Wir segeln und wandern durch die Welt

Fidschi bis Neuseeland 16.10. – 04.11.2016 1460 Seemeilen

Bei strahlendem Sonnenschein und feinem Wind können wir Segel setzen, sobald unser Anker oben und seefest verstaut ist. Mit einem Reff im Groß und der Genua auf steuerbord läuft die Walkabout mit durchschnittlich 5 Knoten schön am Wind. Die Selbststeueranlage wird auf 60• eingestellt und danach für den Rest des Tages und die kommende Nacht nicht mehr angefasst.
Der Kurs liegt mit 200• bis 210• Grad etwas neben der Ideallinie. Bis zu unserem Wendepunkt für die Ansteuerung Neuseelands haben wir ungefähr 800 Seemeilen vor uns. Zum Abend hin wird die Segelei ruppig, eigentlich mehr, als uns für den Anfang lieb ist. Das Boot stampft gegen die Wellen an, wir liegen ordentlich auf der Seite und müssen das Leben mit Schräglage erst wieder lernen. Erste Anzeichen von Seekrankheit machen sich bemerkbar. Gekocht wird heute noch nicht, nur Dose auf und warmgemacht. Wir segeln immer sehr nass, wenn der Wind von vorne kommt. Dazu setzt ein leichter Nieselregen ein, sobald wir die Küste von Viti Levu außer Sicht haben. In meiner ersten Freiwache am Abend versuche ich zu schlafen, was erfahrungsgemäß die ersten Nächte noch nicht so gut klappt. Um 21.00 Uhr bekomme ich in meiner Koje eine unfreiwillige Dusche ab. Ein gehöriger Schwall Salzwasser ergießt sich von oben, als ob Jemand einen Eimer ausgeleert hätte. Nun bin ich wieder hellwach und leicht genervt. Das frische Laken, 4 Kissen, der Boden und Skipper sind nass. Und das nur, weil wir vergessen haben, den großen Lüfter in der Mitte der Kajüte zu schließen. Eine Welle ist über dem Kajütdach gebrochen und hat den Weg durch den Lüfter ins Innere gefunden. Es rächt sich sofort auf einem Boot, wenn man nicht an Alles denkt. Der Vollmond geht auf, bleibt aber nicht lange zu sehen, sondern versteckt sich hinter einer dicken Wolkendecke. Immerhin beschert er uns eine helle erste Nacht, das haben wir beim Start gerne.

Morgens ist alles grau in grau – Regen. Die Wellenhöhe hat zugenommen, der Seegang ist durcheinander. Immer wieder kommt Wasser über, entweder steigt es auf der Leeseite über die Kante, oder wir werden von vorne nass gespritzt. Wir konnten etwas abfallen, Helferlein steht auf 70• eingestellt. Unser Kurs liegt jetzt gut an, Geschwindigkeit ist immer noch okay.
Um Viertel nach 7 am Morgen reißt das Bändchen der Selbststeuerung auf der Backbord-Seite. Es knallt, das Boot läuft aus dem Ruder, aber der Schaden ist schnell behoben. Wir haben noch genügend Ersatzbänder griffbereit an der Reling hängen, da es sich um eine Soll-Bruchstelle handelt, die bei starker Beanspruchung nachgibt. Wir kennen unser kleines Schiff inzwischen so gut, dass wir uns blind darauf verlassen können. Genau das, was wir damals haben wollten : ein starker Langkieler aus Stahl mit neuem Mast und extra verstärktem Rigg. In letzter Zeit häufen sich die Angebote für Boote mit etwas mehr Raum und Komfort zu vernünftigen Preisen. Aber möchten wir wirklich tauschen ? Die Walkabout ist für uns wie ein alter Freund. Natürlich nagt der Zahn der Zeit am Schiff ( und an uns ), aber noch sind wir nicht bereit dazu.
Die Regenfront ist hartnäckig. Nach mehr als drei Monaten Fidschi hatten wir zuletzt wirklich genug von Sonne und Schwitzen. Unsere Solarpaneele hat täglich so viel Strom erzeugt, dass wir den hätten verkaufen können. Aber nach zwei Tagen ohne Sonne müssen wir uns nun langsam Gedanken um unseren Energie-Haushalt machen. Das bedeutet, wir werden erstmal keine Geräte laden, damit wir nicht den Motor zur Energieversorgung starten müssen. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit reißt das Bändsel der Steuerung auf steuerbord. Monatelang wurde Helferlein zwischen den Inseln nicht benutzt, weil wir innerhalb der Riffe immer von Hand gesteuert haben. Nun gibt das Material schon nach wenigen Stunden unter Belastung nach. Anscheinend sind die Leinen in der Fidschi-Sonne spröde geworden. Ein weiterer Ausfall am Abend : Thomas hat einen Funk-Termin, aber die Anlage tut es nicht. Der Antennen-Tuner funktioniert nicht. Gestern ging es noch einwandfrei. Wahrscheinlich sind die Stecker und Verbindungen, die sich außen in der Backskiste befinden, nass geworden. Wir haben ständig viel Wasser übergenommen, dazu dieser ununterbrochene Regen, das hat die Elektronik wohl nicht schadlos ausgehalten. Dann wird heute eben nicht mehr gefunkt, Fehlerdiagnose und Reparatur müssen bis zum Tageslicht warten.
Unsere Möhren sind bereits verdorben. Freitag auf dem Markt gekauft, heute am Montag müssen wir bereits die Hälfte davon wegschmeißen. Der geplante Möhreneintopf sieht daher eher wie Kartoffelsuppe mit Möhrenstücken aus. Die Südsee ist einfach kein Klima, in dem sich frische Sachen ohne Kühlschrank halten.
In der Nachtwache bekomme ich Gesellschaft von einem großen grau-weißen Vogel. Es scheint ein noch nicht ganz ausgewachsener Basstölpel zu sein, der sich bei uns ausruhen möchte. Er dreht zunächst ein paar Runden über dem Boot, lässt sich dann auf der Solarpaneele nieder, ruckelt sich dort zurecht, steckt seinen Kopf zwischen sein Gefieder und schläft seelenruhig.

bfbg

Unser dritter Tag auf See beginnt wolkenverhangen, aber trocken. Wenigstens regnet es nicht mehr, dafür bekommen wir immer noch in kurzen Abständen Salzwasser-Duschen im Cockpit. Ein strammer Wind weht aus Süd-Ost, ganz wie es sein sollte. Wir machen rauschende Fahrt mit 5,5 – 6 Knoten Geschwindigkeit genau in Richtung Süden. Etwas ungemütlich und spritzig, aber sonst perfekte Bedingungen für eine schnelle Passage. Letztes Jahr von Tonga aus mussten wir härter am Wind kneifen. Gegen 9.00 Uhr morgens wird uns der Ritt zu wild, die Wellenhöhe ist gestiegen. Wir verkleinern die Genua, binden ein zweites Reff ins Groß und fallen etwas ab. Kaum Verlust an Geschwindigkeit, immer noch gut auf Kurs, aber so segelt die Walkabout viel ruhiger. Die Funke funktioniert wieder. Solarpaneele braucht Sonne !
Gegen Mittag hat der Wind Sturmstärke erreicht. Die Wellen werden immer höher und unberechenbar. Zudem zeigt sich Verschleiß an der Windsteuerung, die Halterung für die Steuerleinen scheint lose zu sein. Wir holen das Groß-Segel herunter und drehen bei. Der Wind drückt uns nun langsam Richtung Westen, aber da ist Platz genug. Allerdings beginnt die Walkabout beigedreht elendig zu schaukeln, weil nun kein Druck mehr in den Segeln ist. Da wir den Wind so genau von hinten haben, bekommen wir Regen und Gischt jetzt ungehindert ins Cockpit und müssen sogar den Niedergang dichtmachen. Thomas hat das Pech, seine Nachmittags-Wache komplett im strömenden Regen auszusitzen. Immerhin kann er während dieser Zeit die Arretierung für die Steuerung reparieren. Ansonsten kein Spaß …. Zum Abend hin entspannt sich die Lage etwas. Gegen 18.00 Uhr holen wir einen kleinen Fetzen Genua heraus und segeln mit achterlichem Wind auf einem falschen, aber angenehmen Kurs. Dummerweise liegt hier im riesigen Pazifik noch ein kleines Inselchen im Weg, das es nachts zu umfahren gilt. Das klappt ganz gut, wir passieren das Conway Reef etwa 20 Seemeilen an backbord. Danach hat auch die Wellenhöhe deutlich abgenommen. Wir setzen das Groß-Segel im zweiten Reff dazu und können nun wieder auf dem richtigen Kurs steuern.

Als ich am vierten Segeltag aufwache, da scheint endlich die Sonne. In meiner Morgenwache kann ich mich damit beschäftigen, unsere nassen Klamotten, Handtücher und Polster zu trocknen. Alles ist wieder friedlich, der Wind pustet noch kräftig, aber die See hat sich beruhigt. Dann muss in der Kajüte aufgeräumt werden. Auf beiden Seiten hat es durch die porösen Dichtungen der Fensterscheiben geleckt. Das Problem kennen wir bereits, es tropft, wenn wir zu viel Wasser übernehmen. Dieses Mal hat es nicht nur ein bisschen getropft, sondern ein paar Mappen und Bücher sind richtig nass vom Salzwasser. Also muss die Ecke bzw. das Regal freigeräumt werden, die Sachen getrocknet und erstmal woanders ein Platz dafür gefunden werden. Etwas lästig, aber kein Grund zur Aufregung. Wenn ich nur daran denke, wie sehr ich mich auf unserer ersten Etappe darüber geärgert habe, wenn irgendwo Salzwasser eindringt ….. Inzwischen kennen wir die Schwachstellen bei unserem alten Schiff und räumen einfach wieder auf. Liegt das am zunehmenden Alter, an mehr Erfahrung oder an den Trails ? Insgesamt bringen wir es bis heute zusammen auf 16.000 Kilometer Long-Distance-Hike, die wir zu Fuß mit Zelt und Rucksack zurückgelegt haben. Als wir im Frühjahr 2011 das Logo mit den Füßen aufgeklebt haben, da war der Appalachian Trail bereits vage in der Planung. Allerdings wussten wir damals noch nicht, dass wir auf dem AT vom Hiker-Virus befallen werden und immer weiter laufen möchten. Bei diesem einfachen Lebensstil bekommt man einen Blick für das Wesentliche und regt sich nicht mehr so leicht über unwichtige Dinge auf. Das kommt uns auch auf unserem kleinen Boot zu Gute, wo andere Leute es wegen mangelndem Komfort keine Woche aushalten würden.
Die nächste Regenfront lässt nicht lange auf sich warten. Ab 18.00 Uhr haben wir wieder Nieselregen, auffrischenden Wind aus Süd und hackige See. Aber es geht gut voran, ein Viertel der Gesamtdistanz liegt bereits hinter uns. Und auf die Frage, ob wir nicht besser noch gewartet hätten …. Nein, viel lieber sind wir unterwegs, auch wenn es ruppig ist. Es liegt uns nicht, tage- oder wochenlang mehrere Prognosen zu analysieren und auf ein Wetterfenster zu warten, wenn alle notwendigen Arbeiten erledigt sind. Einziges Kriterium bei der Entscheidung : Es darf nichts richtig Schlimmes unterwegs sein. Walkabout ist ein gutes Schiff, und wir brauchen Wind zum Segeln, weil wir mit unseren 100 Litern Diesel nicht weit motoren können. Passt also alles – wenigstens in unserem Sinne. Am Nachmittag gelingt die erste Funk-Verbindung. Thomas kann unsere Positionsmeldung herausschicken, neue Wetterdaten anfordern und kurz ein Lebenszeichen an die Freunde von Meerbaer und Pacifico senden. Soweit alles okay. Mir geht es am vierten Tag ausgezeichnet, von Seekrankheit keine Spur, bin ausgeschlafen und genieße die Bordroutine. Thomas ist noch etwas angeschlagen, müde und hat Kopfschmerzen.

Ruhige Nacht. Immer noch Wolken am Himmel, aber dazwischen blitzen die Sterne. Der Wind hat nachgelassen. Wir laufen nur noch mit ca. 4,5 Knoten, auch der Kurs könnte besser sein. Aber es ist trocken, und man kann sich wieder an Bord bewegen, ohne blaue Flecke zu bekommen.
Es wird ein rundum sonniger Tag. Gegen Mittag ist es so ruhig, dass wir beide Reffs aus dem Groß nehmen. Schönes Segeln, nur leider in der falschen Richtung. Wir fahren zu weit nach Westen, eigentlich sollten wir reinen Südkurs bis zum Wendepunkt anlegen. Das “ zu viel “ müssen wir alles irgendwann zurück, bedeutet wieder einige Extra-Seemeilen auf dem Weg nach Neuseeland. Aber das soll uns nicht weiter stören. Heute ist ein toller Tag, wir fühlen uns rundum wohl.
Am Nachmittag verbringen wir eine aktive Stunde damit, alle möglichen Segelstellungen auszuprobieren. Die Genua wird gegen die kleinere und festere Norderney-Fock ausgetauscht, das Groß zunächst ohne und dann wieder mit Reffs …. Wir wenden und gehen auf den anderen Bug, versuchen ein paar Grad besser an die Kurslinie zu kommen, fahren aber damit nur stramm nach Osten. Da ist sie wieder : unsere Südwand, die uns nicht durchlassen will. Bereits im letzten Jahr von Tonga aus hatten wir, wie viele andere Segelboote auch, das Phänomen dieser “ Mauer “ aus Gegenwind, allerdings damals ca. 400 Seemeilen tiefer. Es nützt alles nichts, wie machen alle Manöver rückgängig und segeln mit angezogener Handbremse hoch am Wind Richtung Süd-Westen. Die nächsten Tage soll der Wind so bleiben, genau aus Süd auf die Nase. Da können wir nur versuchen, den Schaden möglichst gering zu halten, d.h. langsam segeln und versuchen, eine gute Ausgangsposition für die Ansteuerung Neuseelands zu bekommen. Was macht das schon, ob wir zwei Tage früher oder später ankommen ?
Es wird bereits empfindlich kühl während der Nächte. Hoffentlich bereue ich es nicht demnächst, dass ich einen unserer Schlechtwetter-Anzüge abgegeben habe. Ich habe eine Jacke mit Hose an einen Backpacker verliehen, der auf einem Katamaran als Crew bis nach Neuseeland angeheuert hat und natürlich kein eigenes Segelzeug im Rucksack hatte. Normalerweise kommen wir mit einer Montur zurecht, weil wir uns mit den Wachen abwechseln.
Knapp eine Woche unterwegs, und schon reicht unser Laken nicht mehr zum Zudecken in der Nacht. Vorerst genuegt eine zusätzliche Wolldecke zum Wärmen, aber spätestens in einer Woche werden wir die dicke Bettdecke auspacken müssen. Neuseeland – wir kommen näher !

Sonne, Wind, Wellen, Kurs – alles unverändert. Wir schleichen mit 3 Knoten pro Stunde dahin. Lästerzungen prophezeien uns bereits einen Landfall in Australien, wenn wir auf diese Weise weitersegeln. Uns kam heute in der Frühe die Idee, dass wir ja vor dem Einklarieren in Marsden Cove einmal um Neuseeland segeln könnten. Wenigstens die Nordinsel gegen den Uhrzeigersinn bis zu unserem Bestimmungshafen …. so hätten wir die zu viel nach Westen zurückgelegten Seemeilen jedenfalls nicht umsonst gemacht.
Die Stimmung an Bord ist sehr gut. Wir haben sogar noch Frisch-Proviant. Die letzten teuren Bananen mussten gegessen werden, eine Papaya und ein Kürbis aus Yasawa-I-Rara sind noch da. Gurke, ein paar Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer lagern im Keller, wo die Temperatur jetzt täglich kühler wird. Unsere Tomaten sahen gestern nicht mehr so gut aus, die Hälfte davon mussten wir wegschmeißen. Dafür haben die Aepfel und Birnen im Netz die Seereise bisher ziemlich unbeschadet überstanden. Das bedeutet, für Jeden ein Stück Obst täglich, wird wahrscheinlich bis zur Ankunft reichen. Alles, was an frischen Lebensmitteln noch übrig ist, müssen wir in Marsden Cove bei der Bio-Security abgeben. Einfuhr ist streng verboten.
Den ganzen Tag Sonne satt. Die Solarpaneele lädt, Batterien sind voll. Unser erster Wassertank ist leer. Nachts landet ein großer Fliegender Fisch bei Thomas im Cockpit. Nach einigen Versuchen gelingt es, den wieder zurück ins Wasser zu befördern. Der Himmel ist zum ersten Mal auf dieser Passage richtig sternenklar. Wir befinden uns jetzt auf dem 25. südlichen Breitengrad. Die Kleiderordnung hat sich geändert. Ich habe während meiner Nachtwache lange Hose, Socken, zwei Pullover und Jacke an. Thomas sitzt schon mit Mütze draußen. So kann man sich gleich an den Winter in Deutschland gewöhnen.

Wenig Wind in der Nacht, und das genau von vorne. Beim morgendlichen Wachwechsel herrscht totale Flaute. Wir dümpeln ziellos in alle Richtungen. Um 8.00 Uhr morgens reicht es mir, wir bergen die Segel und starten die Maschine. Unter Motor fahren wir mit 4 Knoten Geschwindigkeit gemütlich und spritsparend auf das Nordkap Neuseelands zu. Lange geht das nicht gut, dann werden wir von geheimnisvollen Kräften wieder ausgebremst. Die Fahrt wird immer langsamer, das ist nicht effektiv, sondern nur Diesel-Verschwendung.
Also wieder rauf mit den Segeln, volles Zeug mit Genua. Funktioniert nicht, der Kurs ist zu schlecht. Setzen die Kreuzfock, aber es ist keine Verbesserung zu erkennen. Wir segeln nach Süd-West, und das sogar ziemlich schnell. Versuchen es auf dem anderen Bug, aber das geht noch weniger. Walkabout fährt nach Nord-Ost. Okay, unser Boot hat schlechte Am Wind-Eigenschaften, alle unsere Segel sind alt und ausgenudelt ….. aber so schlimm ? Ausreffen, dann wieder mit verkleinertem Groß im 2. Reff, auf Steuerbord-Bug oder auf Backbord-Bug ….. Es bleibt immer gleich unbefriedigend. Der Wind kommt von vorne und lässt uns nicht nach Süden durch. Morgen Abend soll es einen Winddreher geben. Hoffentlich hält sich das Wetter an die Prognose. Bis dahin möchten wir möglichst wenig Raum verschenken und drehen bei. Wollen einfach nur abwarten, bis wir den richtigen Kurs einschlagen können. Wir können es gar nicht glauben, aber unsere Logge vom Plotter zeigt beigedreht immer noch 2,5 Knoten an. Wir treiben viel zu schnell nach Nord-Westen, da will doch Keiner hin !
Langes Nachdenken und Rätselraten bringt uns nicht weiter. Dann schalten wir das Echolot mit eingebauter Logge hinzu, und uns geht ein Licht auf : Strömung von gut 2 Knoten lässt uns stetig weiter nach Nord-Westen abdriften. Deswegen können wir auch bei diesem schwachen Wind nicht gegenan kommen. Nach einem halben Dutzend Versuchen, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite, geben wir auf und lassen das Schiff einfach mit kleiner Besegelung laufen. Irgendwann werden sich die Bedingungen doch mal zu unseren Gunsten wenden ?
Statt sich über Dinge zu ärgern, die man nicht ändern kann, entspannen wir uns wieder und genießen die schöne Zeit auf See. Keine Stadt ruft, keine Verabredungen und kein Internet. Wir sind gerne alleine zu Zweit und nutzen die Ruhe, um unsere nächsten Jahre grob zu planen. Da sind zunächst der CDT, dann noch der PCT und die lange Heimreise um das Kap der Guten Hoffnung. Dabei sind einige Grundsatz-Entscheidungen zu treffen : Tonga und Fidschi noch einmal eine ganze Saison, oder sollen wir lieber zügig weiter ? Die Südsee ist schön, aber keine neue Herausforderung. Das Boot zweimal in Neuseeland oder einmal in Südafrika lagern ? Wollen wir die Walkabout überhaupt nach Hause segeln ? Neues Boot – ja oder nein ? Und wann ist der beste Zeitpunkt dafür ? Sollen wir noch weitere Deutschland-Aufenthalte einplanen, um zwischendurch Geld zu verdienen ? Es gibt viele Ideen, verschiedene Modelle für die Zukunft, alles hat seine Vor- und Nachteile. Wir müssen die Weichen erst im Frühjahr 2018 stellen, bis dahin sind noch alle Entscheidungen offen.
Als ich um 23.00 Uhr zu meiner Nachtwache aufstehe, da höre ich schon von unten, dass der Wind kräftig zugenommen hat. Ein erster Rundum-Blick oben zeigt : Es fetzt wieder richtig. Dieses verrückte Wetter hat es echt in sich, da kommt keine Langeweile auf. Die Küste Südamerikas hinunter und um Kap Hoorn kommt mir gerade viel einfacher vor, weil es berechenbarer gewesen ist. Okay, kleinste Besegelung, keine Elektrogeräte in der Plicht, weil es nass werden könnte. Wenn man bequem in einer Ecke sitzt, dann ist es gar nicht mehr so schlimm, wenn der Wind im Rigg pfeift. Meeresleuchten ! Sieht sehr schön aus, wie die brechenden Wellenkämme glitzern. Der Himmel ist schwarz und sternenklar, kein Mond zu sehen. Kühl ist es, heute wird noch ein Kapuzenpullover unter der Jacke angezogen.

bh

 

Wir haben kein Schiff mehr gesehen, seit wir die Küste Viti Levus hinter uns gelassen haben. Sind jetzt seit einer Woche unterwegs, 7 ereignislose Nachtwachen liegen hinter uns. Thomas hatte einen Tropikvogel zu Besuch. Der ist tatsächlich bis ins Cockpit geflogen, war aber mit seinem Platz in der Plicht anscheinend nicht zufrieden.  Als der Vogel Anstalten machte, nach unten in den Salon zu flattern, da ist er in Ungnade gefallen und musste das Boot verlassen.
Sonntag früh die gleiche Situation wie gestern. Wind kommt immer noch aus Süd, dazu ein unruhiges Wellenbild. Motoren bringt gar nichts, da stampfen wir nur mit 2,5 Knoten in die Wellen. Also segeln wir langsam weiter Richtung Westen auf Kurs 240• und warten auf den angekündigten Ostwind.
Tagsüber möchte sich Niemand mehr während der Freiwache in die Koje legen. Wir sind total ausgeschlafen, und draußen im Cockpit ist es richtig schön. Sonnig, dazu ein kühlender Wind, einfach genau unsere Wohlfühl-Temperatur.
Unsere Wetterdaten und die Beratung von Meerbaer über Funk sagen : Es könnte wieder länger dauern. Egal, uns geht es supergut, und wir haben keine Termine. Für die nächsten Tage wird ein Apfelkuchen gebacken, der zu Hause auch nicht besser schmecken könnte.
Kalte Nase während der Nachtwache …. Das bedeutet, wir haben immer noch Südwind. Haben nun schon die dicke Steppdecke zum Zudecken herausgeholt. Vor einer Woche haben wir noch unter der Hitze gelitten und auf die Fidschi-Sonne geschimpft, vor der man sich kaum schützen kann. Jetzt fahren wir gerade in den Neuseeland-Frühling, und von da aus geht es per Flieger in den Deutschland-Winter.Montag früh gibt es endlich den ersehnten Wind-Dreher. Ein laues Lüftchen, eigentlich nicht der Rede wert, weht aus Nord-Ost. Wir können nun direkt Kurs auf das Nordkap anlegen, allerdings werden wir in diesem Tempo noch etwa 10 Tage benötigen. Mit 1,5 bis 2 Knoten “ Geschwindigkeit “ und ohne Schwell ist das Leben an Bord ruhig und gemütlich. Wir genießen ein ausgedehntes Frühstück bei Sonnenschein. Es gibt sogar Rührei, damit wir die letzten Eier aufbrauchen. Unsere Vorräte sind jetzt deutlich geschrumpft. Wahrscheinlich müssen wir gar nichts mehr bei der Bio-Security abgeben, denn wir werden noch eine Weile unterwegs sein.
Rein zeitlich haben wir ungefähr die Hälfte geschafft. 700 Seemeilen seit Fidschi liegen hinter uns, in gerader Linie hätten wir noch ca. 600 Seemeilen vor uns bis zum Ziel. Aber wir segeln ja nicht in gerader Linie …. Im Moment segeln wir gerade eher wieder gar nicht, sondern dümpeln mit schlagenden Segeln dahin. Immerhin in der richtigen Richtung, das ist ja auch schon viel wert. Geduld …. Diesmal kein Problem für uns, denn es ist so schön unterwegs, es könnte uns fast nicht besser gehen. Nur der Pac and Safe-Supermarkt und der All you Can Eat-Mongole müssen leider noch ein bisschen warten.
Wir haben über Funk eine Nachricht von der Dörtita erhalten. Heiner und Kurt, die 3 Tage vor uns losgefahren sind, haben heute in Opua ( Neuseeland ) einklariert. Bei uns wird es noch eine Woche oder so dauern. Vielleicht holt uns ja sogar noch die Pacifico ein, die morgen starten wird ?Was für eine wunderschöne Nacht ! Ein Meer von Sternen am Himmel, dazu geht eine gelbe Mondsichel am Horizont auf. Null Wind und keine Dünung, der Pazifik ist still wie ein Ententeich. Wir lassen ein paar Stunden den Motor laufen. Die Luft ist erstaunlich mild, kein kalter Südwind mehr, der uns aus der Antarktis entgegen bläst. Ringsherum blitzt das Wasser vom Meeresleuchten. Viele Sternschnuppen gesehen.
Gegen Morgen kommt etwas Wind auf, dieses Mal platt aus Nord. Thomas bastelt gegen 5.00 Uhr unsere Besegelung um. Die Genua wird mit Spinnaker-Baum ausgebaumt auf der Steuerbord-Seite gefahren, das Groß-Segel kommt auf die Backbord-Seite. So laufen wir gute 4 Knoten mit Wind genau von achtern. Helferlein ist auf 180• eingestellt. Die Schiffsbewegungen sind angenehm, weil wir keine Wellen und keinen Schwell haben. Unser neuer Ansteuerungspunkt ist das Nordkap von Neuseeland, knapp 400 Seemeilen entfernt in Richtung Süden.
Ab der Mittagszeit bildet sich ringsum eine tiefliegende Wolkendecke aus. Um 14.00 Uhr dreht dann ganz plötzlich der Wind um 180• und kommt wieder aus Süd, also genau von vorne. Das ist ja wie verhext ! Also Segelwechsel, Genua und Groß auf die Backbord-Seite und die Selbststeuerung auf Kurs hart am Wind einstellen. Die dicken Wolken sehen aus, als ob sie eine Barriere um uns herum bilden, die Walkabout ist mitten drin. Gerade mal 9 Stunden hatten wir ordentlichen Wind und vernünftige Geschwindigkeit, nun schleichen wir wieder mit 2 Knoten dahin. Vorbei ist es mit Sonnenschein, der Himmel ist grau und trübe. Ab 17.00 Uhr regnet es. Dann wieder totale Flaute und schlagende Segel. So langsam wird es echt mühsam.
Seit 4 Tagen haben wir die Angel draußen, aber bisher noch keinen einzigen Biss dran gehabt. Liegt es vielleicht daran, dass Thomas unseren allerbesten Köder verschenkt hat, den großen rot-weißen Luhr ?  Nein, wir sind wohl eher zu langsam für die Fische des Pazifiks.Wieder ein kompletter Flauten-Tag auf unserer langen Passage nach Neuseeland. Viel Zeit zum Lesen und zum Reden. So viel Zeit für ungestörte Unterhaltung haben wir nur auf See oder wenn wir monatelang zu Fuß im Wald unterwegs sind.
Der Ozean um uns herum ist tiefblau wie die Walkabout. Eine langgezogene Dünung hebt das Schiff sanft auf und nieder. Das erinnert uns stark an unsere Atlantik-Ueberquerung …. Atlantikwellen mitten auf dem Pazifik. Den ganzen Tag über passiert gar nichts, kein Wind, kein Schiff, kein Fisch an der Angel. Wir wechseln in langen Abständen von einem Bug auf den anderen und kreuzen auf, so gut das die Walkabout kann. Praktisch bedeutet das : Wir kommen nicht vorwärts. Von 50 zurückgelegten Seemeilen in 24 Stunden sind höchstens 20 Seemeilen Fortschritt in Richtung Süden. Immerhin hat Thomas heute den ersten Albatros gesehen, einen Vorboten der südlichen Meere.
Unser Inverter scheint kaputt zu sein. Er fängt an zu piepen, sobald man den Stecker vom Netbook zum Laden einsteckt. Der kommt auf die Liste der zu erledigenden Aufgaben. Thomas wird ihn auseinandernehmen müssen. Aber das hat Zeit bis Whangarei, wir können unsere Geräte noch per USB laden.Milliarden von Sternen am Himmel, der Ozean ist unheimlich ruhig. Gegen Mitternacht geht eine Regenfront durch, kurz und heftig, aber leider ohne nennenswerten Wind. Thomas hat in seinen 4 Stunden Nachtwache ganze 3 Seemeilen zurückgelegt. Wir sitzen weiterhin die Flaute im Kern des Hochdruck-Gebiets aus.
Tagsüber haben wir Sonne satt. Ist das nun Südsee-Urlaub ?
Wir haben an Frisch-Proviant nur noch 5 Kartoffeln und 4 Zwiebeln im Keller. Also stehen Hülsenfrüchte und Reis für die nächsten Tage auf dem Speiseplan. Da freut man sich so richtig auf den Supermarkt ! Not haben wir keine, wir könnten noch wochenlang mit unserem Proviant überleben.Und plötzlich ist der Wind da, obwohl für die nächsten beiden Tage noch weiter Flaute angesagt war. Der kommt sogar aus Süd-Ost anstatt aus Süd. So machen wir tatsächlich knapp 3 Knoten Fahrt in Richtung Nordkap. Wir nehmen diesen unerwarteten Windhauch natürlich gerne, fragen nicht lange “ warum ? “ und sehen zu, dass die Walkabout vorwärts läuft.
Unser zweiter Albatros zieht majestätisch seine Kreise über dem Wasser. Das sieht wegen seiner enormen Flügel-Spannweite sehr leicht und elegant aus.
Während meiner Morgenwache begleiten uns Dutzende von Delphinen. Anscheinend sind sie nicht im Jagdmodus, sondern schwimmen lange Zeit langsam und entspannt neben unserem Boot her. Es kommen immer mehr hinzu. Weitere Gruppen nähern sich, als wären sie gerufen worden. Ein schönes Schauspiel und eine willkommene Unterhaltung, denn unsere ruhige Fahrt ist nicht besonders spannend.
Am Nachmittag bekomme ich die erste Moralkrise. Das bisschen Wind hat sich schon wieder verabschiedet, wir kommen schon seit 5 Stunden nicht mehr von der Stelle. Das Bordessen schmeckt nicht so richtig, ich habe Appetit auf etwas richtig Leckeres. Vielleicht am 3. November, falls wir es bis dahin schaffen – Grüner Spargel mit Butter und Parmesan auf der Pacifico. Mir ist langweilig, und mir fehlt die Bewegung. Es wird Zeit, dass ich mal wieder Auslauf bekomme.
Kurz vor Beginn der Nachtwache wird in den lange nicht mehr benutzten Kleiderkisten gewühlt. Man kann jetzt schon gut lange Unterwäsche gebrauchen. Thomas immer noch ohne Socken, aber mit Wollmütze. Für mich suche ich zur Mütze auch gleich noch Handschuhe heraus. Ich mag nicht frieren, wenn ich nachts draußen sitze. Und außerdem müssen wir die Wintersachen sowieso nach Deutschland und später auf den nächsten Trail mitnehmen.Wir hatten wieder eine sehr ruhige Nacht, trocken und sternenklar. Das Meer so glatt wie mit Oel überzogen, gar keine Dünung, absolute Windstille. Das ist eine gute Gelegenheit, um effizient zu motoren. Thomas startet um 3.00 Uhr nachts die Maschine. Damit laufen wir insgesamt 4 Stunden mit einer Geschwindigkeit von mehr als 5 Knoten bei 2000 Umdrehungen. Viel Diesel dürfen wir nicht verschwenden, aber diese Aktion bringt uns endlich mal ein sichtbares Stück weiter nach Süden.
Langweilig ist es auch nicht, sondern richtig was los in unserer Nähe. Zum ersten Mal seit Verlassen der Hauptinsel gibt es Schiffsverkehr. Da sind gleich mehrere helle Lichter in Sichtweite, wahrscheinlich größere Fischerboote. Die stören nicht auf unserem Kurs, sondern bleiben hinter der Walkabout zurück. Dafür bekommen wir Besuch von Grindwalen. Mehrere Gruppen zu jeweils 4 – 6 Exemplaren nähern sich behäbig und halten unser Boot wahrscheinlich für einen Artgenossen. Seit einigen Tagen begleiten uns außerdem schwarz-grau gestreifte Fische, die sich immer ganz nahe am Rumpf aufhalten. Sie bleiben dicht bei uns und schwimmen erstaunlicherweise nebenher, egal, mit welcher Geschwindigkeit wir unterwegs sind. Lotsenfische sind das, die dafür bekannt sind, dass sie größere Meerestiere begleiten. Anscheinend ist die Walkabout auf ihrer langsamen Reise von Fidschi nach Neuseeland inzwischen so gut angepasst, dass wir für einen großen Fisch gehalten werden.
Im Westen ist mehrmals deutlich Wetterleuchten zu sehen. Unserer Erfahrung nach ist das immer ein Vorbote von schlechtem Wetter gewesen. Na, mal abwarten, was sich daraus entwickelt. Im Moment würden wir auch stärkeren Wind begrüßen, damit wir mal richtig segeln können. Nur bitte nicht von vorne ….
Nach 13 Tagen haben wir endlich die 1000 -Seemeilen-Marke geknackt. Es könnte schneller gehen …. aber wir genießen lieber die harmonische Zeit auf See als uns in der Marina mit Warten auf das richtige Wetter zu nerven.
Am Nachmittag passiert uns ein großes Frachtschiff in etwa 5 Seemeilen Entfernung Richtung Norden. Wir kommen heraus aus der Einsamkeit, es sind jetzt nur noch knapp 300 Seemeilen bis zur Küste. Ab 16.00 Uhr setzt ein handiger Süd-Ost ein. Das können wir so gerade hart am Wind anlegen. Endlich schaffen wir mal wieder aus eigener Kraft an die 5 Knoten Fahrt. Nach so vielen Flauten-Tagen ist die Schräglage der Walkabout richtig ungewohnt. Aber schön, wir sind zufrieden und wagen es, Spekulationen über unseren Ankunftstag anzustellen. Da gibt es doch am 3. November etwas zu feiern ! Leider dauert die Herrlichkeit nur 2 Stunden an, dann gibt es wieder Gegenwind. Aus der Traum von einer Ankunft Mitte der Woche.

Sonntag, der 30. Oktober – unser bei den Behörden angegebenes Ankunftsdatum. Ziel leider nicht erreicht, und immer noch kein Ende in Sicht. Tatsächlich bleibt der Wind stabil aus Süden, Tendenz zunehmend. Auch der Seegang steigt kontinuierlich. Die Walkabout stampft in die Wellen und wird ordentlich hin- und her geworfen. Die Mannschaft natürlich auch, vorbei ist es mit der Gemütlichkeit. Zunächst laufen wir nach Westen ab, weil wir bei dem starken Gegenwind null Fahrt nach vorne machen können. Die Idee mit dem Beidrehen verwerfen wir, weil wir dann nur wieder zurück treiben würden. In der Nacht kommen zwei Reffs ins Groß-Segel, ein kleines Stück Genua dazu, dann wechseln wir auf den anderen Bug und fahren so langsam Richtung Nord-Ost. Auch da wollen wir eigentlich gar nicht hin, ist aber das kleinere Uebel. So kommen wir nicht zum Nordkap von Neuseeland. Was für ein Kampf um wenige Seemeilen ! Der Wetterbericht morgens um 7.00 Uhr ist deprimierend. Die nächsten 30 Stunden soll der Wind weiterhin kräftig aus Süd blasen, danach ist dann endlich Aussicht auf Aenderung. Das bedeutet, wir werden die Lage aussitzen und versuchen, unsere Position hier möglichst stabil zu halten. Wenn es irgendwann endlich vernünftigen Wind zum Segeln gibt, dann haben wir immer noch 3 – 4 Tage bis zum Ziel vor uns. Langsam reicht es mit Flaute und Gegenwind. Wir haben auf dieser Passage, mal abgesehen vom Start, wirklich alle ungünstigen Bedingungen mitgenommen.
Ein großes Container-Schiff kommt uns auf steuerbord entgegen. Es sieht aus wie eine Ansammlung von bunten Hochhäusern. Offensichtlich haben die uns bemerkt, denn das Schiff nähert sich bis auf zwei Seemeilen und fährt dann in einem deutlichen Bogen um uns herum. Es ist immer wieder eine Erleichterung, wenn so ein Monstrum vorbeifährt und nur noch der Qualm in der Ferne zu erkennen ist. Nach etwa einer Stunde ist der Spuk vorbei und der riesige Pott nicht mehr zu sehen.
Unser zweiter Wassertank ist leer. Wir haben noch etwa 30 Liter im letzten Tank. Bis der zur Neige geht sollten wir in Whangarei sein.

 

Aufgrund des beständigen Südwindes ist es während der Nachtwachen rattenkalt in der Plicht. Wir tragen volle Wintermontur, es fehlt eigentlich nur der Faserpelz-Anzug darunter. Morgens um 8.00 Uhr scheint jedoch schon die Sonne, und nur eine Stunde später wird es sogar richtig warm.
Morgens sehen wir in ca. 50 Meter Entfernung eine große Gruppe von Schwertwalen. Es sieht aus wie eine Versammlung, die Tiere scheinen miteinander zu kommunizieren. Sie sind nicht an der Walkabout interessiert, sondern bleiben dicht zusammen, bis sie alle gemeinsam abtauchen.
Wir kreuzen mit langen Schlägen, ohne dabei wirklich Distanz gut zu machen. Seit vorgestern, also in 48 Stunden, haben wir insgesamt nur 42 Seemeilen Richtung Neuseeland zurückgelegt. Bis zur Einfahrt nach Marsden Cove liegen immer noch ca. 300 Seemeilen vor uns. Bei gutem Wind gar kein Problem, dann sind wir in drei Tagen da.
Funkkontakt mit Meerbaer und Pacifico um 15.00 Uhr klappt nicht. Dafür können wir plötzlich segeln ! Der Wind hat auf Ost gedreht und verschafft uns 3 – 4 Knoten Geschwindigkeit auf beinahe direktem Kurs. Bitte weiter so !
 bi
Es läuft endlich ! Wir nähern uns mit durchschnittlich 5 Knoten in der Stunde dem Nordkap. Gestern rollten die Wellen nach dem Winddreher noch durcheinander. Das ergab eine hackige See, die Walkabout musste tüchtig gegenan stampfen. Starke Krängung und viel überkommendes Wasser machten das Leben an Bord ungemütlich. Aber nun hat sich der Seegang ausgerichtet, das Schiff fährt ruhig und gleichmäßig auf der Kurslinie. Das Wettrennen mit der Pacifico hat begonnen. Deren Position müsste ungefähr 150 Seemeilen hinter uns liegen, allerdings sind Hermann und Hilde ganze 9 Tage nach uns gestartet. Thomas hat über Funk-mail unsere Ankunft beim Zoll und in der Marina für Donnerstag angekündigt.
Der Himmel ist bedeckt, alles grau in grau. Wir haben die Tropen endgültig hinter uns gelassen. Am Nachmittag scheint zwar die Sonne zwischen den Wolken, die Tages-Temperatur liegt allerdings nur noch bei 17• Celsius. Mir ist kühl, und selbst Thomas hat Socken herausgekramt. Wir sind wohl ein bisschen verwöhnt durch das letzte Vierteljahr in der Südsee.
Am Nachmittag kommt uns ein dicker Frachter entgegen, vermutlich mehrere Stockwerke mit Autos beladen. Er ist von Neuseeland unterwegs Richtung Norden und passiert in etwa 2 Seemeilen Entfernung auf steuerbord.
Die Funk-Verbindung klappt heute super, obwohl Meerbaer fast 2000 Kilometer weit weg vor Lautoka ankert. Ganz erstaunlich. Von Pacifico hören wir, dass die uns bald eingeholt haben. Wir haben nun ein Treffen am Donnerstag in Marsden Cove verabredet.
Inzwischen hat der Wind auf Nord gedreht und kommt genau von hinten. Die Walkabout sieht inzwischen aus wie ein Fischkutter. Auf beiden Seiten sind die Spinnaker-Bäume ausgebracht, dazu noch diverse Leinen, die das Ganze in der richtigen Position halten. Mit ausgebaumten Segeln laufen wir schnurgerade auf unserer Ideallinie, Geschwindigkeit immer über 5 Knoten. Allerdings ist das der unbeliebteste Kurs, was die Bewegungen angeht. Das Schiff rollt kräftig von einer Seite auf die andere, wir schaukeln pausenlos unangenehm hin und her. Im Inneren klappern jetzt in allen Fächern irgendwelche Gegenstände, die sich vorher noch nicht bemerkbar gemacht haben. Das ist der Preis für unser gutes Vorwärtskommen, aber das ist uns nun auch egal, weil wir endlich auf der Zielgeraden sind.
Wilder Ritt während der Nacht – dunkle Wolken von achtern treiben die Walkabout schnell vor sich her. Wir segeln konstant mit 5,5 bis 6,5 Knoten in der Stunde. So kommen wir natürlich sichtbar vorwärts. Man kann gespannt beobachten, wie der Meilenzähler hinunter rattert. Die Distanz bis zur Ansteuerung ist jetzt schon im zweistelligen Bereich. Während meiner Wache ziehen nur ein paar kurze Schauer vorbei. Thomas hat allerdings das Pech, dass in seiner Nachtwache sintflutartiger Regen hernieder geht. Er ist nass bis auf die Haut, und das stundenlang. Da hatte ich es besser in meiner Koje, obwohl bei den schlimmen Schiffsbewegungen nicht an Schlafen zu denken war.
Am frühen Morgen dreht der Wind auf West und bläst immer noch kräftig, dazu 3 – 4 Meter hohe Wellen. Thomas fährt eine Q-Wende und bringt das Groß-Segel auf die andere Seite. Mit 2. Reff und Genua auf backbord können wir gute Fahrt auf unserem Kurs 130• machen. Ein trüber Tag, alles grau, immer wieder Regen. Sehr schlechte Sicht, deswegen bleibt auch tagsüber das Licht im Masttopp an. Wir schalten zur Sicherheit sogar hin und wieder das Radar ein, weil wir knapp 50 Seemeilen vor der Küste mit Schiffsverkehr rechnen müssen.
Von gestern auf heute haben wir unser bestes Etmal auf dieser Etappe gemessen. Bei dem kräftigen Wind konnten wir in den letzten 24 Stunden über 120 Seemeilen zurücklegen.
Leider geht es nicht so weiter. Mittags lässt der Wind nach und dreht auf Süd-West. Ohne Reff im Groß plus voller Genua bringen wir es gerade noch auf knapp 4 Knoten an Geschwindigkeit. Die Sonne kommt heraus, wir können alle Sachen trocknen. Der Wind schläft immer mehr ein.
Nach der Funkrunde um 15.00 Uhr wollen wir zur Unterstützung die Maschine starten. Aber der Motor läuft nicht rund, irgendetwas stimmt nicht. Ich sitze an der Pinne und steuere, während wir immer langsamer werden. Dann geht der Motor aus. Das muss ja nun auch nicht mehr sein am vorletzten Tag ! Aber doch ….. die Maschine lässt sich wieder überreden, aber läuft unregelmäßig und stirbt dann völlig. Nützt nichts – Thomas muss in den Motorraum klettern und sich auf Fehlersuche beheben. Genug Oel ist vorhanden, die Lanze ist okay, der Tank ist noch mehr als halbvoll. Dann wird wohl die Leitung verstopft sein …. Motor-Müller kann es wieder richten. Nach knapp 2 Stunden Arbeit auf dem schaukelnden Boot hat er beide Kraftstoff-Filter ausgewechselt und die Leitungen gereinigt. Tatsächlich hatten wir eine Menge Dreck und Wasser im Vorfilter. Dann Daumen drücken und hoffen, dass der Motor anspringt. Unser Motor erwacht sofort wieder zum Leben und hört sich zum Glück gesund an. Mir ist schlecht vom Diesel-Gestank, aber wir sind beide froh, dass der Schaden mit eigenen Mitteln zu beheben war.Man glaubt es kaum, aber Mittwoch haben wir schon wieder Flaute. Wir werfen die Maschine an und motoren die ganze Nacht hindurch. Irgendwann möchten auch wir einmal ankommen, nach Möglichkeit vor der Pacifico.
Um uns herum herrscht starker Schiffsverkehr. Ich habe in meiner Nachtwache gleich drei Schiffe in Sichtweite. Eins kommt von achtern auf backbord näher, eins kommt mir auf backbord von vorne entgegen. Beide haben nur helle weiße Lichter an und führen keine Positionslampen. Die Fahrtrichtung lässt sich zuerst nur erahnen, aber bei genauer Beobachtung wird klar, dass sie an der Walkabout in etwa 1 Seemeile Entfernung vorbeifahren. Ein drittes Schiff nähert sich gleichzeitig achtern von steuerbord. So langsam wird es mir unheimlich. Ich überlege gerade, ob ich das Funkgerät oder den Radar anstellen soll, aber dann sind die ersten beiden Schiffe schon vorbei, und das dritte scheint sich zu entfernen. Kein Handlungsbedarf – also darf ich mich wieder entspannen.
Mehrmals können wir schwarze Flossen um uns herum aus dem Wasser ragen sehen. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie Haie, aber die Spitzen sind eher rundlich. Es bleiben Tiere undefinierbarer Art, denn es zeigt sich kein einziges Exemplar oberhalb der Wasserlinie. Gastlandflagge, Quarantäne–Fahne und Vereinsstander werden gesetzt. Um 15.00 Uhr kündigen wir über Funk unsere voraussichtliche Ankunft für 17.00 Uhr bei Whangarei Harbour Radio an. So verlangen es die Vorschriften. Da wissen wir noch nicht, was uns auf den letzten 10 Seemeilen bevorsteht. Plötzlich haben wir wieder Gegenwind, und das nicht zu knapp. Wind, Wellen und Strömung gegenan – ein blöder Hack. Die letzten Seemeilen müssen wir uns hart erkämpfen. Auf Höhe des Bream Head, kurz vor der Einfahrt nach Marsden Cove, geht dann auch noch der Motor aus. Der Tank ist zwar noch nicht leer, aber wir haben mehr Diesel gebraucht als bei einer ruhigen Fahrt. Durch die wilde Schaukelei und das Gebolze in den Wellen hat die Maschine keinen Sprit mehr bekommen. Thomas zaubert einen letzten 10 Liter-Reservekanister aus der Backskiste. Von dem wusste ich gar nichts, aber gut, dass der nun da ist ! Der Wind ist zum Glück ablandig, das Einfüllen klappt gut, und unser Motor springt sogleich wieder an.
Um 18.00 Uhr machen wir endlich die Leinen am Quarantäne-Steg in Marsden Cove fest. Unsere Pilotfische, die wir vor mehr als einer Woche zum ersten Mal bemerkt haben, sind auch da. Thomas ist sich ganz sicher, dass es dieselben sind, denn einer der gestreiften Fische hat eine markante Verletzung am Rücken. Jede Flaute und auch die schnelle Fahrt bei Starkwind haben sie mitgemacht. Inzwischen haben wir realisiert, dass wir eine Stunde zu spät sind. Wir hätten unsere Uhren umstellen müssen auf Neuseeland-Zeit. Das Marina Office ist nicht mehr besetzt. Sofortige Anmeldung über Funk bei Whangarei Maritime Radio ist Pflicht. Dort erfahren wir, dass wir heute nicht mehr von den Behörden abgefertigt werden. Also keine Dusche, kein Einkauf und kein Willkommens-Bier. Man darf den Steg nicht verlassen, bevor man offiziell einklariert hat. Wir sind inzwischen auch ganz schön müde von den vielen durchwachten Nächten und den letzten Motorstunden. Außerdem habe ich vom langen Steuern mit der Pinne Muskelkater in beiden Oberarmen, es gibt immer noch keinen elektrischen Autopiloten auf der Walkabout. Kurzum, wir sind ziemlich gerädert und schaffen es nicht, auf die Pacifico zu warten. Hermann und Hilde machen gegen 22.30 Uhr neben uns die Leinen fest, aber davon bekommen wir beide nichts mehr mit.Freitag sind wir zum Frühstück bei den Nachbarn eingeladen, aber das ist uns wohl nicht vergönnt. Morgens um 8.00 Uhr, noch bevor wir einen Bissen von Hermanns selbstgebackenem Brot essen können, erscheint Bruce vom Zoll. Auf der Walkabout ist der Papierkram schnell erledigt, weil alles gut vorbereitet ist. Dann bekommen wir unsere Stempel mit Aufenthaltsgenehmigung für 3 Monate in die Reisepässe. Gleich danach kommt Mike von der Bio-Security an Bord. Wir haben bereits alles ausgefüllt, gehen noch ein Paar Fragen durch und lassen ihn stöbern. Frische Lebensmittel haben wir nicht mehr, kein Fleisch, keinen Honig …. wir kennen ja das Prozedere vom letzten Jahr. Mike kontrolliert unseren Reis und die Haferflocken auf Tierchen. Er lässt sich die Holz-Souvenirs und unsere Muscheln zeigen ( alle bekommt er natürlich nicht zu sehen ). Dann fragt er noch nach Angelsusrüstung und Zelt, beides haben wir natürlich gereinigt. Meine Hiking-Schuhe schaut er sich genau an, da darf keine Erde mehr dran sein. Sauber. Das war es dann. Er nimmt unseren in zwei Plastikflaschen gesammelten Müll mit und ist zufrieden. Beide Männer sind sehr nett – alles easy.
Gleichzeitig mit der Pacifico nehmen wir die letzten 12 Seemeilen in Angriff. Zu Anfang graue Wolken und Nieselregen, wieder Wind und Wellen von vorne, hackige See. Haben die Strömung mit uns, die bringt bis zu 2 Knoten mehr Fahrt. Gegenan wäre das für unser kleines Boot kaum zu schaffen.
Um 12.15 Uhr haben wir die Town Marina in Whangarei erreicht. Wir werden schon von Sharron am Steg erwartet und herzlich begrüßt. Willkommen in Neuseeland – wir fühlen uns hier wie zu Hause.
Insgesamt haben wir für die Etappe von Fidschi bis Neuseeland 18 Tage gebraucht und dabei 1460 Seemeilen zurückgelegt. Stefan von der Sabir sagt dazu : “ Ihr lauft eben schneller als ihr segelt. “ Das trifft es ziemlich genau – bis heute ist das der allerbeste Kommentar auf meiner Facebook-Seite.
Abends gibt es dann, mit einem Tag Verspätung, Hermanns Geburtstags-Essen. Sehr lecker und reichlich. Danke für die Einladung !