Wir segeln und wandern durch die Welt

Kalinin Bay

Schrecken am Morgen : Es kommt kein Kühlwasser. Der Käpt’n muss sich erst einmal um den Motor kümmern. Er kennt sein Baby ziemlich gut und findet die Ursache sofort. Die provisorische Reparatur aus der Nordwest-Passage ( eine von mehreren ) hat uns eingeholt.
Die Schraube, die den Kamm in der Impellerpumpe hält, hat sich wieder gelöst. Das dünne Gewinde im Kamm ist ausgeleiert, und die lose Schraube hat ordentlich geleckt. Unsere Motorbilge ist mit ca. 30 Liter Dreckwasser gefüllt, das abgepumpt und entsorgt werden muss.

Wir möchten die Walkabout tiefer hinein in die Bucht verholen, damit wir geschützter ankern, wenn der Wind zunimmt. Eine Barre ist im Weg, wo es eine flache Stelle gibt, die zur Niedrigwasser-Zeit mit nur 2,10 Metern angegeben ist. Außerdem liegt laut elektronischer Seekarte ein Felsen in der Mitte. Bei Tageslicht und guter Sicht sollte die kritische Stelle gut auszumachen sein. Im Dunkeln unmöglich, aber mit Ausguck am Bug ist die Passage durch die flache Barre lächerlich einfach. In der Navigations-App gibt es dazu viele Worte und Kommentare um nichts.
Die Lachse sind auch hier aktiv. Ringsherum springen die silbernen Fische und bieten uns eine grandiose Vorstellung.

Von der Kalinin Bay gibt es einen Trail bis zur Sea Lion Cove. Schon wieder Nieselregen, aber wir gehen trotzdem los. Der Weg führt zunächst am Ufer entlang, nass und matschig, wie zu erwarten war. Man könnte hier tagaus und tagein mit Gummistiefeln laufen, wenn das nicht so rutschig wäre. Tatsächlich finden wir ein Zeichen, welches zwar kaputt am Boden liegt, aber ganz eindeutig den Anfang des Trails markiert. Es geht zunächst bergauf in den Wald, dann vorbei an einem See. Im Sand am Ufer sind Bären-Spuren und Hufabdrücke vom Sitka-Hirsch. Wir sind ziemlich begeistert. Das ist wirklich ein schöner Trail, obwohl man im Internet nachlesen kann, dass er seit 2015 aus Kostengründen nicht weiter unterhalten und gepflegt wird.

Für uns ist das weit besser als die letzten Versuche. Man findet einen Weg, der irgendwo hinführen wird. Wir klettern über Baumwurzeln und patschen knöcheltief durch Matsch. Holzbohlen und Bretter lassen keinen Zweifel aufkommen, wo es lang geht. Allerdings ist das Zeug, was ja eigentlich den Weg erleichtern soll, total glatt von der Nässe. Wir brauchen zwei Stunden allein für den Hinweg. Angeblich sollen es nur fünf Kilometer sein. Daran sieht man, wie langsam und vorsichtig wir uns bewegen müssen. Hinfallen und sich die Knochen brechen wäre sehr ungünstig, deswegen laufen wir ein bisschen wie auf Eiern.

Am Ende des Trails erwartet uns ein langer Strand mit weißem Sand und sehr viel angeschwemmten Bäumen. Die Sea Lion Cove liegt an der Außenseite zum Pazifik. Richtige Wellen schlagen an den Strand. Da gibt es eine Feuerstelle, Tisch und Hocker sowie weitere Zeichen menschlichen Lebens. Sehr viel Plastikmüll wurde zusammengetragen und auf einem Haufen gesammelt. Gute Idee. Wir machen mit und heben auf, was wir an Plastikflaschen etc. am Ufer finden. Hoffentlich wird das Zeug irgendwann abgeholt. Wegen unseres ausgelaufenen Kühlwassers brauchen wir einige Kanister und finden sie auf der Plastik-Müllhalde. Trifft sich gut. Insgesamt 8 große Wasserflaschen, heile und mit Deckel, nehmen wir mit und tragen sie über den Trail.

Auf dem Rückweg verlaufen wir uns. Zu sicher waren wir, haben uns unterhalten und schlichtweg nicht aufgepasst. Zunächst kommen uns einige Abschnitte komisch vor, etwa ein mehrere Meter langer Baum, über den man balancieren muss. Haben wir das auf dem Hinweg gemacht ? Diese Ebene vor uns, durchweg grün vom Moos, an die können wir uns gar nicht erinnern. Diese Wiese mit von der Nässe plattgelegten Halmen, auch die kommt uns sehr fremd vor. Natürlich sieht auf dem Rückweg immer alles ganz anders aus als auf dem Hinweg, aber wir sind jetzt ins Zweifeln geraten. Da steht ein Baum, in dem ein Fender hängt. Der war uns vorhin schon aufgefallen – rechts vom Weg. Und nun laufen wir dran vorbei und haben den Fender wieder auf der rechten Seite. Irgendetwas kann da nicht stimmen. Wie dumm – wir sind im Kreis gelaufen. Da müssen wir nun nicht lange drüber nachdenken oder diskutieren. Dieser Fender im Baum macht es ganz deutlich, den gibt es nur einmal entlang des Trails. Kehrtwendung, wir marschieren zurück. Fragt sich nur, wo der Fehler passiert ist ….. ? Da wächst ein auffälliger Pilz, an dem wir nun schon zum dritten Mal vorbeilaufen. Danach ein Bach, den wir zum dritten Mal überqueren. Und eine steile Ketterpartie, die wir bereits zweimal gemacht haben, nun also noch einmal. Konzentriert nehmen wir jedes Zeichen zur Kenntnis und passen diesmal sehr gut auf. Schließlich stehen wir an einer unübersichtlichen Stelle, an der ein alter Trail abzweigt. Das ist des Rätsels Lösung. Es gibt eine neue Wegführung, aber die alte Spur ist noch so gut erkennbar, dass wir dem alten Pfad gefolgt sind, der uns in die Irre geführt hat.

Das Hochwasser macht den Rückweg zum Dingi äußerst schwierig. Der sumpfige Weg ist überschwemmt und gar nicht mehr zu erkennen. Wir müssen durch, zunächst nur knöcheltief, aber trotzdem ist es kalt. In regelmäßigen Abständen gibt es tiefe Rinnen an den Stellen, wo Bäche in die Bucht fließen. Dort reicht uns das Wasser bis zum Oberschenkel. Die Hosen sind inzwischen auch nass, obwohl sie ganz hochgekrempelt waren.
Plötzlich hält Thomas inne und zeigt mit dem Finger voraus. Ein Bär plantscht im seichten Wasser. Zwischendurch bleibt er stehen und schüttelt seinen schwarzen Pelz wie ein nasser Hund. Groß und zottelig ist das Tier. Wir beobachten einen Grizzly beim Badevergnügen. Lange Zeit bemerkt er uns gar nicht, so dass wir etwas näher heranschleichen können. Leider kein Foto. Es regnet mittlerweile in Strömen, das Handy ist wasserdicht im Rucksack weggepackt. Der Bär fängt einen Lachs und beschäftigt sich eine Weile damit. Dann hat er anscheinend Witterung aufgenommen, uns entweder gehört oder gesehen. Er verschwindet aus dem Wasser in Richtung Waldrand. Wir müssen da vorbei, wenn wir zum Dingi wollen. Ich trage das Bär-Spray entsichert in der Hand, die Fackel habe ich Thomas gegeben.
Da sitzen zwei Grizzly-Bären hinter einem Baum und beobachten uns. Zwei Augenpaare starren uns an, und die sind nur etwa 10 Meter entfernt. Das ist viel zu nahe zum Wohlfühlen. Wir machen laute Geräusche, aber anscheinend sind die Beiden taub, auf jeden Fall beeindruckt es sie überhaupt nicht. Erstaunlich. Es passt gar nicht zu dem, was wir gelernt haben. Aber ein Grizzly hat keine Angst. Einer der Bären knurrt. Das hört sich nicht besonders freundlich an. Eher wie eine Drohung. Schon verstanden, wir sollen aus ihrem Revier verschwinden. Unheimlich. Wir müssen trotzdem dran vorbei. Also weiter. Die gesamte Uferzone steht inzwischen unter Wasser. Vorsichtig tasten wir weiter. Bloß nicht komplett hineinfallen. Und immer mal wieder ein Blick über die Schulter, ob die Bären uns folgen. Aber das ist ja Quatsch. Warum sollten sie ?

Der Rückweg dauert ganze drei Stunden, wovon wir die letzte Stunde durch’s eiskalte Wasser stapfen müssen. Reicht für heute. Zum Lachse-Fangen haben wir keine Lust mehr, Spaghetti sind auch lecker.
Zwei Fischerboote haben sich wegen des drohenden Schlechtwetters ebenfalls in die innere Bucht verkrochen. Dann muss wirklich etwas Böses im Anzug sein.

Aus dem angesagten Starkwind entwickelt sich ein richtiger Sturm. So viel Beaufort hatten wir diesen Sommer in Alaska noch nicht. Walkabout schaukelt und legt sich auf die Seite, obwohl wir uns tief in die Kalinin Bay verzogen haben. Eigentlich sollte der Wind zum Morgen hin abflauen, aber er hält sich beständig den ganzen nächsten Tag. Hausarrest an Bord. Gute Gelegenheit für den Käpt’n, die Motorbilge zu leeren. Kanister haben wir ja gestern vom Strand mitgenommen, die erfüllen nun ihren Zweck. Einmal müssen wir sowieso noch in die Marina einer größeren Stadt zum Tanken und Ausklarieren. Da können wir die Flaschen mit dem Dreckwasser ordnungsgemäß entsorgen. An Schlechtwetter-Tagen wird natürlich frisches Brot und Kuchen gebacken. Es kommt keine Langeweile auf.
Am Abend lässt der Wind nach. Die Fischerboote verlassen uns. Thomas macht eine Paddeltour, natürlich mit dem Hintergedanken „Fisch zum Abendessen“. Nach einer Stunde kommt er mit zwei schönen Lachsen nach Hause. Er hat keine Bären gesehen, aber dafür zwei Rehe.

Am nächsten Morgen ist alles wieder friedlich. In unserer Bucht liegt ein kleines Kreuzfahrt-Schiff. Die „Liseron“ ist ein Motorboot von 45 Meter Länge. Ein Mann grüßt zu uns hinüber, anscheinend der Wachhabende, der an Bord bleiben musste. Die Passagiere sind offensichtlich an Land. Ob die wohl gerade den Trail zur Sea Lion Cove laufen ? Das ist ja eine Horror-Vorstellung für uns. Wir auf diesem einsamen Pfad in der Wildnis unterwegs in dem Glauben, dass wir ganz alleine sind ….. Und dann kommt uns eine geführte Wanderung mit 50 Personen entgegen. 😉
Der Anker will den Grund nicht loslassen. Wir hatten wirklich sehr viel Wind, viel Druck auf der Kette und einen guten Haltegrund. Als der Anker uns endlich freigibt, da hängt er voll mit schwarzem Schlick.

Die Ausfahrt aus der Kalinin Bay ist super einfach, das würden wir jetzt auch im Dunkeln machen. Leichter Regen, aber es besteht noch Hoffnung auf ein paar Stunden Sonne.

Start um 11.15 Uhr bei Niedrigwasser. Wir fahren zunächst nur eine Meile bis zum Angelstopp. Innerhalb von 10 Minuten haben wir einen Lingcod an der Angel. Ich muss mit dem Gaffelhaken zu Hilfe kommen, um den dicken Brocken an Bord zu hieven. Damit ist das Angeln für heute und morgen erledigt. Dieser Fisch reicht auf jeden Fall wieder für zwei Tage. Vom kleinen Kruzof Island geht es nun weiter nach Baranof Island.