Wir segeln und wandern durch die Welt

Whanganui River-Palmerston North-Levin-Tararua Range 14.01.2016 bis 02.02.2016

Heute beginnen wir unsere 1-woechige Kanu-Tour auf dem Whanganui River. Diese Fluss-Passage ist offizieller Teil des Te Araroa und wird uns auf einen Schlag ca. 230 Kilometer weiter bringen. Das bedeutet eine Pause fuer unsere Fuesse, dafuer werden wahrscheinlich mehr Muckis in den Armen aufgebaut. Fuer mich ist das Neuland, ich habe keinerlei Erfahrung. Thomas ist bereits 6 Wochen alleine auf dem Yukon gepaddelt. Gezeltet wird irgendwo am Ufer, keine Orte in der Naehe, deswegen werden wir auch kein Internet haben fuer neue Berichte. Wir hoffen auf schönes Wetter und sind sehr gespannt auf die kommende Woche.

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Tag 1 : Der Wecker klingelt schon frueh, wir machen uns startklar fuer unsere Kanu-Passage. Abgemacht war ein Treffen um 10.00 Uhr am Cherry Grove, wo das Kanu zu Wasser gelassen wird. Aber bereits um 9.00 Uhr klingelt das Telefon. „Wo bleibt ihr denn ?“ Okay, dann beeilen wir uns eben, dafuer werden wir vom gestressten Vermieter mit dem Auto abgeholt. Wir bekommen 6 wasserdichte Faesser, in denen wir all unseren Kram verstauen und kentersicher festschnallen muessen. Ausserdem noch einen Sender, den wir abends anstellen sollen, damit die Kanu-Company immer weiss, wo wir gerade stecken. Es gibt eine kurze Einweisung und viele Sicherheitshinweise, Schwimmwesten an, um 10.30 Uhr geht es endlich los. Es sind erstaunlich viele Stromschnellen auf dem Fluss, das hatte ich mir viel ruhiger vorgestellt. Der Whanganui River ist an vielen Stellen sehr flach, es liegen viele Felsen im Weg, ausserdem Geroell zu beiden Seiten Richtung Ufer. Wir sind gerade erst eine Stunde unterwegs, da kentern wir zum ersten Mal. In einer Stromschnelle werden wir seitlich an einen dicken Stein gedrueckt, der in der Mitte unserer Durchfahrt liegt. Davon bekommen wir schon ordentlich Schlagseite. Ich lehne mich reflexartig nach aussen, aber das ist die falsche Seite. Mutti faellt ueber Bord und geht erstmal baden. Auch meine Iso-Matte schwimmt schnell im Wasser davon, weswegen nun auch noch Thomas aussteigt und unter Aufbietung all seiner Kraefte die Matte wieder ins Boot bekommt. Das Kanu ist randvoll mit Wasser. Leider waren wir so dumm und haben eine Plastiktuete mit Sachen, die wir unterwegs brauchen wuerden, ungesichert auf dem Boden liegen gehabt. Die ist nun leider ueber die Kante auf und davon. Darin waren ein paar Bananen, eine Tuete Chips, unsere Sonnencreme, das Insekten-Spray, meine Lippen-Salbe und mein Spiegel. Also sehr existentielle Dinge ….. nun haben wir eine Fluss-Fahrt ohne Sonnenschutz und Moskito-Spray vor uns, ausserdem 8 Tage nicht in den Spiegel schauen. Ist schon ziemlich bloed, aber da sind wir selber Schuld. Wer rechnet denn damit, dass wir auf so einer harmlosen Kanu-Fahrt, die laut Verleiher jeder ohne Probleme machen kann, sofort kentern ? Auch uns „alten Hasen“ passieren solche leichtsinnigen Fehler – hoffentlich nur einmal. Meine Waesche, die ich noch im Zimmer gewaschen und noch nicht ganz trocken bekommen habe, ist auch wieder klitschnass geworden. Und das Schlimmste : Thomas hatte sein I-phone in der Hosentasche, das ist auch komplett mit baden gegangen. Trotz wasserdichter Schutzhuelle ist es ausgegangen und sagt keinen Mucks mehr. Hoffentlich koennen wir das wieder zum Leben erwecken ! Zunaechst einmal paddeln wir an Land, um das Kanu leer zu schoepfen und uns neu zu sortieren. Das I-phone wird auseinandergenommen und getrocknet, bleibt aber immer noch stumm. Nach gut drei Stunden machen wir Pause an der Campsite Ohinepane, um auch den Rest zu trocknen. Ich bekomme die Arme kaum noch hoch, da kann ich mich schon fast auf einen heftigen Muskelkater einstellen. Thomas muss mir aus der Schwimmweste heraushelfen. Die Sonne knallt, die Sandflies stechen unbarmherzig – und wir stehen hier ohne Sonnenmilch und Insektenmittel. Faengt gerade nicht so gut an …. Bei der Weiterfahrt sehen wir eine schwarze Kuh am rechten Ufer liegen. Sie ruehrt sich nicht, als wir vorbeipaddeln, hebt nur kurz den Kopf in unsere Richtung. Sie liegt ganz ruhig auf allen vier Beinen und macht keine Anstalten zum Aufstehen. Wahrscheinlich ist sie die steile Boeschung hinabgestuerzt und hat sich verletzt. Wieder ueberlegen wir, was zu tun ist und wem wir Bescheid geben koennen. Ein bisschen Verlust beim weidenden Vieh scheint hier normal zu sein. Bereits weiter flussaufwaerts haben wir eine verendete Kuh am linken Ufer liegen gesehen. Das scheint hier Niemanden zu interessieren. Eine weitere brenzlige Situation erleben wir, als wir uns nur halbherzig entschlossen an der falschen Seite durch Stromschnellen hindurch bugsieren wollen. Zuerst moechten wir es links herum versuchen, dann doch lieber auf der anderen Seite. So klappt natuerlich weder das Eine noch das Andere. Ploetzlich befinden wir uns in der Mitte und sitzen mit unserem Kanu auf einem Felsen fest. Wegen der starken Stroemung wurde das Kanu komplett gedreht und zeigt nun mit dem Heck voraus. Alles Manoevrieren hilft nichts, Thomas muss aussteigen und uns wieder in die richtige Position ziehen. Dann kann’s weitergehen. Mit hoher Geschwindigkeit rasen wir durch die Stromschnellen flussabwaerts. Um 17.00 Uhr erreichen wir den vorher gebuchten Campingplatz Poukaria, den wir uns mit drei jungen Urlaubern aus Daenemark sowie einem Deutschen teilen. Juergen aus Berlin ist eigentlich mit dem Fahrrad unterwegs in Neuseeland. Zusaetzlich hat er sich vorgenommen, einige „Great Walks“ zu laufen. Dazu gehoert auch diese Whanganui-Passage, also eine sehr abwechslungsreiche Reise. Wir finden, das ist eine wirklich gute Idee, einen Aktiv-Urlaub noch interessanter zu gestalten. Abends stellen wir das GPS vom Kanu-Verleiher an und geben unser erstes Heile-Angekommen-Signal ab. Im Register des DOC lesen wir schon von anderen Wanderern bzw. Kanu-Fahrern am 11.01. einen Eintrag von einer verletzten Kuh am Ufer.
Tag 2 : Der Himmel ist ueberwiegend bedeckt. Das gefaellt uns gut, denn dann gibt es wenigstens keinen Sonnenbrand. Der Fluss ist hier viel ruhiger heute und fliesst traege dahin. Es gibt nur wenige Stromschnellen, die wir unbeschadet passieren. Wir lassen es gemuetlich angehen, denn die heutige Entfernung ist geringer als die von gestern. Die Natur zeigt sich wieder grandios. Links und rechts liegen hohe Berge mit Urwald-Bewuchs, die sich nahe an den Fluss draengen. Wir fahren durch eine Schlucht und bestaunen die Landschaft. Wilde Ziegen grasen am Ufer, ein paar Schafe sind zu sehen. Bussarde fliegen dicht ueber uns auf der Suche nach Beute. Sonst sehen wir Niemanden bis zu unserer Pause in Whakahoro. Wir hatten eigentlich ein kleines Dorf erwartet, aber es gibt nur eine Huette mit Wiese zum Zelten, drei Haeuser und ein Cafe. Dort treffen wir Juergen, mit dem wir uns auch am Abend wieder den Lagerplatz teilen. Der Tag ist schon fast langweilig. Man koennte auch sagen „entspannt“. Wir haben uns mit unserem Kanu angefreundet und verstehen damit besser umzugehen. Erst am Nachmittag bekommen wir etwas Wind auf die Nase und muessen etwas kraeftiger paddeln. Unser reservierter Platz an der Mangapapa Campsite ist wieder sehr schoen. Waehrend des Abendessens beginnt es zu regnen, aber wir koennen von unserem Picknick-Tisch auf der Wiese umziehen unter das Dach der Shelter. Um 21.00 Uhr liegen wir bereits im Schlafsack, als wir ploetzlich draussen Stimmen hoeren. Juergen kommt, um uns zu erklaeren, dass die jungen Daenen so spaet noch kommen. Wir koennen es nicht fassen ! Es ist bereits dunkel, die Drei haben noch nicht einmal Stirnlampen griffbereit. Das Anlanden ist hier schwierig, aber Juergen ist noch auf und eilt ihnen zu Hilfe. Ohne den Fluss-Verlauf richtig richtig sehen zu koennen, haben unsere Daenen mit Glueck Felsen und Baumstaemme umschifft. Wir denken :“Jugendlicher Leichtsinn!“ Aber es ist ja gutgegangen, und die Drei benehmen sich vorbildlich, d.h. ruhig. Es wird nicht mal mehr gekocht, sondern sie verschwinden ganz schnell in ihrem Zelt. Vielleicht war die abendliche Fahrt doch aufregender, als sie zugeben moegen.
Tag 3 : In der Nacht hat sich ein Possum an unserer Muelltuete zu schaffen gemacht, die wir am Tisch haben stehen lassen. Normalerweise interessieren die Tiere Neuseelands sich kein bisschen fuer Menschenmuell. Aber dieses Mal waren Avocado-Schalen dabei. Avocados haben wir sonst nicht dabei, weil wir die natuerlich nicht tragen wollen. Aber genau diese kamen bei den Possums gut an, alles Andere blieb unberuehrt. Morgens ist es wieder dicht bewoelkt, und es sieht nach Regen aus. Ab Mittag klart der Himmel auf. Wilde Natur begleitet uns den ganzen Tag ueber. Viele kleine Wasserfaelle stuerzen sich zu beiden Seiten ueber die Felskanten in den Whanganui River. Verrottete Baumstaemme liegen im Wasser, an den Ufern noch viel mehr Totholz, das wahrscheinlich von den Abhaengen herunterfaellt und liegenbleibt bis zum naechsten Hochwasser. Zwei kaputte Kanus sehen wir waehrend unserer sonst einsamen Fahrt. Eines liegt mit einem Riss in der Schale verlassen am Ufer, das andere hat sich in der Mitte des Flusses um einen treibenden Baum gewickelt, wie bei einem boesen Auto-Unfall. Heute zeigen sich noch mehr wilde Ziegen, die an den schraegen Abhaengen grasen – die scheinen sich in diesem Gelaende geschickter zu bewegen als die Kuehe. Einen spannenden Abstecher machen wir in eine enge Schlucht mit stillstehendem moderigem Wasser. Das Kanu kann kaum wenden am Ende dieser Sackgasse. Es sieht beeindruckend aus, wie sich die Schlucht zu den Seiten hin ueber uns noch mehr verengt, bis nur noch ein kleiner Spalt zu erkennen ist, durch den etwas Tageslicht dringt. An der John Cull Hut und Campsite machen wir eine ausgedehnte Pause. Hier versieht eine junge Frau mit ihrer Tochter ihren Dienst als Caretakerin, was so etwas wie Platzwartin und Aufpasserin ist. Die Huetten muessen ebenfalls vorher reserviert werden, sind relativ teuer und meistens ausgebucht. Aber fuer uns kommt diese Art der Gemeinschaftsunterkunft sowieso nicht in Frage, wir zelten lieber auf den weniger besuchten Plaetzen. Auf der linken Seite des Flusses liegt die Tamatea’s Cave, eine grosse Hoehle, die ein heiliger Ort fuer die Maori ist. Ein Stueck weiter winken uns zwei Frauen vom Ufer zu, die dort ihr kleines Zelt aufgebaut haben. Wir sind etwas erstaunt, denn wild campen ist hier im Nationalpark streng verboten. Sie rufen uns zu, dass ihr Kanu kaputt sei und sie bereits einen GPS-Alarm ausgesandt haben, damit sie abgeborgen werden. Tatsaechlich liegt das Kanu der Beiden in zwei Teile zerbrochen am Rand. Ich kann es beinahe nicht glauben. Okay, die Frauen sind etwas propper gebaut, aber dass diese Dinger so leicht auseinanderbrechen, das haette ich nicht gedacht. Wir fragen, ob wir helfen koennen, ob sie Essen oder Trinkwasser brauchen. „Nein, alles okay, wir werden gleich abgeholt.“ Na gut, dann fahren wir weiter. An unserer gebuchten Mangawaiiti Campsite waeren wir beinahe vorbeigepaddelt. Es gibt kein Hinweis-Schild, und die Landestelle ist kaum zu erkennen. Gerade eben noch kriegen wir die Kurve und sind mal wieder begeistert von unserem idyllischen Lagerplatz ohne Massen-Tourismus.
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Tag 4 : Nur acht Kilometer, fuer die wir knapp zwei Stunden brauchen, sind es bis zum Mangapurna Landing. Dort steigen wir aus und machen eine 45-minuetige Wanderung zur „Bridge to Nowhere“. Der Name hoert sich spannend an, die Geschichte der Bruecke ist wirklich kurios. Sie wurde im Ersten Weltkrieg fuer eine geplante Besiedlung erbaut, aber die Gegend war zu unwirtlich, und das Projekt wurde abgebrochen. Zwischen den beiden Weltkriegen haben die wenigen Bewohner diese Region wieder verlassen. So ist diese Bruecke schon seit Jahrzehnten absolut nutzlos und endet ohne Strassen-Anbindung tatsaechlich im Nirgendwo. Nur mit dem Kanu, die Normal-Touristen mit Jetbooten und ueber den kleinen Track kann man sie erreichen. Leider sind gleichzeitig mit uns bereits einige Gruppen mit ihren Fuehrern unterwegs, das verleidet uns das Erlebnis dieses grandiosen Bauwerkes etwas. Auch bei unserer kleinen Rast am Aussichtsturm werden wir fast ueberrannt, waehrend wir auf der Treppe unseren Apfel essen. Naja, wir machen uns lieber wieder auf zum Kanu, um die stille Einsamkeit auf dem Whanganui zu geniessen. Die Jetboot-Fahrer an der Anlegestelle benehmen sich nicht besonders freundlich gegenueber den Kanu-Fahrern. Wahrscheinlich sind sie veraergert darueber, dass wir aus eigener Kraft und ohne ihre Dienste zu bezahlen, den Ausflug zur Bruecke wagen. Der Fluss wird immer breiter, die Stroemung geringer. Manchmal lichtet sich die Schlucht, die Berge werden niedriger,  und man kann gelegentlich Farmland in der Ferne erahnen. Ganz vereinzelt sind Haeuser zu sehen, mal eine Kuh oder ein paar Schafe. Ausserdem scheint dieser Abschnitt des Whanganui den Voegeln zu gefallen. Reiher stehen am Ufer, drei schwarze Schwaene schwimmen ganz ohne Furcht neben unserem Kanu, auch verschiedene Sorten von Enten scheinen sich hier wohlzufuehlen. Wir amuesieren uns sehr ueber eine ganze Gruppe von 14 bunten und einer weissen Gans, die nacheinander in einer Reihe aus dem seichten Wasser steigen und wirklich „wie im Gaensemarsch“ ueber einen Trampelpfad im Wald verschwinden. Nach unserer Wanderung zur Bruecke machen wir keine Pause mehr, denn die Sandflies drohen uns aufzufressen, sobald wir in Ufernaehe kommen. Also bleiben wir lieber in der Mitte vom Fluss und entspannen uns hin und wieder, indem wir uns einfach treiben lassen. Aber nach fuenf Stunden am Stueck tut uns Beiden der Hintern ordentlich weh vom langen Sitzen. Direkt vor dem Anlanden muessen wir noch durch eine heftig brodelnde Stromschnelle und bekommen ordentlich Wasser ins Kanu. Wir werden zwar klitschnass, koennen aber so gerade noch die Balance halten. Nach 32 Kilometern Paddeln und 6 Kilometern Laufen haben wir genug getan. An der Ngaporo Campsite sind wir zunaechst alleine und stellen unser Zelt auf einem Plateau mit Blick auf den Whanganui direkt neben einem Picknick-Tisch auf. Schoener geht es einfach nicht ! Aber am Himmel brauen sich dunkle Wolken zusammen, die schnell naeherkommen. Als wir gerade beim Abendessen sitzen, da donnert es schon ziemlich nah. Schnell baut Thomas das Zelt nochmal ab und parkt um auf einen geschuetzteren Platz unter Baeumen. Der Regen kommt alsbald, und gerade rechtzeitig vor dem grossen Wolkenbruch legt unten noch ein junges Paar an. Die Beiden sind total gestresst, sie scheinen richtig Angst zu haben. Als der junge Mann ein normal-schweres Zelt auspackt und die Heringe mit einem Hammer einschlaegt, da wird uns sofort klar : Das sind keine Hiker. Josh und Stef stammen aus Neuseeland und sind zu einer 4-Tage-Abenteuertour aufgebrochen. Noch sehr jung, richtig niedlich sind die Zwei, auf jeden Fall angenehme Gesellschaft. Von Josh und Stef erfahren wir, dass die etwas molligen Damen mit dem zerbrochenen Kanu erst heute Mittag von ihrem Not-Landeplatz abgeholt worden sind.

Tag 5 : Bereits nach einer Stunde erleben wir unsere naechste Voll-Kenterung. Eine als gefaehrlich beschriebene Stromschnelle mit 1 Meter hohen Wellen haut unser Kanu aus dem Kurs. Dazu muss man wissen, dass wir nur 20 Zentimeter Freibord an den Seiten haben. Nass ist also sowieso schon vorprogrammiert. Dieses Mal gehen wir beide sofort komplett baden, und unser Kanu dreht sich um. Alles, was oben war, schwimmt jetzt unten. Aber wir haben ja dazugelernt, alles ist sicher befestigt und wasserdicht verpackt. Wir haben keine Verluste zu beklagen. Allerdings gestaltet sich das An Land-Schwimmen wegen der reissenden Stroemung heute schwieriger als bei unserer ersten Kenterung. Man muss sich selber ueber Wasser halten und dabei versuchen, irgendwie naeher in Richtung Ufer zu kommen. Das Kanu muss festgehalten werden, auch das Paddel darf man nicht loslassen. Insgesamt schon ziemlich aufregend, aber es klappt wunderbar. Das Wasser hat eine angenehme Temperatur und scheint auch relativ sauber zu sein. Ausgerechnet an diesem Tag bin ich mit voller Montur eingestiegen, damit mich die Stechtiere nicht belaestigen koennen. Also mit langer Hose, Socken und Schuhen – nun ist alles triefnass und klebt am Koerper. Aber macht nichts, das Wetter ist sonnig. Zunaechst einmal muessen wir unser vollgelaufenes Kanu umdrehen und leerschoepfen, dann geht die wilde Fahrt weiter nach Pipiriki. Hier endet fuer die Meisten die Fluss-Passage, an diesem Sammelpunkt werden normalerweise die Kanus abgeholt. Aber wir haben die laengere Tour von 6-8 Tagen gebucht und duerfen uns noch ueber viele weitere Kilometer auf dem Whanganui River freuen. Pipiriki ist ein kleines „Settlement“, es gibt dort nur drei Haeuser und einen Kanu-Verleih. Dort bekommen wir immerhin ein Eis und einen Kaffee aus dem Automaten, zusaetzlich noch wertvolle Tipps fuer die weitere Passage und einen aktuellen Wetterbericht. Ab 15.00 Uhr sind oertliche Gewitter angekuendigt, aber bis dahin haben wir noch ein paar Stunden Zeit. Naechster kleiner Ort ist Jerusalem, aber dort sieht es aehnlich tot aus wie in Pipiriki. Wir halten gar nicht an. Waehrend wir uns noch umdrehen und den Anblick des Dorfes mit seiner schoenen Kirche von hinten geniessen, da haut es uns schon wieder fast um. Eine Stromschnelle mit einer engen Kurve bringt uns etwas aus dem Gleichgewicht. Wasser schwappt von beiden Seiten reichlich hinein, wieder laufen wir voll bis zum Rand, aber wir kippen nicht um. Das Kommando zu Thomas nach achtern lautet :“Schoepfen!“ Es kippelt und bleibt minutenlang instabil, aber wir schaffen es gerade noch, das Kanu und uns vor dem Kentern zu bewahren. Wieder sind wir patschnass bis auf die Haut, aber wir muessen nicht ans Ufer. Es bleibt spannend an diesem Tag. Inzwischen haben wir Wind von hinten, der uns ordentlich schiebt. Die naechste Stromschnelle ist schon in Sicht. Ein grosser Baum liegt quer im Fluss. Ganz knapp unter der Wasseroberflaeche war dieses Hindernis nicht von Weitem erkennbar. Man sieht nur links ein paar Aeste und rechts ein verrottetes Stueck Holz. Wir moechten durch die Mitte fahren. Erst im letzten Moment sehe ich, dass sich dazwischen ein dicker Baumstamm befindet. Nun ist es sowieso zu spaet, wir koennen nicht mehr ausweichen. Kommando nach achtern :“Festhalten !“ Dann rumpeln wir bereits ueber den Stamm, sitzen kurz auf, aber unser Kanu bleibt schoen aufrecht in der Spur. Nichts passiert – weiter geht’s. Einige herrenlose Kanus liegen am Rand, wir wundern uns etwas darueber. Die Insel Moutoa Island liegt voraus, an der rechten Seite befinden sich weitere Stromschnellen. Links davon liegt die Anlegestelle Ranana, also versuchen wir unser Glueck dort. Die Dame im Kanu-Verleih von Pipiriki meinte, das muesste funktionieren. Aber es klappt nicht wirklich gut. Auf dieser Seite der Insel ist der Fluss zu flach. Wir holpern ueber Kieselsteine und Geroell. Zu guter Letzt geht gar nichts mehr. Thomas muss aussteigen und das Kanu ein Stueck schieben, bis wir tieferes Wasser erreicht haben. Inzwischen donnert es schon in der Ferne. Schwarze Wolkenwaende kommen bedrohlich schnell naeher. Wir halten Ausschau nach einem Platz fuer eine Zwangspause. Wir landen an einer modderigen Bucht, gerade als die ersten Regentropfen fallen. Schnell stellt Thomas das Zelt irgendwo im Unkraut auf. So warten wir im Trockenen ab, bis das Gewitter vorbeigezogen ist. Nach etwas mehr als einer Stunde troepfelt es nur noch leicht. Wir bauen unser Lager wieder ab und fahren weiter. Komische Stimmung auf dem Fluss. Wir sind ganz alleine, dunkelgrauer Himmel, absolute Stille. Der Nieselregen geht in dicke Tropfen ueber, irgendwann regnet es dann ganz heftig, und wir paddeln immer noch durch die einsame Schlucht. Dann beginnt die Suche nach einem Platz fuer die Nacht. Das ist heute gar nicht so einfach, denn die Gegend ist viel wilder, als wir uns vorgestellt hatten. Zu beiden Seiten geht es steil hinauf, keine gerade Flaeche in Sicht. Mehrmals gehen wir an Land, um nach einer Stelle fuer unser Zelt zu schauen. Immer wieder ziehen wir das Kanu an Land, stapfen durch den Modder, aber wir finden lange Zeit nichts Geeignetes. Es wird schon frueh dunkel. Irgendwann reicht es uns, wir sind nass, und es wird langsam kalt. Endlich, schon nach 20.00 Uhr, finden wir unser Fleckchen Land kurz hinter Matahiwi Landing. Es hat sich richtig eingeregnet. Thomas kocht im Zelteingang. Waehrend dieser kurzen Zeit sammeln sich Dutzende von Sandflies im Inneren, die alle einen trockenen Platz suchen. Nicht gerade entspannend ! Immerhin haben wir heute 41 Kilometer Strecke zurueckgelegt.

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Tag 6 : Die ganze Nacht hindurch hat es geschuettet. Der Himmel hatte alle Schleusen geoeffnet. Heftig prasselte der Regen auf unser Zeltdach. Lange Zeit sind wir trocken geblieben, bis sich auf einmal der hintere Hering loeste und die nassen Waende ueber uns nach innen klatschten. Thomas musste also ‚raus, um unser Heim wieder aufzurichten. Eine Stunde spaeter nochmal Einsturzgefahr, diesmal hatte sich der Hering und die Verspannung vorne geloest. Der Boden war inzwischen so aufgeweicht und matschig, dass nichts mehr halten wollte. Thomas also wieder nach draussen, alles im stroemenden Regen, um die Schnuere an unseren wasserdichten Faessern festzubinden. Der Fluss neben uns wurde immer lauter, Steine und Baumstaemme wurden mitgerissen, das Geroell am Ufer von der starken Stroemung hin- und hergeschoben. Letzte Aktion dann um 2.00 Uhr in der Nacht : Thomas hatte keine Ruhe wegen dem ansteigenden Wasser und hat das Kanu einige Meter weiter an Land gezogen. Das war eine sehr gute Eingebung, wie wir am naechsten Morgen feststellen. Danach schlafen wir trotz trommelndem Regen und rauschendem Fluss bis um 8.00 Uhr. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir aus dem Zelt kommen. Der Fluss ist stark angeschwollen, der Wasserstand  ordentlich gestiegen. Der Whanganui River ist seit gestern um etwa ein Drittel breiter geworden. Wir schaetzen, dass wir heute auch ohne zu paddeln doppelt so schnell sein wuerden wie die vergangenen Tage. Ein reissender Fluss liegt vor uns, mit der starken Stroemung sind unzaehlige Baumstaemme auf ihrer Reise Richtung Ozean. Wir haben so viel Totholz an den Uferraendern und in den stillen Buchten liegen sehen, nun hat das ansteigende Wasser eine Menge davon mitgerissen. Gefaehrliche Geschosse, die in schneller Folge an uns vorbeiziehen. Dann kommt ein Kanu ohne Besatzung angefahren, ebenfalls mit einer beachtlichen Geschwindigkeit. Schwimmwesten liegen noch drin, aber ansonsten keine weitere Ladung. Da hat wohl Jemand nicht hoch genug an Land gezogen oder nicht richtig festgebunden. Das Kanu muss sich selbststaendig gemacht haben, waehrend die Besatzung noch geschlafen hat. Rechts von unserem Platz macht der Fluss eine Biegung, die Kurve verengt sich, und das Wasser laeuft ueber eine kleine Felsentreppe eine Stufe tiefer. Das herrenlose Kanu muss dort irgendwo angestossen sein und bricht vor unseren Augen in zwei Teile, genau wie das der beiden korpulenten Damen vor ein paar Tagen. Ich finde es unglaublich, wie wenig Belastung diese Dinger aushalten und hoffe doch sehr, dass wir unseres in einem Stueck bis nach Wanganui bringen werden. Das Wasser steigt und steigt und steigt …. am Nachmittag immer noch. So koennen wir nicht weiter. Wir muessen abwarten, bis der Fluss wieder ruhiger wird. Also sitzen wir stundenlang auf unserem nur 3 mal 20 Meter grossen Flecken am Ufer und beobachten die Felsen, ob und wie weit sie verschwinden. „Fluss-Kino“ nennen wir das. Ein grosser Tier-Kadaver treibt schnell vorbei, der sieht aus wie der Koerper von einem Rind. Vermutlich ist das die tote Kuh, die wir bereits an unserem ersten Tag haben liegen sehen. Nun ist das Wasser mehrere Meter weiter ins Land eingedrungen und nimmt einfach alles mit. Wir machen einen kleinen Erkundungsgang. Einen Hang hinauf kann man ein kleines Stueck klettern, aber der Pfad endet im Nirgendwo. Nach rechts endet unsere Expedition bald vor einer Felsspalte, die durch Abbrueche von Gestein unpassierbar geworden ist. Nach links endet unser Grundstueck an einem Absatz, der gestern hinunter in den Modder fuehrte, aber heute steht das Wasser bis kurz unter die Kante. Es gibt also nicht viel Bewegung und absolut nichts zu tun fuer uns. Nicht besonders spannend hier. Wir sitzen hier am A…. der Welt auf einem matschigen Stueck Wiese und ueben uns in Geduld. Eine Ziege kommt uns besuchen und guckt ganz verstoert. Wahrscheinlich hat sie an dieser Stelle noch nie ein Zelt gesehen. Wir ueberlegen ernsthaft, ob wir vor Anbruch der Nacht noch unseren Platz raeumen und alle Faesser den steilen Hang hinauftragen sollen, um weiter oben auf dem Berg einen sichereren Ort fuer unser Lager zu haben. Wir sehen kein einziges bemanntes Kanu, auch keinen Fischer, noch nicht einmal ein Jetboot. Der Whanganui scheint bei solchen Fluten wirklich unpassierbar zu sein. Langeweile macht sich breit. Zwischendurch müssen wir immer mal wieder im Zelt Zuflucht suchen, weil uns in regelmaessigen Abständen kurze Regenschauer heimsuchen. Um 18.00 Uhr gibt es endlich Entwarnung. Der Wasserstand fällt sichtbar, wir können auf dem unteren Absatz stehen bleiben. Noch eine tote Kuh treibt vorbei, diesmal eine schwarz-weisse, die noch recht frisch aussieht. Ich find’s ziemlich ekelhaft und möchte in nächster Zeit nicht mehr in diesem Fluss baden gehen. Früh schon verkriechen wir uns in unsere Schlafsaecke. Noch eine schlechte Nachricht zum Ende dieses oeden Tages : das Zelt geht nun gar nicht mehr zu, der Reissverschluss ist endgültig kaputt. Das ist wirklich schlimm fuer mich, denn nichts fürchte ich so sehr wie Mücken,  Sandflies und andere stechende Insekten. Da muss in der naechsten Stadt unbedingt etwas passieren, bis dahin gilt es noch zwei Nächte mit halboffenem Eingang zu ueberleben.

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Tag 7 : Ausgeruht und geschlafen haben wir wirklich genug. Deswegen stehen wir schon um 6.30 Uhr auf und sind eine halbe Stunde später bereits unterwegs.  Der Wasserstand ist ueber Nacht um einen Meter gefallen. Der Fluss ist immer noch sehr breit, aber er fliesst viel langsamer als gestern. Die grossen Gegenstaende sind gestern schon mit der starken Stroemung Richtung Ozean getrieben. Heute schwimmt nur noch loses Kleinholz herum, nichts, was unserem Kanu gefaehrlich werden koennte. Anfangs ist mir noch etwas mulmig zumute, aber wir liegen ruhig und sicher im Wasser. Die letzte knifflige Stromschnelle bemerken wir ueberhaupt nicht, sondern sind einfach durchgefahren. Viel Wasser kann auch seine Vorteile haben. Wir sind schnell …. so schnell ! Viel zu früh erreichen wir das Hinweis-Schild zur Downes Hut. Ich kann es gar nicht glauben, aber wir sind 15 Kilometer in knapp zwei Stunden vorwärts gekommen. Das Anlanden gestaltet dich schwierig, denn die Flut hat eine Menge vom Ufer weggerissen. Auch der Trampelpfad bergauf existiert nicht mehr, der Hang ist von den starken Regenfaellen abgerutscht. Wir nehmen nur unser Essensfass mit ( wichtig !) und klettern durch den Matsch nach oben. Eine sehr schöne Hütte mit Kamin erwartet uns. Aber wir stellen den Tisch und die Baenke nach draußen,  um dort in der Sonne zu frühstücken. Nach all dem vielen Regen der letzten beiden Tage geniessen wir die waermenden Strahlen. Unsere Fahrt verläuft trotz der hohen Geschwindigkeit ganz ruhig und entspannt. Auf diesem letzten Abschnitt gibt es keine Stromschnellen mehr, die den Namen verdienen. Wir dind immer noch alleine auf dem Whanganui River. Seit Pipiriki haben wir keine Menschenseele mehr getroffen. Dafür ist die Tierwelt umso vielfältiger. Wir sehen eine Herde wilder Ziegen am Ufer, mehr als 20 Stück,  viele Jungtiere sind dabei. Die scheinen sich hier prächtig zu vermehren, weil es keine natuerlichen Feinde gibt. Und immer wieder sind Gänse auf dem Wasser und am Ufer, einmal zählen wir eine Gruppe von mehr als 40 Exemplaren. Neuseeland-Falken fliegen am Himmel. Zwei weisse Lamas stehen auf einer Wiese, aber die sind eingezaeunt. Nun kommen auch langsam vereinzelte Farmhäuser in Sicht. Die Zivilisation rückt immer näher, unser Whanganui- Abenteuer geht langsam zu Ende. Vorher machen wir aber noch einen Stopp am Hipango Park, wo wir eigentlich eine Pause geplant hatten. Es gibt dort einen super Landesteg und einen ganz tollen Zeltplatz mit großer Shelter. Leider hat sich kurz vor dem Steg der vergammelnde Kadaver in den Bäumen am Ufer verfangen und stinkt da so vor sich hin. Das verleidet uns das Mittagessen an diesem Ort und wir ziehen es vor, nur einen Apfel im Kanu zu knabbern. Aber der Hipango Park ist ein ausgesprochen schöner Campingplatz, noch dazu kostenlos. Beim nächsten Mal werden wir auf jeden Fall eine Nacht hier einplanen. Etwas später paddeln wir dann auch noch an der zweiten schwarz-weissen Kuh vorbei, die in einem Gewirr von Aesten hängt und auch schon nicht mehr gut riecht. Nun haben wir sie beide überholt,  mehr kommen hoffentlich nicht. Im Dorf Upokongaro halten wir noch einmal an. Der einzige Laden und das einzige Cafe haben geschlossen, dafür gibt es eine hübsche Kirche zu sehen. Eigentlich dachten wir, dass wir noch zwei Tage bis nach Wanganui ( die Stadt ohne „h“) brauchen, aber wir werden heute noch ankommen, da die starke Stroemung so gut mitgeschoben hat. Thomas kauft zwei Flaschen Bier in einer Bar, mit denen wir den Abschluss unserer Kanu-Tour zelebrieren wollen.  Unsere letzte Etappe sind nur noch 5 Kilometer, aber die werden noch richtig anstrengend. Der Fluss wird immer breiter, das Gelände offener. Dieser letzte Abschnitt vor der offenen Tasman-See ist ausserdem tidenabhängig, inzwischen haben wir ganz leichte Gegenstroemung. Es wird windig, der Wind kommt von vorne. Das bedeutet Arbeit, die offene Flasche Bier zwischen den Beinen macht das Paddeln auch nicht leichter. Gegen 19.00 Uhr erreichen wir den Top10 Holiday Park von Wanganui, wo wir das Kanu ein letztes Mal an Land ziehen. Wir haben seit Taumanurui in einer Woche insgesamt 230 Kilometer auf dem Fluss zurückgelegt. Dabei sind wir meistens zwischen 30 und 40 Kilometern am Tag gepaddelt, einen Tag haben wir uns nicht vorwärts bewegt. Heute haben wir dank Hochwasser und Schiebe-Strom eine Strecke von 50 Kilometern geschafft. Der Hintern tut uns weh vom Sitzen. Dazu gab es dann fuer mich heute am letzten Tag doch noch einen Sonnenbrand im Gesicht. Die Füße von Thomas sehen aus, als hätte er die Masern, über und über mit roten Punkten übersät. Ich habe es vorgezogen, mich auch unterwegs im Kanu mit zwei Paar dicken Socken vor den Sandflies zu schützen. Wie schade, dass dieser Teil unserer Reise nun viel zu früh zu Ende geht ! Das moechten wir auf jeden Fall noch einmal wiederholen.
Wanganui – City 20.01.-23.01.2016  

Abgabestation fuer unser Kanu ist der Top10 Holiday Park in Wanganui. Dann senden wir ein letztes Mal unser GPS-Signal, damit der Kanu-Verleiher sieht,  dass wir am Ziel angekommen sind. Hier bleiben wir eine Nacht, morgen werden wir dann weitersehen. An der Rezeption werde ich superfreundlich empfangen. Ich hadere ein bisschen mit dem Preis von 42,- NSD nur fuer’s Zelten. Aber 4 Sterne haben eben ihren Preis, und dieser Campingplatz ist wirklich super ausgestattet und unglaublich sauber. Die Mitarbeiterin empfiehlt mir die Mitgliedschaft im Top10 Holiday Park Club. Damit sparen wir ab sofort jedes Mal 10 %, zum Beispiel demnaechst in Wellington. Ausserdem gibt es diese 10 % Rabatt auch auf die Faehre von der Nord- zur Suedinsel. Die Mitgliedskarte ist 2 Jahre lang gueltig. In Australien gibt es damit Ermaessigung in mehr als 180 BIG4 Holiday Parks. Na, da wollen wir doch auch noch hin. Das lohnt sich, ich bin begeistert. Bei der Angabe meiner Personalien stellen wir fest, dass wir auch Deutsch reden koennen. Die Rezeptions-Mitarbeiterin ist ebenfalls aus Deutschland und macht hier ein Studien-Semester. Wir bekommen zur Entspannung ein kostenloses Bad im privaten SPA, ein Geschenk fuer alle Hiker, die mit dem Kanu ankommen. Und sie bietet uns fuer morgen frueh einen Shuttle in die Stadt an, weil die ein paar Kilometer entfernt ist. Besser geht es nicht. Wir müssen noch die 6 wasserdichten Fässer leerräumen, Thomas putzt das Kanu sauber, der Müll von einer Woche muss entsorgt werden. Dann wird unser Lager auf einer schönen grünen Wiese aufgebaut. Ein paar Meter daneben erkennen wir das Zelt von Jürgen,  den wir schon fast verloren geglaubt hatten. Wir freuen uns und tauschen unsere Erlebnisse der letzten Tage aus, aber heute werden wir nicht alt. Wir sind total ueberfordert von dem Trubel. Nachdem wir drei Tage lang ganz alleine auf dem Fluss waren und keine Menschen gesehen haben, ist uns hier eindeutig zu viel los. Es war ein langer und anstrengender Tag, dazu noch zu viel Sonne. Kopfschmerzen machen sich breit, wir gehen bald nach dem Abendessen schlafen.

Die Nacht war nicht sehr erholsam. Wir sind es einfach nicht mehr gewöhnt, mit Stimmengewirr, klappenden Autotueren und Verkehrslaerm zu schlafen. Morgens trinken wir noch einen Kaffee zusammen mit Jürgen, dann bringt uns die nette deutsche Studentin bis vor unser im Internet gerade gebuchtes Motel. Toller Service – danke ! Der Betreiber vom Astral-Motel empfaengt uns mit einem freundlichen Laecheln im Gesicht. Es ist erst 10.00 Uhr morgens, wir sind viel zu früh dran zum Einchecken. Aber gar kein Problem. Wir haben ein Schnaeppchen gemacht und fuer nur 88,- NSD das billigste Zimmer gebucht. Aber der Chef bietet uns ein kostenloses upgrade an, weil dieses so frueh noch nicht fertig ist. So bekommen wir ein helles Appartement mit eigenem Bad, Doppelbett, Tisch, Sofa, Kuechen-Ausstattung, Fernseher und sehr gut funktionierendem WIFi zum günstigen Preis. Waschmaschine und Trockner muessen wir auch nicht bezahlen, das ist alles inclusive. Ein niedliches Baby in Windelhose krabbelt um uns herum. Was fuer ein Empfang ! So nett wie hier in Wanganui hatten wir es ja schon lange nicht mehr. Vielleicht sollten wir noch einen weiteren Tag bleiben. Zu erledigen gibt es mehr als genug. Thomas braucht neue Medikamente. Ohne Rezept bekommt er seine Tabletten aber nicht in der Apotheke. Er muss ein Rezept vom Arzt vorlegen. Dafür muss er allerdings ins Krankenhaus zur Untersuchung. Das liegt nicht direkt in der Stadt, er muss ein paar Kilometer laufen. Alles etwas kompliziert und nervig. Eventuell muessen wir uns um die Reparatur oder einen Ersatz fuer das i-Phone kuemmern. Nach 8 Tagen ohne Spiegel führt mich mein erster Gang zur Kosmetikerin. Man goennt sich ja sonst nichts. Wir benötigen unbedingt einen 3 Meter langen Reissverschluss und Nähzeug, um unser Zelt zu reparieren. Wo gibt es denn hier in der Stadt einen Schneider ? Und kann man da so einen langen Reissverschluss ueberhaupt kaufen ? Unsere Wassertropfen zum Behandeln zweifelhaften Wassers sind fast leer, die sollten wir auch bald neu besorgen. Essen und Trinken müssen eingekauft werden, ausserdem die über Bord gegangenen Sachen ersetzt werden. Sonnencreme, Insekten-Spray, Spiegel …. Ansichtskarten koennte man auch mal wieder schreiben. Bei der Post brauche ich zwei Anlaeufe und muss ewig anstehen, um Briefmarken zu bekommen. Ein Besuch in der Tourist-Info, dann die Bücherei suchen fuer Internet. Wir müssen unbedingt klaeren, ob unsere Lieferung aus Polen inzwischen beim Kanu-Verleih in Taumanurui angekommen ist oder ueberhaupt schon unterwegs ist. Wir sind jetzt in Wanganui und werden natuerlich nicht wieder zurueckgehen. Das Kanu wurde bereits abgeholt, also koennen die unser Paket auch nicht mehr mitbringen. Das bedeutet, dass wir e-mails schreiben muessen, den Kanu-Verleiher anrufen und eventuell die Nachsendung an eine andere Adresse organisieren. Wohin das dann geschickt werden soll ? Keine Ahnung, auch das sollten wir vorher noch klaeren. Dann muss natuerlich die Waesche gewaschen und getrocknet werden. Und die Planung fuer die naechste Etappe bis Palmerston North liegt an. Unsere Liste ist lang, wir können gut noch einen weiteren Tag in der Stadt gebrauchen. Auf jeden Fall haben wir hier genug zu tun und zu organisieren.
Ich habe Lisa und Allie aus den USA in der Stadt getroffen. Die Beiden haben wir das letzte Mal beim Alpine Crossing gesehen. Inzwischen sind wir ja schon gute Bekannte und freuen uns über das unerwartete Wiedersehen. Die Maedels sind einen Tag nach uns im Holiday Park angekommen. Den Hochwasser-Tag haben sie sich auch nicht auf den Fluss getraut. Lisa und Allie haben einen langweiligen off-day in Pipiriki verbracht, was auch nicht viel spannender war als unser Stück Wiese. Gute Seemannschaft !
Das i-Phone ist zum Glueck wieder zum Leben erwacht, nachdem es vollstaendig getrocknet ist und vollgeladen wurde. Das erspart uns eine Menge Lauferei. Es lässt sich zwar jetzt nicht mehr ausstellen, aber das sollte im Moment unser geringstes Problem sein. So müssen wir wenigstens vorerst kein neues i-Phone kaufen. Alle Dinge, die bei unserer ersten Kenterung über Bord gingen, haben wir leicht ersetzen können. Thomas war beim Friseur – und bei was fuer einem !  🙂
Unsere bestellten Schlafsaecke und Iso-Matten sind noch nicht losgeschickt worden. In diesem Falle ist das gut fuer uns, denn so koennen wir als neue Liefer-Anschrift “ Wellington – postlagernd “ angeben. Da werden wir in ungefähr zwei Wochen ankommen. Vielleicht klappt’s ja. Thomas hat gestern und heute Stunden und noch mehr Stunden damit verbracht, einen neuen Reissverschluss in unser Zelt einzunaehen. Das war eine unglaublich muehsame Arbeit, die sich aber auszahlt. Wir können den Eingang sicher schliessen und können dadurch wieder in einer insektenfreien Zone schlafen. Allerdings ist beim Aufbauen des Zeltes eine Stange zerbrochen und hat noch zusaetzlich ein Loch in den Stoff gebohrt. Ja, öfter mal was Neues, sonst wird es uns noch langweilig. Vorerst werden die Stange und das Loch mit starkem Klebeband repariert. Das soll so wohl noch eine Weile halten. Aber unsere gesamte  Ausruestung ist gar, das muessen wir mal ganz realistisch sehen und ein paar wichtige Teile ersetzen. Die Medikamenten-Frage ist noch nicht ganz geklaert. Thomas hat einen Haufen Papiere sowie einige Rezepte beim Arzt bekommen und muss damit morgen früh nochmal in die Apotheke. Aber danach soll es dann endlich zu Fuß weitergehen. Nächstes Ziel ist Palmerston North, wo wir eine Adresse von Leuten haben, die wir ganz zu Anfang noch hoch im Norden kennengelernt haben.
Wanganui bis Palmerston North 23.01.-26.01.2016  
Von Wanganui aus haben wir 32 Kilometer Straße vor uns. Was soll man dazu noch sagen ? Te Araroa ist sehr abwechslungsreich, aber diesen Teil kann man sich wirklich sparen. Wir laufen zunächst 23 Kilometer entlang eines viel befahrenen Highways, natürlich ohne Gehweg für Fußgänger. Es herrscht viel Verkehr, es ist laut, Unterhaltung nicht möglich. Diese Strecke soll laut unserem Buch der „Ratana Track“ sein. Thomas bastelt sich wieder einen Abstandshalter aus Stock und gelbem Tuch, den er sich quer zur Straße hinter seinen Rucksack klemmt. Die Sonne knallt gnadenlos auf uns herunter. Es ist viel zu heiß. Schon nach 2 Stunden tun mir die Füße weh vom Asphalt. Am Nachmittag machen wir einen Abstecher ins Dorf Turakina. Wir sind schon 23 Kilometer gelaufen. Dort freuen wir uns über eine Tankstelle, an der wir uns mit Cola und Co. wieder fit machen für die nächste Etappe. Von Turakina aus biegen wir auf eine ruhigere Landstraße ab. Zweimal halten Autos an, die Fahrer fragen, ob sie uns mitnehmen können. Sehr nett ! Aber nein, danke, wir möchten jeden Meter von Norden nach Süden laufen. Allerdings kann ich beinahe nicht mehr mithalten. Thomas geht es richtig gut, er ist voll motiviert, und sein Knie macht überhaupt keine Probleme mehr. Ich schleppe mich die letzte Stunde nur noch mühsam vorwärts und komme humpelnd am Ziel an. Nach weiteren 10 Kilometern auf hartem Straßenbelag haben wir die kleine Ferien-Siedlung Koitiata erreicht. Es riecht nach Meer. Niedrige Dünen sind zu beiden Seiten zu sehen, am Himmel fliegen ein paar Möwen. Das ist ja fast wie bei uns zu Hause. Direkt vor dem Aufgang zum Strand gibt es einen kleinen Campingplatz. Hier werden wir sehr herzlich vom Betreiber-Ehepaar empfangen. Als Te Araroa-Wanderer müssen wir gar nichts bezahlen, wir dürfen einfach so unser Zelt aufstellen. Das haben die Beiden sich so ausgedacht, um die Hiker zu unterstützen, die monatelang auf dem Trail unterwegs sind. Aber das ist ganz geheim, wir sollen es nicht weitersagen. Wir unterhalten uns eine Weile nett und tragen uns gerne ins Gästebuch ein. Hier sehen wir, dass auch John und Dave die letzte Nacht hier verbracht haben. Die Platzwartin erzählt uns, dass auch Dave seine Füße auf dem Weg von Wanganui hierher kaputt gelaufen hat. Ich habe jedenfalls eine fette Blase unter dem rechten Fuß, die aufgestochen und verarztet werden muss. Die linke Wade zwickt beim Laufen, da wo mir beim Abstieg vom Tongariro der Krampf hineingefahren ist. Und meine Schultern schmerzen vom Rucksack. Wir können auch gar nichts mehr vertragen !
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Während der Nacht hatten wir das beruhigende Rauschen der Brandung im Ohr und damit wunderbar geschlafen. Hier am Koitiata Campground beginnt unser nächster Track, die Santoft-Route. Juchhu – es geht endlich mal wieder an den Strand. Ein schmaler Weg führt durch die Dünen dorthin. Wir werden mehrfach von Einheimischen angesprochen, sind alle sehr gesellig und freundlich zu uns. Zunächst müssen wir eine Lagune umgehen, weil ich gerade das vorletzte Blasenpflaster aufgeklebt habe und damit nicht ins Wasser möchte. Die Menschen aus dem Dorf sind unheimlich interessiert an unserer Wanderung. Wir quatschen mal hier und mal da und kommen so nur langsam vorwärts. Thomas ist ganz fasziniert vom Kontiki-Fischfinder. Lange bleiben wir bei den Anglern stehen. Es wird gefachsimpelt, und Thomas hilft beim Anland-Bringen eines 8 Kilo schweren Snappers. Der Strand sieht beeindruckend aus, ganz anders, als man das gewöhnt ist. Schwarzer feinkörniger Sand, soweit das Auge reicht. Das Besondere daran ist das viele Totholz, welches bei jeder Flut angespült wird und sich hier sammelt. Weiß ausgeblichene Baumstämme, dicke äste und Kleinholz liegen kreuz und quer verteilt in beiden Richtungen am Strand. Nach 4 Kilometern müssen wir den Koitiata Stream überqueren. Eine wackelige Angelegenheit, denn wir balancieren über morsche Baumstämme im Wasser, die wie beim Mikado übereinander gefallen sind. Am anderen Ufer wird der Weg dann schwieriger, weil wir nicht mehr direkt am Strand laufen können. Wir sind morgens eine Stunde vor Hochwasser gestartet, nun erlaubt uns die Tide nicht mehr den direkten Weg an der Wasserkante. Die Wellen klatschen bis an die Dünen, so dass wir durch Pudersand und Gestrüpp hinauf und hinunter müssen. Hier wurde sogar Strandhafer angepflanzt, wie im Osten von Norderney. Viel Sand in den Schuhen, die Füße werden immer schwerer. Die Sonne brennt uns wieder erbarmungslos auf’s Hirn, bzw. auf die Sonnenhüte. Erst nach 4 Stunden am Strand und durch die Dünen biegt unser Weg ab in den Santoft Forest. Wie gnädig, endlich etwas Schatten ! Wir laufen einige Kilometer auf einer Forststrasse durch junge Pinienwälder und frisch gepflanzte Ahorn-Bäume. Viel zu kurz ist dieses Waldstück, dann geht es schon wieder auf’s freie Feld. Eine Frau auf einer Weide sieht, wie wir uns dahinschleppen und ruft uns zu : „Wenn ihr etwas Kaltes trinken moechtet, dann kommt durch das naechste Gatter links zu meinem Haus am Waldrand. “ Da lassen wir uns gerne einladen, es gibt Wasser und Pfirsiche im Schatten auf der Veranda. Heather ist es eine erstaunliche Frau, denn sie spricht mit ihren Kuehen, die sie anscheinend auch verstehen. Ihr gehoeren 40 Kuehe, die sie „meine Maedchen“ nennt, dazu noch eine Menge Kälber und ein Bulle, der die Oberaufsicht führt. Heather hat schon einige Te Araroa-Wanderer eingeladen und interessiert sich sehr fuer den Zustand des Trails und unsere Probleme, wie das Wasser, fehlende Informationen und teure Zeltplaetze. Sie ist in ihrer kleinen Gemeinde engagiert und versucht, ihre Ideen und Verbesserungsvorschlaege bei den Politikern vorzubringen. Sehr lobenswert,  das wird es fuer die nachfolgenden Hiker einfacher machen. Zum Schluss gibt sie uns den guten Rat, nicht beim oeffentlichen Campingplatz zu 14,- NSD pro Person zu uebernachten, sondern unser Zelt einfach nach Anbruch der Dunkelheit imn einem Park hinter dem Sportplatz aufzubauen. Gute Idee, so machen wir es dann auch und verbringen die Nacht auf einer Wiese unter dicken Baeumen. Wir mussten noch nicht einmal ueber den Zaun klettern, denn das Tor wird nachts nur fuer Autos abgeschlossen. Als Fussgaenger kann man immer noch hinein, und es gibt kein „Camping verboten“-Schild. Es gibt dort zwar ein Haus, in dem der Platzwart wohnt, aber entweder bemerkt er uns nicht, oder unser kleines Zelt am Rand stoert ihn nicht.
Wir haben Vollmond, der sehr hell durch unser Moskitonetz herein scheint. Viele unheimliche Geraeusche sind waehrend der Nacht im Park zu hoeren. Hier ist richtig was los, unterschiedliche Tierstimmen, Possums, ein Uhu schreit, dazu fortwaehrend Knistern und Knacken in den Baeumen um uns herum. Schon frueh brechen wir unser Lager ab, denn wir wollen ja nicht unangenehm auffallen. Bluff ist eine ganz interessante Kleinstadt, nur 1500 Einwohner, keine Touristen. Dafür gibt es erstaunlich viele Restaurants, Imbissbuden und Bars, ein Info-Center und viele gute Ideen wie Stadtplan an der Brücke zum Ort, Vorschlaege fuer Uebernachtungsmoeglichkeiten etc. – alles sehr hilfreich. Bei McDonalds stärken wir uns mit 2 Kaffee, Frühstück gibt es aus dem Supermarkt. Dann beginnt wieder ein Marathon auf der Strasse in der prallen Sonne. Einzige Pause im Schatten machen wir in einem kleinen Pavillon von Mt. Lees Scenic Reserve. Das ist eigentlich ein Teehaus mit angegliederter Lodge, aber das Aussengelaende ist zum Glueck auch fuer Besucher geöffnet,  die dort nichts verzehren und kein Zimmer moechten. Sehr nett und lange Zeit der einzige Platz im Schatten. Entlang der Feilding Route laufen wir 20 Kilometer bis in die nächste Stadt. Auf dem zentralen Platz in der City legen wir uns zwei Stunden auf den Rasen. Es ist einfach zu heiss, wir sind total fertig. Ausserdem hat sich unter meinem rechten Fuss eine weitere Blase gebildet. Thomas sticht sie auf, das letzte Pflaster kommt drauf, Auftreten bleibt schmerzhaft. Mehr sehen wir nicht von Feilding. Am späten Nachmittag starten wir die Bunnythorpe Route. Dazu muss man bemerken : Der Te Araroa ist den ganzen Tag seit Bulls tadellos markiert. An jedem Abbieger und jeder Kreuzung findet man ein gut sichtbares Zeichen. Wenigstens gibt es keine Extra-Kilometer heute wegen Verlaufens. Aber die Sonne quält uns immer noch. Der Teer am Strassenrand schmilzt in der Sonne und bleibt an den Spitzen der Stoecker kleben. Mit müden Beinen und kaputten Füßen erreichen wir gegen 20.00 Uhr nach weiteren 10 Kilometern die kleine Siedlung Bunnythorpe. Wir werfen uns mitsamt unserem Gepäck auf eine Bank vor der öffentlichen Toilette. Eigentlich möchten wir keinen Schritt mehr weiter heute. Thomas schlägt vor, in der Taverne nebenan ein Bier zu trinken und dort zu fragen, ob wir unser Zelt dahinter auf der Wiese aufstellen dürfen. Während wir noch überlegen, werden wir von einer jungen Frau angesprochen, die uns einen Platz in ihrem Garten anbietet. Aber sehr gerne, danke für das nette Angebot ! Bier gibt es nun heute keins mehr, aber dafuer nette Unterhaltung und einen schoenen Rasenplatz. Libbie hat 2 Töchter, 2 Katzen, 2 Kühe, 2 Schafe und einen Ehemann namens Elvis. Total unkompliziert nimmt sie uns mit zu sich nach Hause. Ich darf sogar duschen und alle ihre wohlriechenden Seifen und Shampoos benutzen. Ein toller Abschluss eines langen und nervigen Tages !
Früh aufgestanden, um der brütenden Hitze zu entgehen, aber schon um 8.00 Uhr morgens brennt die Sonne. Es sind nur 10 Kilometer auf einer Hauptstraße bis nach Palmerston Nord. Hier verbringen wir viele Stunden des Tages im Schatten eines Parks, in der Bücherei und beim Einkauf für die nächste Etappe. Gleich geht es weiter, ein festes Tagesziel haben wir nicht.
Palmerston North bis Levin 26.01.-29.01.2016  

Palmerston North ist eine Stadt, in der sich die Te Araroa-Wanderer sammeln. Die meisten kommen zu Fuß, einige wählen den bequemeren Weg per Anhalter oder setzen sich einfach in den Bus von Wanganui nach Palmerston North. Lisa und Allie laufen durch den Park, mal wieder im selben Tritt mit unserem Tempo. Dann lernen wir eine neue Gruppe Hiker kennen, vier junge Leute, denen wir in den nächsten Tagen noch mehrmals begegnen werden. Noch eine Stunde an der Straße entlang, dann ist dieser unschöne Teil endlich erledigt. Bei der überquerung der Fitzherbert Bridge schimpfen wir noch einmal kräftig über den dichten Verkehr. Wir müssen eine 5-spurige Fahrbahn überqueren, wieder sehr spannend und nicht ungefährlich. Hier startet der Riverside Walkway, der am Manawatu River entlang verläuft und uns endlich aus der Stadt herausführt. Ein schmaler Wanderweg bringt uns zum Bredisloe Park, der nicht besonders attraktiv ist, aber uns schon die Illusion vermittelt, dass wir uns wieder der Natur nähern. Man hört zwar noch den Verkehrslärm, aber nur noch gedämpft. An einer Landstraße sehen wir eine Weide mit Lamas in verschiedenen Farben. Hellbraune, dunkelbraune und weiße Alpakas scheinen sich hier sehr heimisch zu fühlen. Gleich dahinter beginnt der sogenannte „Green Corridor“, das ist ein noch sehr junges Projekt vom örtlichen Wanderclub zur Begrünung der Stadt-Umgebung. Noch nicht wirklich schön, weil er noch nicht fertig ist und an verschiedenen Stellen Bauzäune sowie Werkzeuge stören. Mehrere Male überqueren wir den Turitea Stream, dann finden wir eine genau passende Stelle für unser Zelt direkt neben dem Fluss. Ein paar Spaziergänger mit Hunden kommen noch vorbei, während wir beim Tee und Abendessen sitzen. Kurze Unterhaltung, nette Wünsche für den weiteren Weg, die Leute scheinen sich nicht dran zu stören.

Am nächsten Morgen führt unser Weg zunächst über eine schmale Holzbrücke zum Back Track. Der gefällt uns schon ziemlich gut, endlich sind wir wieder im Wald unterwegs. Wir entdecken einen richtig guten Picknick-Platz für die Mittagspause, die Kahuterawa Recreation Area. Hier ist sogar das Zelten erlaubt. Diesen etwas abgelegenen und verwilderten Park müssen wir uns für spätere Ausflüge in Neuseeland merken. Wir sind gerade fertig mit Essen, da fängt es an zu regnen. Schnell wird der Tisch abgeräumt, alles in die Rucksäcke geworfen und wasserdicht verpackt. Wir stapfen etwas überstürzt los, freuen uns über einen richtig netten Weg und stellen nach einer halben Stunde fest, dass wir falsch gegangen sind. Also nochmal zurück und Neustart, diesmal richtig. Der Gordon Kear Forest liegt vor uns, nass und matschig vom Regen, aber sehr schön zum Wandern. Wir sind so froh, dass wir nicht mehr auf Straßen laufen, dass dir diesen Tag trotz Regen voll genießen können. Einige Male müssen wir den Tokomaru River überqueren. Meistens gelingt das trockenen Fußes, weil dicke Kiesel als Trittsteine das Hinüber-Hüpfen erleichtern. An der tiefsten Stelle waten wir knietief durch’s Wasser. Der nächste Trail ist der 17 Kilometer lange Burttons Track. Den schaffen wir nur noch bis zum verfallenen Haus von Mr. Burtton. Ein großer offener Platz mit Wiese und Picknick-Tisch markiert genau den Mittelpunkt, dahinter steht noch das alte Haus. Leider ist diese historische Stätte ziemlich ungepflegt und zugemüllt, uns lädt es hier nicht zum Bleiben ein.  An unserem nächsten Pausenplatz hat Jemand mit kleinen Steinchen die magische Zahl 1500 gelegt. Da können wir uns ja gegenseitig gratulieren ! 1500 Kilometer auf dem Te Araroa sind geschafft, dann beginnt ab jetzt die zweite Hälfte.

Der Burtton Track ist klasse ! Auch am kommenden Tag finden wir es einfach nur schön. Der Weg ist nass vom gestrigen Regen, aber die Anzahl der Matschlöcher hält sich in Grenzen. Durchaus akzeptabel, uns gefällt es ausgesprochen. Ein ganz toller Wanderweg, den wir auch gerne mit Besuchern nochmal machen würden. Noch 3 Stunden können wir diesen Wald genießen, dann beginnt der Mangahao-Makahika Track. Dieser ist wieder nur modderig und rutschig, und das über eine ewig lange Distanz. Dazu geht es noch steil hinauf bis zum höchsten Punkt dieser Bergkette, genannt ganz einfach „Spot 657“. Dort oben haben wir eine phantastische Aussicht auf die Westküste und die vorgelagerte Insel Kapiti Island. Von diesem Gipfel aus klettern und rutschen wir ziemlich abenteuerlich durch den Matsch nach unten ins Tal. Seit Stunden nasse Füße, gar nicht gut für meine Blasen, die Wanderschuhe werden auch immer schwerer. Für mickrige 6 Kilometer haben wir in diesem schwierigen Gelände glatt 3 Stunden gebraucht. Eine kurze Pause am Horowhenua Lookout sollte eigentlich zum Trocknen unserer Sachen genutzt werden. Inzwischen habe ich alleine schon 11 Socken dort liegen, alle nass. Aber die Sonne verzieht sich, der Himmel wird grau und bedeckt, gar nichts trocknet. Also weiter …. Inzwischen ist unsere Laune nicht mehr so gut, man kann schon so manchen Fluch hören. Wir finden das Alles gar nicht mehr lustig. Aber irgendwann kippt die Stimmung wieder. Der Wald ist so wild und ursprünglich, dass wir uns trotz des Schlammbades plötzlich beide wieder so richtig wohlfühlen. Wir müssen immer wieder über  Flüsse und Bäche springen, steigen, durchwaten ….. Gefühlt kam alle 100 Meter so eine Stelle, irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Es ist schon nach 19.00 Uhr, als wir den Mangahao-Makahika Track beenden. Wir haben noch 5 Kilometer auf einer einsamen Landstraße vor uns bis zur Kreuzung, an der wir morgen zum Einkaufen nach Levin trampen wollen. Auf halber Strecke gibt es ein Outdoor-Center, wo wir hoffentlich Wasser bekommen und dann eventuell kochen können. Wir können unser Glück kaum fassen, als wir am Eingangstor ein Schild mit einer Einladung für Te Araroa-Wanderer erblicken. Essen, Dusche, Waschmaschine, ein Platz zum Schlafen sowie ein kaltes Bier werden uns dort angeboten. Na, das Angebot kommt genau zur richtigen Zeit ! Wasser und eine schöne Stelle für unser Zelt würden uns schon reichen für einen entspannten Feierabend. Aber es kommt viel besser, denn die Chefin vom Outdoor-Center begrüßt uns mit einer umwerfenden Herzlichkeit und einem kalten Getränk. Ein warmes Büffet ist noch aufgebaut, wir dürfen nehmen, soviel wir möchten. Dann zeigt Sally uns die Duschen, unsere nassen und matschigen Klamotten wandern zuerst in die Waschmaschine, gleich danach in den Trockner. Wir sind satt, alles ist wieder sauber, besser geht es nicht. Zum Schlafen dürfen wir uns bei den anderen Gästen in die Mehrbett-Zimmer einquartieren. Sally und ihr Mann John erzählen den Leuten bei jeder Gruppen-Buchung, dass eventuell Te Araroa-Wanderer vorbeikommen und kostenlos untergebracht werden. Das ist wirklich erstaunlich und vorbildlich, wie sie ihr soziales Engagement über den Gewinn stellen. Trotzdem behagt es uns nicht, den uns unbekannten und zahlenden Menschen so auf die Pelle zu Rücken. Thomas stellt unser Zelt hinter dem Haus im kleinen Garten auf, so mit Privatsphäre fühlen wir uns wohler. Eine Gruppe von angehenden IT-Spezialisten hat die Ausbildung gerade beendet und hier eine mehrtägige Sport- und Spiel-Veranstaltung abgehalten. Heute ist der letzte Abend ihres Seminars, es wird ein bisschen Abschied gefeiert. Immer wieder wird uns gesagt, wir sollen uns einfach selber bedienen, sonst müssten die das morgen bei der Abreise ja alles wieder mitnehmen. So kommt es, dass wir nach 2-3 Flaschen Bier und einem Glas Rotwein relativ angetrunken in Tiefschlaf fallen.

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Im Makahika Outdoor Center gibt es in der Gemeinschafts-Küche ein gutes Frühstück mit Kaffee, Toast und Rührei. Dann verabschieden wir uns von unseren Wohltätern und bekommen von John noch den aktuellen Wetterbericht für die nächsten drei Tage in die Hand gedrückt. Vor uns liegt die Tararua Range, eine mehrtägige Tour, die über eine Kette von hohen Bergen führt. Das kann auch gefährlich werden, weil das Wetter hier sehr schnell umschlägt und sogar zu dieser Jahreszeit Schnee fallen kann. Aber die Prognose für die kommenden 3 Tage sieht gut aus, deswegen beschließen wir, unseren Stadt-Aufenthalt so kurz wie möglich zu halten. Keine Uebernachtung diesmal, geduscht und gewaschen haben wir ja gestern erst. Wir sind gerade erst 5 Minuten auf der Straße und haben kaum den Daumen herausgehalten, da hält schon ein Auto an. Eine nette Dame namens Joan sitzt am Streuer und nimmt uns mit bis nach Levin, wo sie uns direkt vor dem Supermarkt absetzt. Wir brauchen Proviant für 5 Tage, Blasenpflaster, schon wieder eine neue Lesebrille, sonst nichts. Thomas bekommt in der Apotheke seine fehlenden Medikamente, ich bringe noch ein paar Karten zur Post. Wir haben eine e-Mail erhalten, dass unsere bestellten Schlafsäcke und Iso-Matten nun doch nicht postlagernd nach Wellington geschickt werden können. Das ist blöd, wir hatten uns schon auf mehr Schlafkomfort gefreut. Aber so langsam nervt die Sache, der Laden kriegt das irgendwie nicht zu unserer Zufriedenheit geregelt. Ich schreibe denen noch schnell eine Antwort und storniere den gesamten Auftrag. Dann nehmen wir uns eines der vor dem Supermarkt wartenden Taxis und lassen uns die 10 Kilometer aus der Stadt heraus zum Startpunkt unseres nächsten Track fahren. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren, wenn wir es heute noch bis zur Hütte schaffen wollen. Es ist mittlerweile doch schon Mittag, und wir haben noch ungefähr 8-9 Stunden Laufen vor uns.
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Tararua Range 29.01.-02.02.2016  

Wir beginnen unsere Tour durch die Tararua Range um 12.30 Uhr mittags, ganz schoen spaet fuer einen Weg, der mit 8-9 Stunden Laufzeit angegeben ist. Neben und unter uns fliesst der Ohau River, den wir auf einer Haengebruecke ueberqueren. Dann sind wir auf unserem Track, und der geht erst einmal steil bergauf. Wir haben die Passage ueber die Gable End Ridge gewaehlt und wollen heute noch bis zur zweiten Schutzhuette kommen. Es geht zunaechst ueber den Mayo Knob, mit 666 Metern Hoehe noch ganz harmlos. Danach folgen der Gable End Mountain mit 903 Metern sowie Richards Knob mit 985 Metern Hoehe. Von dort aus steigen wir über den Dora Ridge Track wieder ab zum Butchers Saddle, wo wir leider mit Matschloechern zu kaempfen haben. Grosse Pause koennen wir uns nicht erlauben, weil wir erst so spaet los sind. Das haben wir uns selber gebacken, da muessen wir jetzt durch. Immer wieder müssen wir klettern und kraxeln, der Weg führt supersteil nach oben. Felsen, Wurzeln und umgestürzte Bäume sind allesamt mit hellgrünem kuschelweichen Moos überzogen. Nebel zieht durch die Bäume, gegen Abend wird die Luft sehr feucht. Noch einmal werden all unsere Kraefte mobilisiert und wieder auf 900 Hoehenmeter aufgestiegen. Dort steht unsere ersehnte Huette, und aus den Fenstern schauen uns einige bekannte Gesichter an. Lisa und Allie ( ja, schon wieder ), John, Dave und ein franzoesisches Paar namens Faustine und Mael sind schon vor ein paar Stunden hier eingezogen und haben sich bereits gemuetlich eingerichtet. Platz ist genug für alle da, Te Matawaii ist mit Matratzen für 16 Personen ausgestattet. Insgesamt haben wir an diesem ersten Tag unserer Bergtour 1300 Höhenmeter Aufstieg und 600 Höhenmeter im Abstieg zurückgelegt. Um 20.30 Uhr waren wir am Ziel, nach nur 18 anstrengenden Kilometern. Das war nahrhaft ! Die Tararua Range ist nichts für Weicheier – wie Thomas es kurz vor dem Einschlafen auf den Punkt bringt.

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Am nächsten Morgen sind wir die Letzten, die aufstehen. Wir sitzen noch beim Frühstück, als die Gruppe schon auf den Trail startet. Es fängt kurz darauf an zu regnen, was uns zum weiteren Bleiben veranlasst. Wir sortieren unseren ganzen Kram neu, Thomas fegt und putzt die Hütte fein sauber. Mein Handy ist platt. Ich habe gestern Abend noch einmal unsere Position kontrolliert und danach wohl vergessen, es auszustellen. Nun ist der Akku leer, und ich kann es die nächsten Tage ganz unten in meinem Rucksack vergraben. Als wir um 11.30 Uhr endlich starten, da nieselt es nur noch leicht. Der Weg ist super ! Eine schön ausgetretene Spur führt nach einem steilen Aufstieg über einen Grat zum Gipfel des 1432 Meter hohen Pukematawai. Hier oben wachsen keine Bäume mehr, nur Busch und Gräser. Vereinzelt konnten sich kleine weiße Blümchen durchsetzen, die ein bisschen Aehnlichkeit mit Enzian haben. Ab Mittag setzt sich die Sonne durch. Der Schweiß tropft uns vom Kopf. Es folgt ein gemäßigter Abstieg, dann geht es wieder hinauf auf den nächsten Gipfel. Der Butchers Knob mit seinen 1158 Metern bietet uns tolle Aussichten zu beiden Seiten. Grüne Berge, eine Kette hinter der anderen, soweit das Auge reicht. Phantastisch ! Von dort aus geht es eine Weile abwärts, und plötzlich finden wir uns in einer komplett anderen Vegetationsstufe wieder. Wir laufen durch geheimnisvollen Nebelwald. Die Bäume sind wieder voller Moos, dazwischen wachsen hohe Farne und Flechten. Dann steigen wir ein letztes Mal hinauf, kommen auf eine kleine Lichtung und erblicken ein niedliches Häuschen. Das ist die Dracophyllum Hut, sehr alt und leider auch ziemlich schmuddelig. Diese Schutzhütte auf 1100 Metern Höhe wurde bereits 1966 für Jäger erbaut. Wegen der hier oben herrschenden hohen Luftfeuchtigkeit, viel Regen und Schnee war sie derart verwittert, dass sie im Jahr 2000 vom örtlichen Wanderclub renoviert wurde. Nun ist der Lack allerdings wieder ab. Zwei schmale Pritschen übereinander, die Matratzen nicht besonders ansehnlich, kein Platz innen für Tisch oder Stuhl. Aber uns gefällt es trotzdem hier. Draußen gibt es Bänke zum Sitzen, die Sonne scheint noch lange auf die Lichtung. Das Regenfass ist randvoll, so dass wir unsere Füße und T-Shirts waschen können. Uns steckt der gestrige harte Tag noch in den Knochen. Und außerdem ist die nächste Hütte nur für 6 Personen gedacht, die 6 jungen Leute sind uns voraus und bleiben bestimmt über Nacht dort. Es ist erst 16.30 Uhr, aber nach 700 Höhenmetern Aufstieg und 500 Höhenmetern Abstieg haben wir nichts gegen einen frühen Feierabend. Deswegen beschließen wir, es bei dieser kurzen Etappe zu belassen und in dieser 2-Personen-Hütte zu übernachten. Die Pritschen sind nur etwa 1,70 Meter lang, anscheinend für Zwerge konzipiert, dazu auch noch recht schmal. Thomas bezieht netterweise die Koje oben, noch enger, wenig Kopf-Freiheit und über eine abenteuerliche Leiter aus Aesten zu erreichen. Wie in einer Sardinenbüchse liegt er da, während für mich unten der Platz so gerade ausreicht. Aber egal, wir sind alleine hier und können früh schlafen gehen.
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Thomas weckt mich schon kurz vor 6.00 Uhr und teilt seine Begeisterung mit mit. Es herrscht wirklich eine sensationell schöne Morgenstimmung, sobald wir aus unserer kleinen Hütte heraustreten. Wir befinden uns tatsächlich über den Wolken. Beim Abstieg kann man förmlich beobachten, wie um uns herum Kondenströpfchen sprühen und sich zu Wolken verdichten. Heute führt der Track weiter über die Tararua Range. Unser erster Gipfel ist der Puketoro mit 1152 Metern, gefolgt vom Mount Kelleher mit 1182 Metern und dem Mount Nichols mit 1182 Metern Höhe. Dort steht die Nichols Hut, in dieser Schutzhütte machen wir Mittagspause. Gut gestärkt erklimmen wir dann den höchsten Berg, den Mount Crawford mit 1462 Metern. Vom Gipfel aus sehen wir leider nicht viel, denn während unserer Pause ist Nebel aufgezogen, die gesamte Tararua Range liegt nun überwiegend in den Wolken. Die nächsten Berge vor uns sind der Junction Knob mit 1375 Metern und der Shoulder Knob mit 1310 Metern. Hier haben wir mehr Glück – für einen kurzen Zeitpunkt reißt die Wolkendecke auf und schenkt uns schöne Ausblicke auf die Küste, die Südinsel und Kapiti Island. Danach folgt ein wahnsinnig steiler Abstieg bis zum Otaki River, der fast 4 Stunden dauert. Ist ja eigentlich klar …. Alles was wir vorher aufgestiegen sind, das müssen wir nun auf relativ kurzer Strecke wieder hinunter. Das ist gar nicht gut für unsere müden Knochen. Die Waden zwicken, die Knie knacken, das kann ja nicht gesund sein. Nächste Herausforderung ist eine besonders unangenehme Hängebrücke, auf der wir über den Fluss müssen. Sie ist bestimmt 50 Meter lang und darf immer nur von einer Person betreten werden. Die Dinger schwingen und wackeln schon genug beim Drüberlaufen, diese Swing Bridge hat zudem keinen festen Boden. Es gibt unten kein Brett, sondern nur Maschendraht, auf dem man sich vorsichtigen Schrittes vorwärts tasten muss. Dabei kann man natürlich durch den Draht hindurch bis nach unten auf den Fluss und die Felsen gucken. Geländer zum Festhalten gibt es nicht, aber immerhin auf jeder Seite ein dickes Seil, welches sich ebenfalls munter bewegt. Wir brauchen ziemlich lange, bis wir beide sicher auf der anderen Seite des Ufers angelangt sind. Ab da Laufen wir wieder durch einen Geisterwald. Rundum alles grün von dichtem Moos überzogen, Nebelschwaden ziehen durch die Bäume, die ganze Szenerie wirkt total unwirklich. Hier wachsen seltsame Sträucher und Stauden, die uns bislang unbekannt waren. Es gibt feuerrote Mini-Pilze zu bestaunen, dazwischen immer wieder diese weißen Blümchen. Diese Mehrtages-Tour ist ein wahnsinnig beeindruckender Teil des Te Araroa. Gegen 18.00 Uhr erreichen wir die Waitewaewae Hut und sind ziemlich erledigt. Nur 380 Höhenmeter Aufstieg waren das heute, aber satte 1240 Meter im Abstieg. Als Belohnung winkt ein erfrischendes Bad im Otaki River. Das Wasser ist eiskalt, beim Haarewaschen prickelt die Kopfhaut. Es gibt nichts Besseres, als sich zum Abschluss eines langen Wandertages den Schmutz und den Schweiß von der Haut zu waschen. Und wir bleiben erstaunlicherweise alleine in dieser Riesen-Hütte, die für 18 Personen eingerichtet ist. Die Waitewaewae Hut ist neu, hell und dazu auch noch sehr sauber. Was will man mehr ? Wir liegen schon in den Schlafsäcken, als es draußen noch hell ist.
Kaum haben die Menschen sich zur Ruhe begeben, da fangen die Mäuse in den Dachbalken und auf der Terrasse an zu rennen und zu randalieren. Aber in der Hütte bekommen wir keinen Besuch. Außerdem sind wir es vom Appalachian Trail her gewöhnt, unser Essen ordentlich zu verpacken und aufzuhängen. Wir wachen schon wieder früh auf, weil das Tageslicht durch die vielen Fenster in den Raum scheint. Unser erster Ausblick ist grandios : Urwald, alles sattgrün draußen, meterhohe Farne sind durch die großen Scheiben zu sehen. Draußen ist es kalt und neblig, aber das ändert sich schon bald nach dem Start. Nun ist auch das i-Phone von Thomas ausgegangen. Wir brauchen dringend mal wieder eine Steckdose. So langsam nähern wir uns dem Ende der Tararua Range. In der Hütte hing eine Bekanntmachung aus, dass der weitere Weg wegen eines Erdrutsches verlegt wurde. Eine Umleitung lässt uns 3,8 Kilometer mehr laufen als der ursprüngliche Track hatte. Das macht den Te Araroa wieder ein bisschen länger für uns, ist zwar nicht viel, kostet uns aber knapp 2 Stunden Zeit in diesem schwierigen Gelände. Es bedeutet, noch ein paar Mal mehr bergauf und bergab und einige Male zusätzlich durch kleine Flüsse hin und her queren. Ein ausgedehnter Wander-Rastplatz mit Campingplatz und Picknick-Tischen wartet auf uns am Ende der Tararua Range. Es gibt gut eingerichtete und saubere Toiletten, Trinkwasser, zwei Tafeln mit Hinweisen zu den Wegen, einen Unterstand mit Bänken und viele große Mülltonnen. Hier werden wir den Abfall der vergangenen vier Tage los und machen wegen der Mittagshitze eine 2-stündigen Pause. Das Verrückte daran ist : Wir sind und bleiben ganz alleine an der Otaki Forks Picnic-Area. Es kann Niemand von außerhalb kommen. Durch den Erdrutsch ist auch die einzige Straße nach Otaki Forks beschädigt worden. Es kann keiner mehr heraus oder herein, und das schon seit Wochen. Ein einsames Auto steht auf dem Parkplatz, wahrscheinlich von einem Wanderer, der seinen Wagen nach einem Tagesausflug nicht mehr nach Hause bringen konnte. Am späten Nachmittag starten wir noch den Pukeatua Track. Den möchten wir heute noch zur Hälfte schaffen, damit wir es morgen nicht mehr so weit bis zur Stadt haben. Das verleiht Flügel – naja, fast. Immer am Otaki River entlang, über eine weitere ( normale ) Hängebrücke und eine stabile Brücke aus Metall führt uns der Weg. Dann folgt ein schöner Pfad bergauf, links und rechts grüne Wiese. Obwohl wir auf dem Rastplatz so lange gewartet haben, sind wir immer noch ganz schön der Sonne ausgesetzt. Und wir müssen noch einmal ansteigen, steil und stetig. Wir haben allein auf den ersten zwei Kilometern 300 Höhenmeter zu bewältigen. Da tropft mal wieder der Schweiß. Danach geht es etwas sanfter nach oben, aber immer noch anstrengend genug. Auf halber Höhe verschwindet unser Weg in einem dunklen Wald. Endlich haben wir Schatten, aber dafür auch wieder Matsch. Viele tiefe Schlammlöcher, die wir versuchen zu umgehen. Klappt leider nicht immer, ist uns aber zum Ende eines Tages völlig egal. Eigentlich haben wir schon genug getan, aber trotzdem quälen wir uns von 100 auf 812 Meter Höhe. Auf dem höchsten Punkt dieses Tracks, dem Gipfel des Pukeatua, bauen wir das Zelt in weichem Moos auf. Unsere Gas-Kartusche ist leer, deswegen können wir nicht mehr kochen. Draußen wird es kühl und feucht, also gehen wir sofort schlafen.
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Als wir morgens auf unserem einsamen Platz wach werden und den ersten Blick nach draußen werden, ist alles ringsum grau verschleiert. Unser Zelt steht in den Wolken. Es ist kalt oben auf dem Berg, Zelt und Schlafsäcke sind floddernass vom Nebel. Gestern haben wir noch ein gutes Stück vom Pukeatua Track geschafft. Nur noch die Hälfte von diesem Track, etwa 6-8 Kilometer, und danach noch 12 Kilometer Straße bis nach Waikanae. Das Wetter hat sich super gehalten. Es hat sich gelohnt, dass wir in Levin nur das Nötigste ganz schnell erledigt haben und mit einer guten Prognose für 3 Tage in die Berge gestartet sind. Der restliche Weg ist relativ einfach, weil wir ja auf dem höchsten Punkt gezeltet haben. Heute haben wir noch ein paar gute Anstiege, dann geht es nur noch bergab. Immer schön gemäßigt, genau richtig zum Abgewöhnen. Unser Pfad wird immer breiter. Die letzten Kilometer im Wald laufen wir auf einem Weg, wie wir ihn vom Appalachian Trail her kennen. Kurz vor dem Ende dieses Tracks knirscht und knackt es laut über uns. Wir drehen uns um und sehen einen entwurzelten Baum, der schräg über dem Weg liegt und sich an einem Baum auf der anderen Seite anlehnt. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, aber dieser hier sieht sehr wackelig aus. Am Holztor, das den Ausgang markiert, hängt ein Schild : „Achtung – Gefahr – fallender Baum in 300 Metern Entfernung !“ Ja, da sind wir gerade drunter durch gegangen. Wie war das noch ? Leben ist immer lebensgefährlich ! Diesen Spruch hat mir mein Vater ins Poesie-Album geschrieben, als ich ungefähr 8 Jahre alt war. Wann haben wir eigentlich das letzte Mal Menschen gesehen ? Das muss vor etwa 4 Tagen gewesen sein, die jungen Leute in der ersten Hütte zu Beginn der Tararua Range. Noch etwa 3 Stunden über Landstraßen bis nach Waikanae. Eine nette Frau hält an und möchte uns im Auto mitnehmen. Wir bedanken uns und erklären ihr freundlich, dass diese Straße ein Teil des Te Araroa ist. Wir müssen laufen …… Sind ja nur noch ungefähr 10 Kilometer. Wir haben kein Trinkwasser mehr, gefrühstückt haben wir nur einen Müsli-Riegel und etwas Trail-Mix. Unterwegs stehen viele Brombeer-Sträucher am Straßenrand. Aber für uns gibt es leider nichts zu ernten. Die dunklen Brombeeren hängen weit außerhalb unserer Armlänge hinter einem Zaun. Vorne sind nur noch die unreifen grünen Beeren an den Sträuchern. Da hat wohl die 6-er Gruppe mit Lisa und Allie, die uns ein paar Stunden voraus sein müssten, gut gefuttert. Aber dafür gibt es unterwegs Pflaumen zu kaufen. Eine Kühlbox mit schönen blauen Früchten steht dort mit einem Schild “ 2 Dollar die Tüte „. Sehr schön ! Wir bedienen uns und genießen das frische Obst, während wir weiter in Richtung City laufen. Der erste Tante Emma-Laden im Ort wird gestürmt. Bananen und kalte Getränke Werden gleich im Park gegenüber verzehrt. Danach geht es zur Bücherei, wo wir unsere Handys aufladen und per Internet ein Zimmer im Ariki Lodge Motel buchen. Die Tararua Range war wunderschön, aber auch sehr anstrengend. Wir brauchen unbedingt einen Ruhetag bevor wir die letzten 90 Kilometer bis nach Wellington in Angriff nehmen.