Wir segeln und wandern durch die Welt

Helena, Logan, Bryce Canyon 21.09. – 25.09.2017

Autofahren in den USA ist nicht besonders spannend, aber wegen der unendlichen Weite und den meistens leeren Straßen auch kein bisschen stressig. Wir sehen mehrere Herden von Mule Deers ( Maultier-Hirschen ) zu beiden Seiten. Die haben wir bisher noch nie so aus der Nähe betrachten können, weil sie sehr scheu sind. Aber hier stehen ein paar Tiere neben dem Randstreifen und grasen. Wahrscheinlich ist so wenig Verkehr in Montana, dass die Hirsche gar nicht mit Autos rechnen. 😉
Ein Kojote kreuzt direkt vor uns die Fahrbahn. Thomas muss hart auf die Bremse steigen, damit er ihn nicht erwischt. Die Tiere achten kein bisschen auf den Verkehr. Das weite Land gehört ihnen, und wir sind die Besucher. Thomas hat eine App auf seinem Handy installiert, mit der wir alle Campingplätze finden können. Natürlich interessieren wir uns nur für die Kategorie “ Basic „. Dort gibt es keinerlei Einrichtungen, aber sie kosten nichts. Dafür müssen wir am Abend vom Highway aus einen Abstecher von ungefähr 15 Kilometern fahren. Als wir von der einsamen Forststraße abbiegen auf einen noch schmaleren Feldweg, da steht plötzlich ein schwarzer Schatten direkt vor uns. Es ist eine Kuh mit einem Kalb dicht an seiner Seite. Mutter und Kind lassen sich nicht stören. Die Beiden weichen erst aus, als das Kälbchen fertig ist mit Trinken. Es hat angefangen zu schneien. Dicke Flocken fallen auf uns herab, während wir das Zelt aufstellen und einrichten. Wenn es die ganze Nacht so schneit, dann ist es fraglich, ob wir mit unserem Kleinwagen überhaupt wieder hier wegkommen. Ich habe ein bisschen Angst, dass die kleinen Nebenstraßen unbefahrbar werden und wir hier im einsamen Wald eine Woche einschneien.

Unheimlich ruhig war es in der Nacht. Ganz leise konnte man hören, wie sich immer mehr Schneeflocken auf unser Zelt setzen. Morgens haben wir eine wunderschöne Aussicht auf einen Winter-Wunder-Wald. Alles ist weiß, die Äste der Bäume sind tief nach unten gebogen unter ihrer Last. Auf den Feldwegen lässt es sich trotzdem gut fahren. Ein Glück ! 🙂 Unser Nutella ist zwar nicht gefroren, aber immerhin so hart, dass man es wie festen Käse in Scheiben schneiden kann. 😉 Schneller als erwartet passieren wir die Grenze von Montana nach Idaho. Der Tag ist grau, von Regen bis Schnee ist alles dabei. Wir nutzen das trübe Wetter und klappern etwa ein Dutzend Läden ab. Ist ja auch plötzlich viel einfacher und schneller, weil wir motorisiert sind. Second-Hand-Shops, Wohlfahrts-Läden, Heilsarmee ….. Wir kleiden uns sehr günstig komplett “ neu “ ein, denn wir möchten die verbleibende Zeit in den USA nicht ständig in Hiker-Klamotten herumlaufen. Aber viel Geld ausgeben wollen wir auch nicht, denn in ein paar Wochen passen die Sachen sowieso nicht mehr. 😉 Also gibt es Hosen, Hemd und Schuhe gebraucht, gleichzeitig unterstützen wir damit einen guten Zweck. Außerdem besitzen wir jetzt zwei eigene Handtücher, Shampoo, Dusch-Gel, Zahnpasta in normalen Größen, 3 Bücher und einige Koch-Utensilien. Wir müssen ja nichts mehr tragen, da können wir uns die letzten Wochen des Camping-Lebens etwas komfortabler einrichten. 🙂 Wir sind auf dem Weg nach Logan in Utah. Hier wohnen Shelley und Jim, die uns im Juli so großzügig ihr Ferienhaus in Grand Lake zur Verfügung gestellt hatten. Wir haben ihnen gestern eine SMS geschickt, dass wir freie Zeit und ein Auto haben. Die Antwort kam prompt : Sie würden uns gerne wiedersehen. Wir sollen zu Besuch kommen und bleiben, so lange wir möchten. Okay, sehr gerne – auf nach Utah ! 🙂

Der Samstag vergeht mit Markt-Besuch, Einkauf und Kochen. Logan ist eine Universitäts-Stadt im Norden Utahs mit 43.000 Einwohnern. 1859 von Mormonen gegründet, sauber und anscheinend Anziehungspunkt für gebildete und wohlhabende Leute. Wieder mal lernen wir zwei interessante Menschen kennen. Harimander und Sabmander kommen zu Besuch. Vor 36 Jahren waren sie Trauzeugen von Shelley und Jim. Sehr intelligente Gesprächspartner, angenehm ruhig und tolerant. Beide sind praktizierende Yogis und gehören der Religions-Gemeinschaft der Sikhs an. Er fällt besonders auf durch seinen kunstvoll gebundenen Turban. Dieser Besuch ist sein erster Ausgang, nachdem er ein Jahr lang mit einer aggressiven Leukämie gekämpft und vor 6 Wochen eine Knochenmarks-Transplantation bekommen hat. Noch etwas mager und blass, aber die Augen des Yoga-Lehrers blitzen lebendig unter seinem Turban hervor.

Am Sonntag bekommen wir eine Führung durch die Labors von Space Dynamics, dem Arbeitsplatz von Shelley und Jim. In diesem Forschungs-Institut werden Sonden für die Entsendung in den Weltraum entwickelt. Phantastische Bilder von Sternen und Galaxien schmücken die Wände. Sehr interessant ! 🙂 Danach besuchen wir die Rockhill Creamery, wo Jennifer und Pete auf ihrer Farm eine winzige Käserei betreiben. Die Beiden haben bereits etliche Auszeichnungen für ihre handgemachten Käse erhalten. Unglaublich, dass sie mit nur fünf Kühen ihr Auskommen haben. Da steckt eine gute Geschäftsidee und harte Arbeit dahinter …. und nicht ein freier Tag im Jahr. Nach der Hof-Besichtigung haben Shelley und Jim eine Wanderung geplant, damit wir trotz des schlechten Wetters etwas frische Luft bekommen. Auf dem Naomi Peak Trail laufen wir zwei Stunden im Regen und eine Stunde im Schnee. Der Weg ist total matschig. Das sind drei Stunden nasse Füße, die Kälte kriecht bis in die Knochen. Wenn man auf einem Longtrail unterwegs ist, dann muss man sich auch an solchen Tagen bewegen. Freiwillig würde ich mir das eigentlich nicht aussuchen. Gut gemeint, aber ich hätte auch mit Kaffee und Kuchen auf dem Sofa sitzen bleiben können. 😉 Im Anschluss daran werden wir als Gäste von Shelley und Jim in die Sports Academy eingeführt. Das ist ein sehr elitäres Fitness-Center in Logan. An Sport sind wir nicht interessiert, aber es geht zum Aufwärmen in den heißen Whirlpool. 🙂 Wir bringen einen Haufen nasser und modderiger Klamotten mit nach Hause. Wohin damit ? Wir sollen einfach alles im Wohnzimmer aufhängen. Schmutz und Wassertropfen sind anscheinend egal. Auch die matschigen Schuhe, die ich draußen oder in der Garage stehen lassen würde, sollen wir mit hineinbringen. Ich kann mich nur wundern, wie herrlich unkompliziert diese Menschen sind. 🙂 Spruch des Tages von Jim : “ This is not a fancy house !“

Wir möchten eine ordentliche Distanz nach Süden zurücklegen, um in wärmere Regionen zu kommen. Dafür fahren wir quer durch Utah auf der Autobahn in Richtung Las Vegas. Links und rechts von uns ragen schneebedeckte Gipfel in die Höhe. Es herrscht unangenehm viel Verkehr, bis wir von der Interstate 15 abbiegen nach Osten.
Am Nachmittag erreichen wir den Dixie National Forest und sehen wunderschöne Fels-Formationen vor uns. Wir haben anscheinend das schlechte Wetter hinter uns gelassen. Die Straße führt durch den Red Canyon, durch Torbögen aus rotem Stein, die in der Nachmittags-Sonne leuchten. Wir staunen über die bizarren Türme und Höhlen im Felsen. So eine schöne Landschaft ! Allein dafür hat sich die weite Strecke durch Utah gelohnt. Wir fahren noch ein Stück weiter bis zum Bryce Canyon National Park, der uns von Jim empfohlen wurde. Vor dem Eingang stellen wir den Wagen ab, denn wir möchten uns im Visitor Center über Gebühren und Campingplätze informieren. So weit kommen wir allerdings gar nicht. An drei Kassenhäuschen stehen Autos in der Warteschlange. Wir als Fußgänger können auch nicht einfach durchlaufen. Das Visitor Center befindet sich ungefähr 50 Meter hinter der Sperre, aber eine sehr energische Frau – Typ Feldwebel – will uns nicht durchlassen. Wir sollen das Auto holen, uns einreihen und dann unsere Fragen stellen, wenn wir bei ihr angekommen sind. Der Eintrittspreis beträgt 30,- Dollar, die wir bezahlen müssen, bevor wir unsere Informationen bekommen. Gut eingefädelt, strategisch günstig, extra für Touristen. So ganz sehen wir das nicht ein. Aber wir sind heute friedlich und tun, wie uns gesagt wurde. 😉 Dafür gibt es ein 7-Tage-Ticket und ein Lächeln von der Feldwebel-Frau. Endlich dürfen wir bis zum Visitor Center vordringen und einen Ranger mit Fragen löchern. Es scheint alles etwas kompliziert zu sein, ähnlich wie im Yellowstone Park. Wir sind nun nicht mehr auf dem CDT, sondern in einem für Auto-Urlauber eingerichteten Nationalpark. Das bedeutet, wir müssen unsere Zeltplätze reservieren und bezahlen, wenn wir über Nacht bleiben. Es gibt extra einen Bus, der zweimal täglich bis zum südlichsten Punkt fährt. Allerdings muss man sich dort telefonisch anmelden. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass sowohl der Bus als auch die gewünschten Campsites ausgebucht sind. Wir möchten gerne den mit 37 Kilometern längsten Trail hier im Bryce Canyon laufen, außerdem noch zusätzlich einen Loop von 14 Kilometern dranhängen. Diese Distanz werden wir auf zwei Tage verteilen, damit es angenehm bleibt. Morgen versuchen wir, die entsprechenden Arrangements mit Bus und Zeltplatz zu treffen, damit wir am Mittwoch den Under-the-Rim-Trail starten können. Heute schaffen wir es nur noch, ein kleines Stück bis zum “ Inspiration Point “ zu fahren. Auf dem Parkplatz stehen mindestens ein Dutzend Autos. Die Insassen schnaufen den kleinen Hügel hinauf. Wir haben keine Lust zum Überholen und nehmen eine steilere Variante. Oben sind wir natürlich auch nicht alleine, aber da werden wir uns wohl dran gewöhnen müssen. 🙁 Von diesem Aussichtspunkt aus haben wir einen weiten Blick über die zerklüfteten Berge mit ihren Spitzen und Türmen. Die Sonne steht inzwischen schon tief, wir werden zu einem besseren Zeitpunkt wiederkommen. Auf dem nördlichsten Campingplatz zahlen wir 20,- Dollar für eine Nacht. Dafür haben wir zu drei Seiten Nachbarn und bekommen unsere Heringe nicht in die harte Erde. Selbst der Abwasch gestaltet sich schwieriger als sonst, denn an der einzigen Spüle stehen die Camper mit ihrem Abend-Geschirr an. So etwas müssen wir eigentlich nicht haben, alleine im Wald lässt es sich besser zelten. Aber unser erster Eindruck vom Bryce Canyon National Park ist so toll, dass wir die nervigen Dinge ein paar Tage in Kauf nehmen werden.