Wir segeln und wandern durch die Welt

Kodiak

Samstag tuckern wir bei ruhigen Bedingungen los und hoffen, dass unsere Einschätzung der Strömungsverhältnisse richtig ist. Sofort sehen wir kräftigen Blas in einiger Entfernung. Etwas später nähert sich ein Wal bis auf ca. 10 Meter neben dem Boot, dann ein anderer etwas weiter weg an backbord. Ein ganz großer schwimmt in Fahrtrichtung, weit voraus, aber mit bloßem Auge gut zu erkennen. Zählen wir jetzt also keine Bären und keinen Heilbutt mehr, denn mit dem Fernglas sind überall Wale zu entdecken.

Kodiak ist die zweitgrößte Insel der USA ( nach Hawaii ). Etwa 14.000 Menschen leben hier auf 9500 Quadratkilometern. Die Berge ragen bis zu einer Höhe von 1.350 Meter auf und tragen noch weiße Kappen aus Schnee.
Der Hauptort ist die gleichnamige Stadt Kodiak. Sie liegt im Nord-Osten der Insel und hat ca. 5600 Einwohnern. Von hier aus gibt es ein ausgebautes Straßensystem, allerdings ist es in jede Richtung begrenzt. Die mögliche Fahrtdauer beträgt zwischen 30 Minuten und 1 Stunde 15 Minuten, dann endet die Straße in der Wildnis. Der Rest ist nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen. Die anderen 6 Siedlungen liegen weit verstreut. Diese Dörfer haben eine Einwohnerzahl von max. 230 Personen. Larsen Bay und Port Lions haben wir bereits kennengelernt, da müssen wir wohl nicht noch mehr sehen. Lieber suchen wir uns einsame Ankerbuchten und genießen die Natur.
Im Südwesten nimmt das Kodiak National Wildlife Refuge rund zwei Drittel der Inselfläche ein. Die Insel ist Heimat von mehr als 3500 Kodiakbären. Diese Unterart des Braunbären gilt neben dem Eisbären als das größte an Land lebende Raubtier der Erde. Gesamtlänge von bis zu 3 Metern, die schwersten Exemplare erreichen mit Winterspeck ein Gesamtgewicht von bis zu 1000 Kilo.


Anscheinend zur richtigen Zeit gestartet, denn wir kommen mit 4 – 6 Knoten Fahrt gut durch. Lediglich durch die Ouzinkie Narrows bei Spruce Island haben wir eine Weile zu kämpfen. Starke Gegenströmung zwischen den Inseln, links und rechts ragen steile Felswände auf. Es ist wirklich wenig Platz, aber die Walkabout will aus dem Ruder laufen. Irgendwelche Unterströmungen oder Wasserwirbel machen das Steuern schwierig. Da hilft nur Vollgas. Zum Glück ist die Strecke nicht lang, und danach wird der Kanal breiter.
Ab dem späten Nachmittag spüren wir den Atem des Pazifiks. Eine langgezogene Dünung hebt und senkt das Boot, wir wir es schon lange nicht mehr gespürt haben. Wir fahren geradewegs nach Osten, das ergibt eine ungewohnte Bewegung. Die Walkabout nickt vor und zurück anstatt seitwärts zu schaukeln.

Sehr viel Holz und Kelp treibt im Wasser. Ganze Baumstämme kommen uns entgegen. Einmal klopft es dumpf unter dem Kiel. Da haben wir wohl etwas getroffen. Achteraus schwimmt ein halber Stamm auf, den haben wir überhaupt nicht gesehen.
Wir sehen zu beiden Seiten grüne Hügel entlang der Küste. Viel Wald. Auf jedem Inselchen gibt es dichten Baumbestand, überwiegend Fichten. Sehr schön für’s Auge. Alaska im Sommer ist völlig anders, gar nicht zu vergleichen mit unseren Eindrücken vom letzten Jahr Oktober.

Eine Brücke überspannt den schmalen Wasserweg zwischen City-Hafen und Near Island. Hoch genug für unseren Mast, trotzdem ist es immer ein mulmiges Gefühl. Die Fahrrinne ist eng und flach. Schwer zu durchschauen, wo wir den Anker ausbringen können. Niemand ankert hier.
Über Funk erfahren wir, dass für uns ein Liegeplatz im City-Hafen frei ist. Der Preis ist heiß : 30,- € pro Nacht am Steg. Da haben wir in anderen Hafen der USA schon wesentlich mehr gezahlt. Hört sich gut an, das machen wir zumindestens für diese Nacht.
Ankunft im St. Paul Harbor gegen 19.30 Uhr. Anscheinend lagen wir doch nicht ganz daneben mit unseren Überlegungen. Knapp 30 Seemeilen in 7 Stunden. Da kann man nicht meckern, das ist doch okay. Seit einer gefühlten Ewigkeit haben wir nicht mehr in einer Marina am Steg festgemacht. Wie geht das auch noch ? Und wo sind überhaupt die Leinen ?  😉
War so gar nicht geplant, es stresst mich gerade ein bisschen. Thomas übernimmt die Pinne und steuert auf die Einfahrt zu. Seelöwen brüllen auf einer Sandbank. Box 34 A soll unsere werden, die Reihenfolge der Stege beginnt mit „H“. Der Käpt’n fährt ganz gelassen durch den engen Schlauch, bis das Bassin bei „D“ endet. Hier in diesem Teil der Marina sind wir offensichtlich falsch. Dann müssen wir wohl auf die andere Seite des Fahrwassers, deswegen also hat der Hafenmeister „town-side“ gesagt. Es gibt einen schmalen Durchlass, rote und grüne Markierung auf der Mauer. Sollte man da durch ? Eine Überprüfung bei Navionics sagt : 2,70 Meter. Okay. Im Hafenbecken gegenüber finden wir die Reihe „A“ auf Anhieb. Warum nicht gleich so ? Anlegen ist gar kein Problem. Meine Aufregung war umsonst, denn wir sind immer noch ein eingespieltes Team. 🙂

Sehr netter Empfang durch den Hafenmeister. Wir fühlen uns herzlich willkommen. 🙂 Die Sanitäranlagen sind geschlossen. Wir können unseren Wassertank per Schlauch auffüllen, das kostet nichts extra. Es gibt große Mülltonnen. Seit unserem Start von Homer hat sich Einiges angesammelt. Auch eine gute Gelegenheit, unser 10 Liter Diesel-Öl-Gemisch aus der Motorbilge ordnungsgemäß zu entsorgen. Außerdem liegt die Marina ganz nahe zur Stadt. Viel bequemer geht’s doch nicht.
„Deo Juvante“ haben wir gerade verpasst.  Thierry und Kids haben den Hafen kurz vor unserer Ankunft verlassen.
Andy, ein Nachbar von unserem Steg, hat sein Alu-Schiff komplett selber gebaut. Tolle Arbeit. Er bringt uns mit seinem Auto zum Walmart. So ist der erste Einkauf seit 4 Wochen schnell erledigt. Anschließend laufen wir 5 Kilometer zu Fuß mit schwerem Gepäck zurück zum Boot.

Seit der Winterpause in Homer sprang unser Motor schlecht an. Thomas nutzt den ruhigen Platz am Steg und kann das Problem lösen. Die Einspritzpumpe hat ein Leck gehabt.
Eine weitere Baustelle sind meine Zähne. Vor über einer Woche ist mir ein Stück vom Provisorium abgebrochen. Habe eine Praxis in der Nähe gefunden, Montag werde ich ohne Termin untersucht. 4 Seiten Fragebogen müssen vorher ausgefüllt werden. Ich kann alle Fragen mit „nein“ beantworten – dann muss ich wohl gesund sein. Reparieren kann der Zahnarzt die Sache nicht so einfach, also muss es warten bis November. Das Gute : Ich muss nichts bezahlen. Ein nettes Lächeln zum Abschied und „Enjoy your Trip !“ 🙂

Die Russisch-Orthodoxe Kathedrale, gegründet 1794, ist ein historisches Gebäude und in beeindruckend gutem Zustand. Ihre Holzbretter sind strahlend weiß gestrichen, die blauen Zwiebeltürme mit ihren goldenen Kreuzen leuchten weithin. Tag und Nacht brennt eine Lampe im Inneren. Gleich um die Ecke gibt es eine weitere Russisch-Orthodoxe Kirche, die Außenansicht mit dunkelbraunem Holz, ebenfalls hübsch mit blauen Zwiebeltürmen und goldenen Kreuzen drauf.


Auf der anderen Seite des Hafens steht ein Denkmal für die Opfer des Karfreitags-Beben, das 1964 den Prince William Sound erschütterte und 128 Todesopfer forderte. Es war das bisher stärkste Erdbeben in der Geschichte der USA mit einer Stärke von 9,2 auf der Richterskala.
Eigentlich hätten wir gerne das Aluutiq Museum besucht, welches die Geschichte der Ureinwohner Alaskas dokumentiert. Leider ist es geschlossen. Große Baustelle, und es sieht nicht so aus, als ob in absehbarer Zeit wieder geöffnet wird.

Schlechtwetter, hartnäckiger Regen den ganzen Tag. Der Käpt’n sucht sich Beschäftigung an Bord und bastelt ein Anschluss-Stück an den Tagestank, damit der Diesel-Rücklauf vom Motor zurück besser funktioniert.
Andy kommt am Nachmittag zum Kaffee. Bei dieser Gelegenheit bieten wir ihm unsere alte Aries Windsteueranlage zum Kauf an. Wir fahren sie nur unnötig spazieren, seit wir auf die Windpilot von Peter Förthmann umgerüstet haben. Eine Nacht zum Überlegen und einen Vormittag riesige Kramerei, bis wir alles Zubehör gefunden haben. Damals auf La Palma hat Thomas die Ersatzteile und Windfahnen sehr gut weggepackt, weil sie nicht mehr gebraucht wurden. 😉 Andy freut sich, auf so eine Gelegenheit hat er schon länger gewartet. Er will seine neue Steuerhilfe „Frauke“ nennen. 🙂 Für 350- € Dollar wechselt das schwere Teil seinen Besitzer. Thomas ist froh, dass die Aries an einen Menschen geht, der sie zu schätzen weiß. Alle sind zufrieden, eine klassische Win-Win-Situation. Zum Abschied bekommen wir noch zwei Pakete selbst geräucherten Lachs geschenkt. Sehr lecker.
Zwei Boxen weiter liegt ein Fischer, der uns spektakuläre Fotos auf seinem Handy zeigt. Ein Oktopus mit mehr als einem Meter Körper-Durchmesser hatte sich an sein Boot geklammert und ist an der Bordwand hochgeklettert. Ein Pazifischer Riesenkrake mit roter Färbung und ellenlangen Fangarmen. Das ist gleich nebenan hier im Hafen am Liegeplatz passiert. Ich finde den Gedanken etwas unheimlich, dass so ein Meeres-Ungeheuer sich an Bord der Walkabout schleicht, wo wir doch immer die Tür zum Niedergang offen haben. Thomas erzählt dem Fischer vom Sturm bei der Hagemeister Insel und unserer Passage durch die Bering See Im Oktober.
Daraufhin meint dieser, wir könnten glatt Krabbenfischer in Alaska sein. Wir nehmen das mal als Kompliment.

Nach 3 Nächten am Steg möchten wir weiter. Das Wetter ist schlecht. Fieser Regen, der laut Prognose noch tagelang anhalten soll. Viel Wind soll es außerdem geben. Wir möchten bald hinüber zur Kenai Halbinsel, dafür weht es für uns aus der falschen Richtung. Wir wollen aber nicht noch länger in der Marina festhängen und Liegegebühr bezahlen. Regen und Sturm können wir auch gemütlich in einer einsamen Ankerbucht abwarten.
Am letzten Tag gönnen wir uns noch eine schöne Dusche. Schlüssel gibt es beim Hafenmeister, kostet 6,- Dollar pro Person für 10 Minuten heißes Wasser. Wir genießen den Luxus. 🙂