Der Käpt’n kommt am 31.05. bei der Walkabout an. Unser Boot hat den Winter in Alaska gut überstanden, auch wenn es auf den ersten Blick etwas traurig aussieht. Die Farbe fällt mal wieder ab, das ist ja nichts Neues. Ansonsten keine Frostschäden. Mehr als 6 Monate waren wir getrennt, haben uns während dieser Zeit nur insgesamt 3 Wochen gesehen. Endlich ist es soweit !
Eine Woche später ist die Crew komplett. Die Reise bis nach Homer in Alaska ist umständlich und nicht ganz billig. Insgesamt 3 Tage bin ich unterwegs, aber genieße jeden Augenblick. Beim Flug über Grönland bieten sich atemberaubende Ausblicke auf die verschneite Landschaft. Auf dem Monitor kann ich unseren Weg verfolgen. Wir überfliegen die Nordwest-Passage. Ich erkenne viele markante Wasserstraßen, Inseln, Kaps und Orte unserer Route vom letzten Jahr.
Die Einreise verläuft wie immer völlig problemlos. Man braucht Zeit und Geduld, weil doppelt und dreifach kontrolliert wird. An der Immigration ist es besonders schlimm. Hunderte von Menschen warten in Vierer-Reihen darauf, dass sie sich langsam vorwärts schieben dürfen. Es sind ungefähr 20 Schalter besetzt, um die Einreisenden nach dem „wohin, warum, wie lange ?“ zu befragen. Witzigerweise lande ich ausgerechnet bei demselben Officer, dem Thomas vor ein paar Tagen Rede und Antwort gestanden hat. So ein Zufall ! Nachdem ich erklärt habe, dass mein Mann bereits vor einer Woche eingereist ist und unser Segelboot in Homer steht, weiß der Officer Bescheid. Zack – schon habe ich einen Stempel für 6 Monate Aufenthalt im Reisepass. 🙂
Der Zollbeamte am Ausgang macht es mir auch leicht. Auf meinem Einreisezettel habe ich lediglich einige Medikamente deklariert und zum Vorzeigen bereit im Handgepäck. Der Officer lächelt mich freundlich an und möchte gar nichts davon sehen. Er winkt mich mit ein paar netten Worten einfach durch. Herzlich willkommen in den USA ! 🙂
Am Ted Stevens International Airport erwartet mich ein Kulturschock : Zunächst einmal sind es mindestens 20 Grad Temperatur-Unterschied. Außerdem liegt Alaska zeitlich 10 Stunden zurück, irgendwie befinde ich mich plötzlich im gestern. Playa del Ingles, wo ich den größten Teil des Winters verbracht habe, hat Dorf-Charakter mit knapp 6000 Einwohnern. Anchorage dagegen ist die Hauptstadt Alaskas, in dieser Metropole leben etwa 300000 Menschen.
Meine Güte – dieses Land ist so gigantisch groß ! Die breiten Straßen, die Entfernungen, unzählige Fast Food Restaurants, riesige Wohnmobile mit Anhängern. Das gebuchte Hostel für die Zwischenübernachtung wird als nahe zum Flughafen beschrieben, die Fahrt mit dem Taxi dauert allerdings gut eine halbe Stunde. Habe 40 Stunden nicht geschlafen und bin dementsprechend groggy.
Von Anchorage bis Homer sind es 360 Kilometer weiter über Land. Darauf habe ich mich besonders gefreut, denn wir kennen ja immer nur die Hafen-Perspektive, also was im nahen Umkreis vom Anleger oder Ankerplatz ist. Eine 5-stündige Fahrt mit der Alaska Bus Company ist ideal zur Einstimmung auf die kommenden Wochen. Busfahrer Ian ist richtig cool, er hat für Jeden ein freundliches Wort. Ich kann mich gar nicht sattsehen an der Landschaft. Es ist grün ! Auf den Bergen ringsum liegt Schnee, aber die Wiesen, Büsche und Bäume sehen nach Frühling aus. Thomas bekommt den Wagen von Randall ausgeliehen, um mich abzuholen. Neben der Walkabout steht Jack mit seinem Boot, der ist auch immer nett und hilfsbereit. Tolle Menschen um uns herum. 🙂
Auf dem Boatyard ist richtig viel los. Alle Fischer wollen ins Wasser, denn jetzt beginnt die Zeit, in der das Geld verdient wird. Es wird sogar während der Nacht gekrant, denn die Kachemak Bay ist stark tidenabhängig, und es gibt nur wenige Stunden genug Wasser um die Rampe herum.
Weißkopf-Seeadler gleiten über unsere Köpfen hinweg, immer paarweise. Es ist Brutzeit, und beide Elternteile kümmern sich um das Gelege sowie die Jungen. In Alaska gibt es die größte Population an Weißkopf-Seeadlern.
Wir bekommen Besuch von Heike, die vor über 20 Jahren nach Alaska ausgewandert ist und deren kleines Segelboot auf unserem Bootsyard steht. Am Nachmittag muss sie ein Schaf schlachten, das gehört hier ganz selbstverständlich zum Alltag dazu. Abends werden wir zum Barbecue in kleiner Runde eingeladen. Es gibt gegrilltes Schaf. Frischer geht es nicht, aber trotzdem so gar nicht mein Geschmack. Ich halte mich lieber an die Bratwurst und gegrillte Ananas. Alles sehr rustikal, ohne großen Aufwand. Nette Gespräche mit interessanten Leuten. Um 19.30 Uhr ist die Party vorbei. Viel zu kalt, um noch länger draußen zu sitzen. In dieser Zeit des Jahres wird es nie dunkel. Thomas kann während der Nacht einen Elch beobachten, der über den Platz trabt.
Wir machen Groß-Einkauf in der Stadt, weil wir das Auto von Jack zur Verfügung haben. Lebensmittel im Wert von 550,- € wandern in unseren Einkaufswagen. Etliche Kartons und Taschen müssen über die Leiter an Bord gebracht und der Inhalt weggestaut werden. Damit machen wir uns für die nächsten Wochen unabhängig. Liegeplätze in einer Marina sind unverschämt teuer, wir bevorzugen einsame Ankerbuchten.
Und schon wieder Besuch, zuerst Heike mit Kim, etwas später sitzt Randall bei uns im Salon. Die Menschen, die in dieser Einsamkeit leben, sind sehr gesellig, wenn es passt.
Die Landschaft ist unbeschreiblich schön. Ich liebe den Kontrast der grünen Wälder zu den schneebedeckten Bergen im Hintergrund. Auch das Licht ist ganz besonders. Bilderbuch-Wetter. Blauer Himmel mit ein paar weißen Wölkchen, viel Sonne. Kein Regen bedeutet kein Matsch. Es ist warm. Morgens und abends läuft unser Ofen für 1-2 Stunden. Komischerweise tut er es einfach, geht sofort an und bleibt an. In der Arktis, wo wir ihn am meisten gebraucht hätten, da war leider gar kein Verlass auf unseren Refleks-Ofen.
Nach 2 Wochen Arbeit sind wir eigentlich fertig. Der angefressene Propeller wurde ersetzt durch einen, den wir aus Deutschland mitgebracht haben. Natürlich gibt es neue Wasserfilter. Zwei Gasflaschen sind gefüllt für die Weiterreise. Das 2022 gebrochene Seeventil an der Spüle wurde repariert. Das Echolot ist neu eingeklebt, stärkere Drähte für die Rad-Steuerung eingezogen, ein kleines Loch im Rumpf repariert. Farbe, Farbe, Farbe auf’s Boot geschmiert – wie immer. Schweiß-Arbeiten müssen warten bis Mexiko.
Wir haben uns beeilt, weil wir möglichst schnell ins Wasser und auf zu schönen Ankerplätzen möchten.
Am Samstag würden wir gerne kranen, aber da haben wir wohl falsch gerechnet. Thomas erfährt im Office, dass die Walkabout mit ihren 1,70 Metern Tiefgang eine besonders hohe Tide braucht. Nächste Woche Donnerstag soll es erst wieder so weit sein. Daran ist wohl nichts zu rütteln, diese Auskunft ist eindeutig. Also müssen wir ein paar Tage länger an Land stehen, können uns entspannen, hier und da noch etwas rumbasteln. Ich fühle mich sehr wohl auf diesem Gelände von Northern Enterprise zwischen all den Fischern. Einziger Negativ-Punkt : Es gibt keine Dusche. Zum Waschsalon sind es etwa 10 Kilometer zu Fuß. Der Weg würde uns nicht abschrecken, aber 30 Minuten kosten 10,- Dollar pro Person, das wären dann 20,- Dollar, wenn wir beide duschen. Das gönnen wir uns nicht allzu oft.
Das Gewehr ist weg. Wir wollten nie eine Waffe an Bord haben, jedoch wurde uns wegen der Polarbären in der Arktis dringend dazu geraten. In Grönland an der Tankstelle gekauft, in Kanada offiziell angegeben und auf Thomas registriert. Bei der Einreise in die USA hat Niemand gefragt, also ist das Gewehr illegal im Land. Nun sind wir es los und haben sogar noch Geld dafür bekommen. Kim und Björn freuen sich darüber. Sie essen gerne Fleisch und möchten zusammen jagen. Alles ganz normal in Alaska. Sehr gut. Viel besser als das Gewehr im Ozean zu versenken, was wir als eine Möglichkeit im Sinn hatten. Unser Wassertank ist leer. Der Tankwagen neben dem Boot zum bequemen Befüllen per Schlauch kostet 100,- US$. Dafür sind wir zu geizig. Deswegen schleppen wir täglich Wasser in Kanistern heran. 500 Liter passen rein, das dauert ein paar Tage.
Donnerstag sind wir bei Randall zum Essen eingeladen. Er liegt mit seiner „Moli“ in der Marina am Homer Spit, bis dahin laufen wir zwei Stunden am Strand entlang. Das Boot wurde auf Norderney gebaut, eine Dübbel & Jesse. Wir kennen einige Leute, die daran gearbeitet haben und sind voller Bewunderung für dieses starke Schiff. Randall versteht es zu nutzen. Er segelt alleine und in den schwierigsten Revieren. Sein Projekt heißt „The Figure 8 Voyager“. Single-handed umsegelte er Kap Horn, die Antarktis und den gesamten amerikanischen Kontinent inklusive der Nordwest Passage in einem Rutsch. 40000 Seemeilen am Stück in 386 Tagen, 5 Ozeane, 3 Kontinente. Was für eine gewaltige Leistung ! Dabei ist Randall ein ganz bescheidener, unauffälliger Mensch, der nicht mit seinen Leistungen prahlt. Erst nach mehreren Treffen und in langen Gesprächen kristallisiert sich das Gesamtbild heraus. Was für ein herausragender Segler ! Und das mit einem Schiff, welches auf Norderney gebaut wurde. Sehr gute Arbeit ! 🙂 Randall macht uns eine riesige Freude, indem er uns ein handsigniertes Buch über seine Odyssee schenkt.
Sonntag gönnen wir uns eine Dusche. Vor dem Wash Board steht ein kurioses Fahrzeug, umgebaut zum Wohnmobil mit Balkon. Wir quatschen eine ganze Weile mit dem Fahrer. Er sammelt Schilder und ist gerade dabei, den Innenraum seines Wagens zu plakatieren. Höflich fragt er uns nach 10,- € Zuschuss zu seinem Unternehmen, die wir ihm gerne geben. Ein echtes Unikat !
Der Käpt’n klettert zur Begutachtung in den Mast. Keine Auffälligkeiten. Wir haben das Boot in der Nordwest-Passage stark beansprucht, aber es gibt nichts zu bemängeln, außer dass die Farbe abblättert. Egal, das ist nur Kosmetik, nicht wichtig für die Sicherheit.
Auf dem Gelände hat Bernie seine Werkstatt. Ein begnadeter Handwerker, der einfach jeden Kundenwunsch erfüllt. Wir haben keinen großen Auftrag, für uns verlängert er nur den Hebel der Ankerwinde. Es ergibt sich ein nettes Geplauder, und einen Abend laden wir ihn auf die Walkabout ein. Bernie ist ein Schweizer, der vor 30 Jahren mit seinen Eltern ausgewandert und in Alaska hängengeblieben ist. Wieder eine interessante Begegnung, die wir in guter Erinnerung behalten werden.
Wir möchten den Motor zur Probe laufen lassen, und das ist auch gut so. Es funktioniert natürlich nicht reibungslos, wie schon zu erwarten war. Thomas begibt sich auf Fehlersuche. Nach 2 Stunden läuft die Maschine, aber ringsherum herrscht wieder Chaos komplett. Nun nur noch den Wassertank bis zum Anschlag vollmachen. Damit sind wir gerade fertig, als schon der Travel Lift kommt. Die Jungs sind 3 Stunden früher als angesagt, aber passt. Die Walkabout wird bis zur Wasserkante gebracht, wo wir ein paar Stunden stehen und warten müssen. Um 1.00 Uhr in der Nacht wird der höchste Wasserstand erwartet.
Pünktlich und ohne besondere Vorkommnisse werden wir abgelassen. Der Motor springt im 2. Versuch an, das Echolot funktioniert, nirgendwo leckt es. Nach einer knappen halben Stunde sind wir auf uns alleine gestellt und fahren auf unserer alten Kurslinie Richtung Cook Inlet. Wenig Wind, ruhige See, die Strömung ist mit uns. Empfindlich kalt ist es in der Nacht auf dem Wasser. 8° beträgt die durchschnittliche Wassertemperatur im Sommer. Wir nehmen Kurs auf Seldovia, etwa 20 Seemeilen entfernt auf der Kenai-Halbinsel gelegen.
Letztes Jahr sind wir einmal in einer abgelegenen Bucht beim Angeln ohne Erlaubnis erwischt worden und dank der freundlichen Beamten mit einer Ermahnung davongekommen. Jetzt hat Thomas für 100,- US$ eine Angellizenz gekauft, damit wir unseren Speiseplan ohne schlechtes Gewissen mit frischem Fisch bereichern können. Viel Geld. Ich habe gesagt, dass er dafür mindestens 100 Fische fangen muss. Kurz vor der Einfahrt in die Seldovia Bay wird also geangelt. Mit der Ausbeute von 4 dicken Schollen am ersten Tag sind wir sehr zufrieden. Morgens um 8.30 Uhr fällt der Anker eine halbe Meile vor dem Dorf. Am Strand sind nur zwei kleine Hütten zu sehen. Geschlafen wird heute nicht. Wir sind froh, dass wir unterwegs sind zu neuen Ufern. 🙂
Schoen Euch wieder unterwegs zu wissen. Ist bestimmt eine spannende Gegend. Denn ma viel Spass und viel Freude in Alaska.
LG
Die meerbaeren
Ja, es ist wirklich ganz besonders hier. Bisher nur schönes Wetter – geht wahrscheinlich auch anders.
Alles Liebe und Gute für euch auf der Meerbaer !
He‘, schön, daß ich eure Reiseberichte gefunden habe, ich werde voller Spannung und Freude an eurer neuen Etappe teilhaben können .
Bis bald auf diesem Wege
Jörgi
Sehr gerne, Jörgi !
Und falls du mal in der Nähe bist kannst du gerne eine Etappe mitsegeln. 😉
Mal eben einen ganz lieben Gruß! Wünsche euch alles Gute für die nächsten Ziele und denke viel an euch!
Ach, das ist ja eine Überraschung, auf diesem Wege von dir zu hören.
Danke, liebe Conni.
Das war ja wieder ein guter Start. Wünschen euch eine gute Reise mit interessanten und schönen Erlebnissen.
Liebe Grüße von Angelika und Ludwig
Liebe Angelika, lieber Ludwig !
Ja, der Start war gut, und der erste neue Ort ein lohnenswertes Ziel.
Wir sind glücklich und zufrieden.
Danke für eure guten Wünsche.
Genießt den Sommer.
Herzliche Grüße aus Geographic Harbour