Es ist fast windstill, wir liegen gut am Ankerplatz. Hartnäckiger Dauerregen am Dienstag, und wir bleiben zu Hause. Hin und wieder klopft ein Eisbrocken an den Rumpf, aber nur kleine Stücke. Kein Grund zur Beunruhigung.
Am nächsten Morgen ist es um 4.00 Uhr viel heller als in den letzten 3 Tagen. Das nehmen wir mal als positives Zeichen für Wetterbesserung. Wir möchten die Gletscher der Kenai Halbinsel liebend gerne mit blauem Himmel erleben.
Tatsächlich geht die Sonne auf, eine Viertelstunde bevor wir den Northwestern Glacier erreichen. Sehr schön, dafür lohnt sich das frühe Aufstehen.
Das Eis wird immer dichter. Es kratzt und poltert am Rumpf der Walkabout. Waren es gestern nur vereinzelte Möwen auf kleinen Eis-Stücken, so sitzen sie heute in Gruppen zusammen. Seehunde liegen auf den größeren Eisschollen. Über 100 Stück zählen wir direkt vor dem Gletscher.
Es rumpelt und knallt unheimlich in der Wand vor uns. Wir können mehrere kleine Abbrüche beobachten. Durch den langen Weg bis zum Wasser wird das Eis gemahlen und rieselt wie ein Wasserfall bergab. Unten kommen nur kleine Brocken an und werden wie auf einer Straße aus dem Fjord gezogen.
Um 11.30 Uhr begegnet uns das erste Ausflugsboot mit etwa 20 Gästen, nur 10 Minuten später das nächste mit Platz für mehr als 50 Personen. Wir sind jetzt auf dem Rückweg durch den Northwestern Fjord und schon an unserem Ankerplatz der letzten Nacht vorbei. Bis zur Barre, die den Fjord begrenzt, kommen uns insgesamt 6 schnelle Motorboote mit Touristen entgegen, die eine Ausflugsfahrt zum Gletscher gebucht haben. Wir sind privilegiert. Wir hatten das Glück, zwei Stunden lang ganz alleine die mystische Stimmung am Gletscher genießen zu können.
Eine Angelpause beschert uns kurz hintereinander drei unbekannte Fische mit Flecken. Die hatten wir noch nie, das könnte am neuen Köder liegen. Unsere Bestimmungsbücher sind sich nicht einig, sieht ein bisschen aus wie Alaska-Kabeljau. Später finden wir heraus, dass es sich um Kelpgrünlinge handelt, die an der Pazifikküste der USA und Kanadas vorkommen. Noch nie gehört, aber man lernt ja nie aus. Essen kann man die auch, und das ist die Hauptsache. Tatsächlich hat sich die Ausgabe von 100,- US $ für die Angellizenz gelohnt. Wir sparen unheimlich viel Geld, weil wir kaum noch an unsere Vorräte gehen müssen. Sonst kochen wir auf dem Boot viel Eintopf und Nudeln, hier in Alaska heißt es 5 Tage in der Woche : Fisch mit Kartoffeln ? Oder Kartoffeln mit Fisch ? 😉
Durch die Granite Passage fahren wir nach Osten, danach weiter hoch nach Norden. Plötzlich taucht neben uns ein Buckelwal auf. Er ist ganz nahe und schwimmt eine Weile parallel zum Boot. Vor der Felsküste ist ein weiterer hoher Blas zu sehen.
Am späten Nachmittag erreichen wir Quicksand Cove, das wird unser Zwischenstopp auf dem Weg zum Aialik Gletscher. Anker fällt in 12 Meter Tiefe vor einem Strand, in den ein Fluss mit Süßwasser mündet. Vielleicht finden wir hier die Lachse ? Ringsum spektakuläre Landschaft mit schroffen Bergen, von denen mehrere Hundert Meter hohe Wasserfälle in die Tiefe stürzen. Fantastisch ! Was für ein toller Tag ! 🙂
Die Kelpgrünlinge sind total lecker. Nach dem Abendessen sieht Thomas vom Boot aus ganz nahe am Ufer einige Fische springen. Wir machen sofort das Dingi klar und paddeln für eine kleine Exkursion an Land. Spannend ist es, aber dauert nicht lange, weil es schon nach 22.00 Uhr ist. Morgen ist auch noch ein Tag, an dem wir diese Bucht auskundschaften können.
Spaßeshalber einmal die Angel über Bord gehalten und …. Zack, schon ist ein Kabeljau dran. Sofort beißt der nächste und innerhalb von 5 Minuten liegen 3 Kabeljau im Eimer. Das war gar nicht der Plan. Für heute sind wir bereits satt, die gibt es dann wohl morgen.
Schon wieder Regen und Nebel. Trotzdem machen wir einen Ausflug mit dem Dingi inklusive „Portage“. Anlegen am Strand mit Wellen ist etwas kippelig, aber es klappt ohne Kenterung. Thomas läuft lediglich etwas Wasser in die Gummistiefel. Dann tragen wir unser Dingi bis zu einem Teich, den wir gestern entdeckt haben und paddeln die Zuläufe ab. Eigentlich ist die ganze Ebene mehr oder weniger Sumpfgebiet. Von allen Seiten fließen Wasserfälle in die Senke und füllen mehrere Kanäle.
Wir sehen „Knutts“ am Flutsaum, die wir sonst in großer Anzahl zu Hause am Strand beobachten können. Diese niedlichen Strandläufer brüten überwiegend in Grönland, Kanada, Alaska und Sibirien. Extremer Langstrecken-Zugvogel, der im Frühjahr und im Herbst Zwischenstation an der Nordseeküste macht.
Nachmittags haben wir genug vom schlechten Wetter und starten in Richtung Aialik Gletscher. Einige Motoryachten kommen aus dem ersten Fjord, an dessen Ende ebenfalls ein Gletscher liegt. Vielleicht lohnt es sich ? Zeit genug haben wir. Kurz entschlossen biegen wir in den ersten Arm ein, der zum Holgate Gletscher führt. Uns kommt die 140 Meter lange „Hanseatic Spirit“ entgegen. Ein Kreuzfahrt-Schiff für bis zu 230 Gäste. Der Personalschlüssel dazu : Die Crew besteht aus 170 Personen. Letztes Jahr in der Nordwest-Passage sind wir der Hanseatic Spirit mehrmals begegnet. Preis pro Person AB 12200,- Euro für die 14-tägige Reise von Seward bis Vancouver. PLUS Kosten für Flug, Anreise nach Seward, Abreise aus Vancouver, Übernachtungen im Hotel. Das bekommen wir billiger hin. Dauert nur etwas länger, und wir sind unser eigenes Personal. 😉
Der Holgate Gletscher ist 8 Kilometer lang und etwa 1,5 Kilometer breit. Er wird vom Harding Icefield gespeist. Kein Eis kommt uns entgegen, keine Silbermöwen und keine Seehunde sind zu sehen. Alles ganz anders als beim Northwestern Glacier.
Nicht spektakulär, kein hellblau-weißes Farbenspiel wie gestern, einfach nur eine kompakte Wand aus Eis. Vielleicht liegt es aber auch am trüben Wetter heute. Trotzdem ganz nett. Der Holgate liegt quasi auf dem Weg, nur insgesamt 10 Seemeilen mehr.
Wir ankern mit Blick auf den Aialik Gletscher, den wir morgen früh aus der Nähe betrachten können.
Das Besondere am Aialik ist, dass er im Gegensatz zu vielen anderen Gletschern in den vergangenen 100 Jahren kaum an Masse verloren hat. Im Norden und im Süden reichen weitere Gletscherzungen ins Wasser. Das Abschmelzen während der letzten Jahre hat kleine Strand-Abschnitte freigelegt.
Wunderschöner Morgen, spiegelglattes Wasser. Die Sonne geht auf, während wir Kurs auf den Aialik nehmen. Sind so früh dran, dass wir viel Zeit zum Herumspielen haben, bevor die Ausflugsboote mit Gästen ankommen.
Im Fjord ist es dermaßen ruhig, dass wir unser Dingi ins Wasser lassen und eine Foto-Session von der Walkabout vor dem Gletscher machen können. Anschließend paddeln wir zu Zweit an Land. Es rumpelt die ganze Zeit unheimlich in der Eiswand. Ganz oben steht eine Reihe von Türmen und Zinnen. Die sehen ziemlich fragil aus, so als ob sie diesen Sommer nicht überstehen werden.
Ganz nahe am Gletscher stolpern wir über Geröll und Eisbrocken. Schneidende Kälte dringt bis in die Knochen. Am Fuße des Aialik, wo die Abbrüche im Wasser landen, ist ein wilder Fluss entstanden. Reißende Strömung und Wasserwirbel schieben Eis in den Fjord.
Ein lautes Donnern ertönt aus dem Gletscher, kurz darauf folgt ein besonders großer Abbruch. Wir beobachten mit Sorge, wie sich eine kleine Tsunami-Welle immer mehr ausweitet. Das Wasser zieht sich zunächst vom Strand zurück, es wird praktisch weggesaugt. Hoffentlich wird nicht zu viel Wasser unter der Walkabout weggezogen, die gar nicht so weit weg am Anker schaukelt. Die Welle flacht kurz vorher ab, unsere Sorge war unbegründet. Erstaunlicherweise wachsen bunte Blumen am Strand. Faszinierend. Die zarten Pflänzchen haben sich mitten in dieser Stein- und Kältewüste durchgesetzt.
Erst um 10.30 Uhr nähert sich das erste Boot mit Touristen. Wir hatten lange genug Zeit, um den Aialik ganz alleine zu genießen. Machen uns auf den Weg zurück aus dem Fjord und bekommen immer mehr Gegenverkehr. Es wird richtig nervig, als wir ums Kap Aialik herum sind und auf direktem Nord-Kurs Richtung Seward fahren.
Wir können einen Wal beobachten, der anscheinend genau an dieser Ecke heimisch ist. Er schwimmt ganz nahe an der Steilküste entlang, verschwindet kurz in einem Einschnitt der Küste, kommt wieder hervor und zeigt sich längsseits. Dabei macht er keine Anstalten, in irgendeine Richtung zu ziehen. Man hat den Eindruck, dass dieses sein Revier ist.
Bei der Einfahrt in die Resurrection Bay kommen wir an einer hohen Felseninsel vorbei, die anscheinend nur von Vögeln bewohnt wird. Gleich daneben schaut ein Felsen aus dem Wasser, auf dem sich etwa ein Dutzend Seelöwen tummeln. Sie ruhen sich aus, aber streiten und brüllen auch ordentlich. Die obligatorische Angelpause beschert uns heute zwei Kelpgrünlinge und einen Rockfish.
Wir hatten uns die Sunny Cove als Platz für die Nacht ausgesucht, aber dort ankern bereits vier Segler. Auch gut, dann eben ein Stück weiter bis zur nächsten Insel. Die Humpy Cove ist nicht ideal, durchweg ziemlich tief bei felsigem Grund. Ein Resort steht am Ufer, die Gäste paddeln mit Kajaks durch die Bucht und haben Spaß. Für eine Nacht ist es okay, morgen früh geht es gleich weiter.