Wir segeln und wandern durch die Welt

Rocky Mountain National Park

Am Mittwoch haben wir morgens eine trockene Stunde, in der wir es bis nach Grand Lake schaffen. Eine weitere Stunde ohne Niederschlag gibt es am Nachmittag, ansonsten regnet es den ganzen Tag. Wir sind sehr froh darüber, dass wir nicht unterwegs sind und einen trockenen Platz für die Nacht haben. Jim fährt mit Thomas zum Visitor Center, um unseren Aufenthalt im Rocky Mountain National Park zu legalisieren. Gute Idee, denn unsere nächste Etappe gestaltet sich komplizierter als erwartet. Es gibt einen kurzen direkten Weg durch den Nationalpark und einen Loop, der ungefähr 30 Kilometer lang ist. Wir möchten gerne die längere Route laufen, aber mit einer Übernachtung und ohne Stress. Dazu gibt es kaum Informationen, denn die CDT-Hiker rennen gewöhnlich in einem Tag durch. Thomas erfährt, dass wir einen bestimmten Zeltplatz reservieren müssen. Aber ganz so einfach ist das nicht, weil bereits alles ausgebucht ist. Der Ranger im Visitor Center weist uns einen Platz auf einer anderen Route zu, weit weg von dem ursprünglich geplanten Weg. Für die Übernachtung müssen wir umgerechnet 25,- Euro bezahlen, aber das ist ganz okay, denn es kommt dem Nationalpark zugute. Außerdem besteht er darauf, dass wir die ausgesetzte Strecke oberhalb der Baumgrenze nur vormittags zurücklegen dürfen. Die tägliche Wolkenbildung und Gewitter setzen in der Regel erst ab dem Nachmittag ein. Erst letztes Jahr sei wieder ein Wanderer vom Blitz getroffen und getötet worden. Alles nachvollziehbar, aber es führt dazu, dass wir unsere Pläne komplett ändern müssen. Wir benötigen einen Bären-Kanister für unseren Proviant, den bekommen wir ausgeliehen. Das ist ein geruchsdichter und fest verschraubbarer Plastikbehälter, der einerseits zu klein ist für unser Essen, andererseits aber schwer und unförmig für unseren Rucksack. Keine Option für Thru-Hiker, die 6 Monate unterwegs sind, aber hier ist es Pflicht. Die nächste Plan-Änderung ist, dass wir nicht durchlaufen, sondern am Abend des zweiten Tages wieder in Grand Lake ankommen werden. Das bringt mich zu der Frage, ob wir nicht vielleicht einen Teil unserer Ausrüstung und unseren Proviant für die nächste Etappe hier lassen können. Wir brauchen nicht unsere gesamten Klamotten, wenn wir nur eine Nacht zelten. Und schon gar nicht wollen wir 6 Tage Essen durch die Gegend tragen. Shelley und Jim verlassen ihr Ferienhaus am Donnerstag, deswegen hatte ich zum Deponieren an einen versteckten Ort hinter dem Gebäude gedacht. Aber die Beiden sind so unkompliziert und gastfreundlich ! Sie bieten uns an, dass wir einfach wiederkommen und eine weitere Nacht ( oder auch zwei ) in ihrem Haus verbringen dürfen. Damit haben wir nach Abschluss unserer Rocky Mountain-Wanderung nochmal eine gemütliche Unterkunft, Dusche, Bett und Küche in Grand Lake. 🙂 Herzlichen Dank an Shelley und Jim – das ist so ziemlich das beste Angebot auf allen unseren Reisen. 🙂

Zunächst laufen wir den Tonahutu Creek Trail, der nun gar nichts mit unserem ursprünglichen Weg zu tun hat. Immer am gleichnamigen Fluss entlang geht es locker bis zu den Granite Falls. Wasserfälle, die sich über Granitfelsen ergießen und dabei die schöne Färbung des Gesteins zum Vorschein kommen lassen. Kurz danach merke ich, wie es mir nass und kalt den Rücken herunterrinnt. Wasser ist es leider nicht, sondern eine Dose Cola ist ausgelaufen. Nur noch ein winziger Schluck ist drin, der Rest hat sich in meinen Rucksack entleert und alles durchnässt. Anhalten, Auspacken …. schöne Bescherung. Thomas holt Wasser vom Fluss, mit dem wir die Sachen notdürftig abspülen. Das meiste befindet sich zum Glück in wasserdichten Beuteln. Ein weiterer Liter Wasser wird in meinen Rucksack gekippt, um die Cola auszuwaschen. Alles klebt. Eine halbe Stunde Pause zum Trocknen, dann wird wieder eingepackt. Ab hier geht es nur noch bergauf. Nach einer Stunde erreichen wir den Abzweiger zu unserem reservierten Platz. Von hier aus sind weitere 300 Höhenmeter zu bewältigen, noch mehr steiler Anstieg, wir stapfen immer weiter hinauf. Anscheinend werden die leicht zugänglichen Campsites an die „normalen Wanderer“ vergeben. Unser Lager ist weit entfernt von jedem Trail, ein unbequemer Pfad führt dorthin. Aber wir sind total begeistert, denn wir sind alleine an diesem abgelegenen Ort. Gerade Fläche für unser Zelt, bequeme Baumstämme zum Sitzen, ein Bach mit klarem Wasser direkt daneben und eine tolle Aussicht auf die steilen Hänge am anderen Ufer. Es ist erst 18.00 Uhr, also ein angenehm früher Feierabend. Beim Auspacken stelle ich fest, dass mein Regenponcho nicht da ist. So ein Mist ! Den habe ich nach dem Cola-Malheur gefaltet ins Gras gelegt, weil er so klebrig war. Obwohl wir natürlich jedes Mal den Kontroll-Blick machen, haben wir ihn nicht gesehen. Grün auf grün …. ist wirklich schwer zu erkennen. Was tun ? Es regnet hier jeden Tag, der Poncho ist ein wichtiges Teil, um unseren Rucksack zu schützen. Wir beschließen, den Weg zurück zu laufen. Vielleicht liegt er noch dort. Ohne Gepäck rennen wir los, es geht nur bergab. Nach einer Stunde erreichen wir die Stelle, wo mein Regenponcho immer noch am Wegesrand liegt. Mission erfolgreich, so weit, so gut. 🙂 Aber dann wird es doch sehr mühsam. Der Trail zurück führt stetig bergauf und zieht sich in die Länge. Ich kann nicht mehr, werde immer langsamer. Nützt ja nichts, Zähne zusammenbeißen und weiter kämpfen. Es ist halb Neun, kurz vor Sonnenuntergang, als wir endlich unser Camp erreichen. Ein Reh grast auf der Wiese neben unserem Zelt und lässt sich nicht stören. Wir sind müde und kaputt, aber zufrieden. Haben unserer längeren Route heute durch diese Aktion nochmal 10 Extra-Kilometer hinzugefügt.

 

Wir sind während der Nacht nicht von Bären überfallen worden. Haben ja auch ausnahmsweise unsere Lebensmittel in einem Bären-Kanister sicher deponiert. 😉 Zwei Abdrücke von Bärenpfoten im Matsch, das ist alles, was wir zu sehen bekommen. Dafür haben wir ganz besonders tolle Begegnungen mit Hirschen und Elchen. Die sind hier im Nationalpark gar nicht scheu, sondern anscheinend an Menschen gewöhnt. Und sie vermehren sich ungestört, weil sie nicht gejagt werden. 🙂 Westlich von unserem Trail liegen die „Never Summer Mountains“. Etliche Gipfel mit knapp 13000 Fuß Höhe, das sind etwas unter 4000 Meter, reihen sich aneinander. Eine Menge Schnee liegt noch in den Nordflanken und Gletscherspalten. Der höchste Berg auf unserer Route ist der Flattop Mountain, den wir aber unterhalb des Gipfels passieren. Es sind zu viele Menschen oben, die einen Tagesausflug machen. Erinnert zu sehr an den Mount Elbert, wir genießen die Berge lieber ohne Menschenmassen. Der Rocky Mountain National Park ist ansonsten nicht so überlaufen wie wir befürchtet haben. Durch die Reglementierungen der Nationalpark-Behörde und die Pflicht zur Reservierung der Campsites gibt es eine gute Kontrolle, so dass die Besucherzahl in Grenzen gehalten wird. Wir treffen zwar hin und wieder ( vielleicht jede Stunde ) auf Wanderer, aber uns begegnet kein einziger CDT-Hiker. Die werden wohl überwiegend die schnelle Variante wählen, entweder die 1-Tages-Tour durch den Park oder die Abkürzung. Am Vormittag liegt eine lange Strecke auf einer Hochebene vor uns. Zu Beginn des Aufstiegs lesen wir auf einem Schild über die Gefahren bei Gewitter, die Verhaltens-Regeln bei Wetter-Änderung usw. Dann folgt der lange Aufstieg bis über die Baumgrenze und weiter. Belohnt werden wir mit einer mehrstündigen einfachen Wanderung und grandioser Natur. In der Ferne entdeckt Thomas etwas, was aussieht, wie die Äste eines toten Baumes. Beim Näherkommen erkennen wir, dass es sich um das Geweih eines Wapiti-Hirsches handelt. So ein gewaltiges Geweih haben wir noch nie gesehen. Das ist der größte Hirsch, der uns bisher begegnet ist, ein 10-Ender. Ganz entspannt liegt dieses stattliche Tier im Gras und frisst. Nicht weit davon weidet noch ein zweiter Hirsch, kleineres Geweih, also deutlich jünger. Wir sind total beeindruckt und froh, dass hier im Nationalpark nicht gejagt werden darf. Nach Verlassen der Hochebene laufen wir durch eine Steinmännchen-Allee. Das sieht verrückt aus ! Zu beiden Seiten des Trails sind etwa alle 10 Meter Steinmännchen aufgebaut, die eine Höhe von mehr als einem Meter haben. Wahrscheinlich, weil dieser Weg auch im Winter bei Schnee begangen wird. So viel Steine sind verbaut, so viel Arbeit …. wer hat sich wohl diese Mühe gemacht ? Eine Baumstamm-Brücke führt am Hallett Creek über den Fluss. Hier stolpern wir fast in eine weitere Gruppe von Wapiti-Hirschen hinein. Erstmal entdecken wir einen kapitalen Hirsch ganz nah am Wegesrand, der keine Anstalten macht, vor uns wegzulaufen. Ebenfalls ein ansehnliches Exemplar, ein mächtiger Wapiti mit 7-Ender-Geweih. Nachdem wir genug beobachtet und fotografiert haben, balancieren wir über den Baumstamm und sehen auf der anderen Seite zwei weitere jüngere Wapiti-Hirsche. Weiter folgen wir dem Weg an einem lebhaften Fluss entlang, der uns bis zu den Cascade Falls bringt. Ganz nett, diese Wasserfälle, aber wir halten uns nicht lange auf. Ab hier treffen wir dauernd auf Wanderer, denn wir sind bereits im Einzugsgebiet des Parkplatzes. Aber vorher wird uns noch ein besonderes Schauspiel geboten : Zwei Elche, ausgewachsene Männchen mit riesigen Schaufeln, stehen auf der Wiese am gegenüberliegenden Ufer. Sie sind keine 10 Meter von uns entfernt, aber entweder blind und taub oder völlig desinteressiert an uns Menschen. Lange beobachten wir diese behäbigen Tiere, die sich beinahe nicht vom Fleck rühren. Fressen, ab und zu mal den Kopf heben, uns ansehen und weiter fressen. Faszinierend ! 🙂 Wenn das eine Aufgabe des Nationalparks ist, diesen Tieren so viel ungestörten Lebensraum zu bieten, dann sind die vielen Vorschriften absolut sinnvoll und unser Geld für die Übernachtung gut angelegt. Wir flüchten, als sich immer mehr Wanderer einfinden, stehenbleiben und Elche beobachten. In den letzten zwei Tagen sind wir nun 60 zusätzliche Kilometer gelaufen, die nicht zum Continental Divide Trail gehören. Als ob der CDT nicht lang genug wäre ! 😉 Wir schaffen es gerade noch, vor Ladenschluss um 19.00 Uhr ein paar Lebensmittel einzukaufen, kochen, duschen und freuen uns darüber, dass wir im Haus von Shelley und Jim wohnen dürfen. 🙂