Stockdunkle Nacht. Meeresleuchten. Walkabout zieht einen Kometenschweif aus Glitzer hinter sich her. Je näher wir Petersburg kommen, umso dichter wird der Verkehr. Fähren und Kreuzfahrer sind nicht das Problem, aber die kleinen Fischerboote und Motorflitzer rauben uns den letzten Nerv. Meine Güte, was können die lästig sein !
Auf der Ansteuerungstonne tummeln sich einige Seelöwen. Sie haben überhaupt keine Angst, als wir näher kommen. Gelangweiltes Grunzen, es wird nur einmal kurz der Kopf gehoben und dann weiter geruht. Am Strand gehen vier Rehe spazieren, zwei ausgewachsene Tiere und zwei Jungtiere.
Wir möchten in den Hafen der Fischer, weil wir uns in deren Gesellschaft wohl fühlen. Walkabout passt da viel besser hin als zwischen schicke weiße Yachten. Die Einfahrt in den Nord-Hafen bekommt wegen ihrer starken Strömung ziemlich viel Erwähnung in unseren Unterlagen und der Navionics App. Wir haben einigen Respekt, haben uns aber ganz unnötig Sorgen gemacht. Von der Strömung ist fast nichts mehr zu spüren, sobald der Bug um die Ecke in Richtung Marina gerichtet ist. Wir rechnen nicht damit, dass früh um 7.30 Uhr schon das Büro besetzt ist und suchen uns selber einen guten Platz zum Festmachen aus. Geschmeidiges Einparken in die Box, überhaupt kein Problem. Hinter unserem Heck schwimmt ein fettes Walross. Das fängt ja witzig an. Schon im letzten Ort Baranof hieß es, dass man unbedingt die Türen verschlossen halten soll, weil die Seeotter gerne einsteigen und nach Nahrung suchen. Wir lassen das Boot sonst immer offen, aber auf so ein nach Fisch riechendes Tierchen habe ich wirklich keine Lust. Ein nasses Walross möchte ich noch weniger in unserem Salon vorfinden. Also Tür zu.
Später wird uns erzählt, dass manchmal alle Walrosse aus der Umgebung in den Hafen flüchten, wenn draußen die Orcas auftauchen und jagen. Das muss ja eine tolle Vorstellung sein ! 😉
Rettungswesten für Kinder werden in jedem Hafen Alaskas zur Verfügung gestellt. Man kann diese kostenlos ausleihen und soll sie nach Gebrauch bitte wieder zurückhängen. Kein Kind darf ohne Schwimmweste auf den Stegen herumlaufen. Sehr gute Einrichtung.
Thomas meldet uns telefonisch bei der Border Control an. Das sollte man eigentlich in jedem Hafen machen, aber wir haben es verschwitzt. Allerdings gab es nicht viele Aufenthalte in einer Marina. Von Kodiak aus haben wir uns noch bei den Offiziellen gemeldet, in Seward haben wir es vergessen. Gar nicht schlimm, die Dame am Telefon ist sehr nett und bringt unsere Historie auf den aktuellen Stand. Jetzt fehlt nur noch ein letzter Anruf zum Abmelden in Ketchikan.
Wenn man die Nacht durchfährt und sehr früh am Morgen ankommt, dann hat man richtig was vom Tag. Es war eine gute Entscheidung, wir sind mehr als zufrieden.
Petersburg ist eine richtige Stadt mit 3400 Einwohnern. Der Ort lebt überwiegend vom Fischfang. Direkt neben dem Hafen steht eine riesige Fischfabrik auf Stelzen. Dementsprechend riecht es hier auch. 😉 In den letzten Jahren ist auch der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden.
Es gibt viele norwegische Einwanderer, weswegen Petersburg den Spitznamen „Little Norway“ erhielt. Beim Spaziergang durch Downtown entdecken wir viele liebevolle Details. Norwegische Fahnen, Häuser im landestypischen Stil mit bunt bemalten Fensterläden und hübsch gestaltete Gärten.
Vor der Einwanderung der Skandinavier war Petersburg besiedelt von den Tlingit, einem Indianervolk Nordamerikas. Die Tlingit waren in zwei Hälften unterteilt und jedes Stammesmitglied wurde entsprechend der Abstammung seiner Mutter zugeordnet. Deswegen stehen zwei etwa 12 Meter hohe Totempfähle an einem kleinen Park mitten im Ort. Sie sind Adler und Rabe gewidmet, entsprechend den Clans der örtlichen Tlingit.
Die wichtigste Aktion zuerst : Zahnarzt. Mir ist vor ein paar Tagen ein Stück abgebrochen ( schon wieder ). Wäre schön, wenn es hier wenigstens provisorisch repariert werden kann. Die erste Praxis behandelt vorzugsweise die „Natives“, also die Ureinwohner Alaskas. Wir fragen trotzdem und bekommen von der Sprechstundenhilfe die Auskunft, dass heute und morgen kein Zahnarzt anwesend ist. Danach kommt das Wochenende, und Montag ist ein Feiertag. Wir laufen eine halbe Stunde bis zu einer anderen Praxis, die laut Internet geöffnet haben sollte. Aber es ist geschlossen, noch nicht einmal Licht an, wie wir durch’s Fenster erkennen können. Während wir noch etwas ratlos davor stehen und überlegen, was wir machen sollen, fährt ein Wagen vor. Die Frau, die aussteigt, ist eindeutig Sprechstundenhilfe und schließt die Praxis auf. Aber zu früh gefreut. Sie macht nur ihre Arbeit im Büro, der Doktor wird erst nächste Woche Dienstag wieder im Haus sein. Komisch, dass die beiden Zahnärzte im Ort sich nicht besser absprechen. Wahrscheinlich sind die gerade mit ihrem Wasserflugzeug unterwegs zu den umliegenden Dörfern. Ich möchte schon aufgeben, habe aber meinen Mann dabei, und der ist sehr hartnäckig. Zurück zur ersten Praxis, wo sie uns bereits weggeschickt haben. Lange Rede, kurzer Sinn : Wir überreden die drei Damen, dass sie Kontakt zum Doktor aufnehmen. Per WhatsApp werden Fotos an den Zahnarzt geschickt. Es wird hin- und her geschrieben, der Doktor gibt seine Anweisungen über’s Internet. Das Ende der Geschichte : Ich werde in einer Arztpraxis, die eigentlich den Indianern vorbehalten ist, von zwei jungen Sprechstundenhilfen behandelt. Hauptsache, es wird etwas gemacht. Vorher muss ich jedoch 8 Seiten mit Fragen beantworten. Unter anderem möchten die wissen, ob ich in einem stattlichen Projekt registriert bin und finanzielle Unterstützung bekomme. Des Weiteren, ob ich obdachlos bin, drogensüchtig oder sonstwas. Nein, nichts davon. Ich muss privat bezahlen, Kostenpunkt 90,- Dollar. Bestenfalls sollte die Reparatur nun bis November halten, dann geht die reguläre Behandlung bei meinem Zahnarzt auf Gran Canaria weiter.
Regen, Regen, Regen. Wir beschäftigen uns damit, die Walkabout bereit für die große Passage zu machen. Thomas fährt mit einem Handkarren zur Tankstelle und holt Sprit in Kanistern. Das ist einfacher, als an die Boots-Tanke zu fahren, die mitten in der dicksten Strömung liegt und nur eine einzige Säule hat. Ganz schlecht zum Abwarten, wenn dort gerade besetzt ist. Wenn wir vorbeitreiben, weil man nicht bremsen kann, dann könnte der Diesel knapp werden auf dem Weg nach Ketchikan.
Unsere ( neue ) Starter-Batterie ist schon wieder platt, wir haben nur 10,9 Volt auf der Anzeige. Thomas klemmt die beiden Batterien zusammen, damit sie sich ausgleichen.
Wir gönnen uns noch eine warme Dusche, bevor wir ablegen. Kostet 2,- Dollar für 7,5 Minuten. Wer sich wohl das mit der halben Minute ausgedacht hat ? 😉
Hochwasser in Petersburg ist um 13.22 Uhr. Start eine gute Stunde vorher, denn wir müssen durch die Wrangell Narrows. Thomas hat am Steg mit einigen Fischern gequatscht, um den richtigen Zeitpunkt zu erfragen. Schnell sind wir. Gleich zu Beginn haben wir schon 7 Knoten auf der Logge. Anfangs ist die Strömung mit uns, bei Stillwasser laufen wir in den engen Schlauch ein. Das schmale Fahrwasser ist sehr gut betonnt. Kurz vor der engsten Stelle kommt uns ein Schlepper entgegen, der einen riesigen Ponton hinter sich herzieht. Aus der Ferne sieht es aus wie ein Haus auf dem Wasser, aber die schwimmende Plattform ist beladen mit unzähligen großen Containern und Fahrzeugen. Dann kippt die Tide, und das ablaufende Wasser zieht uns nach Süden. Genau wie geplant, richtig getaktet. Mit durchschnittlich 7 Knoten rauscht Walkabout durch die Wrangell Narrows.
Seeotter schlagen Purzelbäume im Wasser. Sie lieben es, in der Strömung zu spielen. Wir werden diese putzigen Tiere vermissen. Zarembo Island liegt an backbord. Eine halbe Stunde Angelpause bringt nur einen kleinen Rockfisch. Der reicht nicht zum Sattwerden. Bin gerade wieder auf Kurs gegangen, da reißt es heftig an der Angel. Ein schwerer Heilbutt, den wir zu zweit mit Gaffelhaken an Bord hieven müssen. Filet satt. Abendessen für heute und morgen ist gesichert. Es wird vielleicht sogar der letzte Heilbutt sein, denn unsere Zeit in Alaska geht zu Ende. In 3-4 Tagen werden wir Ketchikan erreichen, unseren letzten Hafen in den USA.
Um 19.00 Uhr ist Niedrigwasser. Der Anker fällt um 19.30 Uhr in der Exchange Cove im Nord-Osten von Prince of Wales Island.