Es zieht uns jetzt mit aller Gewalt nach Bluff, deswegen bleiben wir nicht in Wanaka, obwohl es uns ausgesprochen gut gefällt. Nächstes Jahr kommen wir wieder, und dann mit mehr Zeit zum Bummeln und Urlauben. Jetzt möchten wir vorrangig den Te Araroa beenden, und das funktioniert nur mit Weiterlaufen. Allerdings gönnen wir uns ein schönes Abendessen in einem koreanischen Restaurant. Das ist etwas ganz Besonderes, denn außer den üblichen PBP ( Pommes, Burger, Pizza ) sind wir in Neuseeland erst ein einziges Mal “ richtig “ essen gegangen, und das war in Auckland vor dem Start zum Trail. Nun also zum zweiten Mal …. Lecker war’s ! Allerdings ist Thomas nicht satt geworden und musste sich anschließend noch ein gebratenes Hähnchen aus dem Supermarkt mitnehmen.Donnerstag früh können wir den reparierten Walking-Stock beim Sportgeschäft abholen. Bezahlen müssen wir dafür nichts, selbst das Trinkgeld wird abgelehnt. Das ist natürlich supernett und eine große Hilfe für die letzten 420 Kilometer. Danke schön ! Der Trail gestaltet sich heute nicht besonders aufregend, aber einige Kleinigkeiten am Rande bleiben uns in guter Erinnerung. Da ist zunächst einmal ein gepflegter Weg, den wir eigentlich durch Zufall entdecken, weil ich einem Toiletten-Schild folgen möchte. Es geht eine kleine Treppe hinauf, dann folgt eine schmale Allee, zu beiden Seiten durch eine schöne Hecke begrenzt. Am Ende steht ein kolossaler Baum, der uns ein paar Minuten fasziniert. Es handelt sich um einen Giant Sequoria, einen Riesen-Mammutbaum. Er gehört zur Ordnung der Koniferen und ist eigentlich nicht in Neuseeland heimisch, sondern kommt besonders häufig in den Sierra Nevadas in Kalifornien vor. Dieser Baum gehört zwar zu den gefährdeten Arten, aber unser Exemplar strotzt auf jeden Fall vor Kraft und Gesundheit. Te Araroa führt zunächst am Ufer des Lake Wanaka entlang. Ein schöner Wanderweg, der auch von Radfahrern genutzt wird, und dementsprechend einfach zu laufen ist. In dichtem Abstand stehen Fässer mit Regenwasser und lustigen Aufschriften dran. So in etwa übersetzt : “ Ich bin durstig. Nimm dir ein paar Minuten Zeit und gieße mich. Danke von den Pflanzen. “ Daneben liegen Eimer oder andere Behälter zum Wasser-Verteilen – gute Idee. Immer weiter geht es um den See, entlang Roys Bay und an einem privaten Yachtclub vorbei. Da bekommen wir schon wieder Lust auf’s Segeln. Hier ist nicht viel los, der Herbst geht seinem Ende zu, und für Wassersport ist es dem Neuseeländer zu kalt. Nach 15 Kilometern machen wir eine Pause mit Eis und Cola beim Glendhu Bay Lakeside Holiday Park. Die Betreiber sind sehr nett zu uns, obwohl es hier viele böse Schilder gibt und anscheinend alles verboten ist. Von da aus dürfen wir ein paar Kilometer Straße laufen bis zum Parkplatz am Beginn des Motatapu Alpine Tracks. Dort liegt Farmland vor uns, hohe Zäune begrenzen riesige Damwild-Gehege. Wir müssen durch merkwürdige Tore klettern, die nicht bis zum Boden gehen und wie Fenster geöffnet werden. Das ist ja mal ganz was Neues. Der Fern Burn Stream fließt über lange Strecken neben uns. Die Natur wird plötzlich wieder wild und schön. Mischwald, viele umgestürzte Bäume zu beiden Seiten, Felsen und sprudelnde Bäche, hin und wieder ein kleiner Wasserfall. Dann folgt ein Aufstieg über 500 Höhenmeter. Ein steiler Pfad führt nach oben zur Fern Burn Hut. Dort treffen wir den Kiwi-Kanadier Neil wieder, den mit unserem Wunschzelt. Außerdem haben sich drei Jungens in der Hütte breitgemacht, ein Deutscher, ein Franzose und ein junger Mann aus Tschechien. Die haben alle ein Work & Travel-Visum, gehen aber lieber wandern als arbeiten. Die Drei sind ja ganz nett, aber sie benehmen sich, als hätte Mama immer zu gut hinter ihnen weggeräumt. Diese Unordnung, dieses Chaos, so viel Zeug, und das für eine einzige Nacht in der Hütte ! Sie bleiben abends noch länger auf und fangen dann später an, in der oberen Etage die Matratzen laut hin- und herzuschieben, im Rucksack zu kramen etc. – Die Kinder sind einfach noch nicht müde. Sind ja auch nicht so viel gelaufen wie wir heute, sondern mit dem Auto bis zum Parkplatz am Damwild-Gehege gefahren. Naja, irgendwann ist dann doch endlich Ruhe in der Fern Burn Hut.
Kalte Winterluft, Nebel und Niesel erwarten uns am nächsten Morgen. Wir sind alle nicht besonders motiviert und beginnen den Tag mit einem ausgedehnten Frühstück. Neil hatte uns bereits beim Kennenlernen vor zwei Wochen erzählt, dass er Leute sucht, mit denen er zusammen gehen kann. Seine bisherigen Begleiter sind verletzungsbedingt ausgefallen, und offensichtlich läuft er nicht gerne alleine. Nun fragt er uns, ob wir mit ihm zusammen wandern möchten. So ganz wohl ist uns ja nicht damit, aber man kann ja auch schlecht “ nein “ sagen. Also wackeln wir zum ersten Mal in einer Kleingruppe los, nicht ganz unser Ding, aber Neil ist wirklich nett und unauffällig. Wir starten im Regen. Dieser Tag hat es in sich, auf jeden Fall erhöhte Anforderungen. Zunächst müssen wir auf den Jack Hall’s Saddle in 1275 Metern Höhe. Das ist noch kein Ding, ein relativ einfacher Anstieg am frühen Morgen. Aber so geht es weiter, und zwar den ganzen restlichen Tag. Schon nach 2,5 Stunden statt der angegebenen 4 Stunden erreichen wir die Highland Creek Hut und machen dort Mittagspause – zusammen mit Neil. Danach gleich wieder 450 Höhenmeter hoch und steile 450 Höhenmeter hinunter bis ins Motatapu Valley. Leider ist trotz oder gerade wegen der vielen Höhen nichts von der Landschaft zu erkennen. Ab und zu tauchen ein paar Bergspitzen aus den Wolken auf, aber das war es dann auch schon. Ein Freund von uns hat den Motatapu Alpine Track mit der Tararua Range verglichen. Wer also tolle Fotos angucken möchte von dem, was wir heute verpasst haben, der gehe bitte auf www.followstef.com – Wir laufen den ganzen Tag nur im Regen und sehen gar nichts. Links von uns liegt der Knuckle Peak mit 1804 Metern Höhe, aber selbst dieser Gipfel bleibt im Verborgenen. Schade eigentlich, aber man kann ja nicht immer Glück mit dem Wetter haben. Manchmal tauchen seltsame Gesteins-Formationen gespenstisch aus dem Nebel auf. Hinunter zum Motatapu River wird der Weg richtig eklig, weil der Regen die steilen Hänge inzwischen mehr als rutschig gemacht hat. Aber danach freuen wir uns über ein kleines Waldstück, eine angenehme Abwechslung und ein fast gerades Stück. Hier schießen Unmengen von Pilzen aus dem Boden. Das gefällt uns, die sind hübsch anzusehen. Auf einmal wachsen sie überall, verschiedene Formen und in knallbunten Farben. Der Herbst ist tagsüber warm und meistens noch sonnig, dazu feucht, das mögen die Pilze wohl. Auf dicken Steinen können wir den Motatapu River überqueren, ohne ins eiskalte Wasser hinein zu müssen. Noch zweimal über einen Bach springen, dann ein Stück Weide überqueren, endlich sind wir an der Roses Hut. Nur 17 Kilometer geschafft, aber bei diesen durch Regen erschwerten Bedingungen und dem knackigen Höhenprofil geht nicht mehr. Erstmal ‚raus aus den nassen Klamotten, dann Tee kochen, damit wir wieder warm werden. Wir sind natürlich nicht alleine. Neil ist da, außerdem sitzen noch Moonflower und D.J. am Tisch. Alle laufen den kompletten Te Araroa, das passt uns ganz gut in den Kram. Thru-Hiker sind abends müde und liegen früh im Schlafsack.
Wir stehen alle früh auf. Morgens herrscht zum Glück Ruhe. Jeder kocht sein Süppchen und seinen Kaffee und hält erstmal den Mund. Sehr angenehm ! In der Nacht hat es weiterhin geregnet, aber der Himmel lässt auf Besserung hoffen. Es nieselt nur noch ganz leicht, als wir alle fünf kurz nacheinander losziehen. Nun sind wir schon keine Klein-Gruppe mehr. Vor uns läuft Moonflower, dicht hinter uns Neil und D.J. – mich nervt es, wir laufen lieber alleine zu zweit. Die knapp 500 Meter Anstieg zum Roses Saddle legen wir in Rekordzeit zurück, um wenigstens etwas Abstand für eine Pipi-Pause zu gewinnen. Schweißgebadet kommen wir auf dem Sattel in 1270 Meter an und können erstmal eine Schicht Kleidung ausziehen. Das Wetter wird schön. Nun bekommen wir eine Vorstellung davon, was wir gestern verpasst haben. Tolle Berg-Landschaft ringsum, und wir wandern auf schmalem Grat mitten durch diese atemberaubende Natur. Man kann den Vormittag gut in drei Etappen einteilen : eine Stunde Aufstieg, eine Stunde Abstieg, dann eine Stunde durch den Arrow River. Anstatt die höher gelegene Schlechtwetter-Route über die Hügel zu nehmen, laufen wir mehrere Kilometer im Flussbett. Das Wasser ist meistens nur knöcheltief, an manchen Stellen reicht es bis zu den Knien. Es ist zwar kalt, aber gut auszuhalten, weil inzwischen die Sonne scheint. Nach 3 Stunden anstatt der veranschlagten 4-5 Stunden erreichen wir unser erstes Ziel. Macetown war in den Jahren 1863 bis ungefähr 1920 eine Goldgräber-Siedlung. Heute ist Macetown eine verlassene Geisterstadt. Einwohnerzahl : Null. Ein paar gut erhaltene Häuser, einige Ruinen und Steinhaufen sind alles, was von der früheren Pracht übrig geblieben ist. Dafür gibt es schöne Plätze zum Campen mit Feuerstellen und dicken Baumstämmen als Sitzgelegenheit. Hier möchten wir eine ausgiebige Pause machen und unsere Sachen trocknen. Es dauert gar nicht lange, dann setzt sich Moonflower, die wir irgendwo überholt haben, zu uns. Nur 5 Minuten später erscheint Neil, dann kommt noch D.J. dazu. Also Pause zu fünft – nichts, was wir uns aussuchen würden. Immerhin hören wir den neuesten Hiker-Tratsch und wer schon alles den Trail verlassen hat. Das deutsche Paar, mit dem Neil unterwegs war, musste in Christchurch abbrechen. Alex hat ebenfalls wegen einer Verletzung aufgegeben. Der Israeli hatte keine Lust mehr auf Te Araroa und macht jetzt nur noch ein paar besonders schöne “ Great Walks „. Die Französin Clem hat eine riesige Etappe von Boyle Village bis nach Wanaka einfach ausgelassen, dafür haben wir zu Fuß genau vier Wochen gebraucht. Und dieser ist mit dem Bus gefahren, ein anderer per Anhalter weiter ….. ja, es gibt viele verschiedene Gründe, einfach nicht mehr weiter zu laufen. Auf dem Appalachian Trail erreichen nur etwa 15 – 20 % der Gestarteten das Ziel, zum Te Araroa haben wir noch keine Statistik gesehen. Auf jeden Fall scheint es so, als würden wir jetzt das Feld von hinten aufrollen. Dadurch, dass wir länger keine ganzen Tage verbummelt haben, haben wir inzwischen einige Leute eingeholt. Wir sind einfach zu schnell geworden, um die Hütten noch für uns alleine zu haben. In Macetown endet der Motatapu Alpine Track, hier startet der 12 Kilometer lange Big Hill Track. Wir verlaufen uns gleich nach der Pause zunächst mal wieder, das ist schon länger nicht mehr passiert. Allerdings sind wir auch schlauer geworden und kennen inzwischen die Tücken vom Te Araroa. Nach einer Viertelstunde bemerken wir unseren Fehler und kehren um, bis wir wieder auf dem richtigen Weg sind. Dann geht es tatsächlich noch einmal stramm bergauf. Der Big Hill Saddle liegt nur 1060 Meter hoch, aber wir quälen uns beide ordentlich mit diesem Anstieg in der Hitze. Vielleicht ist das die Summe der vielen in den letzten Tagen geleisteten Höhenmeter …. oder der fehlende Ruhetag in Wanaka …. oder wir sind einfach nur müde, weil wir inzwischen schon fast 5 Monate auf dem Trail laufen. Abwärts auf der anderen Seite geht es viel besser. Der Weg wird immer leichter und führt uns in einen schönen Mischwald. Das ist ein sehr angenehmer Abschluss eines schon wieder anstrengenden Tages. Wir müssen einfach nur noch hinauslaufen bis nach Arrowtown. Unterwegs im Wald überholen wir D.J., treffen ihn dann aber eine Stunde später vor dem einzigen kleinen Geschäft im Dorf wieder. Auch Moonflower und Neil lassen nicht lange auf sich warten. Die Beiden haben ebenfalls nach der Pause den falschen Weg gewählt, sind allerdings etwa 3 Kilometer gelaufen, bis sie umgedreht sind. Es beginnt wieder zu regnen, während wir draußen vor dem Laden stehen. Die anderen Drei möchten zum Holiday Park und sich gemeinsam ein Cabin mieten, damit sie die kommende Nacht trocken verbringen können. Aber das ist nichts für uns. Der Ort gefällt uns überhaupt nicht. Hier leben anscheinend überhaupt keine normalen Menschen, es ist alles nur auf Touristen ausgerichtet. Gold-Schmuck, Alpaka-Wolle, exklusive Schokoladen, teure Souvenirs – richtiges Alltags-Leben scheint es in Arrowtown nicht zu geben. Die sagenhafte Bäckerei mit ihrem berühmten deutschen Brot und den unvergleichlich guten Fleisch-Pasteten hat am Samstag um 18.00 Uhr geschlossen. Wir beschließen, noch ein Stück weiter zu gehen, so dass wir aus dem Ort herauskommen. Nach etwa 3 Kilometern finden wir ein Gelände mit einem offenen Tor, ein anscheinend verlassener Platz. Ein Schild vorne weist auf eine Baufirma hin, aber die arbeiten sicher nicht am Sonntag. Also werden wir wahrscheinlich Niemanden stören und auch nicht gestört. Ganz hinten auf der Wiese gibt es einen Unterstand, unter dem Ziegelsteine, Plastikrohre und Säcke mit weißem Zeug lagern. Daneben ist gerade genug Fläche, um unser kleines Zelt aufzustellen. So haben wir diese Nacht sogar ein Dach über dem Kopf, ohne dafür teuer zu bezahlen. Erst im letzten Moment bemerken wir, dass sich nicht weit von uns entfernt ein ausgedehntes Damwild-Gehege befindet. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit sehen wir gerade noch, dass dort hinten mehr als ein Dutzend Hirsche auf der Weide stehen.
Der Regen konnte uns nichts anhaben, weil wir unter dem Wellblechdach einen trockenen Standort hatten. Allerdings war die Straße nicht weit entfernt und erstaunlich stark befahren, sogar während der Nacht. Gegenüber auf der anderen Seite haben die Hirsche geröhrt, was das Zeug hält. Sehr laut, sehr ausdauernd und etwas unheimlich sind diese Laute. Vielleicht auch nur, weil man solche Geräusche von Tieren um Wald nicht gewöhnt ist. Trotzdem haben wir besser geschlafen als mit anderen Personen zusammen in einer Schutzhütte. Beim Start morgens um 7.00 Uhr ist es trocken. Aber schon eine halbe Stunde später beginnt es zu nieseln, kurz darauf regnet es richtig. Macht nichts, wir packen uns und unsere Rucksäcke wasserdicht ein und latschen weiter. Keine 30 Kilometer mehr sind es auf dem Queenstown Cycle Track, bis wir ins Trockene kommen. Der Weg ist einfach und langweilig, das Wetter macht es nicht besser. Zunächst laufen wir durch das Millbrook Resort, da sträuben sich uns die Haare. Das ist wieder so ein künstlich aus dem Boden gestampfter Ort, offensichtlich für gut betuchte Rentner geplant. Schöne Wiesen, kunstvoll geschnittene Hecken, ein super gepflegter Golfplatz neben der Hauptstraße. Sogar die Bäche und Teiche scheinen begradigt worden zu sein, und die Pflanzungen wirken alles Andere als natürlich. Also nein, da möchten wir noch nicht einmal begraben werden. Der Lake Hayes Walkway führt uns am westlichen Ufer des gleichnamigen Sees entlang. Von da aus laufen wir in immer stärker werdendem Regen Richtung Frankton. Mittlerweile sind nicht nur die Schuhe durchweicht, auch der Poncho hält nicht mehr alles ab. Die Gegend wird immer hässlicher, irgendwann befinden wir uns mitten im Industriegebiet von Frankton. Hier laufen wir nicht nur im Matsch, sondern in den Pfützen schwimmt eine Menge Müll, und es stinkt. Das einzig Gute ist ein Shopping-Center, wo wir im Café Society eine lange Pause zum Trocknen und Aufwärmen machen. Dank Internet-Zugang können wir ein relativ günstiges Zimmer für die kommende Nacht reservieren. Mit der Aussicht auf Dusche, Waschmaschine, Trockner, Heizung und ein weiches Bett machen wir uns gleich viel besser gelaunt auf den Weg. Der Frankton Arm Walkway bringt uns direkt bis nach Queenstown, wo wir nach 25 langweiligen Kilometern gegen 15.00 Uhr ankommen. Unsere Herberge liegt etwas außerhalb und – natürlich – hoch oben am Berg. Ein steiler Aufstieg wird mit einer großartigen Aussicht über die Stadt, die angrenzenden Berge und die Bucht belohnt. Unser Zimmer in Reavers Lodge ist viel besser als im Internet beschrieben, so dass wir ohne Zögern noch eine Verlängerungsnacht buchen. Das entspannt die Lage doch beträchtlich und kann sicher nicht schaden. Seit Twizel haben wir keinen Ruhetag mehr gehabt, und das ist immerhin schon wieder 10 Tage her.
In unserem Zimmerpreis ist ausnahmsweise sogar Frühstück mit inbegriffen. Aber das tun wir uns nicht an. Der Speiseraum ist nur von 7.30 bis 9.00 Uhr geöffnet, da müssten wir uns ja am off-day einen Wecker stellen …. Und wenn nur die Hälfte der jungen Leute, die hier im Gebäude wohnen, zum Frühstück gehen, dann gibt das ein schönes Gerangel. Wir trinken unseren Kaffee im Zimmer und machen uns dann auf den Weg in die Stadt. Queenstown hat ungefähr 20.000 Einwohner, aber Touristen ohne Ende. Man kann hier beinahe alles machen, was Geld kostet. Eine Seilbahn ( Skilift ) bringt ohne Unterbrechung Menschen in die Höhe. Es wird Gleitschirm-Fliegen, Bungee-Springen, Helikopter-Flüge, Kanu- oder Jetboot-Fahren angeboten. Organisierte und geführte Wanderungen in die nahe und ferne Umgebung, Touren zu den Schauplätzen von Herr-der-Ringe usw. – alles teuer und völlig überlaufen. Queenstown rangiert in unserer Beliebtheits-Skala in der Mitte zwischen Auckland ( hässlich ) und Wellington ( unbedingt empfehlenswert ). Die Lage hier ist wirklich außergewöhnlich schön, aber die hektischen Menschenmassen ( = Urlauber ) lassen bei uns keine Entspannung aufkommen. Wir stöbern in den verschiedenen Sportgeschäften und Outdoor-Läden, aber mehr als zwei Paar Socken kaufen wir nicht. Lange halten wir den Stadtbummel nicht aus, dann zieht es uns wieder in unser gemütliches Zimmer. Ein Problem hatten wir noch zu lösen : Der Trail endet mal wieder auf der einen Seite vom Lake Wakapitu, auf der anderen Seite an der Greenstone Warf geht es dann weiter. Der Te Araroa Trust nennt dieses eine “ natürliche Lücke “ und überlässt es den Hikern, wie sie das organisieren. Man kann es natürlich per Anhalter versuchen, was aber schwierig ist und lange dauern kann. Die zu umfahrende Strecke beträgt immerhin 90 Kilometer, mehrere kleine und schlechte Straßen führen in die Pampa. Da ist nichts los, es kann ewig dauern, bis ein Auto in die Richtung fährt. Eine andere Möglichkeit wäre ein Bus nach Glenorchy, von dort aus mit dem Wassertaxi weiter über den See bis zum Trailhead. Diese überfahrt soll sehr teuer sein. Wir entscheiden uns für die sichere und günstigste Variante. In einem der zahlreichen Abenteuer-Reisebüros buchen wir zwei Plätze im Bus nach Greenstone, wo wir dann direkt am Startpunkt des nächsten Tracks aussteigen können. Kostet mal eben “ nur “ 104,- Dollar für Beide, aber da müssen wir wohl in den sauren Apfel beißen. Wir haben keine Lust, hier unnötig Zeit mit Herumstehen an der Straße zu verlieren. Der Bus wird für die 90 Kilometer etwa 2,5 Stunden unterwegs sein, da kann man sich den Zustand der Straße in die Einsamkeit gut vorstellen. Leider müssen wir schon um 8.00 Uhr früh zur Abfahrt unten in der Stadt sein. Das bedeutet, es wird wieder nichts mit Ausschlafen, und Frühstück schaffen wir auch morgen nicht. Wir hoffen nur, dass diese Lücke im Te Araroa nun die letzte Hürde auf dem Weg zum Ziel sein wird.
Queenstown bis Te Anau 05.04. – 08.04.2016
Ninas Geburtstag – und ich kann noch nicht einmal gratulieren, weil wir schon sehr früh wieder unterwegs sind. Morgens beim Aufstehen verspüre ich leichtes Magenzwicken und Uebelkeit, beachte das aber nicht weiter. Im Bus vom Reisebüro befinden sich ungefähr 20 junge Leute, die eine geführte Wanderung unternehmen. An einer Parkbucht hält der Fahrer an, lässt alle aussteigen, um die schöne Aussicht mit der Kamera festzuhalten. D.J. und wir beide bleiben sitzen, wir hatten schon seit Wochen immer wieder tolle Blicke auf “ See mit Bergen “ . Im kleinen Dorf Glenorchy macht der Bus Pause, und wir müssen umsteigen in einen kleineren Wagen mit Allrad-Antrieb. Das macht Sinn, denn ab hier verlassen wir die herkömmliche Touristen-Route. Eine kurvenreiche Schotterstraße, die immer schmaler wird, soll zum Beginn des nächsten Tracks führen. Drei Mal fährt unser Auto in den Senken durch Wasser, welches von oben über die Straße fließt. Dabei hat es seit Tagen nicht geregnet. Nun können wir uns gut vorstellen, dass diese Strecke manchmal unpassierbar ist. Aus dem Fenster heraus sehen wir eine Weide voll mit Alpaka-Jungtieren. Nach mehr als 2,5 Stunden Fahrt sind wir endlich in Greenstone, wo der Mavora Lakes Walkway beginnt. Mir ist inzwischen richtig schlecht. Nur ein paar Minuten nach dem Start landet mein Mageninhalt in den Büschen neben dem Weg. Wir überlegen kurz, was wir machen sollen. Umdrehen und noch einen weiteren Tag in Queenstown verbringen ? Eigentlich möchte ich lieber weiter, es wird schon gehen. Und wir haben nur vier Tage vor uns, bis wir wieder in einen Ort kommen. Also marschieren wir etwas langsamer als sonst los. Der Trail fängt gut an, uns gefällt es hier draußen viel besser als in der Stadt. Einige Hängebrücken machen die Ueberquerungen leicht. Eine tiefe Schlucht beeindruckt uns, unter einer Brücke fließt in einem engen Schlauch das tosende Wasser des Greenstone River. Mehrere Wasserfälle sprudeln auf der rechten Seite aus den Bergen. Links liegt der Gipfel vom Tooth Peak mit 2061 Metern Höhe. Vor der Slip Flat Hut liegt ein anderer Strom vor uns im Weg. Wir versuchen, auf dicken Steinen hinüber zu kommen, aber das erscheint uns zu riskant. Die Felsen sind glatt wie Schmierseife. Etwas weiter stromaufwärts gibt es eine Brücke, diesen Umweg nehmen wir ausnahmsweise in Kauf, um sicher und trocken auf die andere Seite zu gelangen. Bereits nach drei Stunden erreichen wir die Greenstone Hut, die für 20 Personen eingerichtet ist. Wir machen Mittagspause, bleiben aber nicht lange allein. In Minuten-Abständen trudeln neue Wanderer ein, insgesamt sind es schon 10 Personen, als wir fertig sind mit unserer Rast. Das ist ja gar nichts für uns, wir möchten schnell weiter. Aber ein älteres Kiwi-Ehepaar spricht uns an und ist ganz aus dem Häuschen. Die kennen uns tatsächlich, denn wir haben uns beim Aufstig auf den Pirongia getroffen und kurze Zeit unterhalten. Das war Ende Dezember auf der Nordinsel, also eine gefühlte Ewigkeit lang her. Und nun treffen wir uns mehr als drei Monate später ganz im Süden wieder, das ist schon ein merkwürdiger Zufall. Auch D.J. und Moonflower sind inzwischen bei der Greenstone Hut angekommen. Uns wird das alles zu viel. Wir sollten gut aufpassen, dass wir nicht in die nächste Gruppe hineinlaufen. Weiter führt der Weg durch dichten Wald mit moosigen Bäumen. Wir müssen über Wurzeln und Steine steigen, dann durch Matsch und Sumpf. Das erinnert stark an unsere ersten Erfahrungen in den Wäldern der Nordinsel. Aber inzwischen sind wir abgehärtet, was Schlammpfützen und nasse Schuhe angeht. Der Mavora Lakes Track verläuft entlang des Greenstone River und des Mararoa River, da darf man keine trockenen Füße erwarten. Schon um 17.30 Uhr erreichen wir die Taipo Hut, wo unser Freund Neil gerade ein reichhaltiges Abendessen kocht. Später kommt auch noch D.J. hinzu, damit ist die 4-er Hütte komplett. Eine niedliche kleine Maus leistet uns zusätzlich Gesellschaft. Die ist sehr vorwitzig und wagt sich sogar bei Tageslicht auf die Anrichte. Unser Mäuschen scheint sehr hungrig zu sein. Wir füttern sie reichlich mit Brot und Käse, damit sie in der Nacht nicht randaliert. Ich selber mag nichts Warmes zu mir nehmen. Meine Uebelkeit wird vom Essensgeruch in dem kleinen Raum noch verstärkt. Habe lange Zeit Bauchschmerzen, während ich schon im Schlafsack liege. Trotzdem bin ich froh, dass wir nicht umgedreht sind. Statt der vorgesehenen 7 – 10 Stunden von Greenstone bis zur zweiten Schutzhütte haben wir die Strecke in nur 6 Stunden geschafft, obwohl ich gesundheitlich leicht angeschlagen bin.
Anscheinend haben wir die kleine Maus gut satt gefüttert, denn während der Nacht hat sie sich nicht gerührt. Wahrscheinlich hat sie mit dickem Bäuchlein irgendwo zufrieden in einer Ecke geschlafen. Morgens ist es lausig kalt in der Hütte, unsere Atemwolken sind sichtbar. Meinem Bauch geht es noch nicht besser. Eine Perenterol-Tablette haben wir noch, die nehme ich zum Frühstück ein. Dann starten wir unseren Tag mit einer Hängebrücke über den Mararoa River. Es bleibt nicht lange bei trockenen Füßen, denn es sind noch einige weitere Seitenarme zu überqueren. Wir laufen entlang der Flanke des Mount Mavora mit 1990 Metern Höhe. Anschließend folgt ein weites Sumpfgebiet, das bedeutet natürlich mal wieder patschnasse Schuhe. Nach gut drei Stunden sind wir an der Boundary Hut, wo wir eine ausgiebige Mittagspause verbringen. Neil läuft vorbei, aber D.J. möchte ebenfalls in der Hütte Rast machen. Von dort aus wird der Mavora Lakes Walkway schön einfach. Es geht 6 Kilometer auf einem ausgewaschenen Forstweg bis zur Careys Hut direkt am See. Kurze Pause, dann kommt D.J. Schon hinterher und möchte den Tag hier in der Hütte beenden. Für die Nacht und den morgigen Tag ist starker Regen angesagt. Keiner ist mehr scharf darauf, bei diesem Wetter zu zelten. Aber uns ist es um 15.00 Uhr noch viel zu früh, um Feierabend zu machen. Es war bisher ein einfacher Lauftag, wir mussten uns über keine Berge quälen. Unser Ziel ist ein Campingplatz am Mavora Lake, noch etwa 10 Kilometer weiter. Hier muss es schon feste geregnet haben, denn tiefe Pfützen und Schlammlöcher machen den Weg dahin etwas unbequem. Irgendwann stehen wir vor einem hohen Zaun. Was soll das denn nun ? Auf unserer Seite der Wiese steht eine Markierungsstange, auf der anderen Seite des Zaunes gehen die Markierungen weiter. Wir sind ganz eindeutig auf dem Trail, aber da war Jemand den Wanderern nicht besonders freundlich gesonnen. Stacheldraht in mehreren Reihen übereinander, aber wenigstens nicht elektrisch. Auf dem Te Araroa haben wir beim Uebersteigen der Weidezäune schon so manches Mal einen gewischt gekriegt. Wir setzen unsere Rucksäcke ab, schieben sie unter dem Zaun hindurch und robben am Boden entlang unter diesem Hindernis hindurch. Unser Pfad führt lange am See entlang, man kann über Kiesstrand direkt am Ufer gehen. Bei allen vorigen Seen gab es touristische Dörfer und Wassersport-Aktivitäten. Hier am Mavora Lake herrscht absolute Einsamkeit. Auf der anderen Uferseite schieben sich die Berghänge bis ganz nahe ans Wasser heran. Kein Haus zu sehen, keine Straße, einfach gar nichts. Wir genießen diesen schönen Weg, der später in Mischwald übergeht. Hier stehen Hunderte von Pilzen in allen Größen und Farben. Es sieht ganz so aus, als hätten sie sich zu Gruppen und Familien zusammengefunden. Total faszinierend, am Liebsten würden wir die alle fotografieren. Um 17.30 Uhr erreichen wir den Campingplatz, der zu dieser Jahreszeit unbewirtschaftet ist. Neil hat bereits sein Zelt aufgeschlagen und kocht schon wieder fleißig. Zum Ende hin treffen wir mehr Thru-Hiker als je zuvor und haben ständig Gesellschaft. Alleine war einmal ….. aber das haben wir ja bald auf dem Boot wieder. Abends im Zelt habe ich schlimme Magenkrämpfe. Das dürfte jetzt ruhig mal langsam besser werden, sonst müssen wir in Te Anau nochmal ein paar Ruhetage einlegen.
Am nächsten Morgen stellen wir fest, dass dieses Campingplatz-Gelände riesig ist. Es gibt unheimlich viel gerade Flächen für Zelte und Autos, zahlreiche Picknick-Tische, Toiletten, mehrere Grill-Plätze. Zur Zeit ist absolut nichts los, wir sind die einzigen “ Gäste „. Für Camping-Touristen und selbst für die Einheimischen ist es wohl zu kalt. Aber diesen einladenden Ort am Mavora Lake werden wir uns merken, um ihn nächstes Jahr mit dem Auto zu besuchen. Wir laufen über eine Hängebrücke auf die andere Seite, wo eine gut ausgetretene Spur wieder zwischen Bäume führt. Sehr schönes Laufen, ein sanftes auf und ab im Wald. Es sind keine großen Höhenunterschiede mehr zu bewältigen, so dass wir ganz entspannt spazieren können. Am Mararoa River haben wir mehrere Möglichkeiten zur Auswahl und entscheiden uns für den Weg direkt am Fluss entlang. Das war wohl die bessere Option, wie wir später von Neil erfahren, den wir bei seiner Pause an der Schotterstraße einholen. Er ist den Wegweisern weiter in den Wald hinein gefolgt und hatte schwer mit umgestürzten Bäumen zu kämpfen. Von da an laufen wir wieder gemeinsam und treffen eine weitere deutsche Thru-Hikerin, die wir jetzt zum ersten Mal sehen. Anna hat neue Schuhe und sich damit schlimme Blasen an den Füßen eingehandelt. Sie hat bereits um 12.00 Uhr beschlossen, dass sie heute nicht mehr weiterlaufen mag. Anna hat eine klapperige Wellblech-Hütte als Quartier für die Nacht gewählt, weil das Wetter schon ziemlich gruselig aussieht. Wahrscheinlich soll das ein Bus-Unterstand sein, aber es kommt sowieso kein Bus in dieser Einöde. Gerade groß genug, um einer Person Schutz vor Regen und Sturm zu bieten. Anna hat ihr Zelt als Unterlage auf den Boden gelegt, darauf Isomatte und Schlafsack ausgebreitet und die offene Vorderseite mit einer Plane abgedichtet. Kalt ist ihr trotzdem schon, weil sie bereits seit einigen Stunden hier ausharrt. Zusammen mit Neil laufen wir noch einige Kilometer weiter die Straße entlang und suchen eine geeignete Stelle zum Zelten. Inzwischen regnet es, zunächst nur leicht, aber zum Abend hin wird es heftiger. An der Lake Mavora Road schlagen wir uns über einen Zaun in die Büsche und räumen uns einen Platz unter Bäumen frei. Tannenzapfen und äste müssen weg, der unebene Boden begradigt werden. Wasser haben wir auch keins mehr, dafür geht Thomas nochmal ein ganzes Stück Richtung Fluss. Neil ist weitergelaufen, kommt aber nach einer halben Stunde zurück. Er erzählt mir, dass er einen überdachten Platz unter einer Scheune gefunden hat, wo wir trocken stehen können. Und er bringt uns 4 Liter Wasser, die er aus einem Kran bei einem verlassenen Haus einfach abfüllen konnte. Ich habe unser Zelt gerade fertig aufgebaut, und Thomas ist immer noch unterwegs, um Wasser vom Fluss zu holen. Tropfnass steht Neil da und meint es gut mit uns, obwohl er dafür noch einige Extra-Kilometer zurücklegen musste. So ein lieber Kerl ! Wir bleiben die Nacht unter den Bäumen, was sich bald als schwerer Fehler herausstellt. Der Wind entwickelt sich zum Sturm, der durch die Hecke kanalisiert wird. Ich habe das Zelt falsch ausgerichtet, der Eingang weist genau in die Richtung, aus der es ordentlich bläst. Unser Zelt wackelt und zittert und ist kurz vor dem Zusammenbrechen. Dazu Regen, Regen, Regen ….. Es dauert gar nicht lange, da wird es ungemütlich auf meiner Seite. So ein Mist ! Ich liege in einer Pfütze, weil es hineingeregnet hat und sich das Wasser unter mir sammelt. Der Schlafsack ist bereits nass, und draußen tobt immer noch das Unwetter.
Wir hatten eine unruhige und feuchte Nacht. Nicht nur Schlafsack und Isomatte, sondern auch unsere Papiere, das Info-Material und mein Tagebuch sind klatschnass. Anna läuft vorbei, während wir aufklaren und zusammenpacken. Wenig später holen wir sie wieder ein und unterhalten uns mit ihr bis zur Hauptstraße, von wo sie zur Stadt trampt. Wir haben noch weitere 3 Kilometer vor uns, bis wir den Daumen heraushalten dürfen, denn wir laufen jeden Meter vom Te Araroa. Knapp eine Stunde müssen wir auf eine Mitfahr-Gelegenheit warten. Gegen 14.00 Uhr sind wir endlich in Te Anau, wo wir erst einmal unsere Klamotten im Park trocknen. Die Sonne scheint zwar ein wenig, aber es ist trotzdem kalt. Ein Stadt-Aufenthalt ohne übernachtung bedeutet immer Stress. Wir brauchen Proviant für die nächste Etappe, Essen für 8 Tage muss eingekauft werden. Dann geht es in die Bücherei, um dort am Computer den wichtigsten Internet-Kram zu erledigen. Thomas bucht unsere Flüge nach Whangarei für den 21.04. ab Dunedin. Wie wir dorthin kommen, das wird sich noch finden. Wir haben eine e-mail von Sharron, mit der sie uns Zoll-Dokumente sendet. Und sie gibt uns die Adresse ihrer Eltern, die auf einer Schaf-Farm ganz im Süden wohnen. Wir sollen uns unbedingt dort melden, wenn wir in der Nähe sind. Wir müssen Kontakt zur Riverside Marina aufnehmen und klären, wann wir dort einen Platz für die Walkabout bekommen, am Besten gleich mit Krantermin. Ich versuche noch, eine Ueberweisung an Stefan für seine “ Hass hilft „- Aktion zu machen, aber das klappt so auf die Schnelle nicht. Bitte auslegen – ich überweise, sobald wir wieder beim Boot sind. Strom für unsere Geräte brauchen wir auch dringend, dafür müssen wir uns noch eine Weile ins Café setzen. Ja, und das alles in nur drei Stunden, inclusive Essen. Mit Uebernachtung im Ort geht sowas entspannter ab, aber wir möchten nicht schon wieder Geld für ein Zimmer ausgeben. Eine nette Einheimische sammelt uns an der Hauptstraße ein. Sie erzählt uns, dass sie 6 Jahre lang kein Auto hatte und in dieser Zeit oft per Anhalter gefahren ist. Nun möchte sie etwas davon zurückgeben, indem sie möglichst viele Leute mitnimmt. Sehr gut für uns, denn so sind wir um 17.30 Uhr wieder am Trailhead und könnten es noch vor Anbruch der Dunkelheit bis zur ersten Hütte schaffen. Der Weg ist einfach, wir laufen auf einer schmalen Straße zwischen Bauernhöfen hindurch. Ein kräftiger Bulle steht mitten auf dem Te Araroa. Der scheint in Einzelhaft zu sein, denn die anderen Tiere links und rechts sind eingezäunt. Aber dieser Bulle wirkt gar nicht aggressiv, sondern steht nur ruhig da, als wir ihn passieren. Eigentlich sieht der sogar ganz lieb aus mit seinen lustigen Ringel-Löckchen auf der Stirn. Danach haben wir leichte Probleme, den richtigen Weg über matschige Kuhweiden zu finden. Mit dem letzten Tageslicht erreichen wir die Lower Princhester Hut. Draußen stehen zwei Geländewagen, aus dem Kamin qualmt es ganz ordentlich. Wir hoffen, dass in der 6-er Hütte noch zwei Pritschen für uns frei sind und klopfen zaghaft an die Tür. Glück gehabt ! Es hat sich nur ein Jäger hier für die Nacht eingerichtet, die anderen Jäger sind alle im Wald unterwegs. Ein sehr netter und gesprächiger Einheimischer, der uns viel über die Tierwelt in Neuseeland und das Jagen erzählt. Das Feuer raucht und stinkt, aber es wärmt schön. Die Lower Princhester Hut befindet sich gerade unterhalb der Baumgrenze, das bedeutet, Frostgefahr in der Nacht. Wir bekommen jeder eine Flasche Cidre geschenkt und haben einen gemütlichen Abend zu dritt.
Takitimu Track bis Otautau 09.04. – 11.04.2016
Unsere Nacht war gut, der Jäger ein netter Zimmer-Genosse. Vor uns liegt der Takitimu Track, laut unserem Buch eine 4-Tages-Tour. Wir beginnen morgens sehr früh mit einem Aufstieg durch Buchenwald. Links und rechts sind hohe Berge zu sehen. Wir laufen zum Warmwerden zum Bog Burn Saddle, der zwischen dem nördlichsten Gipfel der Takitimu Range Mount Hamilton ( 1487 m.) und dem Mount Clare ( 1490 m.) liegt. Um uns herum sind in den ersten beiden Morgenstunden die ganze Zeit unheimliche Geräusche zu hören. Gut, dass der Jäger uns so viel interessante Details zur Hirschjagd erzählt hat. Ebenfalls gut, dass er für uns zu Demonstrationszwecken in sein Rohr geblasen hat. Sonst würde uns das Röhren und Grunzen sicherlich mehr beunruhigen. So aber wissen wir, dass mindestens vier Jäger in der näheren Umgebung unterwegs sind und in ihr Jagdrohr blasen. Wahrscheinlich rufen die sich gerade gegenseitig, eventuell sind auch die Brunftrufe eines Hirsches dabei. Wir sind trotzdem etwas nervös und hoffen, dass die Männer sich an die Grundregeln halten und nicht in der Nähe des Trails schießen. Der Waldboden ist feucht und rutschig. Immer wieder müssen wir durch Matsch und tiefe Pfützen. Als wir aus dem Wald herauskommen, da liegt eine helle Lichtung vor uns. Sieht schön aus, aber hier ist es noch feuchter. Weite Strecken laufen wir durch Sumpfgebiet, dann durch mannshohes Gras mit Schlammlöchern dazwischen. “ Tussock-Slalom “ nennt Thomas diese Etappe. Der nächste Sumpf präsentiert sich ebenfalls mit gefährlichen Löchern und zur Abwechslung Kuhfladen dazwischen. Te Araroa zeigt heute nochmal alles, was er zu bieten hat. Den ganzen Tag haben wir nasse Füße und stecken manchmal knietief im Matsch. Das macht keinen Spaß, das ist Südinsel zum Abgewöhnen ! Thomas rutscht an einem steilen Abhang aus und landet sanft auf dem Hintern. Ich folge ihm und falle rücklings in den Schlamm. Hose, Pullover, Rucksack sind nass und schmutzig. Der Modder reicht mir bis zum Kragen. Der Wald hier ähnelt denen von der Nordinsel, alles voller Moos und verrotteter Baumstämme. Wir sind froh, als wir die Aparima Hut erreichen, weil wir vorher keinen geeigneten Platz für eine Rast gefunden haben. Gleichzeitig mit uns kommt eine Familie mit zwei sehr lebhaften Kindern an. Eigentlich möchte ich gerade lieber meine Ruhe haben und setze mich nach draußen, aber da stören die Sandflies. Zum Glück steht nebenan noch die alte Hütte, in die wir uns zurückziehen können. Nicht schön, schmutzig und dunkel, aber wir machen die Tür zu und können endlich entspannt unsere Mittagspause genießen. Gegen 16.00 Uhr brechen wir wieder auf. Angeblich sollen es 6 Stunden bis zur nächsten Hütte sein. Das kann ja nicht bei Tageslicht klappen, um 18.30 Uhr wird es schon dunkel. Mit Stirnlampen suchen wir uns mühsam den Weg durch hohe Farne und Matsch. Der Wairaki River Track ist fast gar nicht markiert. Immer wieder erschweren umgestürzte Bäume das Vorankommen. Es geht gnadenlos hinauf und hinunter. Die Beine sind schwer, ich habe keine Kraft mehr. Zum Ende des Tages gibt es noch eine Ueberraschung für uns. Der Wairaki River muss durchquert werden, und das nur mit unserem sparsamen Licht der Lampen. Eiskalt ist das Wasser, aber wenigstens sind die Schuhe jetzt wieder sauber. Um 21.30 Uhr, nach drei nervigen und kräftezehrenden Stunden in der Dunkelheit, sind wir endlich am Ziel. Auf diesem anspruchsvollen Trail haben wir 30 Kilometer geschafft, das ist doch eine stolze Leistung. Die Lower Wairaki Hut ist alt, hat Etagenbetten für 4 Personen, aber wir sind alleine. Damit ist alles gut, die Quälerei hat sich gelohnt. Aus den nassen Klamotten heraus, warme Sachen anziehen, Tee kochen, warmes Essen gibt es auch noch. Danach fallen wir zufrieden in Tiefschlaf und stellen ausnahmsweise mal keinen Wecker für morgen.
Ausgezeichnete Nachtruhe und keine Lust, die Hütte zu verlassen …. Die Fortsetzung des Takitimu Tracks liegt vor uns, der gestrige Teil hat uns nicht besonders begeistert. Morgens ist es auch zunächst wieder zum Abgewöhnen. Beim Versuch, einen senkrechten Abhang zu erklimmen, rutsche ich auf der feuchten Erde aus und falle vornüber bäuchlings in den Matsch. Hände, Hose, Pullover, nun ist auch die Vorderseite ruiniert. Ich fluche und schimpfe auf den Te Araroa und seinen Erfinder, der hier wahrscheinlich nie selber gelaufen ist. Dieser Track ist echt zum Abgewöhnen. Wir haben zwei Stunden schweißtreibenden Anstieg vor uns bis auf die Telford Tops. Dort finden wir eine schwarze Kappe von einer Olympus-Kamera. Ob die wohl Stefan gehört, der uns ein paar Tage voraus ist ? Wir nehmen sie auf jeden Fall mit, die wiegt ja nichts. Hier oben bekommen wir die Belohnung für unsere Anstrengung : Aussicht bis zum Südende Neuseelands. Dort hinten liegt Bluff ! 150 Tage lang sind wir bis hierhin gelaufen, nun ist ein Ende in Sicht. Das ist ein euphorischer Moment für uns, aber das Glücksgefühl hält nicht lange an. Eiskalter Wind weht uns um die Ohren, so dass wir uns schnell an den Abstieg machen. Zum Glück geht es nur noch auf gutem Pfad bergab bis zu einer Wiese, auf der ein einsames Klo steht und die deswegen “ Campsite “ genannt wird. Auch hier ist es sehr frisch, wir halten uns nicht lange auf. Von der Lower Wairaki Hut bis zur Telford Burn Campsite haben wir tatsächlich 4 Stunden gebraucht – für nur 8 Kilometer. In gutem Gelände laufen wir in dieser Zeit locker 20 Kilometer. Aber es kann nur besser werden, denn vor uns liegen jetzt noch 19 Kilometer über privates Farmland. Hier gibt es viele Einschränkungen, man darf diese Strecke nur bei Tageslicht gehen und nicht unterwegs zelten. Etwa 500 schwarze Milchkühe stehen eng zusammengepfercht in einem Paddock ohne Wiese, aber mit Futtertrögen. Auf der anderen Seite der Straße dürfen sich etwa 200 Bullen auf einer saftigen Weide austoben. Sie kommen ganz mutig bis an den Zaun heran und mustern uns neugierig. Junge Kühe, die noch nicht gemolken werden müssen, laufen einfach frei herum. Der Weg windet sich ungefähr 12 Kilometer lang über die Hügel, natürlich immer hinauf und hinunter. Von einem hohen Berg aus kann man das Meer sehen – es ist wirklich nicht mehr weit. Zum Abschluss laufen wir noch gut eine Stunde über Schafweiden. Damit haben wir das Privatland gerade noch vor Anbruch der Dunkelheit durchquert. Naja, jedenfalls beinahe …. ein schönes Waldstück kurz vor dem Ende des Grundstücks lädt zum Zelten ein. Die Bäume geben uns Schutz vor dem hässlichen Wind, und ein kleiner Strom in der Nähe liefert das Wasser für unser Abendessen.
Nieselregen am Morgen, wir laufen mit Regenhose und Poncho los. Ein Jeep überholt uns kurz vor der Straßenkreuzung, an der das Privatland zu Ende ist. Ich hatte gerade noch überlegt, wie das wohl aussieht, wenn wir so früh aus dem Wald kommen. Peinlich ! Aber der Fahrer grüßt, winkt uns zu und lächelt freundlich. Also, wenn das der Besitzer war, den scheint es nicht gestört zu haben. Heute haben wir den Woodlaw Track vor uns, der ebenfalls 19 Kilometer lang ist und durch privates Farmland verläuft. Auch hier bei der Birchwood Station gelten viele Regeln, an die man sich halten muss. Rechts von unserem Weg stehen einige braun-weiß gefleckte Rinder mit Ringellocken auf der Stirn. Entweder ist das eine besondere Rasse, oder der Bulle, den wir vor ein paar Tagen gesehen haben, hat seine Erbanlagen vielfach weitergegeben. Von hinten kommt ein Trecker angefahren, zwei aufgeregte Hunde springen vorweg. Der Fahrer ist sicher schon um die 80, wahrscheinlich der Urvater dieses Groß-Grundbesitzes. Er bleibt stehen, lacht über das ganze Gesicht und freut sich über eine Unterhaltung mit uns. Der Opa erzählt, dass manchmal Wanderer an seiner Haustür klingeln und um Wasser bitten. Er hat eine Karte aus Stuttgart an der Wand hängen, aber er sagt, er weiß gar nicht, wo Stuttgart ist. Der alte Herr ist echt niedlich. Das Wetter ist heute nicht so nett. Richtiges April-Wetter, immer wieder Regenzeug an und Regenzeug aus. Etwas lästig. Nun geht der Weg von der Straße ab und über Weideland aufwärts. Links von uns liegt ein Eukalyptus-Wald, die hohen weißen Stämme wachsen kerzengerade in die Höhe. Durch Hunderte von Schafen hindurch laufen wir über Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Danach folgt der Island Bush Track, ein schöner Weg durch exotischen Mischwald. Kurz bevor wir wieder auf eine Straße treffen, kommen wir an einer riesigen Weide mit Kälbern vorbei, sicherlich an die 200 Stück. Hier im Süden gibt es wieder sehr viel Farmland und Viehzucht, dafür kaum Touristen. Seit 14.30 Uhr haben wir versucht, die Eltern von Sharron zu erreichen. Anscheinend sind die heute nicht zu Hause. Was für ein Pech, denn wir sind inzwischen an der Merrivale Road angekommen, von wo es nach Otautau geht. Wir setzen uns genau beim Abzweiger an den Straßenrand und wollen noch eine Stunde warten. Der Boden ist kalt, inzwischen regnet es auch wieder. Nicht so optimal, aber die Aussicht darauf, ein nasses Zelt im Regen aufzubauen, scheint auch keine gute Alternative zu sein. Um 17.30 Uhr erreichen wir Catherine und Ian, eine halbe Stunde später werden wir abgeholt. Uns wird ein wunderschönes Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Ganz in weiss und Pastellfarben gehalten, flauschige Teppiche, weiche Decken und Kissen, ein Frisiertisch mit Spiegel, schöne Bilder und Deko-Artikel. Ich nenne es “ Prinzessinnen-Zimmer „, wahrscheinlich hat Sharron hier früher gewohnt. Das Haus ist schon mehr als 150 Jahre alt und riesig. Es gibt überall dicke Teppiche, barocke Spiegel, Vitrinen mit Gläsern und teurem Geschirr auf dem langen Flur, eine Badewanne mit Löwenfüßen und goldenen Wasserkränen – uns kommt das einfach unbeschreiblich luxuriös vor. Die heiße Dusche ist die beste Dusche seit langer Zeit. Wir mögen beide gar nicht aufhören, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir so kalt geworden sind. Danach gibt es ein gemeinsames Abendessen und zwei gemütliche Plauderstündchen. Wir sind herzlich eingeladen und dürfen so lange bleiben, wie wir möchten. Aber wir müssen doch nach Bluff !
Ähnliche Beiträge