Wir segeln und wandern durch die Welt

Mercer-Hamilton-Pirongia-Te Kuiti 23.12.15 bis 30.12.2015

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Wir haben nun die Auckland-Region verlassen und befinden uns im Bezirk Waikato. Dieser Fluss ist insgesamt 425 Kilometer lang und enorm breit. Er wird unser ständiger Begleiter in den nächsten Tagen sein. Zunächst geht der Weg leider wieder nervtötend einige Kilometer auf Asphalt entlang der Autobahn. Dann müssen wir durch mannshohe Gräser, Busch und Stechginster. Schließlich führt uns der Te Araroa tagelang auf einem krüppeligen, von Löchern durchsiebten Deich entlang des Waikato River Tracks. Eine tote Kuh liegt direkt neben uns am Ufer, ohne ersichtlichen Grund umgefallen. Einfach nur tot, zum Glück recht frisch, und sie stinkt noch nicht. Eigentlich würden wir gerne Jemandem Bescheid sagen, aber wo ist hier der nächste Farmer ? Weit und breit nur Weiden und Deich, wir marschieren also einfach weiter. Ein kleines Stück müssen wir durch einen Sumpf, aber der schlimmste Teil ist mit einem 30 Meter langen Brettersteg gangbar gemacht. Im Waikato River herrscht viel Leben, die Wasserqualität scheint okay zu sein. Riesige Karpfen und Goldfische ( koi carps ) tummeln sich gut sichtbar im schnell fließenden Fluss.
Am Donnerstag haben wir erstmal nur 2 Kilometer auf Landstraße bis zu einer Großbaustelle vor der Ortschaft Rangiriri. Irgendwie finden wir unseren Weg durch die vielen Absperrungs-Hütchen und provisorischen Leitplanken. Dann müssen wir tatsächlich zu Fuß den Highway überqueren – in Deutschland undenkbar. Zur Belohnung für diesen Nervenkitzel gibt es leckeren Kaffee und Eis im einzigen geöffneten Café. Direkt vor einem Friedhof mit Denkmal aus dem Maori-Krieg von 1863 ( Battle of Rangiriri ) genießen wir eine schöne Pause am Picknick-Tisch. Auch hier erfreuen wir uns an einer „sprechenden Toilette“ mit chromblitzendem Bediener-Tableau. Diesmal haben wir sogar ein Video mit Ton für unsere WhatsApp-Gruppe gemacht. Ich find’s herrlich ! Des Weiteren konnten wir aus einiger Entfernung eine junge Frau beobachten, die minutenlang vergeblich versucht hat, diese hochmoderne Toilettentür zu öffnen. Schließlich hat sie aufgegeben und das nächste Café aufgesucht. Kleinigkeiten, über die wir uns köstlich amüsieren können. über die imposante Rangiriri Bridge laufen wir hinaus und bis zum Nachmittag weiter. Die nächste Stadt ist Huntly, schon etwas größer. Dort gibt es einen Supermarkt, in dem wir uns mit Proviant für die nächsten Tage eindecken. Unser Weihnachts-Essen : Wir kaufen uns ein gebratenes Hähnchen, dazu gibt es Tortillas , Alfalfa-Sprossen und 2 Liter Orangensaft. Leider hat es angefangen zu regnen, während wir mit dem Einkauf beschäftigt waren. Deswegen setzen wir uns mit unseren Iso-Matten auf den Boden unter das Vordach vom Supermarkt, damit wir im Trockenen essen können. Eigentlich haben wir es dort sogar recht gemütlich. Die meisten Leute lächeln uns an und grüßen sehr nett. Irgendwann kommt mir der Gedanke : Wenn wir jetzt einen Becher vor uns hinstellen, dann würden wir wahrscheinlich sogar noch Geld verdienen. Es ist doch schließlich Weihnachten ! Nach dieser ausgiebigen Pause überqueren wir den Waikato zweimal nacheinander über große Betonbrücken. Von da an haben wir 6 Kilometer auf der Riverview Road vor uns, einer verkehrsreichen Straße ohne einen noch so schmalen Streifen für Fußgänger. Wir sind froh, als wir endlich zum Abend hin den Beginn des Hakarimata Tracks erreichen. Wir steigen noch bis zum unteren Aussichtspunkt hinauf und finden dort einen nicht besonders geraden, aber dafür weichen, Zeltplatz unter dicken Pinien. Heiligabend genießen wir auf einer Bank mit Ausblick auf den Fluss und die Lichter der Stadt Huntly. Allerdings haben wir dabei alles an, was der Kleiderbeutel hergibt inclusive unserer Regensachen, denn es ist empfindlich kühl und nieselt immer noch.
Es hat die ganze Nacht hindurch kräftig geregnet. Bei unserem Start am 1. Weihnachtstag ist der Wald immer noch von oben und unten nass. Dazu herrscht dicker Nebel in der Höhe, der uns bis in den Nachmittag begleitet. Der Hakarimata Track ist sehr anspruchsvoll. Ein Schild am Beginn warnt : Man soll diesen Weg nur bei bester Gesundheit, mit hervorragender körperlicher Kondition und festem Schuhwerk laufen ! Okay, das trauen wir uns zu, obwohl so ein Aufstieg bei Nässe immer erschwerte Bedingungen bedeutet. Natürlich ist es matschig und glatt, die Gefahr des Ausrutschens sowohl beim Aufstieg als auch im steilen Abstieg größer als ohne Regen. Aber was will man machen ? Wir sind nun mal gerade jetzt hier an dieser Stelle, auch wenn es in der Nacht geregnet hat. Wir können ja schlecht jedes Mal umdrehen und ins Hotel gehen, wenn das Wetter nicht passt. Irgendwann klart der Himmel auf, die Sonne kommt heraus. Am höchsten Punkt der Hakarimata Range befindet sich ein Holzturm mit einer Aussichts-Plattform und ein Hubschrauber-Landeplatz. Hier bauen wir während unserer wohlverdienten Pause das Zelt auf, hängen alle Klamotten auf und bekommen binnen einer Stunde alles wieder schön trocken. Der restliche Abstieg gestaltet sich dann sehr einfach. Breite Holzstufen erleichtern die ganz steilen Passagen, so dass wir in weniger als zwei Stunden unten im Tal sind. Nur so zum Vergleich : 5 Stunden hat der Aufstieg bis zum Aussichtsturm gedauert. Der Waipa River liegt nun vor uns und ist über die Waingaro Bridge leicht zu überqueren. Direkt auf dem Te Araroa liegt der kleine Ort Ngaruawhia. Selbst an Weihnachten hat hier ein kleiner Laden geöffnet, der von Indern geführt wird. So kommen wir mal wieder leicht an kalte und koffeinhaltige Getränke, die uns mit neuem Schwung den weiteren Verlauf in Angriff nehmen lassen. Ab hier beginnt der kombinierte Rad- und Wanderweg “ Te Awa „. Er steckt noch in den Kinderschuhen, sollte eigentlich 2015 in voller Länge fertiggestellt sein. Aber es fehlt noch ein gutes Stück – dummerweise genau in der Mitte. Plötzlich geht es nicht mehr weiter am Fluss entlang, wir enden in einer Sackgasse vor einem hohen Metallzaun. Zurück kommt natürlich nicht in Frage. Wir sind nicht die ersten Hiker, die so denken, wie man anhand von Spuren sehen kann. Also turnen wir um den Zaun herum, laufen über einen Golfplatz ( nichts los am 1. Weihnachtstag ) und dann noch am Rand entlang über ein privates Grundstück bis zur Hauptstraße. Nach einer halben Stunde finden wir die Fortsetzung des Te Awa. Ein Gespräch mit Einheimischen klärt uns darüber auf, dass dieser Weg wegen Grundstücks-Streitigkeiten noch nicht komplett ist. Auf jeden Fall ist es eine Wohltat, auf diesem breiten Rad-/Wanderweg einfach nur laufen zu können, ohne ständig konzentriert auf die Füße schauen zu müssen. Und wunderschön ist es außerdem. Er führt immer direkt am grünen Ufer des Flusses entlang, auf der anderen Seite reihen sich schicke Häuser mit gepflegten Gärten aneinander. An einer großen Rasenfläche mit Picknick-Tischen beschließen wir den Tag und freuen uns, dass wir so weit gekommen sind.
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letzter Tag bis Hamilton 26.12.2015

Samstag haben wir nur etwa 10 Kilometer bis zur nächsten Stadt Hamilton. Dafür stehen wir extra früh auf, denn wir möchten vor 10.00 Uhr morgens ankommen, damit wir nach Deutschland anrufen können. Daraus wird allerdings nichts, denn ein älterer Herr fängt uns bereits um 7.30 Uhr an der Straße vor seinem Haus ab und lädt uns zum Kaffee ein. Das können wir doch nicht ablehnen ! Brian und seine Frau Linda sind schätzungsweise bereits in den Achtzigern. Dazu gehört noch ein 15-jähriger lieber Labrador-Rüde. Der erinnert uns mit seinen steifen Beinen und seinem Alzheimer-Verhalten sehr an unsere alte Hunde-Dame Gini. Brian sitzt in seinem blaukarierten Schlafanzug, mit Bademantel und Opa-Pantoffeln am Tisch. Seine Frau schleppt mehrere Karten an und breitet sie aus, Neuseeland, Europa, Deutschland. Die beiden alten Herrschaften sind wohl schon sehr viel gereist und interessiert an Allem. Wir müssen von unserer Wanderung berichten, von unserem Boot erzählen, auf der Karte Norderney und die Ostfriesischen Inseln zeigen. Kaffee und traditionelles Weihnachts-Gebäck werden gereicht. Danach gibt es noch eine Führung durch den Garten, uns werden Apfelsinen und Radieschen aus eigenem Anbau mitgegeben. Inzwischen haben wir uns so lange aufgehalten, dass aus dem Telefonieren heute wohl nichts mehr wird. Der Unterschied zu Deutschland von genau 12 Stunden macht es wirklich schwierig, zur richtigen Zeit in einer Stadt zu sein und funktionierendes Internet zum Anrufen per Skype zu haben. Unser netter Te Awa-Weg begleitet uns noch einige Kilometer, bevor wir unter einer Eisenbahn-Brücke hindurch und über eine Treppe hinauf direkt in der Innenstadt von Hamilton landen. Hier gibt es ein großes Shopping-Center, und dort ist heute die Hölle los. Man könnte meinen, das ist der Weihnachts-Geschenke-Umtausch. Aber nein – es ist Boxing Day ! Das ist so etwas wie der Winter-Schluss-Verkauf bei uns zu Hause, das haben wir am Morgen von Brian und Linda gelernt. Warum so ein Wahnsinn hier in Neuseeland ausgerechnet am 2. Weihnachtstag stattfindet, das konnten uns die Beiden allerdings auch nicht erklären. Uns geht der Trubel schon nach kurzer Zeit gewaltig auf die Nerven. Schnell kaufen wir eine neue Gas-Kartusche für unseren Kocher, das war das Dringendste. Ganz nebenbei fällt noch eine Daunenjacke für mich ab, ultra-leicht und mit 50 % Rabatt. Morgens früh und abends ist es nämlich trotz des Sommers sehr frisch, und spätestens auf der Südinsel hätte ich mir auf jeden Fall etwas Warmes zum Ueberziehen kaufen müssen. Ein gut ausgebauter Weg führt uns über Tills Lookout, von wo man bereits unsere nächste Herausforderung in der Ferne sehen kann, den Pirongia. Ein Park im Außenbezirk von Hamilton soll unser Ziel für die Nacht werden. Verschiedene einheimische Bäume werden hier gepflegt und gezüchtet, ein kleiner Ententeich gehört dazu. Ueberall laufen Hühner frei herum, so zahm und daran gewöhnt, dass man sie füttert. Das Vogelvolk pickt

beim Abendessen ganz frech mitten zwischen uns herum. Im Taitua Arboretum ist zwar am frühen Abend noch eine Menge los, aber es gibt etwas abseits eine Shelter mit Holzbänken, in der wir uns erstmal gemütlich ausbreiten und Tee kochen. Unser Zelt bekommt einen weichen Platz unter Bäumen, als es im Park ruhiger und dunkel wird. Autos sind nicht zu hören, nur die Grillen zirpen, und ein paar Vögel singen noch. Das wird ganz bestimmt eine ruhige Nacht werden.

 erster Tag ab Hamilton 27.12.2015 

Wir haben nach unserem gestrigen halben Tag in Hamilton schon wieder genug vom Stadt-Leben und hektisch herumrennenden Menschen. Zum Glück sind wir, anders als von Auckland, sehr schnell heraus aus dem Trubel und haben nun wieder ländliche Gegend vor uns liegen. Morgens ab 4.00 Uhr krähen die zahlreichen Hähne im Taitua Arboretum, so dass wir früh am Start sind. Die Nacht war phantastisch, sternenklarer Himmel und ein dicker Vollmond mit rötlichem Hof drumherum. Wir beginnen den Tag mit dem „City to Mountain Trail“. Wie der Name schon sagt : ‚Raus aus der Stadt und ab in die Berge. Die Kapamahunga Range wartet auf uns. Mittendrin erhebt sich der Pirongia, mit knapp 1000 Metern der höchste Berg des Bezirks Waikato. Zunächst haben wir knapp 10 Kilometer grüne Hügel und Farmland zu überqueren. Es geht immer schön hinauf und hinunter, dazu müssen wir etwa alle 50 Meter einen Ueberstieg auf Holzstufen überwinden (wahrscheinlich übertrieben, aber gefühlt kommt es uns so vor ). Einige Gehege mit Rehen erscheinen uns neben den sonst üblichen Rinder- und Schafweiden sehr exotisch. Vor Auckland haben wir bereits Hirsch-Farmen gesehen, diese werden zur Fleisch-Erzeugung gezüchtet. Auch Lamas werden in Gehegen gehalten, hier steht aber nicht das Fleisch, sondern die feine Alpaka-Wolle im Vordergrund. Im kleinen Ort Whatawhata verbringen wir beinahe 2 Stunden mit einem ausgiebigen Frühstück im Café „The Lizard“. Hier ist unsere vorerst letzte Versorgungsmöglichkeit für die nächsten 4-5 Tage. Einkaufen müssen wir nichts, aber wir brauchen dringend Strom für unsere Geräte. Wir hängen unsere Kamera und das Handy an die Steckdosen und genießen noch einmal die volle Ladung Koffein und Protein vor dem nächsten Abschnitt. Von dort aus müssen wir entlang einer Hauptstraße zum Beginn des nächsten Tracks laufen. Auf halber Strecke hält ein Auto mit einigen jungen Leuten an. Der Beifahrer kurbelt sein Fenster herunter und fragt Thomas, ob er ein Bier möchte. Na klar – und schwupp, da werden zwei Flaschen herausgereicht, der Wagen fährt weiter. Mitnehmen und für später Sparen funktioniert nicht, denn die Bierflaschen sind bereits geöffnet. Wir setzen uns also in den Schatten an den Straßenrand und trinken unser „Waikato Draught“. Zum Glück sind es nur kleine 0,33 Flaschen und mit nur 4% Alkohol, aber es haut ganz schön ‚rein. Liegt es am Bier, dass wir komplett in die falsche Richtung laufen ? Unser Te Araroa-Buch aus dem Jahr 2012 beschreibt den Karamu-Track, und den machen wir auch. Landschaft, Distanz und Zeit passen genau zur Beschreibung, nur kommen wir an einer ganz anderen Stelle heraus. Wir sind aus Versehen den Kapamahunga Walkway gelaufen, der wirklich sehr schön ist, aber das Ende liegt 15 Kilometer von dem Punkt entfernt, an dem wir eigentlich sein sollten. Wir stehen am falschen Highway und entschließen uns nach einigem überlegen, dass wir per Anhalter zurück auf die richtige Seite des Berges fahren sollten. Schon nach wenigen Minuten mit Daumen ‚raus hält ein nettes Paar. So machen wir mal wieder die Bekanntschaft mit ganz außergewöhnlichen Menschen. Sie bieten uns an, dass sie uns bis zum Start des nächsten Trails bringen, obwohl sie eigentlich ganz woanders wohnen. Zudem ist der Mann bis vor einigen Jahren professioneller Jäger gewesen. Er kennt sich supergut aus hier in den Wäldern und mit der heimischen Tierwelt. Sehr interessant, was der alles zu erzählen hat über die Hütten, die Camping-Situation, die Wasserqualität und den Schweregrad der vor uns liegenden Routen. Wir lernen, dass Fasan und Truthahn keine einheimischen Vögel sind, sondern eingeführt wurden. Der so häufig vorkommende schwarz-weisse Vogel ist der Magpie, eine Elsternart. Der Vogel, der mit einer glockenklaren Stimme auffallend hübsche Melodien trällert, das ist der Bell-Bird, eine Sperlingsart. Die lila-blaue Feder, die ich so besonders schön fand und aufgehoben habe, die stammt vom Wood Pigeon ( Frucht-Taube ). Die letzte einheimische Eule in Neuseeland ist der Kuckucks-Kauz ( Morepork ). Igel, die es hier sehr zahlreich gibt, sind keine einheimischen Tiere. Diese Insektenfresser wurden Ende des 19. Jahrhunderts von Siedlern eingefuehrt und haben sich auf der Nordinsel betraechtlich vermehrt. Das Wasser aus dem Fluss soll ohne Behandlung trinkbar sein, und es gibt hier viele Trouts ( Forellen ). Waikato ist Maori-Sprache und bedeutet “  fliessendes Wasser „. Ganz einfach – hätten wir uns ja denken können. Wir hören gespannt zu und versuchen, uns alle diese interessanten Informationen abzuspeichern. Dann werden wir an einem Rastplatz mit vielen guten Ratschlägen herzlich verabschiedet und steigen die letzten 3 Kilometer hinauf bis zur Kaniwhaniwha Campsite. Picknick-Tische, Toiletten, sogar Mülltonnen gibt es hier. Nur eine Großfamilie hat sich mit drei Zelten breitgemacht und ein Lagerfeuer entzündet, ansonsten ist nichts los. Wir suchen uns einen schönen Platz etwas abseits für unser Zelt. Dann nehmen wir noch ein erfrischendes Bad im Fluss nebenan und waschen unsere Klamotten aus, bevor wir diesen ereignisreichen Tag mit Tee und warmem Essen ausklingen lassen. Wieder einmal eine Menge erlebt und dank unseres Verlaufens haben wir ganz tolle Leute kennengelernt !
Pirongia 28.12.2015  
Von unserem Campingplatz aus haben wir einen 7 Kilometer langen Aufstieg vor uns. Das erste Drittel des Weges erinnert uns an den Appalachian Trail, ein sehr schöner Weg führt uns durch dichten Mischwald. Dann wird es steil und immer steiler, dazu noch nass und matschig. So langsam wird es anstrengend, die Waden zwicken schon vom Steigen. Das letzte Stück vor dem Gipfel dürfen wir über Bretterstege und Holzstufen laufen. Der Pirongia ist vulkanischen Ursprungs und mit 959 Metern der höchste Berg im Waikato-Bezirk. Oben auf dem Gipfel steht ein Turm mit Aussichts-Plattform. Dort lernen wir Stefan aus Düsseldorf kennen, der auch auf dem Te Araroa von Norden nach Süden unterwegs ist. Es entwickelt sich sofort ein interessantes Gespräch, denn auch Stefan ist schon viel gereist und hat schon Einiges von der Welt gesehen. Etwas später kommt noch Pat aus New York oben an, den haben wir das erste Mal am Tage nach Auckland getroffen. Der DOC ( Departement of Conversation ) unterhält auf dem Pirongia eine große Hütte für 20 Personen, dazu gehören noch einige Zeltplätze, eine Shelter, Toiletten sowie Wasser aus der Regentonne. Wir machen noch einmal Pause und kochen auf dem Gipfel. Die beiden jungen Männer leisten uns Gesellschaft, wir essen und quatschen. Schnell vergeht die Zeit, plötzlich und unerwartet ist es schon 16.30 Uhr. Wir wollen nicht in der Hütte übernachten, sondern uns noch an den Abstieg wagen. Da müssen wir uns jetzt aber beeilen, denn das Hinweis-Schild beschreibt die Dauer dieses Tracks mit 3,5 -5 Stunden. Der Weg nach unten ist auf jeden Fall viel schlimmer als der Aufstieg. Der nächste Berg voraus ist der Hihikiwi mit 900 Metern Höhe. Wir müssen noch über mehrere Gipfel, es geht anscheinend über jeden Hügel, der in Sichtweite liegt. Bergab ist das Gelände unheimlich schwierig, steil und matschig. Wie sieht es hier bloß aus, wenn es geregnet hat ? Thomas schreit einmal auf, weil er sich vertreten hat. Aber es ist nichts passiert, war wohl nur der Schrecken und die Angst um sein Knie. Dann fällt er hin und landet auf dem Hosenboden im nassen Dreck. Ich rutsche zweimal nacheinander aus und stürze nach hinten, weil mich das Gewicht vom Rucksack umreißt. Da liege ich nun wie ein Käfer auf dem Rücken im Morast und bin langsam ziemlich genervt. Das Ganze hier artet in eine Schlammschlacht aus. Die Füße sind schon lange nass, der Modder läuft von oben in die Schuhe. Außerdem haben wir die Zeit im Nacken und müssen uns beeilen, dass wir noch vor Einbruch der Dunkelheit herauskommen aus dem Matsch-Wald. Kurz nach 20.00 Uhr erreichen wir das Ende vom Hihikiwi-Track. Den muss man auch nicht unbedingt nochmal machen. Es war ein langer Hiking-Tag, wir sind ziemlich fertig. Bei einem meiner Stürze habe ich mir wohl den Rücken vergurkt, habe jetzt zum Feierabend ziemliche Schmerzen beim Drehen und Bücken. Hoffentlich kann ich morgen laufen ! Unser Zelt bauen wir einfach direkt am Ausgang des Weges auf, obwohl dort eine kleine Nebenstraße verläuft. Wir haben keine Lust mehr, noch weiter zu laufen und einen besseren Platz zu suchen, da es schon so spät geworden ist. Direkt nebenan plätschert der Omanawa Stream, da werden noch die Schuhe, Füße und Beine gewaschen. Es weht mal wieder ein eiskalter Wind, ich bin froh über meine neue Daunenjacke. Mit einem Topf Tee setzen wir uns noch einen kurzen Moment auf die Treppenstufen, dann fallen wir sofort in Tiefschlaf.
bis Te Kuiti 29.-30.12.2015  
So, der Hihikiwi Track ist Vergangenheit, den haben wir gestern noch zu einer anstaendigen Zeit hinter uns gebracht. Meinem Ruecken geht es erstaunlich gut, einige Arnika- Kuegelchen und die Nacht auf einer nur knapp 1 Zentimeter duennen Iso-Matte haben wohl ausreichend Entspannung gebracht. Auch Thomas kann nicht meckern, denn sein Knie zeigt keinerlei Anzeichen von Ueberanstrengung, obwohl gestern ein harter Tag war. Von unserem unwirtlichen Zeltplatz am Strassenrand aus haben wir zunaechst 4 Stunden road-walk vor uns. Mittags haben wir auf diese Weise bereits 18 Kilometer geschafft. Nicht schoen, aber schnell. Die Sohlen meiner Schuhe sind beide an den Innenseiten gebrochen. Es geht wohl noch eine Weile damit weiter, aber ungewoehnlich ist es schon. Mein dritter Long-Trail mit immer derselben Marke und immer dem gleichen Modell, aber diese Stelle war noch nie beschaedigt. Das ist wohl ein Tribut an die unzaehligen Kilometer, die wir ueber harten Asphalt laufen. Ausserdem ist der Reissverschluss von unserem Zelt kaputt. Er laesst sich nur noch ganz vorsichtig und nur in einer Richtung aufziehen. Gestern haben wir zwei grosse Loecher im Moskitonetz unten am Fussende entdeckt, die wir aber sofort repariert haben. Vielleicht muessen wir bald in ein neues Zelt investieren. Unsere Schlafsaecke haben schon insgesamt drei Flicken. Die kaputten Stellen, aus denen die Daunen herausquellen, haben wir einfach mit Tape geklebt. Auch unsere alten Iso-Matten werden immer unbequemer. Wir sind ja auf den Te Araroa mit unserer Ausruestung aus dem Jahr 2012 gestartet. Zelt, Rucksaecke, Schlafsaecke, Iso-Matten sind alle schon 6 Monate auf dem Appalachian Trail und in den Dientes de Navarino benutzt und ordentlich beansprucht worden. So langsam muessen wir mal darueber nachdenken, das eine oder andere Teil unserer Ausruestung zu ersetzen. Bis nach Bluff werden wir damit wahrscheinlich nicht mehr kommen. Meine Brille hat sich auch gerade verabschiedet, ein Bügel ist abgebrochen. Nicht weiter schlimm, denn eine Lesebrille wird es in Te Kuiti sicherlich geben, die ist leicht zu ersetzen.
So anstrengend der gestrige Tag am Pirongia auch war, heute werden wir mit einer wunderschoenen und einfachen Strecke bei bestem Wetter belohnt. Den ganzen Nachmittag ueber koennen wir zuegig auf einem gut erkennbaren Pfad laufen und uns ueber die tolle Landschaft freuen. Das ist richtig Erholung und Natur pur. Wir durchwandern das Omarama Scenic Reserve, finden einen Bach mit sauberem Wasser und kochen dort. Pat kommt vorbei, kurzer Small Talk, wir werden uns sicher noch oefter treffen in den naechsten Tagen. Vor einem steil angelegten Waldweg finden wir ein gerades Stueck Wiese und damit einen ruhigen Platz fuer die Nacht.

Ein lautes Vogel-Konzert weckt uns bereits um 5.00 Uhr früh. Aus dem Zelt heraus raubt uns ein blutroter Sonnenaufgang fast den Atem. Solche Momente sind es, die uns immer wieder hinaustreiben und gerne alle Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen lassen. Schon bald müssen wir einen Fluss ueberqueren, den Moakurarua Stream. Wir haben eine trockene Periode hinter uns, der Wasserstand ist niedrig, also kein Problem. Ein totes Possum liegt mitten auf dem schmalen Weg, bereits im Verwesungszustand und weithin zu riechen. Ausweichen ist nicht moeglich, also Nase zuhalten und schnell drueberklettern. Igitt ! Hier im Bezirk Waikato sehen wir das erste Mal wilde Ziegen. Heute treffen wir auf ein weibliches Tier mit seinem Jungen. Die erwachsene Ziege hat einen unnatuerlich langen und nach hinten verdrehten Hals. Aengstlich sind die Beiden nicht, sondern grasen ruhig am Wegesrand. Als sie endlich davonspringen, da kann das Muttertier nur in einer Art Seitwaerts-Gang laufen. Es gibt hier in Neuseeland keine natuerlichen Feinde, nur deswegen koennen auch Tiere mit so einem Geburtsfehler in der Wildnis ueberleben. Dann liegt der Mahoe Forest Track vor uns, sehr gut gepflegt, weil dieser DOC-Weg viel von Touristen begangen wird. Eine Farn-Allee ist nett anzusehen und bietet uns Schatten in der Mittagshitze. Von dort aus geht es weiter ueber den Waitomo Walkway. Dort ist eine Menge los, denn wir nähern uns dem fuer seine Hoehlen bekannten Dorf Waitomo. Große Parkplaetze mit -zig Autos, dazu stehen mehrere Reisebusse an der Straße vor dem Eintritts-Schalter. Eigentlich hatten wir ueberlegt, nur einen halben Lauftag ( 16 Kilometer bis hierhin ) zu machen und uns dann ein Zimmer fuer die Nacht zu nehmen. Aber Waitomo Village ist völlig von Touristen ueberlaufen und viel zu teuer. Im Cafe mit angrenzendem Laden bezahlen wir 19,- Dollar fuer zwei Tassen Kaffee und zwei kleine Cola. Das ist nichts fuer uns. Wir buchen per Internet ein Motel in Te Kuiti fuer den kommenden Tag ( Silvester ). Bis dorthin sind es noch 15 weitere Kilometer, die wir gleich in Angriff nehmen. Schon bald nach dem Start treffen wir wieder auf Stefan, mit dem wir die nächste Etappe gemeinsam laufen. Wir teilen ein unheimliches Erlebnis mit einer Bullenherde, die sich sehr untypisch verhaelt. Normalerweise kehren Kuehe um und entfernen sich, wenn wir Menschen uns naehern. Diese aber nicht, ganz im Gegenteil. Sie kommen geschlossen auf uns zu und scheinen an der Holztreppe auf uns zu warten, die wir gleich uebersteigen muessen. Das ist schon ziemlich merkwuerdig, mir wird dabei ganz mulmig zumute. Thomas steigt als etster auf die Weide und sperrt mit seinen Stoeckern ein Stueck ab, waehrend Stefan und ich uns respektvoll ganz nahe am Zaun vorbeidruecken. Geschafft ! Thomas muss hinterher zugeben, dass diese Situation schon etwas grenzwertig war. Anscheinend waren diese jungen Bullen gerade im Flegelalter und fuehlten sich gemeinsam besonders stark. Auf der nächsten Weide grasen zum Glück wieder Kuehe, die sich „normal“ verhalten und uns anstandslos durchlassen. Es wird nicht langweilig. Die Zeit vergeht wie im Flug, waehrend wir uns ueber Gott und die Welt unterhalten. Irgendwann merken wir, dass wir dringend eine Pause benötigen. Drei Stunden am Stück, das schaffen wir sonst nie. Wir sind ziemlich erledigt und hauen uns ins Gras. Ausserdem wollten wir sowieso heute unterwegs campen und morgen erst in der Stadt ankommen. Leider ist unser Wasservorrat schon wieder am Ende. Wir schleppen uns weiter, immer mehr Huegel tun sich vor uns auf. Der Te Araroa führt rings um Te Kuiti herum, so dass sich die Strecke immer weiter verlaengert. So manches Mal sind wir in Versuchung, einfach das Zelt auf einer Kuhweide aufzubauen und hineinzukriechen. Aber ohne Kochen und ohne Trinkwasser ist das ziemlich blöd. Inzwischen wissen wir durch eine SMS von Stefan, dass der kleine Camping-Platz im Ort Hiker-Discount gibt und durchaus erschwinglich ist. Also kämpfen wir verbissen weiter, bis wir um 20.30 Uhr nach 31 Kilometern dort ankommen, wo wir eigentlich erst morgen sein wollten. Der Platzwart empfaengt uns etwas muffelig, aber als Te Araroa-Wanderer dürfen wir fuer nur 8,- Dollar pro Person uebernachten, warme Dusche und Kuechenbenutzung sind inclusive. Das ist mal ein guter Handel und sollte Schule machen. Stefan und Pat „wohnen“ ebenfalls hier. Wir sind sehr zufrieden,  dass wir uns bis hierhin durchgebissen haben.

Te Kuiti ist eine Kleinstadt mit etwa 4200 Einwohnern, Touristen gibt es hier so gut wie keine. Im gesamten Distrikt Waitomo leben insgesamt nur knapp 10.000 Menschen. Und es gibt, abgesehen von Te Kuiti, keine weitere Siedlung über 500 Einwohner. Hier lebt der offiziell amtierende Weltmeister im Schafscheren. Und wir haben gelernt, dass in Neuseeland auf JEDEN Einwohner 14 Schafe kommen. A

m Silvester-Tag führt unser erster Gang zum Supermarkt. Dort treffen wir Matt und Kelsey, ein sehr liebenswertes Paar aus den USA. Schon vor Auckland haben wir die Beiden kennengelernt, und seitdem sehen wir sie jetzt bereits zum vierten Mal. Anscheinend haben wir das gleiche Lauftempo und legen immer aehnliche Distanzen zurück. Wir freuen uns, denn Matt und Kelsey sind schon fast wie alte Bekannte fuer uns und haben eine wahnsinnig positive Ausstrahlung. Nach dem Grosseinkauf verbringen wir eine halbe Stunde in der Buecherei, bevor diese fuer die Feiertage schliesst. Natuerlich gab es eine neue Lesebrille, ohne geht nichts mehr. Die Waesche wurde gleich zweimal gewaschen, auch unsere stinkigen Rucksaecke haben wir in die Waschmaschine gestopft. Alles fertig – nun haben wir nichts mehr zu tun ausser Ausruhen und unser schönes Zimmer im Panorama Motor Inn genießen.
Eigentlich hatten wir die Absicht, am 2. Januar gut erholt auf die nächste Etappe zu starten. Beim Packen morgens stellen wir fest, dass wir viel zu viel eingekauft haben. Es ist noch so viel Essen und Trinken übrig – wer soll das alles tragen ? Und der Himmel ist bleigrau, der Wetterbericht sieht richtig übel aus. Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns, noch eine weitere Nacht zu bleiben. Eine sehr gute Entscheidung ! Check-out wäre um 10.00 Uhr gewesen, um 11.00 Uhr fängt es an zu regnen und hört auch den ganzen Tag und die kommende Nacht nicht mehr auf. Der Himmel hat alle Schleusen geöffnet,  auf den Straßen herrscht „landunter“. Gehwege stehen unter Wasser, der Asphalt dampft, wenn der Regen die vorher heisse Straße abkühlt. Wir sind heilfroh, dass wir noch in unserem kuscheligen Zimmer bleiben dürfen und denken an die armen Hiker, die sich da draußen durch Regen und Matsch kämpfen.