Wir segeln und wandern durch die Welt

Start AT !Georgia ab 13.04.2012

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Im Hiker-Hostel bei Leigh und Josh steigen wir die letzte Nacht vor dem Beginn unseres Trails ab. Super Service mit Abholung in Atlanta Marta-Station, 4-er Zimmer, lecker deftigem Fruehstueck und Bringservice zum Startpunkt. Mit im Hostel sind Ruth und Wally aus Maine, die „nach Hause“ wandern wollen und Just Jim, der bereits zum 6. Mal auf den Trail geht und so schon insgesamt ueber 1000 Meilen gelaufen ist. Wir registrieren uns im Visitor-Center als Nummer 869 und 870 der Thru-Hiker. Und da wir nichts verpassen wollen, starten wir nicht am offiziellen Startpunkt Springer Mountain, sondern laufen gleich zu Beginn  8,5 Meilen zusaetzlich.

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Wir wollen die Amicola-Wasserfaelle sehen und starten mit dem sogenannten Approach-Trail. Am 1. Tag unserer Weitwanderung laufen wir 9 Meilen in sechs Stunden, das sind immerhin 14,4 Kilometer, meistens bergauf bis zum Gipfel des Springer Mountain. In dieser Nacht zelten wir direkt hinter dem Gipfel und schlafen satte 14 Stunden lang tief und fest. Ein bisschen peinlich am Abend zuvor : Wir haben zum ersten Mal unser neues Tarptent aufgebaut und standen dort mit der Bedienungsanleitung in der Hand, was einen anderen Hiker spotten liess. Und mit dem neuen Wasserfilter waren wir auch noch nicht vertraut. Den Gebrauch musste uns Bruce erklaeren, der schon zum 3. Mal auf dem Appalachian Trail ist. Er ist nur mit einem kleinen Buendel unterwegs, welches er sich um die Hueften schnallt, was ihm den Trailnamen „Funny Pack“ eingebracht hat. Er trinkt das Wasser, ohne es zu filtern, weil er viele Jahre in den Waeldern gelebt hat und dieses gewoehnt ist. Seine Mutter ist zur Zeit mit seinem kleinen Bruder auf einem anderen Abschnitt des Trails unterwegs. Ein sehr interessanter Mensch, den wir von nun an noch oft treffen werden. Am Zugang zu unserem Zeltplatz hat ein Parkranger sein Lager aufgeschlagen, um Statistik zu fuehren und die Hiker ueber die aktuelle Situation auf dem Trail zu informieren. Es gibt zum Beispiel die Verpflichtung, zwischen Jarrard Gap und Neels Gap sein Essen in sog. Baerencontainern aufzubewahren. Wer keinen solchen besitzt, so wie wir, muss dieses Gebiet zuegig an einem Tag durchlaufen und darf dort nicht uebernachten. Der Parkranger John schenkt uns eine Schachtel „Leave no trace“-Streichhoelzer und erzaehlt uns, dass er seinen Standort im September nach Maine verlegt. Ob wir ihn da wohl am Ende unseres Spaziergangs wiedertreffen ?  John feiert an dem Tag seinen Geburtstag im Wald und hat gerade Besuch von einer Freundin. Diese gibt uns auch gleich ihre Adresse und Telefon-Nummer aus Virginia. Wir sollen anrufen, wenn wir in der Naehe sind und ein Treffen mit ihr ausmachen. Am Nachmittag treffen wir John noch einmal auf einem anderen Teil des Trails wieder, wo er uns einen leckeren, frischen Apfel schenkt. Das finde ich besonders erstaunlich, weil ich mir gerade auf dem Weg dorthin einen Apfel gewuenscht habe.

Schon am 2. Tag haben wir ein schoenes Erlebnis : Wir machen Bekanntschaft mit zwei jungen Maedchen, Rachel und Chelsey, die uns auf dem Trail ansprechen. Sie sind sehr interessiert und sehr christlich. Sie wollen fuer unsere Gesundheit beten. Kann ja nicht schaden ! Ist das bereits „Trail Magic“ ?

Wir lernen einen aelteren Mann kennen, Louis aus Lousianna. Er ist den AT bereits vor 39 Jahren einmal komplett gelaufen. Nun testet er vier Wochen lang und schaut, ob er es im naechsten Jahr zum 40-jaehrigen Jubilaeum noch einmal schaffen kann. Wirklich interessante Menschen lernt man hier kennen, und fast jeder hat eine besondere Geschichte.

Unser 2. Camp schlagen wir am Cooper Gap auf, weil wir keinen Tropfen Wasser mehr haben und dort irgendwo eine Quelle sein soll. Wir sind an diesem tag 11,6 Meilen in 7 Stunden gelaufen, das sind 18 Kilometer. Ich habe eine Blase am Zeh des linken Fusses. Waehrend wir gerade Wasser vom Bach geholt haben und ueberlegen, ob wir noch kochen sollen, haelt ein dickes Auto an der Strasse. Die Trail-Angel Pat und Stan verteilen Wasserflaschen, Schoko-Kekse, Erdnussbutter-Snacks und Muesli-Riegel an die Hiker.

Wir starten am naechsten Morgen um 8.00 Uhr und sind nach 6 Stunden beim Woody Gap, wo wir Bruce und spaeter auch Just Jim wiedertreffen. Eine ordentliche Toilette und ein neuer Fall von Trail Magic erfreuen uns : Es gibt Kekse, Chips, Wasser und Limonade. Alles serviert auf einem Felsen, mit einem Zettel darunter “ Enjoy it – Runbum „. Bis hierhin sind wir 9,3 Meilen gelaufen und koennten eigentlich Feierabend machen. Aber das nahe Dorf mit Einkaufsmoeglichkeit reizt uns. So trampen wir nach Suches, wo wir an einer Tankstelle Kaffee, Schnitzel- und Haehnchen-Nuggetts bekommen. Eine schoene Abwechslung, mal von der offenen Ladeflaeche des Gelaendewagens etwas von der Landschaft zu sehen. Zurueck muessen wir laufen, wodurch zu unserer Tagesetappe nochmal 2 Meilen draufzurechnen sind. Big Cedar Mountain hinter Woody Gap wird unser bisher bester Zeltplatz mit Super-Aussicht auf die gruenen Huegel und umliegenden Gipfel.

Am 4. Tag bekommen wir den ersten Regen. Wir muessen auf den Blood Mountain mit 4461 Fuss Hoehe, was aber kein Problem darstellt. Wir lernen Pacman und Balou kennen, die eine wahnsinnig schwere Ausruestung mit sich herumschleppen. Balou hat alles verkauft und aufgegeben, um eine Reportage ueber den Appalachian Trail zu machen. Den ganzen Tag ueber laufen wir im Nebel und machen schon nach 6 Stunden in ziemlich wildem Gelaende Feierabend in Neels Gap. Dort gibt es einen guten Outfitter, Kaffee, Cheeseburger, Waschmaschinen, warme Duschen und einen grossen Schlafsaal. Wir uebernachten also in diesem sog. Bunk mit 16 Personen, ausser mir nur noch eine Frau, sonst alles Maenner. Die Nacht war nicht so prickelnd, unter freiem Himmel schlaeft es sich besser. Wir sind an diesem 4. Tag 9,6 Meilen bei wenig Schmerzen gelaufen. Just Jim, Pacman und Balou sind auch da. Ausserdem lernen wir im Neels Gap Bunk Pat und Arius kennen. Wir bekommen die Heimatanschrift und Telefonnummer von Arius, weil wir ja sonst niemanden haben, der sich in den USA um uns kuemmert. Im Notfall oder wenn es um das Versenden von Post geht, sollen wir uns an seine Frau wenden. Ist ja wirklich nett. Ausserdem bekommen wir noch einen guten Tipp “ The first step at 7 „, an den wir uns natuerlich nicht halten werden  und eine Schuhberatung, die ich dann spaeter auch ignorieren werde. Es gibt ein Super-Fruehstueck beim :Piraten“: Blaubeerpfannkuchen mit Butter und Marmelade, dazu reichlich Kaffee. Dieses alles gegen „Donation“-Spende, damit dieser Service auch den zukuenftigen Hikern erhalten bleben kann. Meine guten, alten Wanderschuhe, die mich bereits zweimal auf den Teide und zweimal ueber den Jungfrauenweg auf El Hierro gebracht haben, bekommen einen Ehrenplatz. Sie werden vor dem Outfitter zu vielen anderen Paaren ausgedienter Schuhe in einen hohen Baum geworfen. Ich kaufe mir leichtere Trekkingschuhe in Groesse 42 und weiche Pluesch-Ueberzuege fuer die Trageriemen meines Rucksackes.

Am 5. Tag legen wir 10,8 Meilen in 6,5 Stunden zurueck. Wir laufen bis zur Low Gap Shelter, wo wegen Ueberfuellung geschlossen ist. Fast die gesamte Gruppe aus unserem Neels Gap-Schlafsaal ist wieder da. Wir schaffen es gerade noch, unser Zelt aufzubauen und alles hineinzuwerfen, als es heftig zu regnen beginnt. Dann Hagel, langanhaltendes Gewitter mit Blitz und Donner, ergiebiger Regen, der die ganze Nacht anhaelt. Unser Leichtgewicht-Zelt erweist sich als nicht so optimal : Es spritzt an den Seiten hinein, und es tropft von oben. Morgens sind alle unsere Klamotten und unsere Rucksaecke feucht, meine Jacke und leider auch die Schlafsaecke sind floddernass.

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Am naechsten Tag laufen wir 9,4 Meilen in 5 Stunden bis nach Helen. Wir werden vom Parkplatz aus von Day-Hiker John bis ins Dorf mitgenommen und finden ein schoenes Zimmer im Riverbend-Motel. Dort koennen wir alle Sachen waschen und trocknen, duschen und den Luxus von Kaffeemaschine und Fernseher geniessen. Die Schlafsaecke haben wir im Trockner einer Waescherei zum Glueck auch wieder hingekriegt. Unser Zelt wurde im nahen Fluss gewaschen, zum Abtropfen ueber der Badewanne aufgehaengt und spaeter zum Trocknen im Zimmer aufgebaut. Abends geht es zum Chinesen “ All you can eat“ fuer wenig Geld. Bryan, Just Jim, Pat und Piet sind auch hier im Dorf. Bis Helen sind wir laut unserem Data-Book 60 Meilen plus einige Meilen auf der Strasse gelaufen, das sind insgesamt knapp 100 Kilometer an 6 Tagen. Wir sind sehr zufrieden fuer den Anfang. Im Postamt von Helen machen wir Bekanntschaft mit Angie, die in der Dokumentation ueber den Appalachian Trail zu sehen war. Waehrend wir noch ueberlegen, wir wir am Besten ueberfluessige Dinge nach Deutschland versenden koennen, erwartet uns wieder eine Ueberraschung : Ein aelterer Mann schenkt uns eine Tuete mit Zimtgebaeck und 5 Dollar, einfach nur so. Er hat uns auf der Strasse mit unseren schweren Rucksaecken und den Walking-Stoecken laufen sehen und wollte uns eine Freude machen. Frueher war er als Section-Hiker auch auf dem Trail und erzaehlt uns, wann und wo er  damals gelaufen ist. Dann verschwindet er einfach wieder, ohne dass er seinen Namen genannt hat. Vor dem Postamt spricht uns dann ein junger Mann an, von wegen „woher“ und „wohin“. Auf die Frage, ob es einen Bus zurueck zum Trail gibt, bietet er an, uns mit seinem Wagen dorthin zu fahren. Das sind immerhin 10 Meilen, er macht das einfach nur so, um uns zu helfen. Die Freundlichkeit und Unterstuetzung der Menschen fuer uns Thru-Hiker ist wirklich enorm ! Jonathan heisst unser netter Fahrer, durch den wir dann schon um 12 Uhr mittags ab Unicoi Gap weiterlaufen koennen.

Am 7. Tag schaffen wir in leichtem Gelaende 11,6 Meilen in sechs Stunden. Unser naechster Zeltplatz liegt bei Addis Gap, wo sich bereits ein Teil der Neels Gap-Gruppe eingerichtet hat. In der Nacht dichter Nebel und Regen. Es tropft wieder ins Zelt, aber diesmal nicht ganz so schlimm wie beim ersten Mal, weil wir das Zelt besser verspannt haben. Morgens machen wir Fruehstueckspause mit Ostfriesentee und Cornflakes in der Deep Gap Shelter, wo wir trocken sitzen koennen. Ab Mittag klart das Wetter auf, und die Sonne kommt heraus.

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