannweite misst über 2 Meter. Die Schwäne unterhalten sich lautstark und in noch nie gehörten Tönen, bevor sie sich in die Luft schwingen und davonfliegen. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit erreichen wir den Abzweiger zu unserem reservierten Platz. Müssen noch einen Kilometer extra auf schmalem Pfad durch Sumpf und Gebüsch, weil er so weit abseits liegt, haben aber dafür eine Vorrichtung zum Aufhängen des Proviants und einen Bach gleich neben dem Zelt.

Rauhreif auf dem Zelt und auf den Wiesen. Beim Start ist es noch lausig kalt. Wir werden beim Rückweg zum Trail schon patschnass durch die tropfenden Gräser. Die Hügel und Felder leuchten gold-gelb in der aufgehenden Sonne. Vielleicht kommt daher der Name “ Yellowstone “ ? Es hat erneut geregnet. Im Schlamm sind natürlich alle Spuren besonders gut zu erkennen. Wir entdecken Abdrücke von Bären-Pfoten, die größer sind als die Wander-Schuhe von Thomas. Die Umrisse überragen den Abdruck von Thomas um mehrere Zentimeter, obwohl seine Hiking-Boots zwei Nummern größer als normal und extra-weit sind. Eindeutig Hinterpfoten vom Grizzly. Wir finden ein weiteres gewaltiges Geweih neben unserem Pfad, völlig intakt und noch fest am Schädel, genau wie das von gestern. Seltsames Jaulen und unbekannte Schreie von größeren Tieren, aber wir entdecken erstmal nichts. Wir hoffen natürlich, dass wir die eine oder andere Spezies bald live und in Farbe zu sehen bekommen. Auf Grizzlys bin ich nicht so scharf, aber ein paar Bisons wären schon toll. 😉 Nicht ganz so mächtig, aber ziemlich selten ist der Baumstachler, der uns bald darauf in die Quere kommt. Wir haben in New Mexico einmal ein Exemplar gesehen, dass aber blitzschnell hoch in die Bäume geklettert ist und sich sofort versteckt hat. Dieser Baumstachler ist nicht besonders ängstlich, sondern macht sich ganz gemächlich davon. Ich gehe auf Verfolgungsjagd, steige vorsichtig über ein paar morsche Bäume und finde das Kerlchen völlig entspannt im Gras sitzen. Was für ein merkwürdiges Tier ! 😉

Im weiteren Verlauf finden wir immer mehr Bären-Spuren. Und dann plötzlich entfährt Thomas ein erstauntes “ Oha ! “ . Er steht vor einem Riesen-Haufen. Dem Bären, der das fallengelassen hat, möchten wir lieber nicht begegnen. Ich muss unwillkürlich an Godzilla denken, der sicher hier irgendwo in den Wäldern haust. 😉 Die von uns ausgesuchte Strecke durch den Yellowstone Park ist wirklich total einsam. Wir treffen keine CDT-Hiker, keine Tages-Wanderer, noch nicht einmal Spaziergänger. Auch alle Campsites, die wir passieren, sind völlig verwaist. Anscheinend wandern wir alleine in dieser Süd-Ost-Ecke des Nationalparks. Der Weg heute ist zwar schmal und zugewachsen, aber ganz einfach zu finden. Meistens folgen wir dem einzigen Pfad und brauchen nur einmal abbiegen auf den Mountain Creek Trail. Von da aus geht es mehrere Kilometer steil bergauf. So haben wir schon lange nicht mehr gekämpft und geschwitzt. Wir müssen über den knapp 3000 Meter hohen Eagle Pass, der seinem Namen wirklich alle Ehre macht. Tatsächlich hören wir die Rufe von Adlern schon lange, bevor wir uns dem Adler-Pass nähern. Oben auf dem Eagle Pass steht ein kleines Tor aus Holzbalken. Das Tor zum Yellowstone Nationalpark – und schon sind wir wieder raus. Der Grat, über den wir soeben gekommen sind, bildet die Ost-Grenze vom Nationalpark. Oben auf dem höchsten Punkt hat sich ein Künstler ein Denkmal gesetzt. Da steht ein verrostetes flaches Blechschild, auf dem mit schwarzem Edding eine Gebirgs-Landschaft gemalt wurde. Gar nicht so schlecht. Auf jeden Fall ist dieses ein außergewöhnlicher Platz für so ein Gemälde. 🙂 Auf der anderen Seite führt unser Pfad in Serpentinen, aber immer noch steil genug, ewig lange abwärts bis in eine Schlucht. Gift für die Knie von Thomas. 🙁 Unten sprudelt ein Bach, an dem wir kurz Pause machen. Danach bewegen wir uns in der Washakie Wilderness. Und wild ist die Landschaft hier wirklich, ein enges Tal voller umgestürzter Bäume und dichtem Unterholz. Wir laufen auf einem schlammigen Pfad zwischen Felsen und dichtem Wald. Dunkel ist es, direkt ein bisschen unheimlich. In der Dämmerung meinen wir beide, eine Bärenhöhle gesehen zu haben. Ein schwarz gähnendes Loch in der Felswand, die Öffnung nicht einsehbar und groß genug für alles Mögliche. Um 20.00 Uhr finden wir zum Glück einen ziemlich lichten Platz für unser Zelt und hängen die Futter-Beutel weit weg. Eine Viertelstunde später ist es bereits zappenduster.

Wir haben den Yellowstone Park bereits wieder verlassen, weil wir zum Einkaufen in die Stadt Cody trampen wollen. Die Erde ist feucht. Daher sind die Spuren auf dem Weg morgens besonders deutlich erkennen. Da ist vor Kurzem ein Bär entlang gelaufen, Typ Grizzly, aber nicht besonders groß. Die einzigen Abdrücke im nassen Boden sind diese Spuren, schön hintereinander in einer langen geraden Reihe angeordnet. Sieht gut aus – betrunken war der Bär auf jeden Fall nicht. 😉 Die Morgenstimmung ist immer besonders schön. Es lohnt sich, früh aus dem Schlafsack zu krabbeln, auch wenn es die erste Stunde des Tages noch sehr frisch ist. Allerdings müssen wir meistens das Zelt nass einpacken und in der Mittagspause zum Trocknen nochmal aufstellen. Angenehmes Wandern durch eine zerklüftete Felsen-Landschaft inmitten einer schmalen Schlucht. Erneut gilt es zahlreiche Flüsse zu überqueren. Zunächst bemühe ich mich, die Schuhe trocken zu behalten, aber das ständige Aus- und Anziehen dauert lange und nervt bald nur noch. Also einfach hindurch, geht schneller und ist sicherer. Ein Wasserfall stürzt sich an einer steilen Felswand ca. 100 Meter in die Tiefe. Auf einmal sehen wir ein herrenloses Maultier neben unserem Pfad. Es ist nicht angebunden und trägt leere Satteltaschen. Das sieht ganz so aus, als wäre es abgehauen. Thomas nähert sich vorsichtig und versucht es einzufangen, aber das Tier ist furchtbar nervös und läuft in unserer Richtung auf dem Trail bergab. Wir folgen langsam, um es nicht noch mehr aufzuregen. Unten an einem Fluss bleibt es freiwillig stehen. Da sind noch mehr Mulis und ein Cowboy mit seinem Reitpferd, der versucht, Ordnung in die Truppe zu bringen. Der Mann ist gekleidet wie aus einem Western-Film entsprungen. Cowboy-Stiefel mit Sporen dran, breiter Hut, Fransen-Beinkleid über seiner Jeans. Sind wir hier in einer Show für Touristen gelandet ? Auf jeden Fall braucht der Mensch Hilfe, um die Tiere zu bändigen und den Ausreißer wieder in die Gruppe zu integrieren. Thomas hält das Pferd und einige Maultiere fest, bis die Karawane ordentlich in einer Reihe steht. Der Cowboy erzählt, dass sie von einem agressiven Bison angegriffen worden sind. Gar nicht weit weg von hier, auf der anderen Seite des Flusses hinter dem nächsten Berg. Wahrscheinlich würden wir das mächtige Tier noch sehen, wenn wir weitergehen, und wir sollen vorsichtig sein. Aha – das also war der Grund für das ängstliche Muli und seine Flucht nach oben. Der Mann ist alleine mit seinem Pferd und einer Gruppe von acht vollbeladenen Lasttieren. Damit muss er über den Pass reiten, wo ein Camp für zahlende Gäste eingerichtet werden soll. Durch den Angriff des Bison-Bullen hat er ordentlich Stress gehabt. Ein Maultier hat sich losgerissen, einen Teil der Ladung verloren, alle anderen Tiere sind auch fast durchgedreht. Was für eine schwierige Situation – der muss seinen Job wirklich gut verstehen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie er mit insgesamt neun nervösen Vierbeinern den steilen Pfad zum Eagle Pass hinauf und auf der anderen Seite hinunter schaffen wird. Nachdem sich die Lage entspannt hat und die Karawane langsam weiter reitet, wandern wir ganz gespannt weiter in Richtung Bison. Wir finden aber, nur ein Stück vom zerfetzten Strick, wo das Muli sich losgerissen hat. Keine Spur mehr vom Bison. Schade …. oder vielleicht auch ganz gut so. Nach weiteren zwei Stunden erreichen wir den breiten Shoshone River, wo wir über eine schmale Brücke in die Zivilisation kommen. Wir unterhalten uns mit einem Angler und hören, dass ab Donnerstag eine Kaltfront mit Sturm und ersten Schneefällen vorhergesagt ist. Heute ist Dienstag, am Donnerstag wollten wir eigentlich wieder zurück auf dem Trail sein. Das müssen wir unbedingt in der Stadt genauer beobachten und gegebenenfalls unsere Pläne ändern. Zunächst bleibt das leidige Thema “ Trampen „. Mindestens 50 Autos fahren vorbei, überwiegend Touristen, die natürlich nicht anhalten. 🙁 Wir stehen ungefähr eine Stunde an der Straße, bis wir von einem Geschäftsmann mitgenommen werden, der täglich lange Strecken fährt und sich über Unterhaltung freut. Es sind 80 Kilometer bis in den Ort, vorbei an einem großen Stausee, dem Buffalo Bill Reservoir. Wir lassen uns vor dem Walmart absetzen. Cody hat etwa 9000 Einwohner und bezeichnet sich als Rodeo-Hauptstadt der Welt. Die Wild-West-Kultur, Buffalo Bill und die Nähe zum Yellowstone machen die Stadt zum Touristen-Magneten, zu jeder Jahreszeit gut besucht und dementsprechend teuer. Thomas versucht uns ein Zimmer zu besorgen, aber die zahlreichen Motels sind entweder ausgebucht, zu teuer oder zu weit entfernt. Mittlerweile ist es schon nach 18.00 Uhr, und wir sind nicht bereit, mehr als 120,- Dollar für die Nacht auszugeben. Als letzte und günstigste Lösung buchen wir einen Platz auf dem Parkway Campground in der Nähe vom Walmart für 20,- Dollar. Morgen sehen wir weiter, ob wir bleiben, umziehen oder wieder zurück auf den Trail gehen.

Am Mittwoch wachen wir früh und total gerädert auf, nachdem wir gefühlte zwei Stunden sehr schlecht geschlafen haben. Abends hatten wir noch lange Lärm von zuschlagenden Autotüren, den Unterhaltungen unserer Nachbarn, kreischenden Kindern und Verkehr. Dann störte die ganze Nacht helles Licht der Laternen auf dem Campingplatz. Außerdem kam stündlich immer mehr Wind auf, der gegen Morgen beinahe Sturmstärke erreichte. Das ist überhaupt nichts für unser Ultraleicht-Zelt. Es flatterte und klapperte an allen Ecken. Thomas musste mehrmals aufstehen, um neu abzuspannen, weil sich die Leinen gelöst haben. Wir sind uns einig : So ein Wetter möchten wir nicht unterwegs im Wald voller kaputter Bäume erleben. Und wir werden nicht noch eine schlechte Nacht aushalten, sondern umziehen in ein Motel. Auf unserem Stückchen Wiese stehen die Nachbarn so eng neben uns, dass wir praktisch keine Privatsphäre haben. Das letzte Mal, dass wir in einem Bett geschlafen haben, war in Rawlins und ist bereits einen ganzen Monat her. Die Wäsche möchten wir noch schnell erledigen, praktisch und günstig hier auf dem Campingplatz. Auf die Dusche verzichten wir, denn wir haben kein Handtuch. Im Motel wird es welche geben. Ich friere, während ich in kurzer Hose und T-Shirt draußen sitze. Habe nichts Langes mehr zum Anziehen, weil alle Klamotten in der Waschmaschine sind. Dann wird der Wind stärker, dunkle Wolken nähern sich. Wir stellen unsere Rucksäcke zum Trockner und flüchten in die Tankstelle nebenan, weil plötzlich Sturmböen über den Platz fegen und Regen mitbringen. Beim Kaffee erfahren wir so ganz nebenbei, dass die Spitze der Kaltfront mit Schnee jetzt erst am Freitag erwartet wird. So ein Mist ! Es ist sicher nicht besonders schlau, bei dieser Prognose einfach ins schlechte Wetter hinein zu laufen. Wir beschließen, dass wir auf jeden Fall bis Freitag die Füße still halten werden. Unser telefonisch reserviertes Motel liegt noch ein Stück weiter außerhalb der Stadt, aber wir laufen ja gerne. 😉 Dafür werden wir in der Holiday Lodge sehr freundlich empfangen. Das asiatische Mädel an der Rezeption gibt uns einen kleinen Discount, weil wir gleich für zwei Nächte buchen. Und wir können sofort unser Zimmer beziehen, obwohl es erst Mittagszeit ist und eigentlich erst ab 15.00 Uhr Check-Inn. Alles da, was wir brauchen. Sauber und ordentlich. Fein ! 🙂 Dann starten wir unseren Erkundungsgang in die City. Cody ist leider, wie so viele amerikanische Städte, nur für Autofahrer gemacht. Sehr langgestreckt und ewig weite Wege. Bis ins Zentrum haben wir ungefähr 8 Kilometer Fußmarsch. Busse gibt es nicht. 🙁 Wir sind auf der Suche nach einer detaillierten Karte vom Yellowstone Nationalpark, damit wir uns unseren eigenen Weg suchen können. Zunächst besuchen wir die Ranger Station, dann die Touristen-Information. An beiden Stellen werden wir lange und ausführlich beraten, aber Papierkarten bekommen wir nicht. Als wir an einem China-Restaurant vorbeikommen, da können wir nicht widerstehen. All-You-Can-Eat ! 🙂 Leckeres Essen vom Buffet für weniger als 20,- Euro zusammen. Einen 10 % Voucher können wir auch noch einlösen. Da kann man nicht meckern. 🙂 Weiter geht es mit dem Stadt-Bummel. Wir klappern einige Outdoor-Shops ab, überall total freundliche Bedienung und nette Gespräche. Im letzten Laden gibt es dann endlich die gewünschte topografische Karte vom Yellowstone und schon wieder ein Paar neue Socken dazu. Auf dem Heimweg staune ich über einen Hirsch, der über die vielbefahrene Straße läuft, als wäre es das Normalste von der Welt. Kurzer Stopp auf der Wiese vor dem Visitor Center, dann ein beherzter Sprung über den Zaun zum Minigolf-Platz. Hier scheint das Gras besser zu schmecken. Es ist kein Betrieb, der Hirsch hat seine Ruhe, und der Zaun schützt vor dem Verkehr. 🙂

 

Ein Kommentar zu “Dubois bis Cody 08.09. – 13.09.2017