Wir segeln und wandern durch die Welt

Geographic Harbor

Es ist 4.30 Uhr in der Frühe. Komisches Geräusch an Deck. Zum ersten Mal seit über 2 Wochen regnet es. Wir drehen uns noch einmal in der Koje um und starten erst um 8.00 Uhr. Reicht auch. Um 9.00 Uhr hat Thomas den ersten Heilbutt an der Angel. Es folgen zwei Schollen und ein weiterer Heilbutt, damit haben wir genug für unsere nächste Mahlzeit.
Beim Setzen des Großsegels stellen wir fest, dass die dritte Reffleine falsch eingebunden ist. Passiert auch nicht zum ersten Mal. Irgendwas ist immer, aber das ist jetzt nicht so wichtig, können wir später korrigieren. Schlechte Sicht – um 13.00 Uhr schalte ich das Radar an, weil die kleinen Fischer und Flitze-Boote ohne AIS unterwegs sind. Der Wind kommt mit 4-5 Bft. aus Süd-Ost. Angesagt war Süd-West, das hätten wir besser gebrauchen können. Ungemütlicher Am-Wind-Kurs.

Nerviges Cook Inlet – aber nicht so schlimm wie Ende Oktober. Letztes Jahr haben wir sehr schlechte Erfahrungen gemacht und daraus gelernt. Wir brauchen etliche Stunden, um von der anscheinend magnetischen Augustine Insel und dem Cape Douglas frei zu kommen. Mit Motor-Unterstützung und viel Geduld halten wir gegen, bis wir es endlich nur noch mit der Strömung aus der Shelikof Strait zu tun haben. Angenehmer Wind, ruhiges Wasser. Ganz ohne Mühe läuft die Walkabout zwischen 5 und 7 Knoten auf Kurs. Morgens früh kommt ein Reff ins Groß, am späten Nachmittag wird die Genau verkleinert. Der Wind legt zu. Für die letzten Seemeilen bergen wir das Groß und sind immer noch schnell genug. Die Shelikof Strait meint es diesmal gut mit uns. 🙂

Für den engen und gewundenen Weg in die Amalik Bay brauchen wir geschlagene 2 Stunden. An der letzten Engstelle nehme ich das Gas weg, damit Thomas einen Angelversuch unternehmen kann. Es dauert keine 5 Minuten, dann biegt sich die Angel gefährlich durch. Der Käpt’n ruft um Hilfe, er braucht den Gaffelhaken. Selbst mit vier Armen und Händen wird es ein harter Kampf, bis wir den Burschen an Bord gehoben haben. Ein kapitaler Heilbutt von 90 Zentimeter Länge, 9 Kilo schwer. Ich nenne es „Monster-Fisch“. Damit ist wohl klar, was wir in den nächsten Tagen essen werden. Heilbutt zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. 😉


Viel Wind in der Ankerbucht. Die tief mit Schnee bedeckten Gipfel der Aleuten Range liegen im Norden. Fallwinde von den hohen Bergen pfeifen uns um die Ohren. Wasserfälle bahnen sich ihren Weg nach unten. In unserer auserwählten Bucht liegt bereits eine große Motoryacht. Platz genug, wir möchten sowieso näher an den Flutsaum. Unser Ankermanöver müssen wir wiederholen, da wir sofort ins Flache treiben. Da scheint ein Sandhügel unter Wasser zu sein. Beim nächsten Anlauf fällt der Anker auf 12 Meter, 60 Meter Kette dazu. Feierabend um 19.00 Uhr. Im Geographic Harbor möchten wir ein paar Tage bleiben und hoffen auf Bären-Sichtungen. 150 Seemeilen weiter von Seldovia, wir sind zufrieden.

12 Stunden guter Schlaf, damit haben wir die Nachtschicht wieder kompensiert. Morgens früh ist ablaufendes Wasser, und ein schmaler Küstenstreifen rings um die Bucht wird frei. Beim ersten Blick nach draußen sehen wir einen Grizzly-Bären, der am Strand spazieren geht. Geographic Harbor ist bekannt für seine Bärendichte, dafür sind wir hier.

Das Wetter ist bedeckt und windig, nicht besonders einladend für einen Landgang. Der Ofen bullert vor sich hin und gibt behagliche Wärme ab. Zeit zum Backen, gesundes Körnerbrot aus eigener Herstellung hatten wir schon lange nicht mehr. Eine Plastikschraube am Ruder der Windsteuerung ist gebrochen. Wir müssen mit irgendetwas Hartem kollidiert sein, ohne dass wir es gemerkt haben. Hier treiben genug Baumstämme im Wasser herum. Es ist nun auch schon das zweite Mal auf den letzten 400 Seemeilen. All die Jahre seit 2011 ist nichts passiert, so dass wir sogar noch die Ersatzschraube von unserer ersten Windpilot hatten. Nicht schlimm. Eine Soll-Bruchstelle ist dafür da, dass sie bricht, damit kein größerer Schaden entsteht. Diese Kleinigkeit ist schnell behoben.

Gegen Mittag bekommen wir Besuch. Drei Kayaks und ein Beiboot nähern sich. Es sind die Leute von der Motoryacht „Deo Juvante“. Keine Chartergäste, sondern belgische Segler auf dem eigenen Boot. Das ist Thierry mit seinen drei halbwüchsigen Kindern, und sie sind seit 2019 weltweit unterwegs. Gerade wollten wir unsere Einkochgläser hervorholen, nun können wir uns diese Arbeit sparen, denn wir haben Abnehmer für einen Teil unseres Heilbutts. Eine halbe Stunde später bekommen wir unsere Tupperschüssel zurück. Darin liegt ein ordentliches Stück Lachs als Geschenk. Außerdem werden wir spontan zum Abendessen auf die Deo Juvante eingeladen. Auch die Crew der „Woodoo“ ist dabei, die sind am Nachmittag in die Bucht gerauscht und ankern ganz in der Nähe. Drei Amerikaner auf einer schicken Segelyacht, die mehr als doppelt so lang ist wie unsere Walkabout. Es wird eine bunte und interessante Runde, auch wenn so Dinge wie „heiße Dusche“ und „Waschmaschine an Bord“ nicht ganz unsere Liga sind. Immerhin haben wir uns ein paar Liter Süßwasser auf dem Ofen erwärmt, mit kaltem Salzwasser gemischt und vor dem Dinner draußen im Cockpit geduscht. 😉

Am nächsten Morgen lassen wir unser Dingi ins Wasser und erkunden paddelnd die nähere Umgebung. Diesmal haben wir einige wichtige Dinge im Gepäck : Bär-Spray, Fackeln, Leuchtkugeln, Fernglas, Funkgerät, Hand-Echolot, Gummistiefel. Angeln müssen wir nicht, denn es gibt Heilbutt zum Frühstück, später den geschenkten Lachs als Hauptmahlzeit. Immer noch viel zu viel Fisch, wir müssen doch ein paar Gläser einkochen.


Seeotter schwimmen auf dem Rücken vorbei. Ein Seehund tummelt sich im Wasser, größer und dicker als die uns aus der Heimat bekannten. Er streckt den Kopf aus dem Wasser und beäugt uns neugierig. Eine Bucht weiter landen wir am Strand und laufen bei Niedrigwasser der Küste entlang. Im Schlick sind Abdrücke von riesigen Bärentatzen. Nur 4-5 Meter über uns sitzt ein Seeadler in seinem Nest. Kopf und Hals sind auffällig weiß und nicht zu übersehen.

Auf der anderen Seite beobachten wir durch’s Fernglas einen stattlichen Grizzly-Bären, der offensichtlich auf Nahrungssuche ist. Die Lachse sind noch nicht da. Dann erst wird das Spektakel mit den Bären richtig losgehen.
Beim letzten Blick am Abend aus dem Cockpit entdecken wir einen mageren Grizzly, der aussieht wie Fozzie Bär aus der Muppet Show. Er ist kleiner und schlanker als die beiden vorigen, etwas zerrupft, und hat rot-braunes Fell. Auch dieser geht ganz gemütlich am Strand spazieren.

Für das kommende Wochenende ist viel Wind angesagt, bis zu 7 Beaufort plus die sporadisch auftretenden Fallwinde. Wir werden mal die nächstgelegene kleinere Bucht auschecken, ob wir dort vielleicht geschützter liegen können. Die anderen beiden Boote sind weg, wir möchten aber gerne noch länger bleiben. Anker auf und einmal um die Ecke. Mehrere Seeotter spielen miteinander, 5 oder 6 Köpfe gucken aus dem Wasser. An Land ist ein brauner Fleck im grünen Gras, der sich bewegt. Schon wieder ein einsamer Grizzly. Hübsches Tier, am Kopf und an den Beinen ist das Fell fast schwarz. Die Suche nach einem neuen Ankerplatz gestaltet sich schwierig. Entweder liegt die Wassertiefe bei 30 bis 35 Metern, oder sie fällt schlagartig ab. 20 Meter, 10 Meter, dann plötzlich nur noch 1,60 Meter. Es kratzt unter unserem Kiel. Das Echolot spinnt nicht, wir haben Grundberührung. Kommen sofort wieder frei und tuckern langsam weiter. Einmal setzen wir uns kurz fest. Nicht schlimm, ist nur Sandboden und auflaufende Tide. Wir trinken erstmal Kaffee, bis das Wasser wiederkommt. Danach fahren wir noch eine weitere kleine Bucht ab, sehr eng und von steilen Wänden umgeben. Das sieht auch nicht entspannt aus für die Nacht. An einem Stück Strand läuft ein zweiter Bär. Wir beschließen, wieder zu unserem alten Ankerplatz zu fahren.

Möchten uns noch ein bisschen die Beine vertreten, deswegen paddeln wir mit dem Dingi ans Ufer. Diesmal laufen wir in die andere Richtung, queren mehrere kleine Süßwasser-Ströme, die von den Wasserfällen gespeist werden. Alles wartet auf die Lachse. Unser Strand ist beinahe zu Ende, als wir einen Bären auf uns zukommen sehen. Ein deutlich größerer Grizzly folgt ihm in einigem Abstand und ist anscheinend ziemlich aufgeregt. Normalerweise sind Bären Einzelgänger, aber jetzt ist Paarungszeit. Das vordere Tier ist kleiner und magerer, sieht aus wie unser Fozzie von gestern. Wir vermuten, dieses ist ein Weibchen, und der kräftigere Verfolger ein Männchen. Auf jeden Fall sind die auf dem Weg zu uns und kommen immer näher. Weiter können wir nicht ausweichen, dort ist zunächst ein Wasserlauf und dahinter eine steile Wand. Der Strand ist zu Ende, wir befinden uns in einer Sackgasse und wollten eigentlich gerade umdrehen. Nun schauen wir gebannt auf die Grizzly Bären und überlegen, was zu tun ist. Thomas hat die Fackel herausgeholt, ich halte das bereits entsicherte Bär-Spray in der Hand. Der einzige Fluchtweg ( eventuell ) wäre ins dichte Gebüsch und einen Hang hinauf. Obwohl …. Wer weiß, wie viele da im Dickicht lauern ? Hoffentlich sind wir nicht interessant. Anscheinend nicht. In etwa 100 Meter Entfernung drehen die Tiere ab. Fozzie Bär  ( Weibchen ? ) und der kräftige Meister Petz ( Männchen ?) verschwinden im Dickicht. Glück gehabt ! Näher muss man denen nicht kommen. Erleichtert treten wir den Rückweg an. 

Zurück an Bord hält Thomas nur kurz die Angel über die Reling. Innerhalb von 5 Minuten hat er 2 dicke Fische an der Angel. Schon wieder Heilbutt. Unglaublich, wie die beißen ! Eigentlich wollte ich zur Abwechslung heute Nudeln kochen, jetzt gibt es doch wieder Kartoffeln und gebratenen Fisch. Frischer geht es nicht.
Beim Zähneputzen und einem letzten Kontroll-Blick draußen haben wir schon wieder Bären-Kino. Ein mächtiger Grizzly schlendert am schmalen Ufersaum rings um die Bucht. Viel Platz ist da nicht kurz vor Hochwasser, nur etwa einen Meter steinige Böschung zwischen Wasser und dichtem Bewuchs. Da möchte man nicht im Gegenverkehr unterwegs sein.
8 Grizzly-Bären in 3 Tagen gesehen, heute alleine 5 Stück, das ist mehr als erwartet.

Nachts wird es windig, aber wir liegen sehr gut mit 65 Meter Ankerkette. Ausschlafen, Kaffee, Planung der kommenden Route, Aufräumen der Werkstatt. Den ganzen Tag bleibt es grau mit Nieselregen. Der Ofen läuft. Kein Tag vergeht ohne Bären. Thomas möchte kurz vor dem Schlafengehen noch ein bisschen angeln. Dabei sieht er einen Grizzly am Uferrand laufen. Schnell springen wir ins Beiboot und paddeln durch die Bucht. Ein Seehund streckt seinen Kopf aus dem Wasser und schaut neugierig zu uns herüber. Zwischendurch verlieren wir die Sicht auf unser Ziel-Objekt, aber wir hören den Bären ganz in der Nähe schnaufen und Äste brechen. Dann taucht er wieder auf, und aus etwa 10 Meter Distanz können wir mit dem Handy einige Fotos und Videos machen. Das Licht ist leider schlecht, weil es ein bedeckter regnerischer Tag und schon nach 22.00 Uhr ist. Im Dingi fühlen wir uns relativ sicher.  Der Grizzly beachtet uns gar nicht. Er ist auf Nahrungssuche, fischt in den Bächen herum und frisst erstaunlicherweise sehr viel Gras. Nach einer knappen Stunde tritt er den Rückzug an, indem er durch die Bäume einen Hang hinauf klettert. Wir sehen nur die Baumwipfel wackeln und hören das Knacken im Unterholz. Erstaunlich, wie sicher und schnell sich dieses massige Tier bewegt. Inzwischen ist es empfindlich kalt geworden. Die Moskitos werden zum Abend aktiv und haben mich zerstochen. Aber trotzdem ein wahnsinniges Erlebnis, so nahe dran zu sein. Die Natur in Alaska ist einfach fantastisch. 🙂

4 Kommentare zu “Geographic Harbor

  1. Thomas Bogdain

    Toll, dass Ihr wieder unterwegs seid . wie immer super geschrieben und sehr unterhaltsam. Ich glaube in diese Ecke sollten wir auch mal. Viele Grüsse aus den Kanaren und Euch eine sichere Reise und tolle Erlebnisse,
    Thomas und Christine
    SY Noe

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Dankeschön.
      Kanaren …. Da hätten wir uns ja BEINAHE getroffen. Bis letztes Jahr im Mai waren wir dort.
      Die Gegend hier ist der Hammer ! Wunderschön, wenn man Zeit hat und die richtigen Monate mit einigermaßen gutem Wetter.

      Euch auch alles Gute und viel Spaß bei Allem, was ihr tut. Ich schaue hin und wieder in euren Blog.
      Herzliche Grüße von der Walkabout
      Thomas und Frauke

  2. Brigitte Wagner

    Wir freuen uns, wieder von euch zu hören und eure tollen und interessanten Berichte zu lesen. Danke

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Ihr Lieben, danke auch an euch.
      Es war sehr schön, eure Reise mit der Wohnmobil zu verfolgen.
      Auf ein glückliches Wiedersehen im Winter !
      Thomas und Frauke