Wir segeln und wandern durch die Welt

Havelock-Richmond Range-Waiau Pass-Hanmer Springs 15.02.2016 bis 04.03.2016

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Havelock will uns nicht gehen lassen ! Bis zum ersten Kaffee war unsere Welt noch in Ordnung, aber dann bringt ein vernichtender Wetterbericht unsere ganze schöne Planung durcheinander. Mittwoch, Donnerstag und Freitag soll es heftige Regenfälle geben, dazu noch viel Wind und sogar Sturm über den Sounds. Wir haben knapp 50 einfache Kilometer vor uns, bevor es in der Richmond Range so richtig schwierig wird. Heute, am Montag, wollten wir unsere Rucksäcke mit Proviant für 8 Tage vollpacken und dann in zwei Tagen diesen leichteren Teil ablaufen. Mittwoch wollten wir den eigentlichen Aufstieg starten, genau dann, wenn die Schlechtwetter-Front anfängt. Wir überlegen lange hin und her, wie wir jetzt am Besten weiter vorgehen sollen. Inzwischen gibt es sogar eine Unwetter-Warnung auf der Te Araroa-Seite im Internet. Es ist unverantwortlich, bei dieser Prognose an den alten Plänen festzuhalten. Schlimmstenfalls müssten wir 2 oder 3 Tage in einer der Hütten auf Wetterbesserung warten. Wie viele Personen dann dort gleichzeitig Schutz suchen, das ist allerdings völlig ungewiss. Könnte sein, dass sich ein Dutzend oder mehr Hiker in einer viel zu kleinen Hütte einrichten müssen. Da haben wir natürlich überhaupt keine Lust drauf. Und das Essen wird dann ebenfalls knapp, weil wir nicht auch noch Proviant für zusätzliche Warte-Tage tragen möchten. Unser Zelt ist bereits abgebaut, und die Rucksäcke sind fertig gepackt. Eigentlich sind wir voll motiviert zum Weiterlaufen, aber vernünftiger wäre es, erst am Mittwoch mit der leichten Etappe zu starten. Okay, dann werden wir im Regen unterwegs sein, haben aber mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Aussichten auf besseres Wetter auf dem anspruchsvollen Teil. Wir entscheiden uns dazu, per Anhalter in die größere Stadt Nelson zu fahren, um die unfreiwillige Pause etwas interessanter zu gestalten. Dort soll es sehr schön sein, außerdem gibt es mehr und günstigere Einkaufsmöglichkeiten. Ein neues Problem taucht auf, denn offensichtlich ist der Touristen-Ort Nelson komplett ausgebucht. Es gibt kein Zimmer mehr in unserer Preisklasse. Zähneknirschend finden wir uns damit ab, dort auf dem Campingplatz zu wohnen. Wieder ein paar mehr Nächte im Zelt, wo doch ein nettes Zimmer so schön wäre zum Herumgammeln. Meine Laune wird immer schlechter. Wir stehen lange an der Straße und halten den Daumen ‚raus, aber alle Autos fahren vorbei. Endlich hält ein Wagen, aber der junge Mann fährt nur etwa 10 Kilometer weiter, bis Nelson sind es aber ungefähr 100 Kilometer Strecke. Das nützt uns also nicht viel. Danke, wir bleiben an der Straße stehen und versuchen es weiter. Vielleicht sollten wir lieber nach Blenheim in die andere Richtung trampen ? Auch diese Idee hat sich bald erledigt, denn auch in Blenheim scheint es kein bezahlbares Zimmer zu geben. Inzwischen bin ich nur noch genervt. Nach zwei Stunden Warten auf eine Mitfahrgelegenheit geben wir es auf. Wir bleiben einfach hier, kaufen morgen für die Richmond Range ein und werden dann am Mittwoch auch bei schlechtem Wetter starten. Havelock ist ein kleines Dorf, nicht gerade das, was ich mir für die freien Tage wünsche. Es gibt noch nicht einmal einen Geldautomaten hier. Wir haben kein Bargeld mehr und müssen jeden kleinen Einkauf mit der Kreditkarte bezahlen. Eine Post habe ich vergeblich gesucht. Immerhin kann man im Ort Briefmarken kaufen – in der Apotheke. Aber selbst in diesem Kaff ist es schwierig, für die nächsten zwei Nächte unterzukommen. Das erste Motel ist uns zu teuer, das zweite Motel ist komplett ausgebucht, ein Mehrbett-Zimmer im Hostel erscheint mir nicht besonders attraktiv. Schließlich finden wir ein einfaches Zimmer über einem Restaurant zum vernünftigen Preis. Ohne Internet und Fernseher, Gemeinschafts-Toilette und Dusche auf dem Flur, Altbau und mit Oma-Möbeln eingerichtet. Aber für umgerechnet 40,- Euro pro Nacht ist es ganz okay. Wir machen einfach das Beste draus, stürzen uns in die weitere Planung der Südinsel und ruhen uns aus.

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Havelock 16.-17.02.2016.  

SEVERE WEATHER WATCH FOR MARLBOROUGH, CANTERBURY HIGH COUNTRY,CHRISTCHURCH, SOUTHERN LAKES, TAUMARUNUI, TAIHAPE, TARANAKI, WANGANUI,WELLINGTON ISSUED BY METSERVICE AT 1136hrs 16-Feb-2016
HEAVY RAIN FOR PARTS OF THE SOUTH ISLAND AND WEST OF THE NORTH ISLAND. ALSO, STRONG WINDS FOR CENTRAL NEW ZEALAND.
Note: In this update North Taranaki has been included in the Watch.
A series of fronts over the Tasman Sea, preceded by a moist northerly flow, are expected to move northeast over the South Island on Wednesday, and the remainder of New Zealand during Thursday.
Heavy rain is expected in the north and west of the South Island during Wednesday and early Thursday, and in the north and west of the North Island from late Wednesday through to Thursday. Northerly winds are also expected to become strong about central New Zealand during Wednesday and early Thursday.
A heavy rain Warning is in force for FIORDLAND, WESTLAND, BULLER, NELSON, MARLBOROUGH and MOUNT TARANAKI.
This Watch is for the possibilty of HEAVY RAIN reaching warning criteria in the following areas…
The OTAGO and CANTERBURY HEADWATERS: Heavy rain is expected about the main divide from early Wednesday morning to Wednesday night. This Watch is for possibility that rainfall accumulations could exceed warning amounts within 15km east of the divide during this time.
The MARLBOROUGH SOUNDS and RAI VALLEY: Periods of heavy rain are likely on Wednesday and early Thursday morning.
NORTH TARANAKI across to TONGARIRO NATIONAL PARK: A period of heavy rain is expected from Wednesday evening to Thursday morning.
This Watch is also for the possibilty of SEVERE GALES in the following areas…
CANTERBURY HIGH COUNTRY, BANKS PENINSULA, MARLBOROUGH, WELLINGTON, TARANAKI and WANGANUI: Northerly winds are expected to rise to gale in exposed places from Wednesday afternoon to late Thursday morning, and may becoming severe during this period.
People are advised to keep up to date with forecasts in case parts of this Watch are upgraded to a Warning.
So weit also der Wetterbericht mit Unwetter-Warnung.
Puh – ist das langweilig ! Schon der dritte Tag unfreiwilligen Wartens ….. und es regnet wie aus Kübeln. Hier im Dorf gibt es noch nicht einmal eine öffentliche Bücherei,  in der wir am großen Computer im Internet herumdaddeln könnten. Das bedeutet, Homepage mühsam am Handy schreiben. Trotzdem war es sicherlich eine kluge ( oder bequeme ) Entscheidung, unseren Aufenthalt in Havelock nochmal um eine Nacht zu verlängern. Gestern waren wir im berühmten Mussel Pot essen. Muscheln – was sonst ? Auf verschiedenste Weise zubereitet : gekocht, gegrillt, paniert, eingelegt, geräuchert und sogar in der Vorsuppe. Muss man hier mal gemacht haben, aber so ganz mein Fall war es nicht. Das Bargeld-Problem haben wir auch gelöst. Zufällig haben wir einen Bus an der Straße stehen sehen, der nach Picton fahren sollte. Thomas konnte noch nicht einmal das Ticket bezahlen. Aber die Busfahrerin war sehr nett und hilfsbereit. Nach einem Anruf in ihrer Zentrale wurde der Fahrpreis von unserer Kreditkarte abgebucht und Thomas konnte einsteigen. Er musste auch gar nicht bis nach Picton, weil der Bus vorher in Blenheim angehalten hat, wo es einen Geld-Automaten gibt. Zurück ging’s dann per Anhalter, insgesamt war er drei Stunden unterwegs. Heute dann wieder ein sehr schleppender Tag …. Ansichtskarten geschrieben, Hose und Rucksack genäht, Informationen über unsere nächsten Long Trails gesammelt. Der PCT und der CDT, beide in den USA, stehen noch auf unserer ToDo-Liste. Haben unten in der Hotel-Bar ein paar Runden Billard gespielt. Das konnten wir vor 30 Jahren wirklich besser. Und jetzt sitzen wir im Cafe nebenan bei guter Musik und haben nichts weiter zu tun.
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Richmond Range 18.02. – 25.02.2016

Tag 1 : Havelock bis Pelorus Bridge und weiter bis Maungatapu Road

Waehrend der Nacht hat es wie aus Kuebeln geschuettet, morgens um 8.00 Uhr stoppt der Regen endlich. Wir verschenken noch ein paar Lebensmittel an ein aelteres Ehepaar, das auch mit schmalem Budget unterwegs ist. Eine angefangene Flasche Oel, Butter und Cornflakes werden gerne angenommen. In Anbetracht unserer schweren Rucksaecke trennen wir uns schliesslich sogar von den letzten beiden Dosen Bier. So sehr wir uns auch am Abend darueber freuen wuerden, keiner hat Lust, sich die Dosen zusaetzlich einzupacken. In einem Laden fuer Bootszubehoer und Fischerei koennen wir unsere Rucksaecke wiegen. Thomas kommt mit dem Proviant fuer 7 Tage und 1,5 Liter Trinken auf insgesamt 20 Kilo Gepaeck. Ich trage mit Essen und 1 Liter Trinken beim Start 15 Kilo plus meine Bauchtasche – das ist auch mehr als genug. Zunaechst laufen wir ein Stueck am Highway entlang. Dann biegt der Weg ab, es geht ueber eine Bruecke auf eine schmalere Landstrasse. Durch die Wolkenbrueche der letzten Tage herrscht ueberall „Landunter“. Felder und Wiesen links und rechts von uns sind geflutet. Hinter der Bruecke sehen wir, dass weite Teile unseres Te Araroa ebenfalls unter Wasser stehen. Die Pfuetzen sind ueber mehrere hundert Meter Laenge mindestens knietief. Die erste Senke passieren wir noch ziemlich locker in Sandalen. Kaum sind wir durch diese Riesenpfuetze hindurch, da stehen wir schon vor der naechsten langen Strecke, die richtig tief aussieht. Man kann gar nicht abschaetzen, ob das Durchwaten heute fuer uns ueberhaupt machbar ist, oder ob wir noch einen weiteren Tag abwarten muessen. Ein Postauto kommt von hinten heran und stoppt. Der Mann betrachtet sich die Situation und meint, dass er hier wohl nicht durchkommt. Er scheint sich gut auszukennen in der Gegend und weiss auch, dass gerade Niedrigwasser ist. Der Wasserstand wird also noch weiter steigen. Jetzt oder nie ….. Der Postmann wuenscht uns „Viel Glueck“ bei der Durchquerung und fragt noch, ob wir unsere Schnorchel dabei haben. Sehr witzig ! Aber wir muessen da durch, noch laenger wollen wir nicht in Havelock bleiben. Thomas laeuft vor und tastet mit seinen Stoeckern vorsichtig die braune Bruehe ab, damit wir nicht in einem Schlagloch versinken. Wir halten uns moeglichst genau zwischen den Weidezaeunen, denn da muss ja irgendwo die Mitte der Strasse sein. Etwas hoeher als knietief, eigentlich kein Problem, aber es haelt auf. Danach koennen wir unsere festen Schuhe wieder anziehen und marschieren erstmal zuegig weiter, bis Thomas feststellt, dass er seine Brille verloren hat. Oh nein – schon wieder ! Er laeuft nochmal  gute 30 Minuten auf der Landstrasse zurueck, waehrend ich mit den Rucksaecken warte. Leider ohne Erfolg, die Brille bleibt verschwunden. Wieder eine Stunde verdaddelt. Von dort aus fuehrt unser Weg lange am tosenden Fluss entlang, der enorm an Breite zugenommen hat. Ein braunes grosses Etwas schwimmt in der schnellen Stroemung vorbei. Das ist doch wohl nicht schon wieder eine tote Kuh ? Ich mag gar nicht so genau hinsehen. Es geht einfach weiter, ueber sumpfige Wiesen und Weiden, die ganze Zeit feucht bis sehr nass. Seit wir die Landstrasse verlassen haben, laufen wir den Dalton Track. Unzaehlige Male muessen wir Wasser in jeder Form ueberqueren. An einer Stelle erscheint uns der ehemals kleine Bach, den wir uebersteigen sollen, viel zu wild. Thomas prueft die Wassertiefe mit seinem Stock …. nein, da gehen wir lieber nicht durch. Deswegen suchen wir uns einen anderen Weg weiter oberhalb und kommen an einer Kuhweide heraus. Nun muessen wir nur noch wieder zurueck auf den Trail. Erstaunlicherweise sehen wir einen Igel, der sich mit verkniffenen Augen und ziemlich verwirrt an der Strasse entlang tastet. Komisch, die sind doch sonst immer nur platt auf der Fahrbahn zu finden. Kurze Zeit spaeter laeuft noch ein anderer Igel anscheinend orientierungslos an uns vorbei. Thomas vermutet, dass den possierlichen Tieren ihre Behausungen abgesoffen sind. Sonst nur nachtaktiv, hat der starke Regen sie wohl tagsueber aus ihren Loechern getrieben. Auf einer Wiese stehen seltsame Rinder, die sind ganz schwarz und haben einen breiten wollweissen Streifen wie einen Ring um den Bauch. Alle sehen so aus, genau gleich gezeichnet, Kuehe, Bullen und Jungtiere. Das muss eine ganz besondere Rasse sein. Dann kommen wir an einem Gehege mit sehr hohem Zaun vorbei, in dem Rotwild grast. Ein Hirsch und seine 7 Frauen, denen es hier offensichtlich sehr gut geht, bis sie an ein Feinschmecker-Restaurant verkauft werden. Nach 20 Kilometern erreichen wir die Pelorus Bridge, wo es einen Campingplatz mit angegliedertem Cafe gibt. Wir haben extra eine warme Mahlzeit weniger eingeplant, weil wir eigentlich hier nochmal warm essen wollten. aber – dumm gelaufen – das Cafe hat bereits geschlossen, als wir um 17.00 Uhr dort ankommen. Also muessen wir schon an unsere Vorraete, und es gibt nur belegte Brote statt Hamburger mit Pommes. Am Picknick-Tisch treffen wir ein junges Paar, welches schon seit vier Jahren mit dem Fahrrad um die Welt reist. Sehr interessant, wir tauschen eine Menge Tipps und Erfahrungen aus. Es gibt unendlich viele Moeglichkeiten, um andere Laender zu entdecken und dabei hautnah Kontakt zu Menschen und Natur zu haben. Das Reisen per Fahrrad gehoert allerdings vorerst nicht zu unseren weiteren Plaenen. Trotz unseres spaeten Starts schaffen wir noch knapp 30 Kilometer, bis sich dunkle Wolken am Himmel zusammenbrauen. Gerade als die ersten Tropfen fallen, da finden wir einen Platz fuer unser Zelt, und Thomas baut im Regen unser Lager auf.
Tag 2 : Maungatapu Road bis Middy Creek Hut
Heftiger Regen ohne Unterlass, die ganze Nacht hindurch. Manchmal prasselt es so heftig auf unser Zeltdach, dass wir einige Spritzer abbekommen, die der Stoff nicht abhalten kann. Aber ansonsten bleiben wir ueberwiegend trocken. Morgens stopfen wir alles nur notduerftig in die Rucksaecke und laufen bis an eine Bruecke, wo wir uns sortieren und ordentlich einpacken. Vor unserem Zelt hatten sich Millionen von Sandflies versammelt, die im Trockenenen warteten, bis wir den Eingang oeffneten. Da mussten wir ganz schnell weg. Waehrend wir uns neben der Strasse anziehen, kommt ein Auto vorbei. Der Fahrer wundert sich nicht gross, sondern winkt freundlich und wuenscht uns „Good Luck !“ Die Neuseelaender sind einfach nur nett ! Die Welt ist immer noch grau und feucht. Ueberall schiesst gesammelter Regen aus den Bergen und ueber die Strasse in den Fluss. Nach der 5. Durchquerung habe ich nasse Fuesse. Alle Baeche sind reissende Stroeme geworden. Bergauf laufen wir manchmal in fliessendem Wasser, welches uns nur so entgegen rauscht. Wir kommen an einem Hain mit Eukalyptus-Bauemen vorbei, die herrlich wuerzig duften. Hinter einer Kurve trauen wir unseren Augen kaum : Da steht ein schickes Wohnhaus mitten in der Einoede. Das ist aber ein weiter Weg zum Einkaufen. Wie dumm, wenn man dann die Milch vergessen hat …. Und ob hier wohl ein Postbote herausfaehrt, der die Briefe bringt ? Nebenan sehen wir wieder ein riesiges Gehege mit Rehen, die Zucht scheint auf der Suedinsel sehr beliebt und lukrativ zu sein. Unser Weg geht ueber in den Pelorus River Track. Eine Menge entwurzelter Baeume, die wohl der Sturm losgerissen hat, versperren uns so manches Mal den Durchgang. Auf dem Trail liegt ueberall Kleinholz verteilt, das Unwetter muss also ordentlich gewuetet haben. Dann kommt eine dieser furchtbaren Haengebruecken ohne festen Boden, die scheint auch schon bessere Tage gesehen zu haben. Das Betreten ist wieder nur fuer eine Person erlaubt, also werden wir schoen langsam und nacheinander ueber das Metallgitter auf die andere Seite balancieren. Direkt unter uns sehen wir die wilden Fluten des Pelorus River, da kann es einem wirklich Angst und Bange werden. Hoffentlich halten die Drahtseile ! Und nachdem das geschafft ist und der Adrenalin-Pegel wieder auf ein normales Level gesunken ist, da stehen wir vor einem kleinen Wasserfall. Auch da muessen wir irgendwie hindurch, also wieder Schuhe ausziehen. An der Emerald Pool Picnic Area machen wir eine laengere Pause und lernen Marten kennen. Er stammt aus den Niederlanden und verbringt zwei Wochen Urlaub damit, nur die Richmond Range zu laufen. Irgendwie ist der Mann merkwuerdig, spricht sehr schnell und aufgeregt, ein totaler Hektiker. Marten hat sich seinen gesamten Proviant fuer 12 Tage im Fluggepaeck von zu Hause mitgebracht. Er hat einen Zipp-Beutel mit Kruemeln, die wie Paniermehl aussehen und isst waehrend unserer ausgiebigen Rast nur zwei Salzkekse, die er auch noch in den Haenden zerbroeselt. Irgendwie kommt uns dieser Mensch ziemlich seltsam vor, denn er stresst auch schnell wieder los, um vor allen Anderen an der Huette anzukommen. Eine Wespe sticht mich in die Achselhoehle, waehrend ich einfach nur so da sitze und nichts mache. Keine Ahnung, warum …. ich habe einen schwarzen langaermeligen Pulli an, aber das Biest sticht trotzdem hindurch. Sehr schmerzhaft ! Ich liebe die Natur und Tiere im Allgemeinen, aber Insekten mit Stachel werden nie meine Freunde werden. So langsam und fast unmerklich geht es immer weiter bergauf. Auf der gegenueberliegenden Seite sprudelt ein imposanter Wasserfall aus dem Berg. Der Pelorus River wird durch unzaehlige Zulaeufe gespeist und immer breiter. Noch vier weitere Haengebruecken warten auf uns, drei davon sind sehr wackelig und ohne festen Boden. Eine Bruecke hat immerhin ein schmales Brett in der Mitte, auf dem knapp zwei Fuesse beim Laufen nebeneinander passen. Der erste North-Bounder kommt uns entgegen. Das sind die Te Araroa-Wanderer, die ganz im Sueden gestartet sind und andersherum bis nach Cape Reinga im Norden laufen. An der Captain Creek Hut treffen wir wieder auf Marten. Diesmal erscheint uns der Hollaender viel ruhiger und entspannter als beim ersten Zusammentreffen. Er bietet uns sogar eine Tasse Tee an, dafuer bekommt er von uns einen leckeren Muesli-Riegel als Abwechslung zu seinem Kruemel-Essen. Marten erzaehlt uns, dass nicht die hohen Berge vor uns die groesste Herausforderung sind, sondern dass die groesste Gefahr auf den Fluss-Passagen lauert. Nach kurzer Unterhaltung machen wir uns wieder auf den Weg, denn wir haben die naechste Huette als Ziel anvisiert. Eine sehr gute Entscheidung, denn in der Middy Creek Hut, die fuer 6-Personen Platz bietet, bleiben wir ganz alleine. Sehr komfortabel !
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Tag 3 : Middy Creek Hut bis Browning Hut
Waehrend eines Toiletten-Gangs in der Nacht haben mich draussen die Muecken zerstochen, was eine laengere Juck-Attacke zur Folge hatte. Danach habe ich bis zum Wecker-Klingeln tief und traumlos durchgeschlafen. Um 6.00 Uhr morgens ist es in der Huette stockfinster, am Himmel stehen noch die Sterne. Beim Hellwerden geht es los, und gleich um 7.30 Uhr haben wir schon wieder die erste fiese Haengebruecke zu meistern. Nicht gerade das, was ich mir so frueh wuensche, aber man gewoehnt sich dran. Richtiges Fruehstueck gibt es erst nach zwei Stunden an der Rocks Hut. Der Anstieg ist angenehm. es geht ueber Geroell und Felsen stetig weiter nach oben. Im Gegensatz zur Nordinsel gibt es hier so gut wie keine Matschloecher, die uns aufhalten. Wir schaffen den Weg eine Stunde schneller als vorgesehen. Huebsche Singvoegel mit gelber Brust flattern um uns herum. Sie sind sehr zutraulich und begleiten uns auf weiten Teilen der Strecke, indem sie neben uns von Baum zu Baum fliegen. Auf weichem Waldboden laufen wir einen schoenen Pfad immer hoeher und hoeher. Irgendwann befinden wir uns zum ersten Mal oberhalb der Baumgrenze. Hier wachsen nur noch niedrige Straeucher, Moose und Flechten. Erinnerungen an die White Mountains auf dem Appalachian Trail werden wach. Blauer Himmel, keine Wolken am Himmel, die Sonne knallt auf uns herunter. Wir laufen nacheinander ueber mehrere Gipfel. Weite Ausblicke nach allen Seiten, wir koennen die Stadt Nelson und in der Ferne das Meer sehen. Es ist atemberaubend schoen hier oben ! Nach einem ordentlichen Abstieg ins Tal gelangen wir an einen Fluss, der zum Baden einlaedt. Zeit fuer eine ausgiebige Wasch-Aktion im eiskalten Wasser. Anscheinend gibt es hier gerade keine Sandflies, dafuer eine Menge wilder Bienen und Wespen. Die Zikaden zirpen um die Wette, was bei der sonstigen Stille ringsum ein lautes, monotones Rauschen im Ohr erzeugt. In Neuseeland gibt es 42 verschiedene Arten von Zikaden mit einer Fluegel-Spannweite zwischen 30 und 80 Millimeter. Sie haeuten sich im Wachstum, und wir sehen einen Kokon, aus dem wohl gerade erst eins dieser Insekten geschluepft ist. Viel zu frueh erreichen wir die Browning Hut, die wir zum Uebernachten geplant hatten. Das ist wieder nur ein kurzer Lauftag, aber wir haben unsere Etappen extra so gewaehlt, dass wir in eine andere Huetten-Taktung kommen. Dadurch haben wir die Chance, die Naechte nicht mit den anderen Gruppen-Hikern zusammen verbringen zu muessen. Anhand der Register wissen wir immer ziemlich genau, wer vor uns ist bzw. hinter uns nachkommt. Ausserdem wollten wir ganz bewusst die Old Man Hut auslassen, weil sie nicht auf dem Trail liegt und nur durch eine Stunde Umweg durch steiles Geroellfeld zu erreichen ist. Bisher ging unsere Rechnung sehr gut auf, wir bleiben wieder alleine. Morgen und uebermorgen werden knackige Tage fuer uns, da haben wir ordentlich Steigungen und viele Laufstunden vor uns. Also werden wir heute nochmal den fruehen Feierabend in unserer privaten Huette geniessen.
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Tag 4 : Browning Hut bis Slaty Hut
Der Tag beginnt erneut sehr frueh fuer uns. Und es wird nicht langweilig. Auf dem Weg zur ersten Huette muessen wir immer wieder Baeche ueberqueren, die mehr Wasser fuehren als gewoehnlich. Zunaechst klappt das auch ganz gut ueber Trittsteine oder mit einem beherzten Sprung, aber irgendwann stehen wir vor einem tieferen Strom. Nuetzt nichts, Hose hochkrempeln, Schuhe und Socken ausziehen, Sandalen an und hindurch. Nacheinander durchwaten wir so einige Male verschiedene Wasserlaeufe, deren Namen ich bald nicht mehr auseinander halten kann. Nach 1,5 Stunden haben wir schon die Hacket Hut erreicht. Dort treffen wir auf einen Jaeger, den ich waehrend seines schlimmen Akzents kaum verstehen kann. Ausserdem macht ein junges Paar hier wohl ein Abenteuer-Wochenende im Zelt. Die haben wir um 9.00 Uhr offensichtlich gerade geweckt. Wir tauschen die Sandalen gegen die Wanderschuhe und halten uns nicht laenger auf. Aber bereits nach kurzer Zeit fuehrt unser Weg wieder direkt zum Fluss. Auf der anderen Seite ist das Te Araroa-Zeichen erkennbar. Also wieder ueberqueren, am anderen Ufer geht es ueber Kieselsteine ganz knapp immer am Wasser entlang weiter. Danach noch ein paar Mal dasselbe Spiel …. man muss durch den Fluss, um dem Weg auf der gegenueberliegenden Seite weiter zu folgen. Einige Male gelingt es mit Balancieren und Huepfen, dann aber finden wir keine geeignete Stelle mehr zum Fjorden. Von jetzt an laufen wir einfach nur noch mit Schuhen und Struempfen hindurch. Die Sandalen auszuziehen, das war auf jeden Fall ein Fehler. Ich weiss nicht, wie viele Male wir insgesamt den Fluss in beide Richtungen hin und zurueck ueberqueren. Fuer mich ist die Vorstellung, nun den Rest des Tages mit nassen Fuessen zu laufen, ganz schrecklich. Ich bewege mich gerade weit ausserhalb meiner Komfortzone und werde quengelig. Thomas kennt das schon und kann sehr gut damit umgehen. Er schaut mir tief in die Augen und holt mich auf den Boden der Tatsachen zurueck. Sooo schlimm ist das dann ja auch alles gar nicht ! Als wir uns endlich vom Fluss entfernen und wieder kraeftig aufsteigen, da habe ich mich wieder abgeregt. Eine laengere Pause im Wald laesst Schuhe und Socken schon etwas trocknen, den Rest muss die Mittagssonne besorgen. Knapp 4 Stunden und 900 Hoehenmeter weiter kommen wir bei der Starveall Hut an, die frisch renoviert vor dem blauen Himmel leuchtet. Wir befinden uns auf einer schoenen Lichtung mit tollen Ausblicken nach drei Seiten hin. Die Silhouetten der Bergkaemme grenzen sich scharf vor dem klaren Horizont ab, weisse Watte-Woelkchen am Himmel, dazu eine unbeschreibliche Ruhe um uns herum. Friedliche Mittagspause am Picknick-Tisch, ein grosser Topf Tee gehoert unbedingt dazu. Sonst gibt es ja seit Tagen immer nur Wasser ohne Geschmack. In der Huette liegen einige Extra-Mahlzeiten, die wohl Jemand uebrig hatte. So kommt Thomas trotz unserer knapp kalkulierten Lebensmittel zu einer zusaetzlichen warmen Suppe. Und dann greifen die Wekas an ! Zuerst picken sie an unserem Schweisstuch herum und schleppen es einen Meter weiter ins Gebuesch. Dann wird die Einlegesohle von Thomas in den Schnabel genommen und wieder ausgespuckt. Der naechste Diebstahl-Versuch gilt seiner Unterhose, die auf einem Podest zum Trocknen haengt. Weka-Vogel zieht sie ganz dreist herunter, was ein sofortiges Eingreifen erfordert. Mann, was sind die frech ! Wir duerfen wirklich nichts draussen herumliegen lassen. Nach unserer erholsamen Pause steigen wir weiter auf und laufen an der Flanke des Mt. Starveall ( 1511 Meter ) entlang. Ab hier wird der Weg durch Steinmaennchen oder 2 Meter lange orangefarbene Stangen markiert. Wir sind nun wieder oberhalb der Baumgrenze, die Luft ist frisch und klar. Es waechst noch sehr sparsam etwas hartes Gras, das Moos an den Felsen ist hellgrau bis dunkelbraun gefaerbt. Erstaunlicherweise haben sich selbst auf den Berggipfeln ein paar Blumen durchgesetzt. Weisse Blueten auf langen Stielen trotzen der Witterung. Zwischen dem Geroell kann man winzig kleine rote Beeren entdecken. Waehrend der letzten Stunde unserer Wanderung schiebt sich von hinten aufkommend dichte Bewoelkung heran. Es sieht aus, als koennte es heute noch Regen geben. Aber wir haben Glueck – auf dem Grat und an unserer Seite des Berges bleibt es schoen und trocken. Nach diesem herzhaften Anstieg muessen wir auf der anderen Seite durch Krueppelwald wieder tief hinunter. Und noch ein letztes Mal geht es 300 Hoehenmeter bergauf bis zur Slaty Hut, die sich auf 1400 Metern Hoehe befindet. Es ist schon wieder Keiner zu Hause, die Huette gehoert uns alleine. Zum Abschluss dieses anstrengenden vierten Tages goennen wir uns zwei Packungen Back Country Cuisine ( laut Aufschrift jeweils fuer zwei Personen ). Solche guten Mahlzeiten haben wir vorher noch nie gekauft, weil sie ausgesprochen teuer sind. Aber auf dieser harten Etappe, wo wir mehr Essen als sonst tragen muessen, haben wir uns ausnahmsweise diese gesunden und energiereichen Tueten geleistet. Kosten mal eben 50,- Dollar fuer zwei Tage, sind aber wirklich lecker, und im Gegensatz zu unseren sonstigen 2-Minuten-Nudeln fuehlen wir uns danach richtig satt. Ein Festmahl in der Mitte der Richmond Ranges, damit wir morgen wieder ordentlich Gas geben koennen.
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Tag 5 : Slaty Hut bis Mt. Rintoul Hut
Es ist wieder dunkel, als der Wecker morgens klingelt, aber daran habe ich mich inzwischen gewoehnt. Wir sind wirklich ausgesprochen diszipliniert auf dieser Strecke durch zum Teil hochalpines Gelaende. Draussen vor der Tuer ist es neblig und kalt, um uns herum nur Wolken. Trotzdem macht es Spass, so frueh unterwegs zu sein und den Tag erwachen zu sehen. Diese Stille um uns herum ist einmalig. Nur eine verirrte Ziege meckert rechts von uns am Hang. Als Fruehsport gibt es einen Aufstieg zum Slaty Peak, von dort aus laufen wir auf einer langen Bergkette und bleiben meistens in der Hoehe. Schon bald klart es auf, das Wetter will wohl wieder schoen werden. Ganz weit entfernt kann man das Rauschen eines Wasserfalls im Tal hoeren. Ansonsten nur Ruhe, Einsamkeit und grenzenlose Natur um uns herum. Wir befinden uns heute, am 5. Tag unserer Tour, genau in der Mitte der Richmond Range. Das bedeutet, wir sind wirklich von allen Seiten von richtigen Bergen umgeben. Wir koennen einen phantastischen Ausblick vom naechsten Gipfel geniessen, denn der Himmel ist inzwischen strahlend blau. Schon um 10.00 Uhr morgens, viel frueher als erwartet, erreichen wir den Old Man Summit mit 1514 Metern Hoehe. Statt der angegebenen vier Stunden haben wir den Weg bis hierhin in etwas mehr als zwei Stunden geschafft. Zur Belohnung erlauben wir uns eine ausgedehnte Fruehstueckspause auf dem sonnigen Gipfel. Bis zum Abzweiger zur naechsten Huette bleibt der Trail richtig schoen, zwar mit steilen Abschnitten, aber insgesamt sehr gut zu gehen. Wir haben uns bis jetzt nicht ueberfordert, sondern hatten drei Ruhetage in Havelock und haben uns auch danach in der ersten Haelfte der Richmond Range eher zurueckgehalten. Deswegen fluppt es auch heute wieder ausgesprochen gut. Wir fuehlen uns immer noch frisch und ausgeruht. Ein Thru-Hiker, der nach Norden unterwegs ist, erzaehlt uns, dass er die letzten Naechte immer in vollen Huetten verbracht hat. Er meint, dass die Leute, die uns voraus waren und durch das schlechte Wetter ausgebremst wurden, nun alle sehr erschoepft sind. Einigen ist durch die Wartezeit sogar das Essen ausgegangen. Da haben wir es eindeutig besser eingerichtet. Uns geht es richtig gut, Proviant ist auch noch genug vorhanden. Wir haben unsere Kraefte gespart fuer den schwierigen Mittelteil, wo die Anderen bereits ordentlich abgebaut haben. Die Old Man Hut liegt zu unserer Linken, aber da wollen wir gar nicht hinunter, weil es einen Umweg mit 200 Hoehenmetern Auf- und Abstieg bedeuten wuerde. Danach beginnt der bisher schwierigste Teil, schwindelerregende Passagen entlang von harschen Felswaenden. Klettern, Steigen, Balancieren …. manchmal muessen die Stoecker weg und beide Haende zu Hilfe genommen werden. Aber es ist alles gut zu bewaeltigen, technisch nicht besonders schwierig. Beim Vergleich mit dem Appalachian Trail denke ich immer wieder : Die White Mountains waren viel schwieriger. Technische Finessen sind hier nicht erforderlich, aber man sollte auch keine Hoehenangst haben, wenn zur linken Seite der Abgrund lauert. Konzentration und alles schoen langsam angehen – das ist unsere Devise. Man wird ja vernuenftiger mit dem Alter. Am Nachmittag wird es dann doch noch heftig anstrengend. Wir muessen steil aufsteigen bis auf den Gipfel des Little Rintoul ( 1643 Meter ). Oben herrscht dicke Nebelsuppe, keine Sicht nach Nirgendwohin. Es ist feucht und kalt. Also schnell wieder hinunter, durch ein rutschiges Geroellfeld stolpern wir 200 Hoehenmeter tiefer. Das spuert man ordentlich in den Knien, obwohl wir bisher sehr schonend gelaufen sind. Von dort aus sieht man bereits den naechsten Gipfel im Weg liegen. Der Mount Rintoul ist mit 1731 Metern der hoechste Berg der Ridgemond Range. Ueber Geroell und wackelige Felsplatten kaempfen wir uns wieder 300 Hoehenmeter hinauf. So langsam schwinden unsere Kraefte und auch die Lust am Kraxeln und Steigen. Noch ein weiteres riesiges Geroellfeld muss durchquert werden. Mir scheint es, als ob das ewig dauert. Nicht umsonst werden auf der Te Araroa-Seite im Internet 5 Stunden fuer 4,5 Kilometer Distanz veranschlagt. Wir konnten es nicht glauben, aber viel schneller geht es wirklich nicht. Um 18.00 Uhr erreichen wir ziemlich erschoepft die Mt. Rintoul Hut. Wir sind bis jetzt vier Naechte alleine geblieben, aber heute laufen wir in eine kleine Gruppe hinein. Drei Leute, die an diesem Tag von der Old Man Hut gekommen sind, also lediglich 4,5 Kilometer zurueckgelegt haben. Damit konnten wir bei unserer Planung natuerlich nicht rechnen. Alle drei sind Raucher, nicht besonders angenehm. Die Huette bietet Platz fuer sechs Personen, und zum Weiterlaufen ist es zu spaet. Wir richten uns die oberen Etagenbetten her und liegen schon um 20.00 Uhr auf der Matratze.
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Tag 6 : Mt. Rintoul Hut bis Top Wairoa Hut
Die letzte Nacht war unruhig, wir haben beide schlecht geschlafen. Auch das Kaffee-Trinken in der Huette ist nicht besonders entspannend, deswegen starten wir noch frueher als sonst. Zunaechst steigen wir kraeftig auf – was sonst ? Der Gipfel des Purple Top ( 1532 Meter ) liegt noch komplett in den Wolken. Man kann so gerade noch mit viel Muehe den naechsten Markierungspfahl erkennen. Wir erreichen schon nach 3 Stunden und 10 Minuten den Abzweiger zur Tarn Hut und koennen es kaum glauben. Schon da ? Auf dem letzten DOC-Schild war diese Entfernung mit 5 Stunden angegeben. Kurze Pause, dann gleich weiter ….. wir haben uns einen langen Tag vorgenommen, weil wir nicht noch einmal mit der rauchenden Dreier-Gruppe in einer Huette schlafen moechten. Und der Weg ist einfacher als erwartet, das kommt unseren Plaenen sehr entgegen. Zwar geht es immer noch bergauf und bergab, aber wir sind nach wie vor in guter Verfassung und laufen die Kilometer einfach so weg. Der Rucksack ist auch schon wesentlich leichter geworden. Immerhin ist heute unser sechster Tag in der Ridgemond Range. So langsam muessen wir die Muesli-Riegel und Tortillas abzaehlen und einteilen. Der dritte North-Bounder kommt uns entgegen. Insgesamt sollen in diesem Jahr nur etwa 10 Leute gestartet sein, die den Te Araroa von Bluff im Sueden bis nach Cape Reinga im Norden gehen. Unser Weg fuehrt weiter durch Wald mit niedrigem Baumbewuchs. Anstieg, Abstieg, Gegenanstieg ….. dann geht es nur noch steil hinunter bis zum Wairoa River, 900 Hoehenmeter abwaerts in die Tiefe. Wir kommen erstaunlich schnell vorwaerts, denn das Gelaende ist trocken und griffig. Eine unangenehme Haengebruecke ohne festen Boden bringt uns auf die andere Seite des Flusses, wo wir schon bald die Mid Wairoa Hut entdecken. Wahnsinn – schon wieder haben wir nur 3 Stunden gebraucht fuer eine Tour, die mit 4,5 Stunden angegeben war. Ein sehr schoener Platz mit viel Wiese drumherum und einem Picknick-Tisch vor der Huette. Der Fluss rauscht direkt nebenan vorbei. Aber fuer mich ist das kein guter Ort zum Bleiben. Bienen, Wespen, Muecken und Sandflies lassen uns die Pause lieber im Inneren verbringen. Von dort aus haben wir uns noch eine weitere Etappe vorgenommen. Die starken Regenfaelle vor ein paar Tagen haben auf dem Weg einen Erdrutsch verursacht. Felsbrocken, Erde und ganze Baeume sind den Hang hinuntergestuerzt. Te Araroa ist an dieser Stelle unpassierbar geworden, deswegen muessen wir uns einen neuen Weg oberhalb des Ufers suchen. Auch danach bleibt es spannend. Wir muessen zum Ende des Tages noch insgesamt acht Fluss-Ueberquerungen machen, ausserdem zwei kleinere Seitenarme des Wairoa River ueberwinden. Zwischendurch gibt es Aufstieg und Abstieg, immer auf schmalem Grat parallel zum Fluss. Einen relativ ruhigen Fluss-Abschnitt nutzen wir, um in einem kleinen Pool zu baden. Beim Einseifen zerreibe ich ein Dutzend Sandflies, die sich auf meiner Haut niedergelassen haben. Das Wasser ist eiskalt, zum Haarewaschen kann ich mich nicht ueberwinden. Wir wundern uns ueber ein dickes Drahtseil, welches in einer ausgesetzten Kurve am Abhang als Sicherung angebracht ist. Was soll denn dieser Quatsch ? Erstens hat kein Long-Distance-Hiker Karabiner und Sicherungsseil im Rucksack dabei. Und ausserdem….was ist denn mit den weiteren 3000 Metern, die man ungesichert und ebenso gefaehrlich rutschig zuruecklegen muss ? Ein Wasserfall, der ueber fuenf Stufen in die Tiefe stuerzt, liegt auch noch auf unserem Weg. An der obersten Felsreihe suchen wir uns die ruhigste Stelle, um durch den Wasserfall auf die andere Seite zu gelangen. Es wird nicht langweilig. Um 19.00 Uhr erreichen wir die Top Wairoa Hut, wir haben unser Tagesziel erreicht. Es liegen bereits drei Personen ziemlich ermattet auf den unteren Betten. Es handelt sich um zwei echte Kiwis, die von der Nordinsel heruebergeflogen sind, um ihren Urlaub in der Ridgemond Range zu wandern, Und dann lernen wir noch Liu kennen, eine Thru-Hikerin italienischer Abstammung, die auch den ganzen Trail alleine laeuft. Das Maedel hat keinen Proviant mehr, aber die neuseelaendischen Gentlemen haben Liu grosszuegig mit Muesli-Riegeln, Backcountry Cuisine und teurem Fertig-Fruehstueck beschenkt. Insgesamt ist das eine ganz nette Gesellschaft, vor allen Dingen sind sie alle muede und ruhig.
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Tag 7 : Top Wairoa Hut bis Motueka River
Gut geschlafen haben wir, ausgeruht sind wir und frueh unterwegs. Schon wieder blauer Himmel, die Luft hier oben ist klar und sehr kalt. Noch einmal muessen wir unsere Kraefte mobilisieren, denn es geht immer noch hinauf und hinunter. Wir ueberqueren den Mt. Ellis mit 1615 Metern Hoehe. Die Sonne waermt schon um 9.00 Uhr morgens, so dass wir auf dem Gipfel eine Pause mit toller Aussicht geniessen koennen. Zur Linken liegt der Red Hill, der mit 1791 Metern Hoehe auch sehr imposant aussieht. Leider hat unsere Kamera inzwischen den Dienst quittiert, also gibt es kein Foto. Die Batterien sind leer, wir brauchen unbedingt mal wieder eine Steckdose zum Aufladen. Vom Mt. Ellis aus geht es steile 900 Hoehenmeter bergab bis zum Motueka River. Da macht es sich doch langsam bemerkbar, dass wir bereits einige sehr anstrengende Tage hinter uns haben. Unten gibt es zwei Fluss-Querungen, die wir beinahe mit trockenen Schuhen schaffen. Naja, nicht ganz, mit einem Fuss rutsche ich vom Stein ab und trete ins knietiefe Wasser. Aber das ist jetzt auch egal. Nach ueber 5 Stunden strammen Laufens und einem letzten steilen 15-Minuten Anstieg erreichen wir die Hunters Hut, die nagelneu und luxurioes ist. Hier waere ein toller Platz zum Bleiben, aber nach einer Mittagspause machen wir uns auf den weiteren Weg. Die Landschaft um uns herum ist wunderschoen. Grosse Felder mit rotem Gestein liegen vor uns, ueber die wir nur langsam vorwaerts kommen. Inzwischen hat ein boeiger Wind eingesetzt, der mich einmal fast von den Felsen weht. Dadurch werde ich unsicher und laufe noch eine Spur langsamer. Ploetzlich stehen wir wieder vor einem Erdrutsch. Baeume, Wurzelballen, Felsen und Erdklumpen sind ins Flussbett hinabgepoltert und muessen umklettert werden. Danach steigen wir wieder auf, diesmal schimmert das Gestein gruen in der untergehenden Sonne. Mineralien verschiedenster Art bringen die verschiedenen Faerbungen hervor, immer wieder sehen wir andere Nuancen. Um uns herum nur Berge nach allen Seiten, unter uns schlaengelt sich der wilde Fluss in Kurven durch die Schlucht. Unsere Freundin Manja, die den Trail vor zwei Jahren gelaufen ist, hat diese Kulisse als Winnetou-Landschaft beschrieben – und genau so sieht es auch aus. Thomas stellt ganz treffend fest : Das sah hier schon vor 10.000 Jahren so aus ! Uns kommt eine junge Frau mit schlankem Rucksack entgegen, eindeutig ein Indiz fuer Te Araroa-Hiker. Das Maedel ist tatsaechlich alleine unterwegs und laeuft den Trail in umgekehrter Richtung. Sehr mutig, aber ueberhaupt nicht gespraechig. Um 17.30 Uhr erreichen wir die Porters Hut, wo wir die beiden Neuseelaender antreffen, die schon wieder in der Waagerechten liegen. Wir moechten sowieso nicht bleiben, sondern machen nur kurze Pause, um noch ein paar Kilometer mehr zu schaffen. Eine Stunde spaeter stolpern wir fast ueber einen jungen Mann, der total erledigt mitten auf dem Weg neben seinem Rucksack sitzt. Es stellt sich heraus, dass er aus Deutschland stammt und ebenfalls den Trail von Sueden nach Norden laeuft. Wir quatschen eine Weile und tauschen ein paar Informationen aus, was den weiteren Verlauf betrifft. Dann muessen wir weiter, denn die Dunkelheit rueckt naeher. Natuerlich findet man in diesem Gelaende nicht so schnell eine ebene Stelle fuer’s Zelt. Die Marker liegen weit auseinander und sind schon fast nicht mehr zu erkennen. Wir muessen noch mehr als eine weitere Stunde zuegig laufen, bis wir wieder unten am Ufer des Motueka Rivers ankommen. Dort sucht Thomas uns einen feinen Platz auf einem sandigen Flecken. Der Wasserstand ist seit dem letzten Regen stark gefallen, so dass wir hier am Rande des Flussbettes eigentlich trocken bleiben muessten. Es ist schon richtig spaet, bis unser Lager eingerichtet ist. Trotzdem kochen wir unsere letzte Mahlzeit direkt am Wasser und geniessen die wunderbare Abend-Stimmung alleine zu zweit. Schon morgen werden wir fertig sein mit der Richmond Range, da kann man fast ein bisschen wehmuetig werden.
Tag 8 : Motueka River bis St. Arnaud
Wir hatten ein weiches Lager im Sand mit dem beruhigenden Rauschen des Flusses im Ohr. Trotzdem wachen wir ziemlich kaputt auf, die Nachtruhe war einfach zu kurz. Inzwischen stecken uns die letzten beiden Tage doch in den Knochen. Gestern und vorgestern waren wir 12 bzw. 13 Stunden unterwegs, davon jedes Mal satte 10 Laufstunden, der Rest Pausenzeit. Die Fuesse schmerzen, und die Beine sind schwer. Trotzdem freuen wir uns ueber einen tollen Tagesbeginn. Erstaunlicherweise ist es nicht feucht, und die Luft ist schon morgens um 6.30 Uhr recht warm. Nur die eine Million Sandflies stoeren, die sich ueberall hinsetzen und zubeissen, wo sie ein Stueck nackte Haut entdecken. Mit Pullover und Daunenjacke bekleidet trinken wir unseren letzten Kaffee auf den dicken Kieselsteinen am Fluss. Wir haben sehr gut geplant und eingekauft fuer diese Etappe : Milchpulver und Zucker sind gerade leer, Kaffee ist vielleicht noch fuer eine Tasse da. Ausserdem drei Tortillas fuer unser Fruehstueck, ein paar Kekse und etwas Knabberzeug. Heute queren wir nur noch 2-3 Mal ueber den Motueka River, das wird uns wahrscheinlich demnaechst fehlen. Ein weiterer durch starke Regenfaelle verursachter Abrutsch versperrt uns den Weg. Aber auch dieses Hindernis koennen wir ohne Probleme umgehen, indem wir die steile Kante hinaufklettern und auf der anderen Seite wieder hinunterrutschen. Vom Flussbett ganz unten muessen wir wieder stark aufsteigen bis zu unserer letzten Huette. Es geht einige Kilometer an einem schraegen Abhang entlang, immer der prallen Sonne ausgesetzt. Das letzte Stueck des Trails fuehrt uns durch Sumpfgebiet. Hier sind wir wieder einmal froh, dass wir das schlechte Wetter in Havelock abgewartet haben und deswegen relativ trocken laufen koennen. Um 10.00 Uhr morgens erreichen wir die Red Hills Hut, die auf 910 Metern Hoehe gelegen ist. An dieser Stelle zeigt uns ein DOC-Schild an, dass der Ridgemond Range Forest Park zu Ende ist. Leider ! Wir hatten eine unbeschreiblich tolle Woche mit besten Wetter-Bedingungen und haben alle Herausforderungen so gut gemeistert, dass wir eigentlich direkt auf die naechste Etappe starten moechten. Der Weg hinaus ueber einen Forstweg dauert nur 1,5 Stunden, danach geht es zum Abgewoehnen ein bisschen bergauf und bergab auf einem Waldweg. Hier begegnen uns die ersten Sportler und Tages-Touristen – die Welt hat uns wieder. Der letzte Abschnitt besteht aus 10,6 Kilometern entlang der Strasse bis nach St. Arnaud. Das ist der Teil, der uns dann doch noch ziemlich plaettet. Wir mieten uns in der Travers-Sabine Lodge ein und nehmen unser Paket mit Essen entgegen. Darin enthalten ist der Proviant fuer die naechste Woche, weil es hier im Dorf fast nichts zu kaufen gibt. Duschen, saubere Waesche, ein weiches Bett fuer die Nacht – nach einer Woche voller Entbehrungen koennen wir das so richtig geniessen !
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Waiau-Pass 27.02. – 02.03.2016  
Tag 1 : St. Arnaud bis John Tait Hut

Viel zu schnell ist unser Aufenthalt in St. Arnaud schon wieder vorbei. Nur ein Ruhetag, alles Wichtige erledigt, Samstag geht es weiter. Der Trail führt rund um einen großen See. Der Lake Rotoiti leuchtet blau in der Sonne und sieht wunderschön aus. Aber wir sind wohl zur falschen Zeit am falschen Ort, denn am Wochenende findet hier ein Jetboot-Wettbewerb statt.

Sonst sind wir immer froh, wieder unterwegs zu sein, aber durch das Rennen wird unsere Freude an der Natur stark beeinträchtigt. Das Geraeusch und der Gestank der Motoren verfolgt uns, waehrend wir die erste Stunde um den See laufen. Der Travers-Sabine Circuit ist ein mehrtägiger Wanderweg, der viel von Touristen begangen wird und dementsprechend gut gepflegt wird. Schnell haben wir die erste Hütte erreicht. Die Lakehead Hut ist für 28 Personen mit Matratzen ausgestattet, also riesig im Vergleich zu allen vorherigen. Leider ist es hier nicht besonders sauber, Tagesgäste können anscheinend ihren Müll nicht wieder mitnehmen. Nach einem zweiten Frühstück packen wir draußen auf der Terrasse unsere Sachen. Eine Biene sticht mich, mal wieder ganz ohne offensichtlichen Grund, in die Kniekehle. Ich habe eine lange khakifarbene Outdoor-Hose an. Bitte, was soll ich denn noch machen, um mich zu schützen ? Der Stich ist sehr schmerzhaft. Ich bin erstmal wieder richtig sauer. Naja, beim schnellen Laufen verdrängt man den Schmerz schnell. Der Travers River begleitet unseren Weg. über mehrere Brücken wechseln wir ständig von einer Seite zum anderen Ufer und wieder zurück. Gegen 18.00 Uhr kommen wir an der John Tait Hut an und beschließen, den Tag hier zu beenden. Eine lebhafte Familie mit zwei Kindern wohnt hier schon seit gestern und hat sich ordentlich ausgebreitet. Wir müssen uns einen Platz am Tisch und auf der Anrichte erkämpfen, weil die alles zugestellt haben. Und das Schlimmste ist die nun folgende Dauer-Berieselung. Der etwa 5-6 Jahre alte Junge hat es anscheinend nicht gelernt, dass man auch einmal den Mund halten kann. Die nächsten drei Stunden plappert er ohne Luft zu holen in einer ziemlich nervigen Tonlage mit seinem Vater …..oder er macht Geräusche irgendwelcher Art, wenn Papa ihn nicht genügend beachtet. Mutter und Tochter sind eher unauffällig. Während wir schon im Schlafsack liegen, geht die Tür auf, und Jemand ruft „Good evening“. Ein müder Wanderer, der sich sofort auf die Matratze legt und schläft. Ein weiterer später Gast sucht sich im Dunkeln einen Platz zum übernachten in der Hütte, außerdem kommt noch eine Gruppe an, die allerdings auf der Wiese zeltet. Das scheint wieder eine unruhige Nacht zu werden.
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Tag 2 : John Tait Hut bis Blue Lake Hut

Der Wecker klingelt um 6.00 Uhr, wir stehen im Dunkeln auf und kochen erstmal Kaffee. Am Liebsten würde Thomas noch ordentlich Krach machen als Rache für die Geräusch-Kulisse vom gestrigen Abend. Und dann muss ich meinen Kaffee tatsächlich ohne Zucker trinken, weil uns wohl beim Umfüllen der großen Tüte in kleinere Zipp-Beutel ein Missgeschick passiert ist. Alles riecht und schmeckt nach Seife, anscheinend haben wir aus Versehen eine Tüte verwendet, in der wir vorher Waschmittel aufbewahrt hatten. Aber wieso nun beide Portionen versaut sind, das bleibt uns Beiden ein Rätsel. Wer mich kennt, der weiß, wie süß ich meinen Kaffee oder Tee gewöhnlich trinke. Den verdorbenen Zucker schütte ich ins Klo und schmolle erst einmal, weil mir nun bittere Zeiten bevorstehen. Heute beginnen wir den Travers Valley Track. Morgens beim Start ist es so kalt, dass wir darüber nachdenken, demnächst Handschuhe zu kaufen. Zunächst haben wir mehrere wackelige Hängebrücken zu überqueren, aber daran sind wir inzwischen gewöhnt. Der Weg führt mal auf dieser, mal auf der anderen Seite des Sabine River entlang. Dieser imposante Fluss begleitet uns den ganzen Vormittag. Unsere erste Pause verbringen wir in der Upper Travers Hut, wo wir die Bekanntschaft mit einem Paar aus Tschechien machen. Sehr nette junge Leute, die seit einer Woche auf dem Travers-Sabine Circuit wandern und immer noch frische äpfel zur Verfügung haben. Wir wundern uns doch sehr darüber. Was müssen die vor 7 Tagen alles an Proviant geschleppt haben ? Kurz danach treffen wir eine Deutsche, die für den DOC ( Departement of Conservation ) einen Freiwilligen-Dienst leistet. Sie wohnt in den Hütten und kontrolliert diese auf Sauberkeit, bezahlte Tickets etc., am Tage bleibt genug Zeit für ihr Hobby “ Wandern „. Wir unterhalten uns kurz über unsere bevorstehende Route und den aktuellen Wetterbericht. Dann machen wir uns an den Aufstieg zum Travers Saddle, immerhin 450 schweißtreibende Höhenmeter liegen vor uns. Belohnt werden wir mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein in 1787 Meter Höhe. Nebenan können wir den Mount Travers ( 2338 Meter ) in voller Pracht bewundern. Es ist warm, kein kalter Wind weht, so dass wir auf dem Sattel erneut eine ausgedehnte Rast machen. Es ist einfach zu schön hier, um sofort wieder abzusteigen. Um uns herum sehen wir schroffe Berge, in deren Kuhlen sogar noch Schnee liegt, der vom letzten Winter übrig geblieben ist. Wir befinden uns hier im nördlichen Teil der neuseeländischen Alpen. Immer wieder warnen Schilder vor Lawinen-Gefahr, aber wir laufen den Te Araroa zu einer Zeit, in der eher mit Erdrutschen zu rechnen ist als mit Schnee-Lawinen. Beim Abstieg bieten sich phantastische Ausblicke auf entfernte Wasserfälle, die sich mehr als 100 Meter senkrecht in die Tiefe stürzen. Und das alles gratis in freier Natur, ohne Führer und Eintrittsgeld. Eine feste Holzbrücke führt uns über eine wahnsinnig enge Schlucht. Nur etwa 5 Meter in der Breite ist dieser Einschnitt zwischen den Bergen, aber dafür ca. 40 Meter tief. Unter uns im dunklen Graben können wir von der Brücke herunter die Gischt des tosenden Wassers erkennen. Wir sind tief beeindruckt und heilfroh, dass wir dort nicht hindurch müssen. Viel zu früh erreichen wir die West Sabine Hut, die wir uns eigentlich als Ziel für die Nacht vorgenommen hatten. Für einen Weg, der mit 6-8 Stunden Laufzeit angegeben war, haben wir nur gute 4 Stunden gebraucht. Soviel zur Planung auf dem Te Araroa …. Es sitzen bereits 5 Personen in der Hütte und haben ihren Kram überall verteilt. Und es sind noch 4 weitere Matratzen hergerichtet, wahrscheinlich von Wanderern, die Tagesausflüge in der näheren Umgebung unternehmen und zum Schlafen wiederkommen. Nach kurzer Beratung entscheiden wir uns dazu, heute noch eine weitere Etappe in Angriff zu nehmen. Der Weg zur nächsten Hütte ist mit 3-4 Stunden Laufzeit veranschlagt, um 17.00 Uhr brechen wir wieder auf. Ein Paar mit schwerem Rucksack kommt uns entgegen, die werden wahrscheinlich auch noch in der West Sabine übernachten. Wir eilen weiter und staunen über Felsen, die schon von Weitem hellrot leuchten. Die rote Farbe ist pflanzlichen Ursprungs, wie sich bei näherer Betrachtung herausstellt. Es handelt sich hierbei um Flechten, die in dieser Gegend dicht an dicht auf den Kieselsteinen wachsen wie ein Teppich. Noch eine kurze Pause mitten im Wald, bei der wir von zutraulichen Vögeln unterhalten werden. Das hübsche Männchen vollführt neben uns eine Art Balztanz, während das etwas kleinere Weibchen ganz nah neben uns hin- und herflattert. Gar nicht ängstlich kommen sie immer näher und sitzen schließlich fast bei Thomas auf dem Kopf. Diese zierlichen Piepmätze mit gelbem Gefieder am Bauch heißen Rockwren, zu deutsch Felsen-Zaunkönig. Sie gehören in Neuseeland zu den gefährdeten Arten und sind die einzigen echten alpinen Vögel hier im Land. Unser Weg geht nun über in den Blue Lake Track. Der Urwald-ähnliche Wald wird immer dichter und unzugänglicher. Ein schmaler Pfad bringt uns wieder in die Höhe, dabei müssen wir über Baumstümpfe und loses Gestein steigen. Thomas stürzt und rutscht einige Meter nach unten ab. Ich merke das noch nicht einmal, weil ich vorauslaufe. Links von uns brodelt und schäumt der Sabine River, rechts von uns plätschert ein schmaler Ausläufer des Flusses. Habe nichts gehört außer den Geräuschen des Wassers, aber zum Glück ist außer ein paar Kratzern an Armen und Beinen nichts passiert. Gegen 19.30 Uhr erreichen wir die Blue Lake Hut, die auf 1340 Metern Höhe gelegen ist. Eine sehr nette Frau um die 60, aus Auckland stammend, empfängt uns mit einem warmen “ Welcome ! “ Außerdem hat sich hier noch ein älterer Herr für die Nacht einquartiert. Wolfgang kommt aus Frankfurt und ist schon zum 11. Mal in Neuseeland unterwegs. Teils mit dem Fahrrad oder auf mehrtägigen Wandertouren erkundet er sein Lieblings-Urlaubsland. Wir verbringen noch eine schöne Stunde mit interessanten Gesprächen und fühlen uns so richtig wohl in dieser angenehmen Gesellschaft.

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Tag 3 : Blue Lake Hut bis Caroline Bivvy
Am nächsten Morgen lassen wir es ausnahmsweise gemütlich angehen, weil wir ja gestern weiter gelaufen sind als geplant. Heute ist unser wichtigster Tag, die Bezwingung des Waiau-Passes liegt vor uns. Gemischte Gefühle, denn diese Passage gilt als schwierig und darf nur bei besten Wetter-Bedingungen in Angriff genommen werden. Zunächst ist es noch kalt und grau, als wir aus der Hütte treten. Ein kleiner Seitenweg führt zum Blue Lake, diesen Ausflug wollen wir uns nicht entgehen lassen. Der Blue Lake liegt 1200 Meter über dem Meeresspiegel und ist der See mit dem erwiesenermaßen klarsten Wasser der Welt. Wissenschaftliche Messungen haben eine Sichtweite von 70 Metern ergeben. Das Wasser ist also supersauber und superkalt. Der See liegt blau-schimmernd eingebettet zwischen den hohen Bergen. Die Gipfel und die Wolken spiegeln sich im kristallklaren Wasser – ein unbeschreiblich schöner Anblick, als Postkarten-Motiv würde man es als kitschig empfinden. Und wie um die Idylle vollkommen zu machen, da schwimmen tatsächlich zwei der seltenen Blue Ducks ( Saum-Schnabelenten ) in Ufernähe. Diese kommen nur in Neuseeland vor und gehören zu den besonders gefährdeten Tierarten. Es soll laut aktuellen Zählungen nur noch zwischen 1200 und 2000 Exemplare geben. Unser Paar scheint sich nicht an Wanderern zu stören, sie paddeln immer näher heran, und schließlich wagen sich unsere beiden Blue Ducks direkt neben uns an Land. Das ist schon ein faszinierendes Schauspiel, wir dürfen einfach ein Teil dieser Natur sein. Unglaublich dankbar für dieses einmalige Erlebnis starten wir beschwingt den steilen Aufstieg zum Lake Constance. Dieser See ist größer und sieht grün aus. Er ist nicht so klar wie der Blue Lake, da die von den Bergen herunter gewaschenen Sedimente eine natürliche Trübung verursachen. Aber auch der Lake Constance bietet uns einen tollen Anblick, wie er da so still und ruhig zwischen den Bergen eingebettet liegt. Kurze Pause, bevor der richtig harte Teil des Tages beginnt. Von nun an geht es steil bis supersteil, beinahe senkrecht, über ein rutschiges Geröllfeld nach oben. Die kleinen Steinchen sind lose und bewegen sich ständig unter unseren Füßen. Es geht immer nur zwei Schritte hoch und einen Schritt zurück. Man hat stellenweise das dumme Gefühl, dass man überhaupt nicht vorwärts kommt. Dreiviertel des Aufstiegs sind geschafft, da setzt ein leichter Nieselregen ein. Oh nein, bloß das nicht, Regen können wir nun überhaupt nicht gebrauchen ! Sollen wir vielleicht besser umkehren und den Pass an einem Tag mit besserem Wetter überqueren ? Schließlich sind wir fast oben, bis auf knapp unter 2000 Meter Höhe haben wir uns hochgekämpft. Nun nur noch 500 Meter weiter mit “ ganz  normaler “ Steigung. Der Himmel wird immer dunkler, die Markierungsstangen sind kaum noch zu erkennen. Auf dem Sattel gibt es eine Art Terrasse, eine fast ebene Fläche. Dort könnten wir mit unserem Zelt ein Not-Biwak einrichten und abwarten. Aber wir haben Glück, die schwarzen Wolken ziehen vorbei, und außer ein paar Tropfen bekommen wir nichts weiter ab vom Regen. Aussicht gibt es natürlich keine, darauf möchten wir auch nicht warten. Wir halten uns nicht lange auf, sondern machen uns gleich an den Abstieg. Ein Wasserfall ergießt sich aus den Bergen, das ist die Quelle des Waiau River, nach dem dieser Pass benannt wurde. Nach unten geht es über schroffes Gestein, welches trotz vorherigen Nieselregens trocken und gut begehbar ist. Ich hatte schon befürchtet, dass wir supersteile Geröllfelder hinunter rutschen müssen. Aber dann traue ich meinen Augen nicht ….. Vor uns liegen beinahe senkrechte Felswände, da geht kein Weg dran vorbei. Wir müssen richtig klettern, das heißt, mit Händen und Füßen und auf allen Vieren irgendwie an den Felsen entlang bis zur nächsten Stufe abwärts hangeln. Die Stöcker Stören dabei enorm, die werfen wir einfach ein Stück voraus nach unten. Hand über Hand müssen wir uns abwärts tasten. Thomas ist schon auf sicherem Boden angekommen, da macht es auf einmal “ Klick “ in meinem Kopf ….. und ich mag nicht mehr weiter. Ich hänge in der Felswand und habe komische Gedanken in meinem Kopf. Denke daran, dass hier schon einmal ein junger Wanderer tödlich verunglückt ist und dass mich mein schwerer Rucksack in die Tiefe reißen könnte. Aber dann gelingt es mir, mich wieder zusammen zu nehmen. Quatsch – das schaffe ich ! Ich weiß doch, dass ich es kann ! Langsam und sehr konzentriert, immer darauf achtend, dass ich drei sichere Haltepunkte habe …. so taste ich mich Stück für Stück vorwärts, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen habe. Geschafft ! Nach diesem unerwartet schwierigen Abstieg freuen wir uns darüber, dass der Weg keine weiteren Gemeinheiten bereithält. Es geht beinahe einfach in Serpentinen immer tiefer nach unten. Wir sehen schon von Weitem einen entgegenkommenden Wanderer, der sich ausgesprochen langsam und vorsichtig bewegt. Das kann doch kein Thru-Hiker sein, so wie der läuft. Wir staunen nicht schlecht, als der Mann an uns vorbeikommt, denn er trägt eine große Tupper-Dose vor dem Bauch. Er hat einen schweren Rucksack auf und zusätzlich an den Trägern nach vorne diese Plastikdose angehängt. Darin sind Schraubgläser mit Nutella und Erdnussbutter, Verbandsmaterial, ein Ersatz-Akku für sein Handy und aller möglicher anderer Kram wasserdicht aufbewahrt. Und das Beste daran : auf den Deckel der Tupper-Dose hat dieser schräge Typ einen Kompass aufgeklebt, damit er IMMER die richtige Richtung findet. Wir sind ziemlich fassungslos und beobachten noch lange, wie der Mann mit der Plastik-Box vor dem Bauch sich langsam den Berg hochschiebt. Verrückte gibt es wohl überall, auch im Wald und in den Bergen. Nach insgesamt 5 Laufstunden haben wir den Waiau-Pass bezwungen und gönnen uns eine lange Pause an der Upper Waiau Forks-Campsite. Inzwischen scheint die Sonne, es ist heiß. Aber ich sitze mit langer Hose, dicken Socken und Daunenjacke im Gras. Die Sandflies drohen uns aufzufressen. Noch weitere 5 Kilometer haben wir uns vorgenommen, weil wir denken, ab jetzt kommt einfaches Gelände. Aber von wegen ! Ausgedehnte Geröllfelder halten uns auf, es geht nur noch sehr langsam vorwärts. Des Weiteren liegen noch mehrere Fluss-Ueberquerungen vor uns. Immer wieder ziehe ich meine Hiking-Schuhe aus und die Sandalen an. Auch das kostet viel Zeit. Lichtblicke sind kurze Stücke mit schönem Waldweg dazwischen, allerdings geht es auch hier wieder auf und ab. Zum Ende des Tages hin dürfen wir über grüne Wiesen mit Klee und Löwenzahn laufen, das ist wie ein Geschenk nach den heutigen Strapazen. Erst gegen 19.30 Uhr erreichen wir das Caroline Bivvy, eine Hütte für gerade mal zwei Personen. Der Riegel ist von außen geschlossen, es kann also Niemand drin sein. Wir freuen uns schon, aber nur so lange, bis wir die Tür öffnen. Die Hütte hat kein Fenster, ist kleiner als ein Toiletten-Haus, dunkel, schmutzig und stinkt nach Rauch. Es gibt noch nicht einmal Matratzen im Etagenbett, sondern nur durchhängende Stoffbahnen aus einer Art Kartoffelsack, in die man sich legen könnte. Nein, danke ! Als Not-Unterkunft im äußersten Notfall vielleicht akzeptabel, aber wir werden hier ganz bestimmt nicht drin schlafen. Caroline Bivvy ist richtig gruselig. Wir suchen uns einen Platz für’s Zelt etwas außerhalb auf einer Wiese. Hier erleben wir dann die größte Sandflies-Plage aller Zeiten. Die sind einfach überall, schwimmen in unserem Tee, krabbeln im Essen und Stechen in jeden freien Zentimeter Haut. Das ist nicht besonders entspannend, wir verkriechen uns so schnell wie möglich. Ich stelle fest, dass ich mein Schweisstuch verloren habe. Das ist sonst immer außen am Rucksack festgeknotet. Nun hängt es sicherlich irgendwo im Gebüsch und wartet darauf, dass ein anderer Wanderer es mitnimmt. Egal, ein bisschen Verlust ist immer. Für uns war es mal wieder ein Tag der Superlative. Wir sind sehr froh darüber, dass sich das Wetter gehalten hat und auch darüber, eine weitere Hürde auf dem Weg nach Bluff gemeistert zu haben. Der Waiau-Pass liegt hinter uns, mit seinen 1870 Metern die höchste Erhebung des Trails auf der Südinsel.
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Tag 4 : Caroline Bivvy bis Anne Hut
Brrr, es ist lausig kalt am Morgen. Dunkle Wolken haengen tief ueber den Bergen. Das Zelt und die Wiese sind floddernass vom Nebel. Wir denken, dass wir uns gleich warmlaufen, aber schon nach etwa 10 Minuten macht uns der Fluss einen Strich durch die Rechnung. Da geht der Weg hindurch, also Schuhe aus, und wir muessen knietief durch das eisige Wasser waten. Die Fuesse und die Beine werden ganz gefuehllos, schon nach kurzer Zeit ziehe ich meine Daunenjacke an, damit ich wenigstens oben herum aufwaerme. Aber dann gibt es einen Grund zum Freuen, denn aus Kieselsteinen gelegt steht dort am Ufer geschrieben :  “ 2000 Km “ – wieder ein Meilenstein geschafft auf dem Weg nach Bluff. Ab jetzt sind die verbleibenden Kilometer nur noch dreistellig. Einige wilde Gaense stehen auf der Wiese, hellgrau mit schwarzem Hals und Kopf. Das ist die Kanadagans, die sich hier huebsch vermehrt hat und den Farmern Probleme bereitet, indem sie den Weidetieren das Gras wegfrisst. Ein gelaendegaengiges Auto vom DOC holpert ueber das stoppelige Gras und stoppt neben uns. Die Mitarbeiter fragen, wo wir uebernachtet haben und wohin wir unterwegs sind. Sie erzaehlen uns, dass sie hier auf dem Trail damit beschaeftigt sind, die zahlreichen Bruecken zu pruefen. Was denn fuer Bruecken ? Thomas zeigt seine durchweichten Boots und die bis zu den Knien nasse Hose. Wir hatten bisher keine einzige Bruecke, aber dafuer schon 8 Querungen durch den Ada River. Ein weiterer Schwarm von Kanadagaensen steigt vor uns in die Luefte auf und fliegt wahrscheinlich in waermere Gefilde. Hier in Neuseeland wird es jetzt Herbst. Waehrend einer langen Pause bauen wir unser Zelt zum Trocknen auf und legen alle feuchten Klamotten in die Sonne, die sich mal wieder durchgesetzt hat. Wir blockieren den Weg total, als ein junges Paar vorbeikommt, die fast am Ende ihrer Wanderung sind. Die Beiden laufen den Te Araroa von Sueden nach Norden, allerdings haben sie sich in diesem Jahr nur die Suedinsel vorgenommen. Von unserem Lagerplatz am Caroline Bivvy sind es noch knapp 60 Kilometer entlang des Waiau River bis nach Boyle Village. Wir vermuten, dass der Trail nun einfacher wird und wir diese Strecke in zwei Tagen schaffen werden. Die Berge weichen zurueck, das Tal wird immer weiter. Anfangs ist gerade Platz fuer einen schmalen Pfad neben dem Fluss, am Nachmittag laufen wir schon durch eine breite Ebene, allerdings befinden wir uns immer noch in einer von hohen Bergen umgebenen Schlucht. Hier gibt es richtig schoene Wiesen mit Sommerblumen, da macht das schnelle Laufen Spass. Das Wetter ist inzwischen strahlend schoen geworden, die zum Teil noch schneebedeckten Gipfel grenzen sich scharf vor dem blauen Himmel ab. Unser Weg geht ueber in den St. James Walkway, eine sehr einfache und gut markierte Route, die auch viel von Reitern genutzt wird. Nach unzaehligen weiteren Fluss-Ueberquerungen duerfen wir am Ende dieses Tages ueber eine wackelige Haengebruecke den Anne River passieren. Das Gitter am Boden ist schon ordentlich rostig, aber die Maenner vom DOC haben ja heute erst auf Sicherheit kontrolliert. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir die sehr schoene Anne Hut, die erst 2011 erbaut wurde, nachdem die alte Huette durch ein Feuer zerstoert wurde. Eine 20-Personen-Huette, riesengross, schick eingerichtet und sehr sauber. Eigentlich wollten wir noch weiter, aber in dieser angenehmen Umgebung laesst es sich gut aushalten. Knapp 30 Kilometer haben wir geschafft, das sollte eigentlich reichen. Wir dehnen die Pause immer weiter aus und koennen unser Glueck kaum fassen, als wir abends immer noch alleine sind. Also richten wir uns die besten Plätze her und geniessen es, bereits um 20.00 Uhr im Schlafsack zu liegen.
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Tag 5 : Anne Hut bis Boyle Village
Alleine in unserer sauberen Hütte haben wir super geschlafen und gemütlich am Tisch gefrühstückt, ohne von den allgegenwärtigen Sandflies belästigt zu werden. Die lästigen Tierchen sind nämlich nur am Tag aktiv, während der Dämmerung können die uns nicht sehen. Die Gipfel der Berge ringsum liegen so früh noch in den Wolken. Links von uns sollte der 1862 Meter hohe Mount Jervois aufragen, aber davon ist nichts zu sehen. Der Weg bleibt doch nicht unten, wir müssen wieder aufsteigen. Knapp 300 Höhenmeter sind auf diesem gut ausgebauten Waldweg allerdings keine wirklich große Anstrengung. Da haben wir in den letzten zwei Wochen doch so Einiges mehr zu leisten gehabt. Hinter dem Anne Saddle geht es sanft bergab bis zum Fluss hinunter. In rascher Folge klettern und springen wir über Bäche und größere Wasserläufe. Kaum eine Chance auf trockene Schuhe. Dann kommen ausgedehnte Wiesen in Sicht. Gelbe Wiesenblumen zeigen uns den weiteren Verlauf des Weges an. Komischerweise stehen die in einer langen Reihe links und rechts vom Pfad. Das ist wirklich auffällig, und wir suchen nach einer Erklärung für dieses Phänomen. Haben die Blümchen hier mehr Platz zum Wachsen, oder bekommen die direkt neben der Wegspur mehr Licht ? Zu beiden Seiten wächst das Gras mehr als kniehoch, verschiedene Arten von Unkraut haben sich auf der Wiese breitgemacht. Dazwischen stehen auch heute wieder die hübschen Kanada-Gänse in großer Anzahl. Mittags erreichen wir die Rokeby Hut, wo wir Pause machen möchten. Aber auch diese Hütte ist nur für zwei Personen eingerichtet, klein und dunkel. Zwar etwas besser als das schmutzige Caroline Bivvy, aber unserer Meinung nach ist auch die Rokeby Hut nur als Not-Unterkunft bei schlechtem Wetter geeignet. Unsere Rast verlegen wir lieber an einen anderen Ort. Direkt vor einer Brücke über den Boyle River finden wir einen schönen Platz im Schatten einiger Bäume. Danach führt uns der St. James Walkway erstaunlicherweise wieder in einen dichten Wald. Damit hatten wir eigentlich überhaupt nicht mehr gerechnet, die Beschreibung im Buch ist für diese Etappe wieder denkbar schlecht. Es geht nochmal über etliche Hügel, bergauf und bergab, aber nach dem alpinen Gelände der letzten Tage empfinden wir diesen Teil trotzdem als entspanntes Laufen. Nur 5 Kilometer weiter machen wir einen Abstecher zur Boyle Flat Hut. Diese Hütte älteren Baujahres ist nur über eine Hängebrücke erreichbar. Draußen gibt es sogar eine angrenzende Pferdekoppel, auf der die Reiter ihre Pferde parken können. Der Weg hoch zu Ross führt natürlich nicht über die Swing Bridge, sondern unten durch’s Flussbett. Die Boyle Flat Hut gefällt uns gut, sie ist richtig gemütlich eingerichtet mit Holzmöbeln wie aus Omas Zeiten. Wir haben noch eine tiefe Schlucht zu durchqueren, die sich tief ins Tal einschneidet. Dann sind wir endlich im Magdalen Valley und biegen auf die letzte Etappe nach Boyle Village ab. Um 17.00 Uhr haben wir unser Ziel erreicht und sind schon wieder knapp 30 Kilometer weiter auf dem Trail. Der Name “ Boyle Village “ hört sich nach einem Dorf an, aber es gibt hier nur einen Wander-Parkplatz und ein Outdoor Education Center. Dorthin lassen sich die meisten Hiker ihre Proviant-Pakete schicken, allerdings sollen die Betreiber sehr unfreundlich sein. Sonst gibt es absolut nichts ! Wir möchten auf gar keinen Fall in Boyle Village bleiben, sondern wir brauchen einen Supermarkt, um endlich mal wieder frische Lebensmittel einkaufen zu können. In St. Arnaud war das Angebot an Obst und Salat auch schon sehr eingeschränkt, Fleisch, Wurst, Käse und Milchprodukte waren unbezahlbar. Der ursprüngliche Plan war, für einen Ruhetag und großen Einkauf nach Reefton oder Westport zu fahren. Ziemlich schnell werden wir von einem netten Kiwi mitgenommen, allerdings nur bis nach Spring Junction, was etwa auf der Hälfte der Strecke liegt. Hier gibt es eine Tankstelle mit Imbiss, wo wir uns ein schnelles Abendessen gönnen ( wieder nur Fast-Food, irgendein getoastetes Etwas mit fleischhaltiger Füllung ). Es herrscht nur sehr wenig Verkehr, deswegen laufen wir ein paar Kilometer entlang der Hauptstraße weiter, bis wir eine halbwegs brauchbare Stelle für unser Nachtlager finden. Meine Socken sind schon wieder durch,  und es wird wohl nicht das letzte Paar bleiben.
Hanmer Springs off-days 03.03.-04.03.2016  

Wo sind wir hier bloß hingeraten ? Es ist absolut nichts los auf dem Highway, der den Osten mit dem Westen der Insel verbindet. Was in der Nacht ein Vorteil war, weil wir neben einem Autobahn-Rastplatz relativ ruhig gezeltet haben, das ist nun gerade sehr schlecht. Wir stehen schon um 7.15 Uhr an der Straße und halten den Daumen ‚raus. Berufsverkehr ? Null, absolut nichts, Fehlanzeige. So kommen wir nicht weg. Nach einiger Zeit dummen Herumstehens geben wir das Trampen auf und latschen die paar Kilometer zurück bis zur Tankstelle. Ganze zwei Autos kommen uns während dieser Zeit entgegen, in unsere Richtung fährt keines. Thomas ruft bei einem Bus-Unternehmen an, um Plätze nach Reefton oder Westport zu buchen. Laut den Angaben vom Te Araroa Trust soll hierhin morgens gegen 10.00 Uhr ein Bus fahren. Aber es stellt sich heraus, dass auf der Info-Seite im Internet mal eben die Abfahrtszeiten komplett falsch sind. Die Zeiten zur Ostküste wurden mit denen zur Westküste vertauscht. Morgens gibt es nur einen Bus, der nach Hanmer Springs oder Greymouth fährt. In unsere gewünschte Richtung gibt es nur eine einzige Verbindung, und das wäre erst um 17.00 Uhr am Nachmittag. Das ist uns natürlich viel zu spät. Wir wollen ja schließlich nicht den ganzen Tag in Spring Junction herumhängen, wo es nur eine Tankstelle gibt und sonst nichts. Aber warum lange ärgern ? Man muss eben flexibel bleiben, wenn man so unterwegs ist wie wir. Ganz spontan entscheiden wir uns für die andere Richtung und reservieren zwei Plätze im Morgenbus bis nach Hanmer Springs. Das Dumme ist nur, dass wir ja gestern Abend noch per Anhalter nach Westen gefahren sind. Wir müssen nun zunächst wieder zurückfahren bis nach Boyle Village, von wo wir gestern gekommen sind. Von dort aus geht es dann erst weiter bis Hanmer Springs. Der Weg ist länger als nötig, das Bus-Ticket natürlich dadurch auch teurer. Unser Tag fängt etwas kompliziert an.

Gegen 12.00 Uhr mittags erreichen wir Hanmer Springs und stürmen sofort den kleinen Supermarkt. Alles recht teuer hier, aber das soll uns jetzt auch egal sein. Viel zu lange haben wir auf frisches Zeug und leckere Sachen verzichten müssen. Da war die anstrengende 8-Tage-Tour über die Richmond Range bis nach St. Arnaud, wo es nichts zu kaufen gab. Gleich danach ging es in 5 Tagen über den Waiau-Pass, immer mit der gleichen faden Leichtgewicht-Verpflegung. Und jetzt haben wir Hunger ! Gleich gegenüber im Park verzehren wir ein frisch gebratenes Hähnchen mit Beilagen, dazu gibt es zwei Liter Orangensaft. Der kleine Ort gefällt uns ausgesprochen gut. Ein hübsches Dorf mit nur ca. 850 Einwohnern, idyllisch inmitten von hohen Bergen gelegen. Hanmer Springs ist ein für seine heißen Quellen bekanntes Thermalbad, weswegen hier alles sehr touristisch geprägt ist. Ein Grund, weswegen wir eigentlich gerade nicht hierher wollten. Zu teuer wegen der vielen Touristen …. aber es geht noch. Ueberall parken Wohnmobile, schicke Ferienhäuser und Hotels prägen das Stadtbild. Schöne Parks und einige nette Cafés, im Dorf herrscht entspannte Urlaubs-Atmosphäre. Thomas gelingt es, ein schönes Zimmer in einer Nebenstraße zu einem akzeptablen Preis aufzutreiben. Da können wir sogar richtig selber kochen und lassen es uns gutgehen. Die Mitarbeiter in der Touri-Info, in der öffentlichen Bücherei und im Supermarkt sind alle nett. Was brauchen wir mehr ? Es gibt natürlich auch viele schnuckelige Geschäfte hier, in die wir aber besser gar nicht hineingehen. Kaufen können wir ja sowieso nichts. Wer soll das tragen ? Auf jeden Fall fühlen wir uns sehr wohl und erholen uns vor der nächsten anstrengenden Etappe.