In Kodiak hat es sich richtig eingeregnet, da hält uns nichts mehr. Motor springt sofort an, unser alter BUKH hört sich an, wie es sein soll. Der Tagestank wird jetzt schneller voll, weil kein Diesel mehr zurückläuft.
Beide Operationen sind gelungen ! 🙂
Das auflaufende Wasser fließt in der Chiniak Bay nach Nord-Osten, unser Ziel Long Island liegt im Osten von Kodiak. Dichter Nebel, das Radar läuft. Wir sind mit auflaufendem Wasser gestartet, denn die Einfahrt zur Ankerbucht ist sehr flach. Das Echolot tackert runter bis auf 2,70 Meter. Eine Stunde vor Hochwasser erreichen wir Long Island, bei Niedrigwasser wäre das unmöglich. Ein schwarzer Felsen thront als Hindernis in der Mitte, dann sind wir drin. Walkabout liegt alleine und total geschützt in der Mitte.


Das Ufer ringsum sieht vielversprechend aus, da kann man ganz bestimmt wandern. Die Insel ist 5,6 Kilometer lang und unbewohnt. Unser Landgang zeigt einige Trampelpfade und sogar zugewachsene Fahrspuren. Der erste Eindruck ist grün und sehr feucht. Boden und der größte Teil der Bäume sind mit dichtem Moos bewachsen. Auf der einen Seite des Wäldchens hört man das monotone Geräusch einer Whistle-Tonne, auf der anderen Seite der schmalen Landzunge schlägt die Brandung an die Klippen. Das ablaufende Wasser gibt mehrere Kiesstrände frei. Treibholz, Kelp und Milliarden von Fliegen am Flutsaum, erfreulicherweise kein Müll. Die Menschen in Alaska scheinen umweltbewusster zu sein als die Bewohner in Grönland und der kanadischen Arktis.



Wir entdecken eine Röhre aus rostigem Wellblech, deren Öffnung hat etwa 2 Meter im Durchmesser. Man kann offensichtlich hineingehen, das Ganze sieht stabil aus, ist allerdings stockdunkel im Inneren. Zwei Handy-Taschenlampen geben gerade genug Licht, dass wir uns vorsichtig hineintasten können. Der Tunnel misst 20 Meter in der Länge und hat einen betonierten Boden. Wir vermuten, dass hier vor langer Zeit irgendwelche Sachen gelagert wurden. Etwas später stoßen wir auf einen massiven Bunker aus Beton, auch der ist gut erhalten und begehbar. Des Weiteren finden wir Überreste von Hütten und Lagerhallen, Schießscharten sowie mehrere Standorte von Flak-Geschützen. Während des Zweiten Weltkrieges war das Kodiak vorgelagerte Long Island eine strategisch wichtige Militärbasis.






Am nächsten Tag herrscht sehr feuchte Luft, dichter Nebel und Nieselregen. Nachmittags fällt uns die Decke auf den Kopf, wir müssen raus. Beim zweiten Gang über einen noch unbekannten Teil der Insel sehen wir einige Rehe und schimpfende Austernfischer. Am Strand liegen Quallen in verschiedenen Formen und Farben, Seesterne und bizarre Muschel-Gebilde. Wir fühlen uns fast wie zu Hause.




Am Strand gibt es einen Lagerplatz mit Feuerstelle. Jemand hat ein Stück Fleisch am Spieß gegrillt. Ein zum Trocknen aufgespanntes Fell gibt uns Rätsel auf. Was ist das bzw. war das ? Kaninchen ? Die dunklen Streifen sind eher untypisch. Die Antwort von Google Lens auf unsere Fotos : Kojote.



Nahe einer Bucht, die bei Niedrigwasser trockenfällt, stolpern wir in die Überreste einer alten Steg-Anlage. Wir hatten uns schon gewundert, wie das ganze Zeug damals im Krieg nach Long Island transportiert wurde. Klar – per Schiff, und eine Militärbasis erfordert natürlich auch Anlegemöglichkeiten und Strom. Die Stege und Stromkästen liegen seit Jahrzehnten zum Verrotten auf der Wiese.

Am dritten Tag bekommen wir Besuch. Während unseres Spaziergangs am Strand sehen wir ein Segelboot mit Kurs auf Long Island. Die kommen wirklich näher, das ist ja spannend. „Muktuk“ aus Österreich. Von denen haben wir bereits viel gehört, aber sie noch nie persönlich getroffen. Die Muktuk lässt den Anker schon kurz hinter der Einfahrt fallen. Die Walkabout liegt viel geschützter ganz am Ende der hinteren Bucht. Das Großsegel der Muktuk steht immer noch im 1. Reff. Wir wundern uns. Thomas hat das Hand-Funkgerät dabei und ruft die Neu-Ankömmlinge an. Sogleich bekommen wir die Erklärung: Ein Riss im Segel, es muss genäht werden.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag setzt der angesagte Starkwind ein und bringt viel Regen mit. Gestern Wäsche gewaschen und draußen aufgehängt, heute holen wir die Sachen rein und spannen Leinen im Salon. Der Computer muss aufgeräumt werden. Wir beschäftigen uns mit Navionics zur Planung unserer weiteren Route. Am Nachmittag gibt es Tee und frischen Möhrenkuchen. Was man eben so macht an Schlechtwetter-Tagen, wenn man nicht von Bord kommt.


Für Samstag haben wir den Wecker gestellt. Selbst bei Hochwasser zeigt unser Echolot in der engen Ausfahrt nur 3 Meter. Habe gerade die Scheiben vom Deckshaus innen und außen geputzt, aber die Sicht ist gleich Null, man erkennt das Ufer nicht. Radar, Plotter und Echolot sind gleichzeitig zu beobachten. Ohne diese drei elektronischen Geräte würden wir den Weg nicht finden. Der Wind ist weg, aber draußen steht noch immer eine fiese Welle. Pazifik-Dünung. Thomas nimmt schon nach einer Stunde die erste Tablette gegen Seekrankheit. Nach zwei Stunden bin ich dran. Habe nur ein bisschen Klappern im Salon beseitigt und ein paar rollende Dosen im Schapp stillgelegt, da wird mir auch übel.
War eigentlich klar. Bislang hatten wir eher ruhige Verhältnisse und sind geschützt gefahren. Direkt nach Starkwind-Tagen auf See ist nicht so prickelnd, aber wir wollen den angesagten „guten“ Wind nutzen, der uns rüber zur Kenai-Halbinsel bringen soll. Der kommt später als gewünscht. Zunächst langsames Segeln zwischen 3 und 4 Knoten bei dichtem Nebel und Nieselregen. Wellen von allen Seiten, außerdem zu wenig Wind, um den Druck im Segel zu halten. Nachts um 2.00 Uhr dreht der Wind plötzlich auf die andere Seite und faucht mit 8 Beaufort aus West. Ich habe frei, liege in der Koje und höre Thomas vorne an Deck herumturnen.
Das 1. Reff ins Groß, wenig später kommt das 2. Reff, die Genua wird immer weiter verkleinert. Unten hört es sich an wie Sturm. Der Wind pfeift in der Takelage, die Mastrutscher klappern, die Fock wummert. Eine Stunde Schlaf, mehr geht nicht. Auch in meiner Wache geht es nicht gemütlich zu. Ein Tanker von 184 Metern Länge raubt mir den letzten Nerv, weil er 2 Stunden lang Kurs auf die Walkabout hält und auf gar nichts reagiert. Ich fühle mich ziemlich unwohl, lasse das AIS nicht aus den Augen und gebe zum Schluss ordentlich Schub per Motor, damit wir aus seinem Dunstkreis verschwinden. Der Koloss passiert 0,7 Seemeilen hinter unserem Heck. Einige Kreuzfahrer sind hier unterwegs. Die Küste Alaskas ist sehr beliebt für organisierte Touren. In der Ferne leuchtet das Harding Icefield. Das ist ein 780 km² großes Inlandeis-Gebiet in den Kenai Mountains, welches mehr als 30 Gletscher speist.

Kräftiger Wind und kabbelige Wellen am Vormittag. Es pendelt sich auf 5-6 Beaufort von achtern ein, damit können wir wunderbar durch den McCarty Fjord in die Nuka Bay segeln. Am Ende dieses Fjordes liegt der McCarty Gletscher, den wir uns morgen aus der Nähe ansehen möchten. Immer noch über 5 Knoten Fahrt nur mit einem Stück Genua, und das können wir bis kurz vor die Ankerbucht halten. Die Einfahrt zur Moonlight Bay ist klar und einfach. Dahinter geht es noch weiter in einen engen Schlauch. Diese kleine Bucht nennt sich Midnight Cove. Fantastische Kulisse ! Es ist wunderschön. Walkabout liegt in der Mitte eines kleinen Bassins und ist ringsherum von hohen Bergen umgeben, deren Gipfel mit Schnee bedeckt sind. Tiefgrüne Wälder an den Abhängen, Wasserfälle stürzen hinunter. Erstaunlich tief ist es überall. Wir ankern schließlich auf knapp 20 Metern mit 80 Meter Kette. Distanz 130 Seemeilen von Long Island. Wir freuen uns auf die kommenden Gletscher.

Regen und Nebel beim Aufwachen. Schon wieder. Schade. Der McCarty Gletscher wird gestrichen. Das wäre ein Weg von 35 Seemeilen hin und zurück zur Midnight Cove, für uns also praktisch eine Ganztages-Tour. Bei diesem Sauwetter und ohne Aussicht scheint uns das nicht besonders lohnenswert. Wir nehmen Kurs auf den McArturs Pass, von wo aus wir direkten Zugang zum Northwestern Fjord haben. An dessen Ende liegt der Northwestern Glacier, der ganz oben auf unserer Liste steht. Mal gucken, ob wir dort in der Nähe einen guten Ankerplatz finden. Dann wären wir morgen gleich am Start, falls das Wetter besser wird.
Nach einer Stunde kann der Käpt’n es nicht mehr abwarten, er hat sooo lange nicht geangelt. Pause, wir lassen uns treiben. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Ein dicker orange-farbener Fisch, etwa 70 Zentimeter lang, wird heute unseren Speiseplan bereichern. „Yelloweye Rockfish“ – wirklich sehr interessante Augen, wie der Name schon sagt. Gleich danach geht ein kleiner brauner Rockfish an die Angel. Beide haben die typischen Zacken auf der Rückenflosse, die an einen Drachen erinnern. Größe und Farbe können stark variieren. Alleine in unserem Angelheft für Alaska sind 11 verschiedene Rockfish-Arten abgebildet.



McArturs Pass ist so schmal und turbulent, dass wir an die Schlüsselstelle in der Bellot Strait denken müssen. Links und rechts Berge, dazwischen klafft nur eine kleine Lücke wie ein Tor. Wasserwirbel und kabbelige Wellen erwarten uns auf der anderen Seite. Mühsames Vorwärtskommen. Der Tag bleibt nass und grau. Wir fahren mit weniger als einer halben Seemeile Abstand zur Küste, aber erst am späten Nachmittag kann man mehr als nur die Konturen erkennen. Unzählige Wasserfälle stürzen die Berge hinunter ( vermutlich Schmelzwasser ). Da gibt es Höhlen im Fels oder vorgelagerte Steine, die wie Skulpturen aussehen.

Um 18.00 Uhr erreichen wir den Eingang zum Northwestern Fjord. Eine Barre riegelt diesen Fjord ab. Es sieht sehr flach aus. Wellen brechen, einige Sandbänke sind zu erahnen, dazwischen schauen Felsen heraus. Langsam tasten wir uns heran und fahren durch aufgewühltes Wasser. Thomas steuert, während ich vorne am Bug Ausschau halte. Die Wasserfarbe ändert sich, hinter der Barre ist es hellgrün. Schneefelder von den Bergen reichen bis zum Strand. Eis-Stücke kommen uns entgegen. Silbermöwen sitzen auf kleinen Eisschollen und lassen sich treiben.

Es ist bitterkalt. Zur Begrüßung regnet es. Man möchte nicht länger als unbedingt nötig draußen stehen. Um 19.00 Uhr sind wir da, aber leider klappt es nicht sogleich mit dem Feierabend. Wir hatten uns für die Nacht einen Platz zwischen dem Ufer und einer namenlosen Insel ausgesucht. Anker fällt auf 10 Meter Tiefe, gleich 40 Meter Kette hinterher, aber wir rutschen. Einfahren funktioniert nicht. Wir warten, aber treiben immer weiter mitsamt Kette. Nackte Felsen links an der Küste und glattes Gestein auf der Insel rechts, vielleicht Granit. Wenn es unter Wasser eine Verbindung gibt, dann kann bei diesem Untergrund kein Anker halten. Also Motor an, Thomas muss den Anker wieder hochholen. Mechanisch, keine elektrische Ankerwinde. Dabei wird dem Käpt’n schön warm. Wir fahren ein Stück weiter und suchen nach einer besseren Stelle. Eine Stunde später ist es geschafft, Anker sitzt auf 20 Meter in Lehm und Kies in einer kleinen Ausbuchtung. Im Hauptarm des Fjordes sehen wir das Eis mit dem ablaufendem Wasser nach draußen treiben. Hier kann es uns eigentlich nicht gefährlich werden. Es regnet heftig, aber keine Williwaws.
Das waren 36 Seemeilen vom Ankerplatz an der Midnight Cove, diese Strecke hätten wir auch für den anderen Gletscher fahren müssen. Nun sind wir ein Stückchen weiter in der richtigen Richtung und hoffen auf Wetter-Besserung für den Northwestern Glacier.