Es sind nur noch 10 Seemeilen bis nach Seward. Uns kommen gleich 6 schnelle Ausflugsboote entgegen, gerade als wir die Nase aus der Ankerbucht stecken. Man kann fast alles an Wassersport und Wasserspaß für teures Geld buchen, von Angeln über Walbeobachtung oder betreute Kajaktouren in der Wildnis. Die Gäste möchten unterhalten werden. Wir fahren strikt nach Norden durch die Resurrection Bay und haben inzwischen den 60. Breitengrad wieder überquert. In der Thumb Bay, die wir ursprünglich anlaufen wollten, ankern 4 weiße Yachten und ein Motorboot. Gut, dass wir uns gestern einen anderen Platz für die Nacht gesucht haben. Mittags machen wir im Seward Boat Harbor die Leinen am Steg „F“ für Durchreisende fest. Es ist ein staatlicher Hafen, daher ist der Preis mit 40,- Dollar pro Nacht moderat. Kein Strom, aber Wasser. Seward ist eine Stadt mit 2800 Einwohnern. In der Saison wird es voll und lebhaft. Der Sommer, der ja hier sehr kurz ist, lockt 5 mal so viele Touristen an. Da blüht das Geschäft. Seward ist Dreh- und Angelpunkt für Kreuzfahrer, sehr touristisch angehaucht, aber hübsch. Es gibt unzählige Hotels, Restaurants, Cafés und Souvenirläden. Agenturen, die alle möglichen Ausflugs-Touren anbieten, machen sich gegenseitig Konkurrenz. Jede halbe Stunde fährt ein Shuttle Bus durch die Stadt, damit die Leute bequem von A nach B kommen. Ein kostenloser Service, aber wir brauchen keinen Bus. Alles liegt in bequemer Distanz, es sind in jeder Richtung maximal 3 Kilometer vom Hafen. Für uns wichtig sind ein gut sortierter Lebensmittelladen, Münz-Duschen und ein Waschsalon.


Spaziergänger flanieren über die Stege und machen Boot-Sightseeing. Einige bleiben bei der Walkabout stehen und suchen das Gespräch, sobald wir uns draußen zeigen. Der weitgereiste schwarze Kahn mit der deutschen Flagge fällt auf ( und riecht inzwischen wir ein Fischerboot ). 😉
Die Ankerwinde läuft nicht perfekt, hakt immer irgendwie, sie braucht eine genaue Inspektion. Thomas nimmt das alte Teil komplett auseinander, reinigt und fettet, behandelt den Rost mit Ovatrol. Es dauert etliche Stunden, bis die Ankerwinde wieder zusammengesetzt ist. Ich verbringe den Sonntag mehr oder weniger im Waschsalon. Habe die Waschmaschinen und Trockner mit 25,- Dollar in Quarter-Münzen gefüttert. So oft gibt es nicht die Gelegenheit zum Waschen per Maschine. Kleidung, Handtücher, Bettwäsche, Kissen, Fußmatten – alles wieder sauber. Schönes Gefühl.

Nach getaner Arbeit starten wir noch eine kleine gemeinsame Aktion und besuchen das Visitor Center. Modelle von Tiere und Pflanzen der Region sind ausgestellt. Berge und Gletscher werden mit Bildern und Schautafeln anschaulich erklärt. Ganz nett gemacht, interaktiv zum Mitmachen, aber eher etwas für Kinder.


Montag ist Gummistiefel-Wetter, den ganzen Tag nur Regen und grau. Der Einkauf für die Weiterfahrt steht an. Wir schleppen einen großen Rucksack und zwei IKEA-Taschen voll mit Lebensmitteln zum Boot. Damit sind wir wieder für mehrere Wochen unabhängig.
Uns fällt ein Fiat mit argentinischer Fahne und Kennzeichen auf, der am Hafen parkt. Wir lieben dieses riesige Land in Südamerika, und wir haben einige gute Freunde dort. Ausgerechnet heute trägt Thomas ein T-Shirt mit großem Aufdruck „ARGENTINA“. Er platziert sich neben dem Auto, so dass Kennzeichen, Fahne und T-Shirt gut zu sehen sind. Ich knipse ein paar Fotos. In diesem Moment öffnet ein junges Paar die Wagentür und steigt aus. So lernt man Leute kennen. Witzig ! 😉 Die Beiden sind tatsächlich von Ushuaia im Süden Argentiniens ( El fin del mundo – Ende der Welt ) bis ganz hoch in den letzten Bundesstaat von Nordamerika gefahren. Sie sind seit 2 Jahren unterwegs und verdienen das Geld für ihre Reise mit Computerarbeit. Max und Nicky nennen sich „Digital Nomads“.
Telefonische Abmeldung bei der Border Control mit nächstem Ziel Sitka. Eine gepflegte Dusche sollte man sich nicht entgehen lassen. Für nur 2,- Dollar gibt es 7 Minuten warmes bis heißes Wasser. Marina ist bezahlt, der Wassertank ist wieder aufgefüllt. Alles erledigt, wir können ablegen. Diesel gibt es an der Tankstelle gegenüber. Das Tanken selber geht schnell und ohne Kleckern. Da haben wir inzwischen ein gutes System entwickelt. Beim Bezahlen gibt es allerdings ein Problem. Thomas kommt von der Kasse zurück, weil seine beiden Kreditkarten nicht funktionieren. Ich gebe ihm meine zwei Karten mit, aber auch die werden nicht akzeptiert. Was nun ? Wir müssen den Diesel in bar bezahlen, aber so viel Geld haben wir nicht herumliegen. Wir müssen zum Geldautomaten. Der erste und nächstgelegene Automat ist außer Betrieb …. also weiter in die Stadt. Der zweite gibt nur 200,- Dollar heraus, aber wir brauchen 300,- Dollar, um an der Tankstelle zu bezahlen. Natürlich kostet jeder Vorgang Gebühren, das versuchen wir eigentlich immer zu vermeiden. Nützt ja nichts, sonst kommen wir nicht weg. Der Zirkus an der Tankstelle nervt und kostet viel Zeit, so dass wir erst nach 22.00 Uhr am Ankerplatz ankommen. Übrigens : Diesel kostet aktuell 4,- Dollar pro Gallone. Es gab einmal Zeiten, in denen wir pro Gallone nur 1,- Dollar bezahlen mussten. Alles ist einfach unfassbar teuer geworden. 🙁
Wir versuchen es noch einmal mit der Sunny Cove auf Fox Island. Diesmal haben wir Glück. Das Wochenende ist vorbei, und das Wetter ist schlecht. Für uns gut, wir sind ganz alleine.

Gestern Regen, heute scheint wieder die Sonne. Da kann man doch gut mit leben. Wir verlassen die Sunny Cove früh, denn wir haben uns eine längere Strecke vorgenommen. Direkt vor unserer Ankerbucht stehen und treiben mehrere Ausflugsboote mit erwartungsvollen Gästen. Tatsächlich gibt es einige Orcas zu sehen, deutlich zu identifizieren wegen ihrer langen und spitzen Rückenflosse. Die sind schnell. Sie bieten uns eine nette Vorstellung zu allen Seiten. Ein Orca kommt ganz nahe an die Walkabout heran, taucht längsseits ein und wieder ab. Kaum vorstellbar, dass diese Tiere Boote angreifen und zum Kentern bringen. Fische von ca. 20 Zentimeter Länge ( vielleicht Heringe ?) springen aus dem Wasser, Möwen jagen hinterher. Dicke Baumstämme treiben herum. Ein Stückchen offener Pazifik liegt vor uns, sobald wir die Resurrection Bay hinter uns gelassen haben. Dicke Wellen laufen unter unserem Rumpf durch. Es schaukelt. Backbord zieht die beeindruckende Kulisse der schneebedeckten Berge an uns vorbei. Der Wind ist kalt. Wir sind auf dem Weg zur Icy Bay.
Am Nachmittag bietet uns eine Schule wilder Delfine ein unterhaltsames Schauspiel. Wir können gar nicht so schnell gucken, wie diese flinken Tiere um uns herum schwimmen, mal an backbord und dann wieder an steuerbord in die Luft springen. Kurzer Angel-Stopp am Kap Puget. Es dauert keine 10 Minuten bis zum ersten Biss. Ein kräftiger Fisch, ein Kämpfer ist an der Angel. So stark, dass Thomas den Gaffelhaken braucht, um ihn an Bord zu holen. Es ist ein „Lingcod“, ein Lengdorsch von 70 Zentimetern Länge. Wir fangen immer nur so viel, wie wir auch essen können. Dieser Fisch reicht ganz bestimmt zum Sattwerden.
Feierabend machen wir in der Fox Farm Bay bei Elrington Island. Direkt im Eingang liegt die „Bristol Mariner“ vor Anker, ein Fischerboot von 30 Meter Länge. Den haben wir schon öfter gesehen. Alles total ruhig und friedlich hier. Kein Wind. Das Wasser in der Bucht ist glatt wie ein Ententeich. 10 Stunden unterwegs, 40 Seemeilen weiter.
Start im Nebel. Gleich nach Verlassen der Ankerbucht sehen wir einen stattlichen Buckelwal achteraus. Mit auflaufendem Wasser machen wir schnelle Fahrt bis zu 7,8 Knoten. Der Tag fängt also gut an. Wir befinden uns jetzt und für die nächste Zeit im Prince William Sound, einer Bucht im Golf von Alaska mit knapp 5000 km Küstenlinie. Unser Weg führt durch die Prince Wales Passage, die laut unseren elektronischen Karten mit vielen Gefahren gespickt ist. Sehr eng, mit Steinen über und unter Wasser, starke Strömungen aus verschiedenen Richtungen. Außerdem ist da die Rede von Gezeitenwellen. Wir empfinden es als relativ ruhig. Der Pazifik-Schwell kommt gar nicht an, und die Strömung ist mit uns. Am Nachmittag klart es auf. Nur in den Einschnitten zwischen den Bergen hängen dichte Nebelwolken. Die Farbe des Wassers ändert sich. Es wirkt grün durch die Sedimente der Gletscher. Uns treibt das erste harte Eis entgegen. Bizarre Skulpturen, dicke Eisschollen von einer Größe, die wir nicht unbedingt rammen möchten. Es ist an der Zeit, von draußen an der Pinne steuern. Eisige Luft. Die Icy Bay trägt ihren Namen nicht umsonst. Hier sind überhaupt keine Ausflugsboote unterwegs. Nach dem Rummel in und um Seward sind wir froh, nun wieder ohne viel Verkehr unterwegs zu sein. Zum Ende des Tages sind wir so weit vorgedrungen in die Icy Bay, dass wir Slalom zwischen den Eisschollen fahren müssen.

Die auserwählte Ankerbucht erweist sich als nicht so toll wie erwartet. Unser Kartenplotter und Navionics geben Wassertiefen von 10 Meter an, aber laut unserem Echolot bleibt es hartnäckig bei 40 Metern. Sonst kann man sich immer gut darauf verlassen, zum ersten Mal stimmen die Angaben nicht. Es dauert eine ganze Stunde, bis wir durch Ausfahren der Küstenlinie einen für uns geeigneten Ankerplatz gefunden haben. Die Gaamaak Cove soll sicher sein vor Eisgang, und das ist uns wichtig für einen ruhigen Schlaf. Immerhin befinden wir uns in unmittelbarer Nähe zweier Gletscher, deren Abbrüche durch die Icy Bay driften.