Wir segeln und wandern durch die Welt

Yakutat und Hubbard Gletscher

Gegen 8.00 Uhr früh erreichen wir die Einfahrt zur Yakutat Bay, eine 29 Kilometer breite Bucht, die im Nordosten von der Disenchantment Bay begrenzt wird. Hier gibt es heftigen Stromversatz und Wasser-Verwirbelungen. Wellen brechen am nahen Strand. Ein kurzer Angelstopp bringt eine dicke Scholle als Bereicherung unseres Speiseplans. Yakutat liegt am östlichen Ende der Monti Bay. Das Dorf hat ungefähr 660 Einwohner und ist nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen. Der erste Ankerplatz, den die Coast Guard Pilot Charts empfehlen, gefällt uns nicht. Wir tuckern noch 2 Seemeilen weiter und ankern direkt vor dem kleinen Hafen. Damit haben wir nun einen etwas weiteren Fußweg zum Einkaufen, aber wir sind froh, wenn wir ein bisschen laufen können.

Yakutat ist nicht besonders spannend, es ähnelt allen anderen Dörfern, die wir bisher in Alaska besucht haben. Ein Laden für Angelzubehör und Haushaltswaren, ein schlecht sortiertes Lebensmittelgeschäft, ein Liquor Store und eine kleine Postfiliale. Das war’s. Die Preise sind utopisch hoch, wie zu erwarten war. Eine Flasche Orangensaft mit 1,5 Liter Inhalt kostet 12,80 $. Den gönnen wir uns natürlich nicht, da trinken wir lieber Wasser. Kartoffeln stehen auf dem Einkaufszettel, aber die sind ebenfalls so teuer, dass wir sie im Regal liegenlassen. Ohne Kartoffeln geht es auch, dann gibt es eben Reis oder Nudeln, davon haben wir genug an Bord. Für eine 12-er Packung Eier bezahlen wir 7,30 $, die brauchen wir einfach immer. Salat ? Weder frisch noch erschwinglich, also nein. Ruth erzählte, dass der Laden Anfang des Monats mit neuen Waren beliefert wird. Es ist der 7. August, und nach einer Woche ist das Angebot bereits stark eingeschränkt. Die Preise für Genussmittel wie Süßigkeiten und Knabberzeug sind zum Abgewöhnen, das können oder wollen wir uns nicht leisten.

Auffällig viele Hunde gibt es im Dorf. Vielleicht sollen sie die Bären aus dem Vorgarten fernhalten. Unser Ankerplatz vor dem Hafen ist wunderbar ruhig. Früh ins Bett und 13,5 Stunden Schlaf. Morgens entdecken wir die „Picaway“ von Andy ganz in der Nähe. Er ist mit unserer alten Windsteueranlage beschäftigt, und Thomas paddelt hinüber, um zu helfen. Mit auflaufender Tide machen wir uns auf den weiten Weg in den Fjord, um eine etwas bessere Startposition für den Hubbard Gletscher zu bekommen. Ereignisloser Tag. Angeln ohne Erfolg. Feierabend um 19.00 Uhr am Ende eines schmalen Fjordes. „Chicago Harbor“ ist sehr eng und wild. Es ist wirklich nicht viel Platz hier. Die Picaway kommt bei uns längsseits, so dass beide Boote nur an einem Anker hängen. Unser Rocna mit Kette ist stark genug. Thomas bringt zur Sicherheit noch eine Heckleine an Land aus.

Am Ufer steht ein Grabkreuz. Zunächst denken wir an einen Unfall, ein gesunkenes Schiff oder ähnliches. Die Inschrift deutet aber eher auf einen natürlichen Tod und einen außergewöhnlichen Ort zur Bestattung hin. Hier liegt ein Billy begraben, der im Alter von 94 Jahren gestorben ist. Vielleicht war „Chicago Harbor“ sein Lieblingsort ?

Andy und Stuart sind zum Abendessen auf die Walkabout eingeladen. Die Stimmung ist etwas gedrückt, denn Andy hat soeben sein Handy versenkt. Es ist ihm aus der offenen Hemdtasche gefallen, ein Anfängerfehler, der anscheinend sogar erfahrenen Fischern passiert. Nicht nur, dass nun keine Kommunikation per WhatsApp mehr möglich ist, kein Telefonieren mit der Ehefrau, kein Skype mit den Enkelkindern …. Er hatte seine gesamten Navigationshilfen auf dem Handy : elektronische Seekarten, AIS und sein InReach. Super-Gau.  🙁

Unfassbare Stille in der letzten Ecke unserer winzigen Ankerbucht. Wir kommen vermutlich am Abend wieder. Die Picaway entscheidet sich für Rückzug nach Yakutat, um einige Probleme zu lösen. Wir brechen auf zum Hubbard Glacier. Gleich nach dem Start begrüßen uns drei Delfine. Seeotter spielen im Wasser oder lassen sich ganz entspannt auf dem Rücken mit der Strömung treiben. Ein Schiff kommt uns entgegen, die haben wohl die Nacht vor dem Gletscher verbracht. Es ist die Hanseatic Spirit – schon wieder, die kennen wir bereits. Kurz darauf überholt uns die „Brilliance of Seas“ mit 294 Meter Länge. Das Schiff ist 3 mal so breit wie die Walkabout lang ist. Nicht weit dahinter folgt die „Celebrity Summit“, ebenfalls 294 Meter lang und 34 Meter breit. Außerdem haben wir noch das Signal der 10 Seemeilen entfernten „Ocean Cape“ auf dem AIS. Heute früh sind also bereits einige Passagierschiffe mit wohlklingenden Namen auf dem Weg. Tausende von Menschen möchten den Hubbard Gletscher sehen. Wir haben anscheinend ein ganz ähnliches Programm wir die Kreuzfahrer. 😉

Der Pazifik-Schwell läuft bis in den oberen Teil der Yakutat Bay, welche zum nördlichen Ende in die Disenchantment Bay übergeht. Nach 12 Seemeilen beginnt das Eis. Die Wellen machen es nicht einfacher, weil die Brocken im Wasser unter- und wieder auftauchen. Das erfordert langsame Slalom-Fahrt mit Ausguck vorne. Die „Brilliance of Seas“ ist inzwischen schon wieder auf dem Rückweg, und wir können eine Weile deren Spur nutzen. Kein Mensch steht draußen. Denen ist es wohl zu kalt, außerdem ist gerade Zeit für’s Mittagessen.

Das Wetter ist durchwachsen. Der Tag ist und bleibt grau, die Sonne fehlt. Aber wir sind zufrieden, ab Mittag war eigentlich Regen angesagt. Das Eis um uns herum knistert. Die Luft ist prickelnd frisch. Die Eisberge scheinen zu atmen. Sie heben und senken sich oder drehen sich im Wasser und machen dabei unheimliche Geräusche. Viele Stunden fahren wir auf die Front des Gletschers zu, und er scheint überhaupt nicht näher zu kommen. Dafür haben wir den Hubbard Glacier ganz für uns alleine. Lassen uns dort treiben, lauschen dem Donnern und starren gebannt auf die hellblau-weiße Wand voraus. Von seiner Quelle im Yukon-Territorium ( Kanada ) erstreckt sich der Gletscher über 122 Kilometer in die Disenchantment Bay und in die Yakutat Bay. Er ist damit der längste in einem Gewässer endende Gletscher Alaskas. Seine Stirnseite misst über zehn Kilometer. Wirklich imposant !

Gegen vier Uhr begeben wir uns auf den Rückweg. Noch ein Kreuzfahrer kommt uns entgegen. „Grand Princess“ ist 290 Meter lang und 36 Meter breit laut AIS. Die sind nett, sie geben Schallsignale und grüßen die kleine Walkabout. 🙂

Erfreulicherweise haben wir viel weniger Eis als am Vormittag. Keiner muss draußen stehen und die beste Spur anzeigen. Ist auch besser so, denn mittlerweile nieselt es unangenehm. Erst um 21.00 Uhr sind wir wieder „zu Hause“. Das ist heute dieselbe Ankerbucht wie gestern, wieder mit Landleine zu den Bäumen. Chicago Harbor hört sich cool an. 😉 Wir lieben den Namen, und erst recht die Abgeschiedenheit. Insgesamt sind wir 43 Seemeilen unterwegs gewesen, um den Hubbard Gletscher zu sehen. Aber es hat sich gelohnt. 🙂

Regentag ( mit langfristiger Ansage von Meteoblue ). Wir möchten trotzdem raus und nutzen jede Möglichkeit, um an Land zu gehen. Unsere drei Delfine sind wieder da. Anscheinend sind die hier in Chicago Harbor zu Hause. Genau wie gestern drehen sie entspannt ihre Runden. Sieht schön aus, wie die Delfine dicht hintereinander und völlig synchron schwimmen. Eine Rückenflosse taucht kurz aus dem Wasser auf, gefolgt von einem gebogenen Leib, gleich daneben die nächste Rückenflosse vom zweiten Delfin und ganz nahe dahinter Nummer drei. Perfekte Choreographie. 🙂
Laufen ist ganz schlecht auf diesem Küstenstreifen, das sah vom Boot aus besser aus. Hier gibt es nur Geröll, und bei halber Tide liegt alles voll mit schleimigem Grünzeug. Sehr rutschig in Gummistiefeln, deswegen kehren wir nach kurzer Zeit um. Der Käpt’n hat in weiser Voraussicht die Angel ins Dingi gelegt. Lange keinen Fisch mehr gegessen. 😉 Wir paddeln und treiben im Regen durch die Bucht. Thomas zeigt Erbarmen und bringt mich nach einer Stunde zurück zur Walkabout. Er selber hat noch nicht genug ( bisher 3 kleine Rockfische ). Nach einer weiteren Stunde kommt er mit reicher Beute nach Hause. Nass bis auf die Haut, aber sehr erfolgreich. Es wird leckeren Rockfisch und einen Lingcod zum Abendessen geben. Vorher noch Duschen im eiskalten Regen, das ist ein ganz besonderes Erlebnis.
Kein Strom von den Solarpaneelen, abends muss der Generator angestellt werden. Aber irgendetwas stimmt da nicht, es lädt nichts. Thomas öffnet die Batteriekiste und sucht den Fehler. Er entdeckt durchgeschmortes Plastik. Nicht gut. Unser Ladegerät scheint kaputt zu sein. Die Starterbatterie ist bereits seit einiger Zeit tot. Auch der Inverter hat in letzter Zeit mehrmals laut gemeckert. Ich bin keine Expertin in Sachen Strom, aber irgendwie ist irgendwo der Wurm drin.

Die Sonne meldet sich zurück, allerdings nur für einen Tag. Am Wochenende soll es dickes Wetter geben. Regen und viel Wind aus Ost sind angesagt. Wir haben für die nächste Etappe bis Cape Spencer keine gute Möglichkeit, um Schutz zu finden. Da bleiben wir doch besser hier in der Gegend und warten auf bessere Bedingungen. Von Chicago Harbor bis Yakutat sind es nur 20 Seemeilen nach Süden. Da können wir unterschlüpfen und sind etwas näher dran, wenn es auf die längere Etappe gehen soll. Ganz nebenbei die Annehmlichkeiten, dass wir noch einmal einkaufen und unseren Müll entsorgen können. Die Tide passt auch, also los.
Unsere Delfine verabschieden sich mit einer kurzen Runde. Wir umfahren große Kelp-Felder. Im Wasser treiben Baumstämme, auf denen Dutzende Vögel sitzen. Wellen aus dem Pazifik laufen uns entgegen, obwohl wir so weit entfernt sind vom Eingang zur Yakutat Bay. Walkabout schaukelt kräftig hin und her. Draußen muss wohl bereits etwas Wind sein.
Am frühen Nachmittag erreichen wir den bekannten Ankerplatz vor dem kleinen Hafen. Thomas klappert die wenigen Läden im Dorf ab auf der Suche nach einer einfachen Batterie. Theoretisch könnte er eine kaufen, aber der Preis ist so unverschämt teuer, dass er darauf verzichtet. Irgendetwas wird er sich ausdenken, dann wird eben gebastelt. Angelgeschäfte oder Läden für Auto- und Bootszubehör interessieren mich nicht besonders. Ich mache einen Ausflug zur Lagune, wo wir letztens ein Schild „Barney’s Trail“ gesehen haben. Ein Wanderweg im Grünen um einen Teich ist genau das Richtige ( dachte ich ). Aber mein Abenteuer dauert nicht lange. Der Wind bewegt die Äste der Bäume, Eichhörnchen rascheln im Laub, merkwürdige Vogelstimmen, Wasser plätschert überall, viele verschiedene Geräusche …. wie das eben so ist an einer Lagune. Mir wird mulmig, nachdem ich über drei Bärenhaufen auf dem Weg gestapft bin. Bär-Spray schussbereit in der Hand, trotzdem ist es unheimlich alleine. Auf gar keinen Fall möchte ich mich auf eine der Bänke setzen und Pause machen. Ich fange an zu schwitzen, und mir wird schlecht. Abbruch, Rückzug. Entlang der Straße fühle ich mich wohler, obwohl wir auch dort einige kapitale Haufen gesehen haben. Nachts nutzen die Bären gerne die Straße, so wie die Einheimischen uns erzählen.

Auf dem Rückweg spricht Thomas mit ein paar Männern, die mit ihrem großen Fischerboot am Steg festgemacht haben. Sie erzählen, dass sie hier im Hafen Schutz suchen vor dem kommenden Sturm. Auch Ruth hat berichtet, dass zwei professionelle Fischer mittlerweile in der Icy Bay vor Anker liegen, um das schlechte Wetter auszusitzen. Da ist wohl wirklich ein Sturm im Anmarsch. Abends kommt die Picaway mit Andy und seinem Bruder Stuart um die Ecke. Die sind also immer noch in Yakutat. Sie haben bisher im alten Hafen nahe beim Dorf gelegen, um ihre Dinge zu regeln. Weiter geht es für die Picaway auch nicht bei dieser Wetterprognose, deswegen werden sie die nächsten Nächte an der Steganlage festmachen.

Sonntag heftiger Wind und Dauerregen. Walkabout schaukelt ordentlich am Anker. Wir verlassen das Boot nicht und beschäftigen uns mit lauter nützlichen Dingen, für die wir sonst keine Zeit finden.

Am nächsten Morgen verlassen alle Fischer den Hafen. Das Unwetter ist vorbei. Auch Andy und Stuart fahren los. Beim Abschied bekommen wir ein geheimnisvolles Geschenk überreicht. Auspacken macht Spaß. Es kommen Orangensaft und Kartoffeln zum Vorschein. Habe ich denen etwa erzählt, dass wir diese Sachen wegen der exorbitanten Preise beim letzten Einkauf nicht mitgenommen haben ? Demnach sind die Männer wohl sehr gute Zuhörer ! 🙂

Wir haben keine Lust auf die alte Welle vom gestrigen Sturm und bleiben gerne einen Tag länger. Das ist die Gelegenheit für den Käpt’n, den Kauf einer Batterie noch an anderer Stelle zu versuchen. Er wird fündig. Preis …. naja, nicht so toll. Einkauf in Alaska auf dem Dorf ist eben teuer. Aber okay für eine gute Batterie, die wir sowieso früher oder später brauchen.
Ich entdecke einen Wanderweg, auf dem es mich nicht gruselt. Der „Lagoon Trail“ ist ein breiter Pfad mit hölzernen Brücken über die sumpfigen Passagen. Er führt zu einem Totempfahl, den wir schon aus der Ferne von der anderen Seite der Lagune gesehen hatten. Weiter wage ich mich nicht alleine, denn ich habe keine Ahnung, wo dieser Weg enden wird.

Am Nachmittag fummelt der Käpt’n einige Stunden an der Batteriekiste herum. Danach machen wir einen letzten Landausflug und laufen den Lagoon Trail gemeinsam bis zum Ende und zurück. Salmonberries, Brombeeren und Blaubeeren wachsen am Wegesrand. Hätte man eine Schüssel zum Sammeln dabei, dann würde das einen tollen Obstsalat oder Beerenkuchen geben. So wandern die reifen Früchte direkt in den Mund. Am Steg füllen wir noch ein paar große Kanister mit Wasser. Morgen geht es raus in den Golf von Alaska, zwei Tage und eine Nacht durch in Richtung Süd-Ost. Hinter Cape Spencer können wir in die innere Route einbiegen, wo wir geschützter sind. Der Herbst naht.

Start am Dienstag früh bei Hochwasser. Alles ruhig, nur ein bisschen Schwell in der Bucht. Leichter Gegenwind über 8 Seemeilen bis zur Ausfahrt der Yakutat Bay. Wir fahren scheinbar unter einem Regenbogen hindurch. Draußen dann Wellen von der Seite. Bäh ! Hohe Dünung, es schaukelt sofort unangenehm. Der Magen hebt und senkt sich. Das Frühstück können wir uns erstmal sparen. Kaffee schmeckt auch gerade nicht. Großsegel hoch und bloß weg aus dem flachen Küstenbereich. Besondere Vorsicht ist geboten, dass man nicht mit den zahlreichen toten Baumstämmen kollidiert. Treibholz überall, und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Die Einschnitte in diesem Teil der Küstenlinie tragen folgende Namen ( der Reihe nach ): Lost River, Black Sand, Dangerous River, Dry Bay. Deutsche Übersetzung : verlorener Fluss, schwarzer Sand, gefährlicher Fluss, trockene Bucht. Das hört sich alles nicht so entspannt an, da halten wir lieber einen großen Abstand zur Küste.

Um 17.00 Uhr sehen wir brechende Wellen voraus, nicht nur ein paar einzelne, sondern auf ganz breiter Front. Wir schauen zu zweit, nehmen das Fernglas zur Hilfe und gucken uns die Augen aus. Was ist da los ? Woher kommen diese Wellen ? Laut elektronischer Seekarte liegt die Wassertiefe bei 90 Metern, keine Felsen und kein Wrack weit und breit. Navionics bestätigt dieses, da  dürfte eigentlich nichts sein. Beunruhigend ist das trotzdem. Wir gehen auf Sicherheitskurs und steuern den Bug noch weiter nach draußen in den Golf von Alaska. Eine halbe Stunde später ist die Erscheinung weg, es sind keine brechenden Wellen mehr zu erkennen. Dabei glauben wir es beide ganz deutlich gesehen zu haben. War das nur eine Luftspiegelung ? Eine Fata Morgana entsteht, wenn sich die Luft direkt über dem kalten Meer weniger stark erwärmt als höhere Luftschichten. Dazu kommt es insbesondere über kühlem Wasser oder Eis, also beispielsweise in arktischen Regionen. Treten Lichtstrahlen durch diese Schichten, werden sie nicht nach oben, sondern nach unten gebogen und gaukeln dem Betrachter Bilder vor, die gar nicht da sind. Soweit die Theorie, also durchaus möglich, dass wir einer Sinnestäuschung erlegen sind.

Um 20.00 Uhr zeigt sich der weiße Gipfel des Mount Fairweather über den Wolken. Schöner Sonnenuntergang um 21.30 Uhr. Sternenklarer Himmel und Meeresleuchten in der Nacht. 🙂 Die See ist ruhig bis auf eine langgezogene Pazifik-Dünung. Was will man mehr ?
Ach ja, Wind wäre nicht schlecht, in moderater Stärke und aus passender Richtung bitte. Leider nichts, obwohl es bei PredictWind angesagt war. Wir motoren.
Während meiner Nachtwache werde ich zweimal von Kreuzfahrt-Schiffen überholt. Die Norwegian Jewel ist 294 Meter lang und verfügt über 12 Passagierdecks. Zugelassen für 2376 Passagiere, Personal an Bord 1100 Personen. Eine halbe Stunde später passiert die Seabourn Odyssee in knapp einer Seemeile, etwas kleiner und noch feiner. Sie hat 225 außenliegende Suites von einer Größe bis zu 110 m² zu bieten. Zugelassen für 450 Passagiere, dafür arbeiten 330 Bedienstete. Unfassbar. Beide Schiffe sind viele Stockwerke hoch und glänzen mit Festbeleuchtung. Es sieht schon gewaltig aus, wenn so ein Riese während der Nacht mit hoher Geschwindigkeit immer näher kommt. Da lobe ich doch mal wieder unser AIS !
Früh am Morgen begegnet uns ein weiteres Passagierschiff mit dem Ziel Hubbard Glacier. Ja, da waren wir auch vor ein paar Tagen. Walkabout auf den Spuren der Kreuzfahrer. 😉

Backbord liegt der Glacier Bay Nationalpark und die beeindruckende Küstenlinie der Fairweather Range. Der Mount Fairweather mit einer Höhe von 4671 Metern dominiert die Landschaft. Die meiste Zeit des Tages ist die Bergkette von tiefhängenden Wolken eingehüllt. Nur die besonders hohen Gipfel stoßen mit ihrer weißen Spitze durch die Wolkendecke. Wir haben Glück, dass sich der Vorhang für eine halbe Stunde lüftet. Vom Brady Eisfeld aus ziehen sich Gletscher die Berge hinunter. Der La Perouse Glacier leuchtet zur Linken und scheint trotz unseres Sicherheitsabstands von 6 Seemeilen ganz nahe zu sein. Er ist der einzige Gletscher, der an dieser Küste noch in den Pazifischen Ozean kalbt. Die Gletscherzunge am Meer weist eine Breite von über 3 Kilometern auf, an der Stirnseite erreicht er eine Höhe von 130 Metern. Etwas weiter südlich ist ein weiterer markanter Gipfel der Fairweather Range zu sehen. Mount La Perouse ist 3270 Meter hoch und steht auf der Grenze von Alaska zu Kanada.

Am Cape Spencer biegen wir ein in den Cross Sound, das ist die nördlichste Passage in den Alexander-Archipel. Die ganz wilde Natur liegt jetzt hinter uns, ab hier befinden wir uns täglich in Reichweite der Zivilisation. Man merkt es schon am Verkehr. Die Dichte der Schiffe, die uns begegnen, hat deutlich zugenommen. Die meisten davon sind Passagierschiffe, Kreuzfahrer von 300 Meter Länge sind Standard. Vorbei ist es mit der Einsamkeit.
Auflaufendes Wasser, Strömung läuft mit, Walkabout schafft bis zu 6 Knoten. Der mögliche Ankerplatz im vorderen Becken von Elfin Cove ist sehr eng, der Untergrund wahrscheinlich Felsen wie ringsherum. Nicht gut. An der Stadtpier von Elfin Cove soll man kostenlos liegen dürfen, sofern Platz ist. Prinzip „first come – first serve“. Im Päckchen liegen ist nach unseren Unterlagen nicht erlaubt oder nicht erwünscht. Fein, es gibt eine Lücke, die groß genug ist für unser Boot. Glück gehabt. Um 20.00 Uhr machen wir die Leinen fest. Insgesamt 36 Stunden, zwei Tage und eine Nacht, haben wir uns entlang dieser schroffen Küste gehangelt. Die Berge sehen jetzt zahmer aus. Wir haben Süd-Ost-Alaska erreicht.