Wir segeln und wandern durch die Welt

Moorea-Raiatea/Taha’a-Tonga-Whangarei Neuseeland 07.08.2015 bis 03.11.2015

Moorea bis Raiatea/Taha’a 112 sm ab 07.08

Unser Ankerplatz wird ungemütlich. Sehr starke Böen und ein Nachbar, der das Ankern nicht richtig beherrscht, treiben uns mitten in der Nacht weg von diesem Platz. Zurück in die Cook-Bay war es nicht weit, zudem hatten wir noch unsere alte Kurslinie. Trotzdem war es anstrengend und nervig, wir hatten heftige Böen und dazu viele ankernde Boote im Weg.

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Am Sonntag, den 09.08. sind wir ankerauf und los in Richtung Raiatea. Nur 110 Seemeilen, aber es war sehr viel Wind und wir sind nur mit dem 3-fach gerefftem Groß regelrecht herüberflogen! Wir waren durchgehend mit mindestens 5 Knoten unterwegs. Huhaine haben wir rechts liegen lassen. Es ist uns schwer gefallen, diese Insel auszulassen, aber wir können nicht alles sehen! Der Pass vor Raiatea ist nach Westen hin offen und ungeschützt. Wenn nicht ausdrücklich im Handbuch stehen würde, dass man auch bei schlechten Bedingungen durch kann, wären wir dort nicht weiter. Der Pass war schlichtweg atemberaubend ! Die Einfahrt wird markiert von einem Tonnenpärchen zwischen zwei kleinen palmenbestandenen Inselchen. Der starke Wind von der Seite und strahlender Sonnenschein, dazu überall Schaumkronen von den brechenden Wellen und das leuchtende grün-türkis vom flachen Wasser.

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Wir waren insgesamt 17 Tage auf Raiatea und Taha’a, beide liegen in derselben Lagune.

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Und, wie schon gewohnt, hatten wir einiges an Schlechtwetter. Wir sind aber dennoch gewandert und haben oft den Standort gewechselt. Kristallklares flaches Wasser zum Ankern oder Mooring oder auch einige Tage an der Stadtpier von Utoroa gelegen. Die Pier war etwas Besonderes, das haben wir nicht alle Tage. Zwar muss man etwas aufpassen, weil dort gelegentlich gestohlen wird, und man kann nicht alles offenlassen in der Nacht. Aber es war schon toll, einfach einen Hops und man war von Bord, kalte Getränke , Fleisch und Käse, alles schon gekühlt nur ein paar Schritte weiter im Supermarkt gegenüber. Eine unserer Wanderungen auf Raiatea ging zu 3 übereinander liegenden Wasserfällen. Vom ersten Schritt an war der „Weg“ sehr rutschig mit einigen steilen Passagen durch den Urwald, am Ende gab es ein erfrischendes Bad unter’m Wasserfall.

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Am 12.08. haben wir während der Fahrt eine dicke Plastikplane in die Schraube bekommen. Nichts ging mehr. Zum Glück war der Wind ruhig, so dass wir gefahrlos umhertreiben konnten, während ich vom Dinghi aus mit dem Bootshaken die Folie in mühsamer Kleinarbeit abgefummelt habe. Das war aber nicht das letzte Hindernis des Tages. Der Weg zum Ankerplatz ging durch eine schmale Rinne mit nur 2 Meter Wassertiefe, sehr nahe an einem Motu vorbei. Dort haben wir uns auf Grund gesetzt, ziemlich fest sogar. Unter Volldampf vor und zurück, das kennen wir ja von unseren Touren mit Njoerd. Der Tag endete jedoch friedlich auf einem wunderschönen Ankerplatz. Am 18.08 sind wir dann rübergefahren nach Taha’a zum Korallengarten. Unser bester Schnorchelspot bisher, sehr viele bunte Fische und wir mittendrin. Die Nacht war unruhig, wir hatten kabbelige Wellen. Beim Rudern musste ich mich mächtig ins Zeug legen, was zur Folge hatte, dass die Schweißnaht von unserem linken Ruderbeschlag aufging. Wieder eine Reparatur fällig, das muss geschweisst werden.

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Unser Ankerauf-Manöver vor dem Korallengarten war lohnenswertes Kino für die Nachbaryachten. Wir bekamen den Anker nicht hoch ! Die Kette war mehrfach um einen Felsen gewickelt. Nachdem ich ins Wasser bin, um mir das genauer anzusehen, ist Frauke ein paar Kreise gefahren, erst in die falsche Richtung, dann richtig herum. Ich staune immer wieder, wie gut wir solche Probleme lösen können. Da wir unser Groß-Segel noch beim Segelmacher hatten, mussten wir noch einmal nach Raiatea zurück. Dabei haben wir den kaputten Beschlag zum Schweißen gebracht. Ein arbeitsreicher Tag, wir haben das Groß gewechselt, und dann war auch das Dinghi wieder okay. Dabei haben wir noch gleich die Reffleinen-Führung angepasst und ein Lazy-Jack gebastelt. In den folgenden Tagen sind wir einen kleinen Fluss hinaufgepaddelt, den einzigen „befahrbaren“ in Polynesien. Und wir haben in einer Bucht auf Taha’a viel Wasser sammeln können. Regen hat auch Vorteile! Eigentlich hatten wir unseren Start nach Bora Bora für den 28.08. geplant, lagen sicher und gut an einer Mooring in der Nähe des Passes. Aber mitten in der Nacht ist unser Mooring-Nachbar, ein dicker Katamaran, auf Tuchfühlung gekommen. Mann, warum wollen die immer mit uns kuscheln? Und warum merkt der nicht, dass er mit seinem Heck nur noch 1 Meter von uns entfernt ist ? Obwohl der Kat auch wie wir an einer Mooring lag, stimmte der Abstand nicht wegen seiner Größe, und zudem hatten die viel zu lange Festmacher. Was tun ? Die Nacht kein Auge zumachen, weil man nicht weiß, wann es kracht ? Oder losfahren ! Mondhelle Nacht, ein breiter Pass und moderater Wind. Die überfahrt war super schön, der Wind legte kurz vor Bora Bora erst wieder zu, aber immer noch gemütlich. Und wir hatten Anglerglück. Ein 16 kg Thunfisch hat angebissen, das war ein regelrechter Kampf. Im dunklen Wasser konnte man die Umrisse von dem Torpedo dank Meeresleuchten sehen. Aber bis zum Schluss war ich mir nicht sicher, ob ich den überhaupt an Bord bekomme. Jedenfalls hat sich meine Angelrolle bezahlt gemacht, mit meiner Hochseeangel hätte ich den Burschen nicht geschafft. Gegen 7.00 Uhr morgens konnten wir den Pass bei Tageslicht passieren – perfektes Timing. Und sehr schön, früh am Morgen an einem neuen Ort anzukommen und den ganzen Tag noch vor sich zu haben.

Raiatea/Taha’a bis Bora Bora 27.08.    27 sm

Bora Bora, wer kennt diesen Namen nicht ! Wir haben das Glück, eine Mooring zu finden und liegen vor dem Hauptort Vaitape in einer Postkarten-Kulisse. Das Ankern vor der Hauptinsel ist schwierig, weil es dort sehr tief ist, so um die 20 Meter. Man ankert besser bei den Inseln am Außenriff, aber erst mal muss ich Klar-Fisch machen. 8 Kilo bestes Filet bleibt am Ende von dem Thunfisch. Zum Glück liegen unsere Freunde von der Meerbaer auch hier, und somit können wir den Fisch in den Kühlschrank legen und auch sofort losfuttern. Rainer hat ein paar Portionen mariniert, dann gab es noch Curry und Steak, alles richtig gut, aber am Besten war der rohe Fisch, dünn mit Wasabi bestrichen. Es folgen wiederum 2 sehr windige Tage mit heftigen Böen, dann eine beinahe Insel-Umrundung. Die Wetterprognose ist nun sehr günstig für unseren nächsten Schlag nach Tonga. Somit gehen 3 Monate Polynesien dem Ende zu, und wir ziehen weiter. Mit dem Gefühl, dass die Zeit viel zu kurz war. Zu viel hätten wir noch gerne gemacht, gesehen, erlebt. Wir werden wieder kommen – das ist klar. Aber jetzt warten erst einmal Tonga und danach Neuseeland auf uns.

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Bora Bora nach Neiafu – Vava’u – Tonga  01.09. – 15.09.2015  1374 sm

Die letzte Nacht auf Bora Bora haben wir im kleinen Innenhafen direkt vor der Stadt festgemacht. An der dafür vorgesehenen Außenmole hatten wir zu viel Wind und Wellen, die gegen die Pier klatschten. Keine Chance für unser kleines Boot. Auch innen hatten wir eine unruhige Nacht mit sehr viel Schwell. Früh am Morgen wurden wir von unserem Platz vertrieben, weil hier die Chartergäste eines Kreuzfahrt-Schiffes anlanden sollten. Deswegen haben wir uns zum Fertigmachen und noch mal in Ruhe Mittagessen an eine freie Mooring in der Farepiti-Bucht verholt.

 

Um 12.00 Uhr sind wir schließlich von dort gestartet und hatten schon eine halbe Stunde später so richtig Rock’n Roll bei der Durchfahrt durch den Passe Tevavanui. Da ging es gleich richtig zur Sache, unsere Walkabout war nur mit großer Mühe und Kraftanstrengung in der Spur zu halten. Der Pass zeigte sich noch wilder und beeindruckender als bei unserer Einfahrt vor ein paar Tagen. Hohe Wellen und weiße Schaumkronen überall um uns herum, dazu strahlender Sonnenschein und ein strammer Wind aus Süd-Ost. Mit doppelt gerefftem Groß und einem winzigen Stück Genua machen wir konstant zwischen 5 und 6 Knoten Fahrt.

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Um 18.30 Uhr haben wir mit dem letzten Tageslicht Maupiti querab, aber den Besuch dieses kleinen Inselchens verschieben wir auf das kommende Jahr. Wir müssen während der Nacht zwischen Maupiti und Manuhae hindurch, Motu One liegt noch weiter nördlich von unserem Kurs. Am nächsten Tag passieren wir die Insel Maupihaa, leider ist nichts davon zu sehen.

Insgesamt haben wir eine gute und schnelle Passage. Wir erreichen an 8 von 14 Tagen Etmale über 100 Seemeilen in 24 Stunden. Man kann sagen : Wir haben den Passat endlich gefunden. Der Wind kommt platt von achtern, immer zwischen 5 und 6 Bft., wir segeln die meiste Zeit mit beiden ausgebaumten Vorsegeln. Das Leben an Bord gestaltet sich ungemütlich, selbst die einfachsten Verrichtungen werden zur großen Herausforderung. Das Schiff rollt und rollt von einer Seite auf die andere Seite, selbst in der Koje bekommt man keine Ruhe. Aber schnell sind wir, und es gibt fast nichts zu tun an den Segeln. Während dieser ganzen zwei Wochen fühlen wir uns wieder sehr einsam auf dem riesigen Ozean. Ein einziges Containerschiff kommt von achtern auf und passiert uns in etwa einer Seemeile Entfernung auf steuerbord.

Jeden Tag wird unsere Schleppangel ausgeworfen. Zwei Schlangenmakrelen sind so dumm und beißen an, aber die Dinger sind so voller Gräten, dass wir sie umgehend wieder in den Pazifik entlassen und hoffen, dass sie sich wieder erholen. Nach gut einer Woche haben wir einen kleinen Einbruch, der Wind wird immer schwächer und lässt dann ganz nach. 18 Stunden lang herrscht Totenflaute, das Wasser liegt da wie mit Blei überzogen. Dabei ist es heiß und sonnig, Zeit für ausgiebige Körperpflege und Sonnenbaden an Deck. Neben dem treibenden Boot können wir zwei bunte Kugelfische beobachten.

Die Flaute endet am Nachmittag plötzlich und unerwartet mit Starkwind aus Nord. Wir haben gerade die beiden Vorsegel und Spi-Bäume geborgen, da geht der Tanz auch schon los. Mit dem Groß im 3. Reff und einem kleinen Fetzen Tuch vorne bolzen wir gegenan. Walkabout wird hin- und hergeworfen und muss heftige Schläge einstecken. Die Wellen werden immer höher und steigen so manches Mal ins Cockpit ein. Wind und Wellen toben die ganze Nacht weiter. Alles ist nass. Gegen Morgen verzieht sich die dunkle Bewölkung, es wird etwas freundlicher. Aber auch die nächsten beiden Tage geht die wilde Fahrt weiter, wir brausen noch immer mit 6 Knoten durch den aufgewühlten Ozean. Heftiger Wind aus Ost, konfuse See mit brechenden Wellen. Auch während der Nächte gibt es keine Entspannung, da müssen wir jetzt durch. Wir erreichen ein Etmal von 133,7 Seemeilen in 24 Stunden, das ist bisher unser absoluter Geschwindigkeits-Rekord.

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Nachdem wir uns 60 Stunden mit zu viel Wind und Wellen abgekämpft haben…jetzt herrscht wieder Flaute. Abgelöst wird diese von schwarzen Wolkenwänden, die Windböen und Regen mitbringen. Dieses Spiel wiederholt sich für den Rest unserer Reise : Ein Squall jagt den nächsten, dazwischen immer wieder fast Windstille um uns herum. Am 14.09. segeln wir über den Tongagraben, hier haben wir eine Wassertiefe von 10.000 Metern unter uns. Und wir machen unseren bisher größten Fang : ein stattlicher Mahi Mahi geht uns an die Angel. Der Bursche ist ein großer Kämpfer. Er springt immer wieder hoch aus dem Wasser, dreht schnelle Kreise am Haken, dass einem davon schwindelig werden kann. Dieser Fisch ist eine wahre Augenweide, gelb-orange-golden schimmert er in der Morgensonne. Eigentlich viel zu schade zum Töten, aber da ist nun nichts mehr dran zu ändern. Es dauert eine volle Stunde, bis wir ihn an Bord gehievt haben. Wirklich ein harter Kampf, den wir zu zweit so gerade eben gewinnen. Danach ist mit erstmal schlecht von der Anstrengung. Unser Mahi Mahi wird vermessen und gewogen : Er bringt stolze 18 Kilo auf die Waage und misst volle 1,50 Meter Länge. Was soll man nun damit machen ? Die Hälfte des Fischs wird sofort verarbeitet, es werden ein paar Gläser eingekocht und es gibt eine Mahlzeit zum Sattessen unterwegs. Zum Glück haben wir es nicht mehr weit bis nach Tonga, wo schon unsere Freunde warten, mit denen wir die andere Hälfte teilen können. Andere Boote besitzen auch einen Kühlschrank, der uns gerade sehr gelegen kommt.

Am 15.09. haben wir die Datumsgrenze überschritten. Es ist der Geburtstag von Anne, aber der fällt wohl irgendwie aus …. Die Uhren werden wieder mal eine Stunde zurückgestellt, so langsam blicken wir da gar nicht mehr durch.

Morgens um 7.00 Uhr am 16. September werfen wir den Motor an und fahren bei Regen mit dem ersten Tageslicht durch die Faihava Passage in den Naturhafen von Neiafu.

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Tonga Vava’u-Gruppe Neiafu 15.09. – 08.10.2015

Wir müssen in Neiafu zuerst am Quarantäne-Steg festmachen und warten. Nacheinander kommen 4 Offizielle an Bord, um Fragen zu stellen und den nötigen Papierkram auszufüllen. Zwei der Beamten erscheinen in traditioneller Kleidung mit langen Röcken, Hüft-Gürtel und Flip-Flops. Damit haben sie Mühe, auf unser kleines Boot zu steigen und den Niedergang rückwärts hinunter zu steigen. Das alleine ist schon ein Schauspiel ! Unser restlicher Frisch-Proviant wird begutachtet, aber nicht einkassiert. Unser gesammelter Müll wird vom Health Inspector mitgenommen, allerdings müssen wir dafür bezahlen. Außerdem müssen wir eine Einklarierungs-Gebühr entrichten und bekommen dafür eine Handvoll abgestempelter Formulare. In einem davon wünscht uns der Gesundheits-Inspektor „ viel Spaß beim Entdecken der Inseln dieser wunderschönen Vava’u-Gruppe“. Alle Offiziellen sind ausgesprochen nett und kompetent. Verständigungsprobleme gibt es keine, denn die Amtssprache hier ist Englisch.

Nun sind wir fertig, aber an Feierabend ist noch nicht zu denken. Die erste Mooring, an der wir uns festbinden, die gehört wohl Jemandem. Wir entdecken einen Schiffsnamen darauf, nachdem wir bereits festgemacht haben. Alle anderen Moorings sind belegt bis auf eine, die nicht besonders vertrauenerweckend aussieht. Erstmal hängen wir uns dort dran, auf Nachfrage erfährt Thomas aber, dass diese wohl auch privat sei. Wir wollen nur eine Nacht bleiben und dann weitersehen …. Unser Dinghi muss noch aufgebaut werden, dann folgt ein Landgang, um den Ort auszukundschaften. Am Fischerhafen gibt es sogar eine Dusche, die man für 2 Pa’anga ( Tonga-Dollar ) nutzen kann. Nicht besonders sauber und nur kaltes Wasser, aber immerhin kommt es in ausreichend starkem Strahl von oben.

Am nächsten Morgen möchten wir das Boot an einen anderen Platz verholen, aber plötzlich springt unser Motor nicht mehr an. Was ist das denn ? Wir sind doch ohne Mucken hier angekommen …. Damit beginnt für Thomas eine Fehlersuche, die jeden Tag viele Stunden in Anspruch nimmt. Herwig von der Alchimist schleppt uns mit seinem Beiboot längsseits gebunden zu einer Mooring von Beluga Diving, wo wir gegen Zahlung von 12 Pa’anga pro Tag ganz beruhigt liegen können. Von da an heißt es tagelang „ Motor-Reparatur“. Nachdem alles ausführlich durchgecheckt und ausprobiert wurde, stellte sich heraus, dass es nur die kaputten Glühkerzen waren, die relativ schnell ersetzt werden konnten. Auf jeden Fall war es viel Arbeit und Fummelei – und wieder viel dazu gelernt. Ein weiteres Problem, das es zu lösen galt, war unser netbook. Nun hat auch noch dieses wichtige Teil den Geist aufgegeben, nachdem bereits der erste Computer auf dem Hinflug im Februar kaputtgegangen ist. Deswegen können wir keine Funk-mails mehr empfangen. Dummerweise waren unsere Daten noch nirgends gesichert, d. h. unser gesamter Schriftverkehr, unsere Fotos etc. sind im Nirwana verschwunden. Thomas bastelt und versucht tagelang, die Daten der Festplatte wiederzufinden. Sehr zeitintensiv, aber er gibt nicht auf, und irgendwann ist es ihm tatsächlich gelungen, die meisten Daten und Bilder auf eine externe Festplatte zu kopieren. Unser Freund Rainer von der Meerbaer hat noch einen alten Laptop für uns, den Thomas sich neu einrichten muss. Das hilft uns erst einmal weiter. Nach etwa einer Woche haben wir endlich wieder Zugriff auf Wetter und e-mails per Funk. Das Problem ist für den Moment erstmal gelöst.

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Tonga ist gewöhnungsbedürftig. Es kommt uns alles sehr fremd vor, Erinnerungen an Mindelo auf den Kapverden werden wach. Die Einwohner scheinen sehr arm zu sein, dreckige Kinder spielen barfuss zwischen ungepflegten Hunden und freilaufenden Schweinen. Viele der Kleinen haben Ekzeme an den Beinen. Die Stadt ist schmutzig und in keinster Weise schön. Es gibt überhaupt keine Grünanlagen, nur Staub und Müll am Straßenrand. Es dauert lange, bis ich sagen kann, ob es mir hier gefällt oder nicht.

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Wir freuen uns sehr, dass wir Claudia und Jürgen von der „La Belle Epoque“ kennenlernen durften, deren homepage wir schon von zu Hause aus interessiert gelesen haben. Vor einigen Tagen ist ein Einhandsegler ganz kurz vor dem Ziel eingeschlafen und auf ein Riff gelaufen. Er konnte sich zwar an Land retten, aber sein Schiff ist gesunken. Der arme Kerl hat wirklich alles verloren und musste zudem noch 3 Tage alleine an einem einsamen Flecken warten, bis ihn jemand dort gesehen und abgeborgen hat. Claudia und Jürgen haben im Aquarium-Cafe eine Benefiz-Veranstaltung organisiert und ihren Film über die erfolgreiche Nord-West-Passage im Jahr 2012 gezeigt. Große Leistung, wirklich sehr beeindruckend …. Und vielleicht könnten wir ja auch irgendwann …. ! Am Ende dieses spannenden Film-Vortrages wurde für den verunglückten Segler gesammelt, der verständlicherweise ziemlich durch den Wind war. So sind immerhin rund 1500,- US-Dollar zusammengekommen, was auf jeden Fall für ihn ein Flugticket nach Hause bedeutet.

Am ersten arbeitsfreien Tag leihen wir uns Mountain-Bikes und machen eine Radtour ins Landesinnere, nachdem ja die erste Woche komplett für Reparatur-Arbeiten an Motor und netbook draufgegangen ist. Der Verleiher besteht darauf, dass wir Fahrrad-Helme tragen müssen. Uns werden zahlreiche Ermahnungen mit auf den Weg gegeben. Warnungen vor den schlechten Straßen hier, vor rücksichtslosen Autofahrern, wilden Hunden und Schweinen, die einfach über die Straße laufen. Dazu gibt es noch Linksverkehr, an den man sich gewöhnen muss. Originalton von Gregg :“Wenn ihr hier ins Krankenhaus kommt, dann seid ihr so gut wie tot.“ Auch außerhalb von Neiafu wird unser Eindruck nicht besser. Unsere Radtour führt uns durch fast verlassene Dörfer, an sehr fremdartigen Friedhöfen vorbei bis zum Botanischen Garten am Ene’io Beach. Dort gibt es ein nettes kleines Restaurant, in dem wir „ Fish and Chips“ bestellen. Etwas Anderes gibt es nicht, man schaut mich komisch an, als ich nach der Speisekarte frage. Schon wieder ein seltsamer Anblick : Am Strand geht gerade eine Kuhherde spazieren, natürlich einfach so ohne Begleitung. Leider begleitet uns den ganzen Tag Nieselregen. Auf dem Rückweg kommen wir an einem kleinen Stand vorbei, der wohl der Tante-Emma-Laden des Dorfes ist. Auf jeden Fall kann man dort etwas zum Trinken kaufen. überall spielen viele Kinder gemischten Alters miteinander, die ausgesprochen freundlich sind. Immer wird laut hinter uns her gerufen, freudig gewinkt, einige Kinder begleiten uns sogar ein Stückchen. Ich bereue, dass ich keine Süßigkeiten eingesteckt habe.

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Am nächsten Tag machen wir einen Ausflug in den nahe gelegenen Nationalpark, nur eine kleine Wanderung von Neiafu aus Richtung Westen. Dort besteigen wir den Hausberg Mount Talau über eine irrsinnig steile Treppe mit schief abfallenden Betonstufen. Oben geht es in einer Runde über zum Teil unmarkierte Wege durch ein kleines Waldgebiet. An einer Stelle wird es sogar etwas abenteuerlich, denn man muss sich beim Abstieg in eine kleine Schlucht an befestigten Seilen herunter hangeln. Oben haben wir von verschiedenen Aussichtspunkten schöne Blicke auf die vorgelagerten Inseln. Allerdings spielt das Wetter wieder nicht richtig mit. Der Himmel ist grau und hängt voller Wolken, ansonsten wäre die Aussicht hier sicherlich grandios.

Sonntag nehmen wir natürlich an einem Gottesdienst teil. Die Kirche ist rappelvoll, alle Menschen haben sich festlich herausgeputzt. Besonders für die Frauen scheint dieses ein ganz besonderer Anlass zu sein, zu dem sie sich schminken, schicke Kleider und hochhackige Schuhe anziehen. Männer und auch Frauen tragen zum Teil geflochtene Matten ( taovalas) um die Hüften, die wie Baströcke aussehen. Als Zeichen des Respekts vor dem König werden dazu mehr oder weniger breite Gürtel aus Naturmaterialien als Schmuck um die Hüften gelegt. Es wird, wie auch auf den Gambiers, viel und inbrünstig gesungen. Aber hier fehlt uns die Leichtigkeit und Fröhlichkeit im Gottesdienst, die wir auf Rikitea erlebt haben. Die Lieder und die Predigt sind schwer von Ehrfurcht getragen und sehr feierlich. Auch das Abendmahl läuft eher stillschweigend und ernst ab.

Eine kuriose Begebenheit am Rande : Von einem Tag auf den anderen wurden verschiedene Geldscheine und alle Münzen im Königreich Tonga ungültig. Warum ? Weil mal wieder der König gewechselt hat. Das Seltsame daran war nur, dass wir an einem Tag noch 10 Scheine zu je 50 Tonga-Dollar aus dem Geldautomaten bekommen haben. Und am nächsten Tag waren die dann plötzlich nichts mehr wert. Viele Urlauber, so auch wir Segler, haben das zum Teil gar nicht mitbekommen. Wollen die ihre Wirtschaft ankurbeln ? So schnell können und wollen wir unser Geld nicht ausgeben. Aber zum Glück hat eine der drei Banken am Ort zu bestimmten Zeiten und mit Schlange-Stehen auch nach dem Stichtag noch in die neue Währung eingewechselt. Nur das Kleingeld sind wir nicht mehr ganz losgeworden. Und auf dem Markt musste man von nun an gut aufpassen, dass man nicht immer wieder die alten Scheine und Münzen untergejubelt bekam.

Jeden Freitag wird von der Tourismus-Initiative Neiafu ein bunter Abend am Fischerei-Hafen veranstaltet. Alle Segler, Besucher und Einheimische sind eingeladen, an diesem „cultural event“ teilzunehmen. Der Tourismus-Manager Bruno spricht feierliche und blumige Worte. Er heißt uns ganz herzlich willkommen und bittet um Spenden für seine Stadt zur Erhaltung der öffentlichen Sanitäranlagen usw. – Dafür gibt es ein Büfett, hier Barbecue genannt, mit allerlei fremdartigen Sachen, die nicht so ganz meinen Geschmack treffen. Das Spanferkel besteht nur aus Fett, die Salate sind aus undefinierbaren Zutaten zusammengestellt, und der rohe Fisch ist mir auch nicht geheuer. Auf der Showbühne treten nacheinander mehrere Tanzgruppen und Solisten auf, immer in grellbunte Kostüme gekleidet. Traditionell werden den Tänzern kleine Geldscheine auf die mit öl eingeriebene Haut geklebt. Was für uns zunächst ziemlich befremdlich erscheint, hier ist es absolut üblich und wird von den Zuschauern einer traditionellen Tanzshow erwartet. Das absolute Highlight dieses Abends kommt aber erst, nachdem der offizielle Teil beendet ist. Die Bühne wird gestürmt von den Kids, die anscheinend jeden Freitag darauf warten, dass sie endlich abrocken können. Es tummeln sich zwischen einem Dutzend bis zu 30 Kinder gleichzeitig auf der Bühne, das Alter sehr gemischt zwischen vielleicht 4 und 14 Jahren. Hier wird nun alles an Gezappel und Verrenkungen geboten, was man sich vorstellen kann. Traditionelle Tanzarten sind wohl eher langweilig, denn wir bekommen nun fetzigen Rock’n Roll, Hip Hop und Break Dance von den tobenden Tonga-Kids zu sehen.

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Wir haben uns für das Vava’u Bluewater-Festival 2015 registrieren lassen und bekommen für 50,- Pa’anga pro Person eine Woche lang eine Fülle von Veranstaltungen angeboten. Das Programm beginnt am Samstag mit einem gemeinsamen offiziellen „Willkommen“ im Lobster House, wo sich alle Beteiligten vorstellen und einleitende Worte sprechen. Am nächsten Tag folgt ein Frühstücks-Büfett, Gastgeber sind die Repräsentanten von Port Opua. Im Anschluss daran gibt es erste Informationen zum Einklarieren in Neuseeland, danach ein erstes Wetter-Seminar von John Martin, der die Passage Tonga-Neuseeland bereits selber ungefähr 30 Mal gesegelt ist. Dienstag steht die Besichtigung einer Vorschule auf dem Programm. Wir werden von einer aus Studenten bestehenden Big Band vor dem Cafe Tropicana abgeholt. Die Musikanten bieten schon großes Kino, denn sie sind traditionell gekleidet in den Farben ihrer Schule, dazu Flip-Flops. Und sie musizieren nicht nur, während wir in einer Prozession hintereinander durch die Straßen ziehen. Sie stampfen mit den Füßen, wackeln mit den Hüften und bieten Tanzeinlagen, wo immer es ihre großen Instrumente erlauben. Auf der Wiese vor der Hosea Preschool werden wir von der Schulleiterin, einigen weiteren Lehrerinnen und vielen aufgeregten Kindern empfangen. Die Mütter rennen verzweifelt hinter ihren Sprösslingen her, denn diese müssen geschminkt und umgezogen werden. Es folgen allerliebste Tanzdarbietungen der kostümierten Kleinen, die mir die Tränen der Rührung in die Augen treiben. Es kommen immer mehr phantasievoll geschminkte und verkleidete Kinder von allen Seiten hinzu. Sie singen und tanzen für uns, obwohl bei Einigen im Gesicht geschrieben steht, dass sie nicht gerade begeistert davon sind, sondern eher von den Müttern auf die Bühne geschubst wurden. Nach den Vorführungen gibt es für alle ein sehr üppiges Mittags-Büfett, zu dem die Eltern fleißig beigetragen haben. Hier ist nun wirklich für Jeden etwas dabei. Man kann bei strahlendem Sonnenschein auf einer grünen Wiese sitzen und hat dabei das Gefühl, die einheimischen Familien freuen sich, dass wir ihre Gäste sind. Sehr schön ! So ein Erlebnis nahe an den hier lebenden Menschen und mit Einblicken in deren Kultur hätte ich gerne schon viel früher gehabt. Von nun an weiß ich, dass mir Neiafu gefällt. Es folgt noch eine Besichtigung dieser Einrichtung, die wirklich schockierend ist. Der Kindergarten bzw. die Vorschule ist nicht mehr als ein etwas größerer Hühnerstall. Es gibt keine Kochgelegenheit, die einzige Toilette ist defekt und nicht kindgerecht, die Unterrichtsmaterialien sind sehr armselig. So etwas würde man bei uns in Europa wegschmeißen. Es fehlt an allen Ecken und Enden. Wir Segler geben gern und reichlich. Zurück in die Stadt geht es wieder unter Musik-Begleitung der Big Band.

Am Nachmittag findet das zweite Wetter-Seminar von John Martin statt, sehr interessant und informativ. Man soll die Passage nicht unterschätzen, denn es gibt oft Starkwind aus der falschen Richtung. Wir lernen, worauf wir achten müssen, wann und wie wir am besten nach Neuseeland starten. Allein dafür hat sich unsere Teilnahme am Bluewater-Festival gelohnt.

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Abends ist Treffen im Aquarium-Cafe zur Pizza-Night. Während wir einen gemütlichen Abend verleben ( es ist gleichzeitig Hildes Geburtstag), bekommen wir so ganz nebenbei Informationen von den Vertretern aus Port Whangarei und von den Vertretern der Quarantäne-Abteilung. Besonders die Ausführungen der Bio-Security werden ganz gespannt aufgesogen, da es doch sehr viele Gerüchte gibt über die Schwierigkeiten beim Einklarieren. Neuseeland soll sehr streng sein mit seinen Vorschriften bezüglich frischer Lebensmitteln, Muscheln, Holzwaren, Bewuchs am Unterwasser-Schiff. Wie gut, dass man hier wirklich Vieles im Voraus erklärt bekommt und auch Fragen stellen kann, die Quarantäne-Frau Helen gerne und mit viel Geduld beantwortet.

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Am Mittwoch findet die Vava’u Yacht Race Challenge statt. Hierzu haben wir uns dann lieber nicht angemeldet. Wir werden unterwegs zum Zielort Ankerplatz 11 sicherlich von 10 Booten überholt, obwohl wir 45 Minuten vor dem offiziellen Start lossegeln und zwischendurch noch den Motor zur Hilfe nehmen. Gleich nach unserer Ankunft paddeln wir ans Ufer und machen einen langen Spaziergang zur Erkundung dieses südlich von Neiafu gelegenen Landzipfels. Nachmittags startet dann die Party am Hinkauea Beach. Als Begrüßungs-Cocktail gibt es einen Rum-Punsch mit Melonen-Stückchen drin. Sehr lecker und ziemlich süffig in der prallen Sonne, mehr als zwei dieser Drinks trinken wir besser nicht. Wieder Barbecue, diesmal gibt es Hühnchen-Reispfanne oder eine Art Hot Dog im Brötchen zur Auswahl. Wer möchte, der kann an verschiedenen Spielen teilnehmen. Ein DJ Cue legt Musik der 70-er und 80-er Jahre auf, es darf getanzt werden bis in die Nacht.

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Den nächsten Tag steht eine Tour durch mehrere Kneipen mit einer Prämierung der besten Verkleidung auf dem Programm. Diesen Kostümball lassen wir gerne aus, denn es ist einfach zu schön hier in unserer Bucht am Hinkauea Beach. Dafür machen wir eine sehr schöne Tour mit unserem Dinghi zur gegenüberliegenden Insel. Wir entdecken ein spanisches Restaurant im Nirgendwo, welches aber nur auf Vorbestellung arbeitet. Noch nicht einmal eine Cola konnten wir hier kaufen. Auf der anderen Seite der Insel sind zwei Ruinen von verlassenen Häusern zu sehen. Dort gibt es einen Waldweg bis auf die andere Seite hinüber, zum Teil richtig markiert, bis zu einem weiteren schönen Strandabschnitt. Wir können sogar noch zu einem weiteren kleinen Inselchen laufen, da wir gerade Niedrigwasser haben. Barfuß geht es durch knietiefes Wasser, allerdings mit Schuhen, denn die scharfen Korallen und Muscheln würden uns sonst die Füße zerschneiden. Ein Nachmittag voller schöner Erlebnisse, und nachdem wir unsere Insel-Erkundungen und Umrundung beendet haben, paddeln wir nach Hause. Zum Abschluss des Tages kommen noch Helga und Peter von der Twiga an Bord der Walkabout, um den heute früh gebackenen Schokoladen-Kuchen zu probieren.

Freitag endet unsere Festival-Woche mit einem abendlichen Dinner, mit Abschlussreden, mit Bekanntgabe der Gewinner, Preisverleihung und Geschenken an diejenigen, die keinen Preis bei der Regatta bekommen haben. So können wir zwei tolle T-Shirts abstauben, zusätzlich erhalten wir einen Gutschein für 2 Tage/Nächte kostenlos Liegen in der Marsden Cove Marina bei Whangarei. Nach dem sehr leckeren Abendessen wird noch lange am großen Tisch gesessen und geklönt. Zwischendurch treten immer wieder Tänzerinnen und Tänzer mit typisch tonganischem Cultural Dance Floor auf. Die weiblichen Künstlerinnen sind in ihren Bewegungen und ihrer Mimik sehr fremd und sehr anmutig anzusehen. Dagegen erscheinen die Darbietungen der Männergruppen eher wild und animalisch, ebenso die Vorführungen der Feuerspucker draußen auf der Terrasse.

Schade, diese Woche ist wie im Fluge vergangen. Wir möchten gerne nächstes Jahr wieder dabei sein, also habe ich mir den Termin für die Bluewater-Festival-Woche 2016 bereits in meinem Kalender eingetragen.

Ich hatte der Schulleiterin der Hosea Preschool versprochen, noch einmal mit Geschenken wiederzukommen. Deswegen bringe ich in unserer letzten Woche alle unsere verbliebenen Bonbons, Müsliriegel und Kekse dorthin. Es ist nur eine kleine Belohnung für den schönen Tag, den sie uns Seglern vergangene Woche geboten haben. Wir haben noch sehr viele Süßigkeiten übrig, eine große Plastikbox voll, aber es sind auch 48 Kinder hier. Hier bin ich damit an der richtigen Adresse, denn die Freude bei den Kids ist unglaublich groß. Sie strahlen, wollen mich anfassen, umarmen, küssen. Die Lehrerin ist sehr bemüht, Ordnung in den wilden Haufen zu bringen. Zunächst einmal wird ein Dank-Gebet gesprochen, dann werden mir mehrere Liedchen vorgesungen und ein paar kleine Tänze ganz exklusiv für mich vorgeführt. Ich bin total gerührt von der Freude und Dankbarkeit, die ich in den Augen der Kleinen sehen kann. Der Abschied fällt sehr schwer. Noch ein Grund dafür, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

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Kurz vor unserem Start verschenke ich noch eine Tasche mit Lebensmitteln an eine der netten Marktfrauen. Sie hat zwei kleine Kinder am Rockzipfel hängen und freut sich riesig über das, was wir nicht nach Neuseeland einführen dürfen. Am nächsten Tag gebe ich der ebenfalls immer freundlichen Eier-Frau unsere letzten beiden Gläser Honig.

Nun bleibt uns nur noch, auf ein geeignetes Wetterfenster zu warten, um den Absprung nach Neuseeland zu schaffen. Jeden Tag werden mehrere verschiedene Wetterberichte eingeholt, und es finden unzählige „Fach“- Gespräche unter den Seglern statt. Mich nervt’s – ich möchte jetzt los.

Tonga bis Whangarei / Neuseeland  08.10. – 23.10.2015  1480 sm

Vormittags müssen wir zum Ausklarieren – das Anlegen an der Betonmauer ist aber nicht für so ein kleines Boot geeignet. Heftiger Schwell drängt uns immer wieder gegen die raue Wand. Es ist Niedrigwasser, denkbar ungünstig. Unsere Reling will sich unter der Mauer festklemmen, die Wanten werden unbarmherzig immer wieder eingedrückt. Thomas geht zum Zoll und bezahlt die Hafengebühr, ich erledige noch schnell ein paar Einkäufe auf dem nahen Markt. Dann nichts wie weg hier, bevor unser Boot noch zu Schaden kommt. Das war abenteuerlich, wir können uns erst entspannen, als wir die Leinen los haben und etwas Abstand gewonnen haben.

Wir starten mit kräftigem Wind 5-6 Bft. aus Süd-Ost. Nachts ziehen mehrere Regenfronten mit Wind aus wechselnden Richtungen durch, die Squalls werden von einer plötzlichen Flaute abgelöst. Während meiner Nachtwache versuche ich, unter Motor auf den anderen Bug zu wechseln, aber die Maschine springt ohne ersichtlichen Grund mal wieder nicht an. Dieses Problem muss bis zum Tageslicht warten. Am nächsten Tag überprüft Thomas alle möglichen Dinge und wechselt schließlich den Anlasser komplett aus. Das ist eine 2 Stunden dauernde mühsame Operation, nur leider ohne Erfolg. Erst am folgenden Tag stellt sich heraus, dass unsere Starter-Batterie kaputt ist. Köche können ja bekanntlich sehr gut basteln, es wird ein Kabel zum Starten gebaut, damit wir überbrücken und den Saft aus der anderen Batterie ziehen können. Na also, geht doch – der Motor läuft wieder.

Der hohe Vulkankegel von Kao Island ist lange Zeit sehr gut sichtbar, Tofua Island passieren wir an steuerbord. Wir haben ungefähr den halben Weg bis zum Minerva Riff geschafft, aber der Wind hat auf Süd gedreht, und wir kommen immer weiter von unserer Kurslinie ab. Immer hart am Wind stampfen wir durch die Wellen, die See ist unruhig, Schiffsbewegungen sehr anstrengend. Immer wieder kommt ein Schwall Wasser ins Cockpit – die Walkabout segelt sehr nass. Dumm ist nur, dass die Temperaturen so in den Keller gegangen sind. Die Wassertemperatur ist deutlich gefallen, und der Südwind kommt uns eiskalt entgegen.

Der Wetterbericht lässt vermuten, dass man auch ohne zusätzliches Abwarten im Minerva Riff nach Neuseeland durchrutschen kann. Deswegen beschließen wir, unseren Kurs auf einen Ansteuerungspunkt vor Opua zu ändern. Dadurch wird es etwas ruhiger an Bord, weil wir den Wind nun nicht mehr so spitz von vorne nehmen. Gute Entscheidung, denn bei angenehmeren Bedingungen machen wir nun 5-6 Knoten Fahrt. Es läuft eigentlich optimal, wenn auch nicht gemütlich. In einer Woche haben wir dank des strammen Windes die Hälfte der Strecke zurückgelegt.

Unser Inverter tut’s nicht mehr. Wir können unser netbook nicht mehr laden und müssen deswegen sehr vorsichtig mit dem Stromverbrauch sein. Es sind uns noch ein paar weitere Tage mit konstantem Wind und guten Etmalen gegönnt, so dass wir schon fast unsere Ankunft für Dienstag oder Mittwoch planen. Aber dann ist es vorbei. Vom Wegpunkt 30° Süd und 173.5° West aus müssen wir abbiegen und auf Süd-Ost-Kurs gehen, aber genau da kommt der Wind gerade her. Viel Arbeit mit den Segeln, viel Theater, aber es nützt alles nichts. Wir kommen Neuseeland einfach nicht näher. Wir reduzieren unsere Segelfläche und versuchen, die Geschwindigkeit möglichst gering zu halten. Fahren mal ein paar Stunden nach Osten, dann wieder ein paar Stunden nach Westen. Kreuzen bringt überhaupt keinen Vorteil, denn erstens sind unsere Segel dafür nicht gut genug, und zweitens versetzt uns eine ganz ordentliche Strömung leider in die falsche Richtung. Es sind noch drei weitere Segelboote ungefähr gleichzeitig mit uns in diesem Gebiet unterwegs, aber alle haben dieselben Probleme. Peter von der Twiga schreibt in einer e-mail von der „Südmauer, die uns nicht durchlassen will“. Sehr schöne Worte, um unseren Zustand zu beschreiben. Mehr als 48 Stunden segeln wir hin und her, fahren beinahe einen Kreis und sind am nächsten Tag nur etwa 10 Meilen weiter in die richtige Richtung gekommen. Unterhalb des 30. Breitengrades ist es noch mal merklich kälter geworden. Wir haben inzwischen unsere dicke Bettdecke wieder hervorgeholt und sitzen nachts mit voller Montur und zusätzlicher Wolldecke draußen im Cockpit.

Inzwischen ist es Mittwoch geworden. Wollten wir nicht am Mittwoch ankommen ? Der Wind stirbt. Wir haben keine Geduld mehr, um lange Flauten auszusitzen. Aber die Maschine springt schon wieder nicht an. Der Fehler ist recht schnell behoben. Der Motor läuft wieder nachdem Thomas das Relais für die Glühkerzen ausgetauscht hat. Per Funk schicken wir eine „Advanced notice of arrival“ an den Zoll in Neuseeland und kündigen uns für Freitag am späten Nachmittag in Opua an. Nach einer Flaute von 24 Stunden Dauer werden wir am Ende noch mit zwei schönen Tagen belohnt. Leichter Wind von achtern, das ungereffte Groß und die volle Genua bringen uns gute Fahrt bei angenehmen Bewegungen. Endlich wieder richtig Segeln, und das sogar auf dem richtigen Kurs. Es könnte nicht besser sein !

Am Freitag kommt ein riesiges Containerschiff schnell von steuerbord hinten näher und fährt in gutem Abstand an uns vorbei. Mittags verzieht sich die Wolkendecke und gibt endlich den Blick auf Neuseelands Berge frei. Was für ein erhabener Moment ! Dies ist ein weiterer Meilenstein auf unserer Reise. Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir unsere kleine Walkabout bis hierhin gebracht haben. Immer noch tolles Segeln mit 5 Knoten Fahrt, aber wir haben keine Lust auf Stress. Wir beschließen, dass wir zum Einklarieren nach Whangarei fahren werden, da es nicht sicher ist, ob wir Opua noch bei Tageslicht erreichen können. Lieber segeln wir noch eine weitere Nacht durch, bevor wir uns bei Dunkelheit in eine unbekannte Einfahrt wagen. Bis zur Marsden Cove Marina haben wir noch 70 Seemeilen vor uns, das müsste gerade mit dem Tagesanbruch klappen. 15 Seemeilen vor Opua geben wir per Funkkontakt auf Kanal 16 unsere Planänderung an Northland Maritime Radio durch.

Samstag in der Frühe funken wir noch eine weitere Nachricht an Whangarei Maritime Radio und geben unsere Ankunftszeit für 8.00 Uhr morgens bekannt. Das passt genau, um 8.30 Uhr haben wir alle Leinen am Quarantäne-Steg von Marsden Cove fest.

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Whangarei / Neuseeland 23.10. – 03.11.2015

Wir müssen nicht lange auf unsere Abfertigung warten, da wir uns ja mehrfach per Funk angekündigt haben und zudem auch noch pünktlich sind. Bruce von den customs erscheint schon kurze Zeit später an Bord, um unsere Einreise-Formalitäten zu erledigen. Er ist supernett und kompetent, innerhalb kürzester Zeit ist alles erledigt und wir haben unsere Stempel im Pass. Danach kommt Helen von der Bio-Security, um unseren Bootsrumpf zu begutachten und nach verbotenen Sachen zu fahnden. Durch unsere Veranstaltungen im Rahmen des Vava’u Bluewater-Festivals sind wir sehr gut geschult worden und haben alles vorbereitet. Hier steht unser in großen Plastikflaschen versiegelter Müll, da liegt der Beutel mit den wenigen übriggebliebenen Sachen ( eine Kartoffel, zwei Zwiebeln und einmal Knoblauch). Wir haben unsere Muschelsammlung auf den Tisch gelegt, damit sie diese auf gefährdete Arten hin kontrollieren kann. Und eine Plastikbox mit Lebensmitteln, bei denen wir unsicher waren, steht neben dem Tisch zur Kontrolle bereit. Helen schaut sich alles gründlich an, sieht auch in ein paar Schapps und hebt zwei der Bodenbretter hoch, um in den Keller zu gucken. Unseren Eimer mit losem Reis prüft sie genau, findet aber keine Tierchen und geht sehr zufrieden von Bord. Unser Unterwasserschiff wird nicht beanstandet. Der Rumpf sieht sauber aus, soweit man es von oben sehen kann. Taucher müssen nicht genauer nachschauen, weil wir ja das Schiff erst Ende März mit frischem Antifouling gestrichen ins Wasser gelassen haben. Auch von der Bio-Security wird uns Absolution erteilt, so dass wir bereits um 10.00 Uhr fertig sind. Wir haben unsere Clearance und ein 3-Monats-Visum im Pass.

Wir fragen über Funk im Marina-Office nach, ob wir eventuell noch etwas länger bleiben dürfen, denn die ablaufende Tide lässt uns wegen der starken Strömung die nächsten Stunden nicht flussaufwärts fahren. Kein Problem, wir sollen einfach um die Ecke und am Courtesy-Steg festmachen. Ich staune darüber, wie einfach das hier alles geht. Die Leute scheinen alle völlig cool und unkompliziert zu sein. Der Manager der Marsden Cove Marina bietet an, uns zum kleinen Shopping-Center in Ruakaka zu fahren, wo wir einen Geldautomaten und einen mit herrlich frischen Sachen gefüllten Supermarkt finden. Nach seiner Mittagspause holt er uns wieder dort ab und nimmt uns mit zurück zum Boot.

Inzwischen ist auflaufendes Wasser, und nach einem ausgiebigen Mittagessen an Bord steht der Weiterfahrt zur Whangarei Town Marina nichts mehr im Wege. Die haben zwar Samstag ab 12.00 Uhr mittags ihr Büro geschlossen, aber über Funk haben wir erfahren, wo wir anlegen sollen und dass wir von einem anderen Schiff einen Umschlag mit Info-Material und dem Schlüssel zur Dusche bekommen. Das ist ja wirklich perfekt organisiert, wir freuen uns, dass hier alles so gut klappt.

Mit der Strömung, die uns von hinten schiebt, erreichen wir unter Motor 6 Knoten. Inzwischen regnet es in Strömen, aber das ist uns nun auch egal. Wir müssen die Hatea River Bascule Bridge passieren, eine riesige Autobrücke, die bei Bedarf für die Schiffe geöffnet wird. Per Funk melden wir uns an und fahren mit normaler Geschwindigkeit auf die Brücke zu. Während wir näher kommen, können wir sehen, wie oben die Autos anhalten und die Brücke sich wie von Zauberhand öffnet. Wir haben noch nicht einmal den Menschen gesehen, der diese Technik bedient, um uns zu bedanken. Die 12 Seemeilen von MarsdenCove bis zur Whangarei Town Marina haben wir in gut 2 Stunden zurückgelegt. Um 15.30 Uhr sind wir am Schwimmsteg festgemacht, Skipper und Tochter vom Katamaran Lazy Jack nehmen unsere Leinen an und übergeben den Umschlag mit dem wichtigen Schlüssel. Heisse Süßwasser-Dusche ist gesichert. Ein perfekter Tag !

Whangarei ist eine idyllische Kleinstadt mit einer schönen Atmosphäre. Es ist hier überall ausgesprochen sauber, viele Grünanlagen, Spielplätze und Bänke laden zum Verweilen ein. Nette kleine Geschäfte, Souvenirläden, Cafes, Restaurants prägen das Stadtbild. Außerdem gibt es in nur 5 Minuten Entfernung von der Marina einen gut sortierten Supermarkt. Hier kann man alles an Lebensmitteln und Drogerieartikeln kaufen, was das Herz begehrt. Nach einem halben Jahr Abstinenz fühlen wir uns wie im Schlaraffenland und verfallen beinahe in einen Kaufrausch. Hier in Whangarei gefällt es uns ausgesprochen gut, da könnte man glatt länger bleiben. Aber wir haben andere Pläne. Dienstag in der Frühe verholen wir zum nahe gelegenen Kissing Point, wo wir die Walkabout für die nächsten 5 Monate zwischen zwei Pfählen parken werden. Um 14.00 Uhr fährt unser Bus nach Auckland, wo wir uns 3 Nächte in einem Motel gönnen ( die erste Nacht in einem richtigen Bett seit Anfang Februar ). Am Freitag werden wir uns dann wieder auf den Weg nach Norden machen, wo unsere Wanderung durch Neuseeland beginnen soll. Von Cape Reinga bis nach Bluff im Süden liegen 3000 Kilometer auf dem Te Araroa vor uns.

Seit unserem Start in Puerto Montt sind nun knapp 7 Monate vergangen, wovon die längste Etappe der Weg zu den Gambiers in 54 Tagen gewesen ist. Nach den Gambier Islands haben wir Tahiti, Moorea, Raiatea, Taha’a und Bora Bora besucht. Von dort aus führte unsere Reise nach Tonga in die Vava’u-Gruppe. Im nächsten Jahr werden wir wieder zurück in den Süd-Pazifik segeln, um die anderen Tonga-Inselgruppen sowie Fiji zu erkunden.

Wir waren ungefähr die Hälfte der Zeit auf See und haben dabei 8674 Seemeilen zurückgelegt. In diesem Jahr gab es mehr Reparaturen als auf unseren vorigen Reisen, was vielleicht mit dem Alter und der Beanspruchung des Materials zu tun hat, vielleicht aber auch mit der 2-jährigen Standzeit in Chile. Seit dem Start auf Norderney am 26.07.2011 kann die Walkabout auf 20939 Seemeilen zurückblicken. Da darf schon einmal etwas kaputt gehen.