Wir segeln und wandern durch die Welt

Baranof Island

Die Insel Baranof ist 162 Kilometer lang und 48 Kilometer breit. Sie ist die gebirgigste Insel des Alexander-Archipels. Immer noch lauern große Kelp-Felder, die wir umfahren müssen. Es herrscht viel Verkehr. Backbord werden wir von einem Fischerboot überholt, gleichzeitig prescht auf der Steuerbord-Seite ein Motorflitzer vorbei.

Im Sergius Channel wird es richtig stressig. Die Tide ist richtig gewählt. Hier herrscht zur Zeit eine Strömung von 5,3 Knoten. Walkabout wird mit über 10 Knoten durch die Sergius Narrows gezogen. Das ist eine besonders schmale Passage mit vielen Warnzeichen in der Seekarte. Auf der rechten Seite liegen die Rapid Islands – der Name ist schon sehr aussagekräftig. Stromschnellen und kräftige Wasserwirbel wollen das Boot hierhin und dahin ziehen. Über 10 Knoten hatten wir noch nie auf der Logge. Konzentration, das Steuer fest im Griff. Ich muss kräftig gegenhalten. Wer mit einem schwach motorisierten Boot zur falschen Zeit in diesen Kanal fährt, der hat verloren. In der nächsten Engstelle erreichen wir mehr als 8 Knoten. Auch nicht schlecht. Fischerboote ohne Ende, wir scheinen denselben Weg zu haben. Am späten Nachmittag überholt uns ein Kreuzfahrer, die „Safari Endeavour“. Kein einziges Segelboot ist unterwegs. Sind wir schon wieder die letzte „pleasure craft“ in dieser Region ? Sicher – der Herbst naht. Aber so schlimm ist es nun auch noch nicht. Heute ist Sonne-Regen-Mix angesagt. Mehrmals entdecken wir Wal-Blas vor der Küste. Ein Buckelwal zeigt kurz seine Schwanzflosse und verschwindet dann in der Tiefe.

Ein kleines offenes Motorboot kommt von achtern auf. Sehr schnell und auch sehr nahe. Ich denke, dass der überholen will, aber es wird gerufen und Zeichen gegeben. In dem Flitzer sitzen zwei junge Männer, irgendwas zwischen 15 und 22, auf jeden Fall noch sehr jung. Sie haben ihre Krabbenkörbe geleert und jetzt keinen Sprit mehr, um nach Hause zu kommen. Wir lassen die Burschen längsseits kommen und reichen unseren Benzinkanister hinüber. Benzin brauchen wir nur für den Betrieb des Generators, wenn an ganz trüben Tagen die Solarpaneele nicht genug Strom produzieren. Für uns also nicht wichtig, aber den jungen Männern ist es eine große Hilfe. Sie sind ganz aufgeregt und bedanken sich überschwänglich. Der ältere der Beiden raucht eine Zigarette, während er das Benzin in den Tank kippt. Oh, nein ! An jeder Tankstelle steht „Rauchen verboten!“. Danach pinkelt er über Bord, er hat wohl lange anhalten müssen. Nur zu, keine Hemmungen. 😉 Schließlich bin ich keine feine Lady, und in Alaska darf man nicht empfindlich sein. Zum Abschied bekommen wir zwei Königskrabben als Geschenk, die der Koch sogleich verarbeitet. Zum Frühstück gab es die Reste vom gestrigen Lachs, am Nachmittag gekochte Krabben und zum Dinner einen Teil vom Lengcod. Fisch satt. Lange haben wir das Vergnügen nicht mehr, unsere verbleibenden Tage in Alaska kann man an den Fingern abzählen.

Ab 21.00 Uhr schalten wir in den Dunkel-Modus. Kurz darauf haben wir das einmalige Erlebnis, eine ganze Wal-Schule an unserem Boot vorbeiziehen zu sehen. Zunächst sehen wir nur zwei Buckelwale an der Seite. Die sind sehr munter und schwimmen ungewöhnlich lange an der Oberfläche. Dann tauchen immer mehr auf. Wir erkennen sogar eine Mutter mit ihrem Kalb. Vor uns, neben uns und hinter der Walkabout kommen immer noch mehr Wale in Sicht. Wie viele sind das ? Mindestens 10 Buckelwale, also eine ganze Herde. Sie sind keine 20 Meter entfernt und bieten ein Schauspiel, wie wir es noch nie beobachten konnten. Einfach fantastisch, wie lange diese Gruppe großer dunkler Leiber in unserer Nähe und über Wasser bleibt. 🙂

Um 22.00 Uhr erreichen wir die Cosmos Cove an der Ostseite von Baranof Island. Viele Stunden schneller Fahrt summieren sich zu 58 Seemeilen, obwohl wir erst spät gestartet sind. Ein überwiegend sonniger und spannender Tag geht zu Ende. Als Krönung leuchtet über uns ein klarer Sternenhimmel, wie er fast nicht schöner sein könnte. Wir werden Alaska vermissen und reden jetzt schon darüber, dass wir eines Tages zurückkommen möchten. Unser Wassertank ist leer. Den haben wir zum letzten Mal in Seward aufgefüllt, das ist jetzt mehr als 5 Wochen her. Nächste Gelegenheit wird wahrscheinlich in Petersburg sein.

Aufholen von 60 Meter Kette – Frühsport für den Käpt’n. Das Wetter ist durchwachsen, grau mit etwas Nieselregen. Draußen vor der Bucht stehen Wellen, weiße Schaumkronen sind in Sicht. Die Buckelwale spielen wieder verrückt. Überall sehen wir Blas, Gischt und Schwanzflossen. Wale schwimmen im Familienverband, gerne schließen sich die Mütter mit ihren Kälbern zusammen. Wahrscheinlich sind es die Jungtiere, die hier herumspringen. Die Halbstarken toben sich aus. Wind von vorne, der eigentlich so gar nicht angesagt war. Schnellfahren ist vorbei, wir schaffen nur noch knapp 3 Knoten. Blöde Stampferei, die Wellen bremsen uns aus. Kann ja nicht immer so gut laufen wie gestern. Abbrechen oder weiter ? Es sind nur 12 Seemeilen bis zu unserem Ziel, den warmen Quellen von Baranof. Da kämpfen wir uns durch. Walkabout stolpert durch die Chatham Strait. Später wird die Geschwindigkeit etwas besser, weil der Gegenwind nachlässt. Nach knapp 4 Stunden erreichen wir den Steg von Warm Springs Bay. Eigentlich hatten wir uns dagegen entschieden, denn das Festmachen kostet 30,- € pro Nacht. Aber Ankerplätze sind rar. Zwei Boote ankern bereits in einem kleinen Becken vor dem Wasserfall. Es ist für unseren Geschmack zu eng, und der Untergrund ist felsig. Mehrere Seitenarme mit gutem Haltegrund kommen für die Nacht in Frage, aber die sind zu weit entfernt vom Ort und den Quellen. Ohne motorisiertes Dingi und bei viel Wind würden wir da nicht wegkommen. Auch nicht optimal. Andere nehmen uns die Entscheidung ab. Wir werden angefunkt und freundlich zu einer freien Stelle gelotst. Die Walkabout hat eine Länge von 38′ Fuß, der Käpt’n manövriert uns längsseits in eine Lücke von 50′ Fuß. Knapp genug, aber passt genau. Es sind einige helfende Hände am Steg, die unsere Leinen annehmen. Nun ist es eben so, wir müssen für eine Nacht bezahlen.

Dafür ist der Ort wirklich einzigartig. Die Frontseite wird von einem tosenden Wasserfall beherrscht, so breit, wie wir ihn in Alaska noch nicht gesehen haben. Ein Nachbar leiht uns seinen langen Schlauch, so können wir ganz mühelos unseren Wassertank bis zum Anschlag mit eiskaltem Quellwasser füllen. Besser als erwartet, und schon ist eine Baustelle erledigt.

Von der Steganlage aus führt eine Brücke zur Dorfstraße. Das ist ein Bretterweg, wie wir ähnlich schon in Elfin Cove oder Pelican gesehen haben. Einige kleine Ferienhäuser, die nur sporadisch im Sommer besetzt sind, stehen auf Stelzen oder sind über steile Holztreppen zu erreichen. Auf einem Schild lesen wir „Öffentliches Badehaus“. Wir staunen über mehrere abschließbare Kabinen. Darin stehen Badewannen, die über einen Schlauch laufend mit fließend heißem Schwefelwasser gespeist werden. Öffentlich und kostenlos, die Instandhaltung ist ein Service der Dorfgemeinschaft. Spenden werden natürlich gerne angenommen. Offene Fenster mit Blick auf den Wasserfall, aber uns gefällt es trotzdem nicht. Kein Vergleich mit den White Sulfur Springs. Nein, hier drin möchten wir nicht in die Wanne.

Wir suchen die natürlichen Hot Springs, wo wir in freier Natur im Schwefelwasser baden können. Ehrlich gesagt hatten wir es uns einfacher vorgestellt, den Weg zu finden. Wir folgen zunächst der „Hauptstraße“, einem Boardwalk mit festem Geländer. Weiter geht es über einfache Holzbretter, die führen bis zu einem See. Feiner Kiesstrand, spiegelglattes Wasser. Bizarrer Nebel hängt zwischen den Hügeln am anderen Ufer. In den Bäumen hängen ein paar Boote und Kanus zur Aufbewahrung. Aber die heißen Quellen sind hier am Strand eindeutig nicht.

Wir laufen ein Stück zurück und probieren eine schmale Spur bergauf. So erreichen wir den vermutlich höchsten Punkt und bekommen schöne Aussicht auf den See. Aber keine Thermalquellen. Querfeldein suchen wir weiter und landen auf Umwegen wieder am See. Okay, nochmal zurück …. Wie kann man in so einem kleinen Örtchen den Zugang zu den Thermalquellen nicht finden ?

Wir laufen gerne, und spannend ist es auch. Nächster Abzweiger : Ein Hinweisschild sagt, dass der Weg auf eigene Gefahr zu begehen ist. Über Stock und Stein, lose Bretter und Baumwurzeln führt uns dieser Pfad bis an den Rand des Wasserfalls. Und tatsächlich riecht es nach Schwefel. Auf drei verschiedenen Ebenen gibt es natürliche Becken mit heißem Wasser. Fast zu heiß, bitte nur ganz langsam eintauchen, um sich an die Temperatur zu gewöhnen. Waschen findet außerhalb statt, man kann sich ein paar Stufen tiefer mit temperiertem Wasser ( einem Gemisch aus Wasserfall und Therme ) abduschen. Ein unauffälliger Seitenweg führt zur „Changing Area“, das ist ein nicht einsehbares Separee mit Bank zum Umziehen. Ist ja niedlich. Wir sind die ganze Zeit alleine, da es schon spät am Nachmittag ist. Perfekt.  🙂

Vormittags machen wir einen letzten Spaziergang durch’s Dorf. Eigentlich denselben Weg wie gestern nochmal, mehr Abwechslung gibt es hier nicht. Alle Seitenwege sind Sackgassen, die nur zu den höhergelegenen Häuschen führen. Wir laufen noch einmal über die Bretterstege bis zum Strand am See und zurück. Beine vertreten, solange wir die Möglichkeit haben, denn auch das ist bald vorbei. Wir möchten am Mittag weiter, denn im Laufe des Tages soll der ( Gegen-)Wind abnehmen. Plötzlich fegen heftige Böen bis tief hinein in die Bucht. Sind das Williwaws von den umliegenden Bergen ? Das müssen wir abwarten. Die anderen Leute am Steg von Baranof Warm Springs sind durchweg Motorboote und Dauerlieger. Unsere Nachbarn wundern sich, weil wir trotzdem heute ablegen wollen. Es wird gesagt, dass sogar die Fischer hereinkommen, weil draußen so viel Welle steht. Das möchten wir mit eigenen Augen sehen. Erstmal los und gucken, wie es in der Chatham Strait aussieht. Unser Hintermann hilft, indem er uns mit einer langen Leine längsseits neben sein Boot zieht. Dann rückwärts weg vom Steg, einen engen Kreis im kleinen Hafen gedreht und raus.

Start um 14.30 Uhr mit knapp 3 Knoten.  Draußen sind zwar noch Wellen, aber nicht so schlimm wie erwartet, auf jeden Fall deutlich besser als gestern. Man sollte sich also selber vom Wetter überzeugen und ein Urteil bilden. Segeln mit einer kleinen Dufour in der Nordsee war eine sehr gute Ausbildung für uns. Lieben Gruß an die Ehemaligen von der Segelschule Norderney ! 🙂

Es herrscht unglaublich viel Verkehr im großen Kanal, ausschließlich Fischerboote und ein paar späte Kreuzfahrer. Gegen 17.00 Uhr biegen wir von der Chatham Street in den Frederic Sound ein. Wind und Wellen werden günstiger. Walkabout läuft zwischen 5,5 und 7 Knoten. Nichts zu meckern. Gut, dass wir uns nicht haben aufhalten lassen. Wenig Sonne in den letzten Tagen. Es ist kühl und während der Nachtwache sogar richtig kalt. Der Herbst naht. Wir haben uns dazu entschlossen, die Nacht durchzufahren. Ein größerer Einkauf wird immer dringender. Wir haben keine Kartoffeln mehr, keine Möhren, keine einzige Zwiebel, kein Obst, keine Milch, keine Eier …. In den nächsten 2-3 Tagen wird auch der Kaffee zu Ende sein, und dann wird es wirklich kritisch.

Stockfinster ist es. Küstennah und auf flachen Stellen sind einzelne Lichter zu sehen, allerdings zeigt das AIS keine Schiffe im näheren Umkreis an. Da wird anscheinend geangelt, es sind jedoch keine professionellen Fischer, denn die haben AIS. Ohne Radar müsste man sich hier die Augen ausgucken, um die kleinen Boote rechtzeitig zu erkennen. Unsere weitere Route führt entlang von Kupreanof Island. Ziel ist die Stadt Petersburg in 75 Seemeilen Entfernung.