Wir segeln und wandern durch die Welt

Elfin Cove und Soapstone Cove

Elfin Cove ist ein Fischerdorf an der Nordküste von Chichagof Island mit ungefähr 30 Einwohnern, die ganzjährig bleiben. Im Sommer wächst die Einwohnerzahl auf bis zu 200 Menschen. Die Saison ist Mitte August bereits zu Ende. Es ist erfreulich wenig los, nur ein paar Fischer nutzen die Gelegenheit zum Einkauf von Bier und Ansichtskarten. Dieser kleine Ort gefällt uns richtig gut. Herrlich idyllisch gelegen und ruhig. Wir werden überall freundlich gegrüßt. Es gibt einen kleinen Laden, ein Restaurant und sogar ein winziges Postamt. Die Häuser sind auf Bretterstegen gebaut. Statt Straßen führt ein Boardwalk durch und um das ganze Dorf. Ein wenig abseits der Häuser gibt es steile Felsen und dichten Wald.

Wir machen einen netten Spaziergang auf schmalem Pfad zwischen moosbewachsenen Bäumen. Auf dem Weg kriecht eine auffällige „Pacific Banana Slug“ – wegen ihrer gelben Farbe „Bananenschnecke“ genannt. Diese Art kommt nur an der Pazifikküste Nordamerikas vor. Ich könnte drauf verzichten. Nacktschnecken gehören nicht zu meinen Freunden, seit ich einmal im Zelt ein Exemplar unter meinem Schlafsack plattgedrückt habe.

Außer dem kleinen Lebensmittelgeschäft hat Elfin Cove sogar Dusche und Waschmaschine zu bieten. Das hatten wir hier gar nicht erwartet, wird aber gerne angenommen. Vor einem Laden hängt Second Hand Kleidung „for free“ – für umsonst. Außerdem kann man Schuhe, Haushaltsgegenstände und anderen Kram einfach mitnehmen. Entlang der Stege gibt es mehrere Schränke mit gebrauchten Büchern, ebenfalls kostenlos. Die Einwohner von Elfin Cove sind Fischer und ganz bestimmt nicht reich. So helfen die Dorfbewohner sich gegenseitig mit ihren abgelegten Sachen. Wenn das nicht nachhaltig ist ! 🙂

Direkt neben unserem Platz ist der Anleger für Wasser-Flugzeuge. Stark frequentiert, denn Elfin Cove ist nur auf dem Luft- oder Wasserweg zu erreichen. Mehrmals täglich starten und landen die kleinen Propeller-Maschinen und machen nur knapp neben der Walkabout ihre Leinen fest. Sie transportieren eine Handvoll Menschen, Koffer, Fischkisten und Kartons. Bei diesem Schauspiel sitzen wir in der ersten Reihe. Morgens um 6.00 Uhr kommt der erste Flieger, um diese Uhrzeit stört der Lärm ein bisschen. Aber wir wollen nicht meckern. Wir können den Steg kostenlos nutzen und bleiben gleich zwei Nächte. Für ein paar Stunden macht ein Fischerboot längsseits neben der Walkabout fest, dann sind wir wieder alleine.
Unseren Müll werden wir nicht los, der bleibt in der Backskiste. Auf einem Willkommens-Schild am Anlegesteg wird darum gebeten, dass man seinen Abfall an einem anderen Ort entsorgt, wo die Müllabfuhr einfacher ist. Macht Sinn, und natürlich halten wir uns daran.

Die Dieselleitung zum Tagestank ist verstopft, der Durchfluss ist nur noch sehr langsam. Thomas reinigt die Leitung und wechselt den Dieselfilter. Irgendwo ist ein neues Leck, unter der Einspritzpumpe tropft es. Der Motor verliert Diesel. Hoffentlich wird es nicht mehr. Der Preis für Diesel ist noch höher als beim letzten Tanken. Für 30 Gallonen Diesel zahlen wir 165,- Dollar. Alaska-Dorf-Preis. Leider alternativlos.
Auch unser Strom-Problem ist mit der neuen Batterie noch nicht gelöst. Die Solarpaneele bringen Strom satt, wenn die Sonne scheint. Motor oder Generator laden aber die Verbraucherbatterie nicht. Der Käpt’n muss noch einmal an die Batteriekiste gehen, um neu zu verkabeln. Erfolgreich. Die neue Starterbatterie ist eingebaut. Der Motor lädt jetzt die Verbraucherbatterie, so wie es sein soll.
Insgesamt ein sehr schöner Aufenthalt in Elfin Cove. Kleiner Einkauf, wir haben geduscht, die Wäsche ist sauber, das Bett frisch bezogen. Auf geht’s zum nächsten Ankerplatz auf Yakobi Island.

Wir sehen einen Buckelwal an backbord vor der Küste, ein großes Tier mit hohem Blas. Er taucht ein paar Mal auf, stößt seine Wasserfontäne in die Luft und verschwindet mit einem letzten Gruß seiner Schwanzflosse in der Tiefe. Kurze Zeit später hört man ein lautes Schnauben auf der anderen Seite. Da schwimmt ein Buckelwal nur etwa 20 Meter vom Boot entfernt. Vielleicht derselbe oder ein Artgenosse ? Thomas angelt und fängt einen Rockfisch. Zwei Seelöwen kommen vorbei, während wir auf mehr Beute hoffen. Ist ja schon witzig, aber die verjagen uns die Fische. Wir wechseln den Standort. Das lohnt sich. Innerhalb kürzester Zeit landen vier verschiedene Arten in unserer Schüssel. Somit haben wir zwei Rockfische, eine Scholle, einen Kelpgrünling und einen Lingcod zum Abendessen. Reichlich Fisch zum Sattessen.
Um 19.00 Uhr erreichen wir die Soapstone Cove auf Yakobi Island, einer unbewohnten Insel im Alexander-Archipel. Zwei Fischerboote liegen bereits dort. Wir ankern nahe dem Eingang auf 13 Meter Tiefe. Vom Wetter her ist nichts Schlimmes zu erwarten, und morgen können wir vielleicht etwas tiefer in die Bucht verholen.
Batterie-Ladung immer noch bei 13 Volt. Gut. 

Ein weiterer Fischer ist spät in der Nacht angekommen. Wir schlafen lange, und der erste Blick aus dem Niedergang zeigt, dass alle wieder weg sind. Wir haben die Soapstone Cove für uns alleine. Fast alleine. Alaska ist Natur pur und gehört den Tieren. Zunächst höre ich nur ein Schnauben in der Nähe. Ein Walross macht Morgensport und zieht seine Bahnen durch’s Wasser. Dann entdecken wir einen großen Buckelwal, vermutlich derselbe wie gestern. Er patroulliert am Eingang von einer Seite auf die andere und wieder zurück. Plötzlich gibt es einen Knall wie von einer Explosion. Erschrocken drehen wir uns in diese Richtung um und sehen gerade noch, wie der Wal sich in der Luft dreht und mit einem lauten „Platsch“ wieder nach unten fällt. Dabei umgibt ihn zu allen Seiten eine enorme Gischtwolke. Unglaublich ! Der Koloss ist gerade aus dem Wasser gesprungen. Wir hatten bereits unzählige Wal-Begegnungen in Patagonien und Alaska, aber so etwas haben wir noch nie gesehen, jedenfalls nicht von Walen.

Wir fahren ein Stück weiter in die Bucht hinein, damit der Weg zum Paddeln nicht zu weit ist. Dann starten wir auf eine Erkundungsfahrt mit dem Dingi. Wir möchten die Wassertiefe ausloten, um eventuell weiter durch den engen Schlauch und in einen Abzweiger zu fahren. Ein Baumstamm liegt quer im Wasser und macht die Durchfahrt noch enger. Das Hand-Echolot zeigt eindeutig zu wenig an, bei Niedrigwasser nur noch 1,30 Meter. Heide und Erich Wilts haben in diesem interessanten Seitenarm geankert, aber deren „Freydis“ hatte einen Schwenkkiel. Für uns mit der Walkabout unmöglich. No go !

Überall um uns herum springen die Lachse. Was für ein Schauspiel ! Silbrige Fische, die einen Meter hoch und bis zu zwei Meter durch die Luft fliegen. Genau darauf haben wir seit zwei Monaten gewartet. In diesem Jahr sind die Lachse sehr spät dran, wie uns sowohl Troy von Larsen Bay als auch Beth von Uyak Bay berichtet haben. 2024 ist ein schlechtes Jahr für die professionellen Fischer.


Bärenkacke und große Fußabdrücke am Ufer. Die müssen sich hier ja pudelwohl fühlen. Wahrscheinlich beobachten sie uns, aber wir sehen keinen einzigen Bären. Weißkopfseeadler leben in den Bäumen. Dicht über uns fliegen ausgewachsene Vögel mit enormer Spannweite. Wir sehen auch einige halbwüchsige Adler, die aufgrund ihrer Größe fast nicht von den Eltern zu unterscheiden sind, nur am braun-weißen Gefieder erkennbar. Einige besonders schöne Federn finden später irgendwie den Weg auf die Walkabout. Diese Bucht ist ein Paradies für Bären und Seeadler. Fressen satt. Der Bach wimmelt von Lachsen. In dichten Trauben versammeln sie sich und versuchen, den Bach stromaufwärts zu schwimmen. Im Wasser sind die Schwärme als dunkle Schatten zu erkennen. Lachse kehren zum Laichen an ihren Geburtsort zurück. Sie erkennen das Wasser ihres Heimatflusses und schwimmen dann Tausende von Kilometern den Fluss hinauf. Am Ende dieser „Laichwanderungen“ legen die Weibchen ihre Eier ab, und die Männchen befruchten diese. Der Pazifische Lachs stirbt nach dem Laichen, da die Wanderung für die Tiere sehr anstrengend ist. Das Ufer ist gepflastert mit toten Lachsen. Es gibt ältere Karkasse, die bis auf die Gräten abgefressen sind. Die müssen aus der Zeit stammen, als die Lachse gerade erst angekommen sind und die Bären noch richtig hungrig waren. Zur Zeit herrscht allerdings so ein Überfluss, dass die Bären nur noch naschen. Unzählige Fische liegen angeknabbert am Rand und sogar im angrenzenden Wald. Es scheint, als ob die Bären nur noch die Leckerchen fressen und den Rest des toten Lachses achtlos liegenlassen. Meistens fehlen die Augen. Besonders der Unterleib ist oft aufgerissen, wahrscheinlich wegen der Rogen.

Für uns ist das eine beruhigende Beobachtung. Die Tiere sind ganz bestimmt nicht hungrig und deswegen weniger agressiv. Warum sollten die Bären uns angreifen, wenn sie pappsatt sind ?
Eigentlich wollten wir vom Dingi aus angeln, aber hier kann man die Fische tatsächlich mit den Händen fangen. Es gibt so viele Flachstellen, an denen sich die Lachse sammeln und Mühe haben, durch den Bach weiter nach oben zu schwimmen. Manche landen bei ihren Bemühungen auf dem Kies neben dem Ufer und verenden dort. Thomas stapft mit Gummistiefeln ins seichte Wasser und muss nur zugreifen. Schon haben wir drei dicke Lachse zum Abendessen.

In der Soapstone Cove soll es Überreste eines geheimen Flottenstützpunktes aus dem Zweiten Weltkrieg geben. Landgang an mehreren Stellen, wir suchen so etwas wie einen Weg. Zwischendurch immer wieder ins Dingi und neuer Versuch an einem anderen Ufer. Wir folgen schmalen Pfaden bergauf, die wahrscheinlich eher von Wasser oder vom Wild stammen. Drei Stunden sind wir unterwegs, dann treibt uns der Hunger heim. Auf dem Rückweg zum Dingi entdecken wir einen markanten Stein, einen Betonsockel mit Eisenring, der anscheinend von Menschenhand aufgestellt wurde. Das ist ein Zeichen – endlich verläuft die Suche erfolgversprechend. Dort liegt eine Schüssel im Moos, ein völlig eingewachsenes Bettgestell, eine rostige Tonne ….. Wir sind auf der richtigen Spur. Kurz darauf finden wir einen Pfad, der uns zu den Ruinen führt. Nicht spektakulär, die Relikte aus den Zweiten Weltkrieg sind beinahe komplett zugewachsen und bemoost. Kein Wunder, dass davon nichts zu sehen war, außer man steht direkt davor. Alles ist perfekt in den Wald integriert. Man könnte auch sagen : Die Natur holt sich ihr Gebiet zurück.

Beim letzten Rundgang an Deck bietet unser Wal noch einmal das ganz große Kino. Er springt mit lautem Getöse aus dem Wasser, dreht eine Pirouette, und verschwindet dann wieder in der Tiefe. Nur seine Gischtwolke, Ringe im Wasser und die Wellen bleiben zurück. Manchmal glauben wir, dass wir in einem Film sind. 🙂

Der nächste Morgen beginnt mit einer weiteren Schwimm-Vorstellung. Das schnaubende Walross dreht seine Runden. Für uns geht es noch einmal an Land. Gestern haben wir einen vermeintlichen Weg gesehen, den wir noch nicht gegangen sind. Heute möchten wir dieser Fährte folgen. Den Spuren am Ufer und den angefressenen Lachsen nach muss es hier sehr viele Bären geben. Wahrscheinlich liegen die Bären schon vollgefressen in der Ecke, wenn wir kommen. Gesehen haben wir bisher keinen. Dafür aber viele frisch angeknabberte Fische, so als ob wir Meister Petz beim Frühstück gestört haben. Ein großer Lachs sieht aus, als wäre er gerade erst fallengelassen worden. Er lebt noch, ist aber deutlich angezählt und treibt nur noch hilflos im Wasser herum. Thomas versetzt ihm mit seinem Messer den Gnadenstoß. Dieser Fisch trägt deutliche Spuren von Bärenkrallen an der Seite, und ein Auge fehlt bereits. Wir legen ihn an die Seite, um ihn später mitzunehmen.

Durch Moos und verrottende Baumstämme suchen wir uns einen Weg nach oben, aber auch dieser Pfad  verliert sich auf halber Höhe und endet im Nirgendwo. Anscheinend sind das nur Tierspuren, Menschen laufen hier nicht. Macht keinen Sinn. Dazu kommt noch die Gefahr, dass wir nicht sauber zurückfinden. Es sieht alles gleich aus. Dickicht, grün-bemooste Bäume, entweder aufrecht oder zum Drüberklettern, auf und nieder an rutschigen Hängen. Wir kehren um, suchen uns ein Inselchen zwischen den verschiedenen Bachläufen und beobachten von dort das rege Treiben der Lachse. Beim Rückweg ist das Wasser aufgelaufen und inzwischen so hoch angestiegen, dass wir nicht mehr trockenen Fußes zurück zum Dingi kommen. Entweder wir warten jetzt drei Stunden oder gehen barfuß durch’s eiskalte Wasser. Letzteres. Ich ziehe zwei Paar Socken und meine lange Hose aus, schlüpfe barfuß in die Gummistiefel. Thomas zieht seine Stiefel aus, krempelt die Hose hoch ( wird trotzdem nass ) und watet auf Socken in Richtung Dingi.


Plötzlich hält er inne, weil er einen dunklen Pelz hinter der Kurve sieht. Genau da, wo unser Dingi am Strand liegt. In einer Hand trägt er die Gummistiefel, und in der anderen hält er unser Abendessen. Na, toll. Der Rucksack ist bei mir, und damit auch Bär-Spray, Fackeln etc. – Haben wir also kurz vor Beendigung unserer Tour doch noch einen Bären gesehen. Hoffentlich macht Meister Petz sich nicht an unserem Beiboot zu schaffen.
Zurück auf der Walkabout kippe ich meine Gummistiefel aus, die halbvoll gelaufen sind. Fenster zu, Ofen an, Kaffee, Mittagessen.

Nachmittags Nieselregen. Keine Motivation, noch einmal rauszugehen, nachdem die Füße endlich wieder warm geworden sind. Ich backe Körnerbrot und Kuchen, Thomas arbeitet am PC. Draußen ist viel Wind, hier in der Bucht kommt nur ein bisschen Schwell an. Um uns herum haben sich vier Fischerboote mit ihren Auslegern sortiert. Einer kommt unangenehm nahe, der liegt nur etwa 2 Schiffslängen entfernt. Das ist uns nicht ganz geheuer, aber die werden schon wissen, was sie tun.

Montag herrscht durchweg grauer Himmel und Regen. Die Fischer sind wieder alle weg. Nebel, der zum Mittag immer dichter wird. Zwei Abenteuer-Tage in der Soapstone Cove sind genug, auch der Wind spricht für Weiterfahren. Wir möchten weiter den Spuren von Heide und Erich Wilts folgen. Ziel ist Pelican, ein weiteres Fischerdorf auf Stelzen. Anker auf um 11.30 Uhr, aber wir tuckern nur bis zum Eingang der Bucht, wo das Angeln so erfolgreich war. Ergebnis : 1 Kelpgrünling und 1 kleiner Rockfisch. Wir haben zwei Tage hintereinander Lachs gegessen, jetzt wird es Zeit für etwas Abwechslung. 😉 Unser Moby Dick ist auch wieder da. Er taucht ca. 20 Meter backbord neben dem Boot auf, quert direkt vor unserem Bug und schwimmt dann in Richtung Küste. Im selben Moment zeigt sich ein dunkler Buckel und eine Flosse nahe hinter unserem Heck. Es wohnen also zwei Wale in der Soapstone Cove.
Gute Fahrt durch das Lisianski Inlet, anscheinend haben wir es mit der Tide richtig getroffen. Ein weiterer Angelstopp von 5 Minuten bringt uns noch einen Rockfisch. Damit haben wir genug für ein schönes Abendessen.