Wir segeln und wandern durch die Welt

Crater Lake bis Callahan’s Lodge / Ashland

Wecker-Klingeln um 5.30 Uhr ist hart. Aber die Katerstimmung ist schnell verflogen, sobald wir das Zelt abgebaut und den Rucksack gepackt haben. Wir genießen den Tagesanbruch und einen Trail ohne Menschen. Die Sonne erwischt uns volle Breitseite ab 8.30 Uhr. Bei unserer ersten Pause gibt es Obst von der gestrigen Trail Magic. Pflaumen, Birne, Mandarine.

Bereits um 11.00 Uhr erreichen wir den Abzweiger zum Crater Rim Trail. Ein Seitenweg führt zum Parkplatz, wo eine Metall-Kiste mit Wasserkanistern gefüllt ist. Großartig, dass es Menschen gibt, die uns diese lange Etappe erleichtern. Auf einem Zettel wird darum gebeten, dass man nur 2 Liter pro Person entnehmen soll. Kein Problem. Einen Liter trinken wir sofort, jeder nimmt noch einen Liter mit für die kommenden 13 Kilometer durch den Crater Lake Nationalpark. Am Parkplatz ist erwartungsgemäß viel los, aber es verläuft sich bald.

Crater Lake ist ein Kratersee des Vulkans Mount Mazama und zeichnet sich durch seine ungewöhnlich tiefblaue Farbe aus. Der See entstand durch die Füllung der Caldera mit Regenwasser. Er hat eine horizontale Ausbreitung von etwa 8 × 9,6 Kilometern und eine durchschnittliche Tiefe von 350 Meter. Mit seiner tiefsten Stelle von 594 Metern ist er der tiefste See der USA und der zweittiefste Nordamerikas. Mittendrin eine große und mehrere kleine Inselchen, steile Abhänge, die zum Teil sogar noch mit Schnee bedeckt sind. Absteigen ist unmöglich, es gibt keine Spur nach unten. Der Crater Lake Rim Trail führt auf schmalem Pfad um den halben See herum. Die Aussicht ist grandios, hinter jeder Kurve möchte man wieder stehenbleiben und fotografieren.

Wir sind schon gegen 12.00 Uhr da und finden einen exklusiven Pausenplatz im Schatten mit Blick auf den Crater Lake. Eine junge Frau, die den PCT über mehrere Jahre läuft, kann uns von den sauberen Tages-Wanderern unterscheiden. Sie läuft von Süden nach Norden, so dass sie uns einige Tipps geben kann. Am Ende der Unterhaltung bekommen wir eine geräucherte Salami und Erdnussbutter geschenkt. Beides nehmen wir gerne an. 🙂

In der Lodge möchten wir nachmittags gerne etwas essen. Lange Schlange am Imbiss, da haben wir schon fast keine Lust drauf. Eine Stunde vor Feierabend ist außerdem fast alles ausverkauft. Trotzdem ist es Zeit für eine Pause. Für uns gibt es nur Pommes und Cola. Gegen 19.00 Uhr am Abend erreichen wir Mazama Village. Ein Schild besagt, dass der reguläre Zeltplatz voll ist. Ich zähle 14 Rucksäcke vor dem kleinen Laden. Die Besitzer sind allesamt NoBo Hiker und hängen herum. Ich möchte am liebsten gleich wieder umdrehen. Etwas einkaufen für die nächsten 6 Tage müssen wir trotzdem. Drinnen ist es brechend voll und riecht streng nach Hiker-Schweiß. Draußen am Eingang stehen mehrere Hiker-Boxen, in denen für uns nichts Brauchbares zu finden ist. Daneben liegen ein Dutzend abgelatschter Schuhe. Erfahrungsgemäß halten die leichten Schuhe der schnellen Läufer nur etwa 500 Kilometer. Deswegen schicken sich viele Leute in regelmäßigen Abständen neue Schuhe an strategisch günstige Orte.

Auf der anderen Seite sitzt Nana, das Mädel von der Trail Magic. Dann ist da noch Tigger, den wir gestern am Thielsen Creek kennengelernt haben. Und wir treffen Houdini wieder, was Grund genug zum Bleiben ist. Der größere Anteil jedoch wandert in der Gegenrichtung von Mexiko nach Kanada ….. kennen wir nicht und werden wir auch nie wiedersehen. Der offizielle Campingplatz ist zwar ausgebucht, aber den PCT-Hikern steht ein etwas weiter abgelegenes Stück Wald zur Verfügung. Kostenlos. Toiletten und Dusche dürfen ebenfalls genutzt werden. Super ! 🙂 Zu Beginn dieses Areals steht Zelt an Zelt, da ist uns entschieden zu viel los. Deswegen laufen wir den Weg ziemlich weit und finden einen Platz ganz am Ende. Unser Lager ist noch nicht fertig eingerichtet, da steht Houdini vor uns. Wir hatten uns verabredet, aber keinen Treffpunkt und keine Zeit abgemacht. Er „wohnt“ ganz in der Nachbarschaft und hat die Stimme von Thomas gehört. Anscheinend hat er den vorletzten Platz im Wald bezogen. 😉 Passt. Auf unserem Grundstück liegt ein dicker Baumstamm, auf dem bequem drei Leute sitzen können. So verbringen wir einen gemütlichen Abend gemeinsam mit Bier und Tacos.

Am nächsten Morgen sitzen wir schon um 7.30 Uhr mit Houdini beim Frühstück. Sehr schön. Man könnte stundenlang bleiben und quatschen. Wir kommen erst um 10.30 Uhr los. Eine Etappe von 20 Kilometern ohne Wasser liegt vor uns. Alle nicht ganzjährigen Bäche sind versiegt. Es gibt kein Schmelzwasser mehr. Trockener Wald. Außerdem ist es bereits wieder zu heiß für unseren Geschmack. Der Bauch ist voll, damit fällt der Anstieg doppelt schwer. Eine staubige Spur führt durch abgebranntes Gebiet, keine Chance auf Schatten.

Bei der Pause können wir einen Bussard beobachten, der im Baum gegenüber sitzt. Kurz darauf sehen wir noch einen größeren Bussard in der Luft. Vielleicht ist das ein Pärchen ?

Thomas versüßt mir den Nachmittag, indem er mir Leckerchen auf den Weg legt.

Die Luft ist schwül. In der Ferne grummelt es am Himmel. Da braut sich etwas zusammen. Ein Gewitter käme uns jetzt gerade recht. Das würde etwas Abkühlung bringen, die Luft reinigen und den Staub binden, den wir bei jedem Schritt einatmen. Die nächste Wasserquelle ist etwas versteckt. Wir laufen zunächst am Abzweiger vorbei und müssen noch einmal ein Stückchen zurückgehen. Endlich finden wir die Spur. Einige Hundert Meter weiter liegt ein mit Seerosen bewachsener Tümpel zur rechten Seite. Wir folgen einem steinigen Pfad noch ein bisschen weiter bis zu einem größeren Teich. Wir sind unschlüssig, ob wir bleiben oder noch eine letzte Etappe laufen sollen. Der Platz ist ziemlich schön, und die Abstände zum Wasser sind blöd. Noch 11 Kilometer weiter sind es bis zu Wasser und Zeltplatz. Jetzt ist es 17.30 Uhr, also würden wir wahrscheinlich mindestens bis 20.00 Uhr unterwegs sein. Lust haben wir nicht mehr so viel. Wir starten trotzdem. Das Gewittergrollen kommt immer näher, Blitze dazu. Die ersten Tropfen fallen. Könnte gleich wieder vorbei sein, oder es gibt einen Wolkenbruch. Gerader Waldboden verlockt dazu, das Zelt im Trockenen aufzustellen, bevor es richtig losgeht. Dann wird heute eben nicht gekocht, weil wir nicht genügend Wasser haben.

Im Baum neben unserem Lager sitzt eine Eule. Sie hat exakt die Farbe der Baumrinde und ist damit so gut getarnt, dass sie kaum zu erkennen ist. Am Himmel zeigt sich ein Regenbogen. Wir sind nicht mehr weit gekommen, nur eine Stunde vom letzten Teich entfernt. Heute machen wir schon nach 24 Kilometern Feierabend. Der erwartete Regenguss bleibt aus, das Gewitter zieht weiter. Trotzdem okay, endlich mal früh zu schlafen und keinen Wecker zu stellen.

Während der Nacht ist ein großes Tier um unser Zelt getrappelt. Gleich nach dem Start sehen wir einen Hirsch neben dem Trail, der könnte es gewesen sein. Eine Schwiele an meinem Fußballen links droht sich zur Blase zu entwickeln. Rechtzeitig behandelt muss da nichts Schlimmes draus werden. Kommt ein gutes Compeed Blasenpflaster drauf, damit ist das Laufen gleich viel angenehmer. 700 Höhenmeter Aufstieg liegen vor uns. Die Temperatur hat sich etwas abgekühlt, auch wenn der Regen gestern Abend nicht besonders ergiebig war. Beim Überqueren eines Baches müssen wir aufpassen, dass wir nicht auf Baby-Frösche treten. Hunderte dieser Miniaturen hüpfen um uns herum und versuchen, das rettende Wasser zu erreichen. Es ist echt schwierig, keines dieser Fröschlein zu verletzen.

Wir laufen auf eine massive Felswand zu. Neben uns taucht der Devil’s Peak auf.  7400′ Fuß hoch, das sind ungefähr 2350 Meter. Der Weg windet sich über Geröll an den Flanken entlang. Man kann dem weiteren Verlauf des PCT auf den anderen Berghängen mit den Augen folgen. Sowas lieben wir. Dieser Anstieg hat sich gelohnt. Sehr schön. Ein Rehkitz versteckt sich zwischen den Bäumen. Es hat noch weiße Punkte wie Bambi. Die Mutter wird sicherlich auch in der Nähe sein. Etwas später sehen wir einen Marder, der einen Baumstamm entlang flitzt. Mittags beginnt es wieder zu donnern. Das Gewitter scheint mal hinter uns und mal seitlich von uns zu sein.

Für unser nächstes Wasser müssen wir einen Umweg über den Snow Lakes Trail in Kauf nehmen. Langer steiniger Pfad bis zu einem schlammigen Teich, und es ist das letzte Wasser für die nächsten 18 Kilometer. Bunte Libellen schwirren durch die Luft. Ein Hubschrauber kreist am Himmel. Inzwischen donnert und blitzt es in schneller Reihenfolge. Ohne weitere Vorwarnung pläddert ein heftiger Gewitterregen auf uns nieder. Nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei, so dass wir doch noch eine Pause am See machen können. Die Sonne kommt heraus, es wird sofort wieder heiß.

Baum-Mikado hatten wir auch lange nicht. Wo ist der Trail ? Richtig wild sieht es aus in diesem Waldstück. Es erfordert einige Kletterei, aber wir sind ja seit über 2 Monaten im Training. Die letzten zwei Stunden rennen wir fast. Kein nennenswerter Anstieg und noch 9 Kilometer bis zum Abendziel. Kurz vor dem Abzweiger zu Christi’s Spring stehen bereits vier Zelte. Kein Platz mehr für uns. Im Moment sind einfach zu viele Hiker unterwegs, und wir machen in der Regel später Feierabend als die anderen. Erst einmal steigen wir hinunter zur Quelle und suchen ein bisschen …. Etwas außer Sichtweite finden wir mehrere Plätze, die groß genug und flach sind. Hier unten sind wir ganz alleine. Perfekt. Um 20.00 Uhr steht unser Zelt. Das Tageslicht reicht sogar noch für etwas Körperpflege und um zwei Teile auszuwaschen. Gegessen wird dann im Dunkeln. Wunderschöner ruhiger Platz. Sternenklarer Himmel. 🙂

Jeder nimmt einen Liter zum Trinken mit von Christi’s Spring, denn neues Wasser werden wir erst wieder bei der übernächsten Pause bekommen.  Es riecht nach Rauch. Wir begegnen zwei Leuten in gelber Uniform mit Sprechfunk-Geräten. Das sind keine Freiwilligen, die den Wald für uns aufräumen. Die Beiden sind von der Feuer-Brigade und die Vorhut einer größeren Mannschaft. Hinter uns brennt es. Das Feuer ist durch Blitz-Einschlag entstanden. Eine Kolonne von Arbeitern soll den Weg freiräumen für Feuerwehr und Helfer, damit diese besser zum Brandherd gelangen können. Etwas später kommen wir an ca. 20 Männern in gelber Arbeitskleidung mit Geräten wie Äxten, Kettensägen usw. vorbei. Die haben eine Menge zu tun, um das Baum-Mikado zu bereinigen. Uns kommt es ganz gelegen, wenn der Trail etwas freier von Hindernissen ist. Und der Waldbrand wird uns nicht weiter beeinträchtigen, weil wir uns vom Feuer entfernen. Aber so schnell kann es gehen ….. Die NoBos laufen genau darauf zu und müssen mit einer Sperrung rechnen. Gestern sind uns bereits mehrere Hubschrauber aufgefallen. Heute wissen wir, dass die zur Aufklärung und zum Löschen des Waldbrandes unterwegs waren.

Wir treffen Houdini am Wasser. Die wenigen zuverlässigen Quellen nimmt wohl jeder Hiker war. Von dort aus sind es wieder 17 trockene Kilometer. Auf einem schön angelegten Pfad wandern wir durch Lava-Geröll, trotz Aufstieg sehr gut zu laufen. Die pralle Sonne dürfte sich allerdings gerne mal hinter Wolken verstecken. Zwischendurch gibt es zur Abwechslung kleine Stücke auf sanftem Waldweg im Halbschatten. Das ist noch viel besser. Ein kreativer Mensch hat die blanken PCT-Zeichen mit Bildern und Sprüchen verziert. Nicht alle fotografiert, hier sind nur drei Beispiele :

Meine Flasche trinke ich leer, während ich auf Thomas warte. Denke, dass wir in einer knappen Stunde beim nächsten Wasser sind, aber ich werde eines Besseren belehrt. Der von uns zum Kochen anvisierte saisonale Strom ist trocken. „Bonedry“ stand schon vor 10 Tagen in den Kommentaren unserer App. Na, da haben wir wohl mal wieder nicht richtig hingeguckt. 😉 Also liegen noch 4 Kilometer mehr vor uns als gedacht. An der South Brown Mountain Shelter soll es eine Wasserpumpe geben. Dort könnten wir eigentlich auch den Tag beenden. 35 Kilometer sind doch genug.

Gegen 18.30 Uhr erreichen wir die Shelter. Gar nicht einladend. Innen ist es düster, der Platz ist schmutzig. Überall stehen bereits Zelte, mehr als uns lieb ist. Houdini ist da, aber er verschwindet bald mit seinem Rucksack, um irgendwo sein Nachtlager einzurichten. Der wird wahrscheinlich heute nicht mehr auftauchen. Wir haben uns für Freitag in der Callahan’s Lodge zum Frühstück verabredet. Mal gucken, ob das klappt. Uns ist es entschieden zu voll hier. Wir unterhalten uns kurz mit der Runde am Picknicktisch, nehmen vier Liter Wasser mit und machen uns wieder auf den Weg. Nur einen knappen Kilometer weiter finden wir ein Separee ganz nach unserem Geschmack. Unser Zelt passt so gerade in die Nische. Ich will endlich aus meinen Schuhen heraus und stelle fest, dass meine Crocs nicht da sind. Die hängen immer außen und sind vermutlich abgefallen, als ich am Picknicktisch kurz den Rucksack geöffnet habe. So ein Mist ! Inzwischen sind drei weitere Hiker vorbeigelaufen, die ganz sicher auch bei der Wasserpumpe übernachten werden. Ich muss noch einmal zur Shelter. Beeile mich natürlich, damit wir endlich essen und Feierabend machen können. Ohne schweren Rucksack fühlt es sich an, als könnte ich über den Trail fliegen. Auf jeden Fall überhole ich die Drei, finde meine Crocs unter dem Tisch und renne schnell zurück zu Thomas. Das Zelt steht bereits, Abendessen noch im Hellen, Zähneputzen im Dunkeln.

Wir haben unfassbar gut geschlafen ohne das morgendliche Rumoren von Frühaufstehern. Es gibt gemütlich Kaffee im Schlafsack und einen entspannten Start. Gerade eine halbe Stunde unterwegs, da sehe ich ein dunkelbraunes Tier zwischen den Bäumen. Und dann noch eins und noch eins …. Da laufen tatsächlich Rinder frei herum, alle mit Nummer im Ohr. Ich zähle sechs Stück in der Nähe des Weges, dahinter scheinen noch mehr zu sein. Eine ganze Herde Jungbullen darf hier frei herumlaufen und grasen, um groß und stark zu werden. Bleibt nur die Frage, wie der Besitzer seine Tiere wieder einfängt, wenn es an der Zeit ist. Theoretisch könnten die ja bis nach Washington wandern. Gleißender Sonnenschein, als der Wald endet und in offenes Feld übergeht. Es ist erst 10.00 Uhr morgens und schon wieder heiß. Ein weiterer Lasten-Hubschrauber fliegt Richtung Norden. Die Brand-Bekämpfung ist in vollem Gange. Die Hubschrauber erreichen auch schwer zugängliche Stellen und löschen Feuer aus der Luft, indem sie Löschwasser oder andere Löschmittel gezielt abwerfen.

400 Höhenmeter Aufstieg und 12 Kilometer weiter begegnet mir Houdini auf dem Weg zur Wasserquelle. Er steht eine Stunde früher auf als wir und ist deswegen immer ein bisschen voraus. Die Quelle ist eingezäunt, damit das Vieh sie nicht verschmutzt. Wunderbares Wasser, davor ein kleiner Holzsteg zum bequemen Sitzen. Wir kochen Haferflocken mit Kakao, danach noch eine Portion Nudeln für den nimmersatten Thomas. Zum Abschluss gibt es als Dessert Kaffee, Mandeln und M & M. Der Tag fängt sehr gut an. Erst nach fast zwei Stunden geht es weiter. Wir sind jetzt seit 10 Tagen ununterbrochen im Wald und unserem Ziel inzwischen so nahe, dass wir nicht mehr hetzen müssen. Wir und unsere gesamte Ausrüstung brauchen allerdings dringend eine gründliche Reinigung.

Zapfen liegen auf dem Weg, die bis zu 50 Zentimeter lang sind. Deutlich größer als mein Fuß, und ich trage zur Zeit auf dem Trail Schuhgröße 42,5. Etwas später werde ich aufgehalten, weil ich eine ernste „Unterhaltung“ mit einem Eichhörnchen habe. Es hat wegen mir seine Nuss verloren und schimpft ganz fürchterlich. Auf einem Baumstamm sitzt eine Mini-Echse und wartet, bis ich ein Foto gemacht habe.  

Das nächste Wasser erfordert einen kleinen Umweg zum Klum Campground. Eine Übernachtung kostet hier 30,-  Dollar inklusive Auto. Wir haben keinen Wagen, nutzen aber trotzdem gerne die Annehmlichkeiten. Der Park Ranger sagt : „You’re welcome.“  🙂 Es ist nichts los, der Platz ist nahezu leer. Rehe laufen um uns herum und kommen neugierig näher. Picknick-Tische, Wasserpumpe, Toiletten und Mülltonnen. Was braucht ein PCT-Hiker mehr für einen angenehmen Aufenthalt ? Entspannte Pause, der Umweg hat sich gelohnt. Wir trinken jeder einen Liter und nehmen zwei Flaschen mit für die letzte Etappe. Es sind 16 Kilometer bis zum nächsten sicheren Wasser. Unterwegs können wir ein Reh mit zwei Kitzen beobachten. Die Mama scheint sehr entspannt zu sein mit ihren Zwillingen, sie sind gar nicht scheu. Nur ein paar Minuten weiter steht eine Reh-Mutter mit ihrem Kind mitten auf dem Trail und lässt uns ganz nahe herankommen.

Ausnahmsweise genügend Wasser zum Kochen dabei ( anscheinend zu wenig getrunken ). Bis zum Abendessen um 18.00 Uhr haben wir weitere 500 Höhenmeter Aufstieg geschafft. Danach sind es nur noch 5 Kilometer bis zum Abend-Wasser. Wir laufen weiter, bis die Sonne als glutroter Ball hinter den Bäumen versinkt. Kurz nach 20.00 Uhr bauen wir das Zelt auf einer Wiese auf. Ein rundum schöner Tag endet mit lautem Grillen-Konzert.  37 Kilometer heute, und für morgen wird der Wecker gestellt. Inzwischen gibt es einen neuen Plan. Wir werden doch ein bisschen stressen, denn wir möchten schon morgen Abend zum Dinner mit Houdini in der Lodge sein.

Der Wecker klingelt um 5.00 Uhr. Wir starten noch im Morgengrauen. Eine halbe Stunde später wird es hell. Kommen an einem Teich vorbei, aber das Wasser sieht wenig attraktiv aus. Egal, wir laufen weiter. Und dann trauen wir unseren Ohren nicht, denn wir hören Musik im Wald. Links vom Trail steht ein Zelt, darin spielt jemand die Ukulele und singt mit sanfter Stimme dazu. Sehr melodisch. Da muss man einfach einen Moment stehenbleiben und zuhören. Wunderschöne Töne morgens um 7.00 Uhr.Etwas später hören wir das krasse Gegenteil – Schüsse im Wald. Das gibt nicht so ein gutes Gefühl, selbst wenn „nur“ auf irgendwelche Schilder geballert wird. Wahrscheinlicher ist, dass illegal Jagd auf Tiere gemacht wird. Oben rechts am Hang sehen wir ein abgedecktes Motorboot, ein merkwürdiger Anblick im Wald. Ein kleines Stück weiter steht ein vergammelter Vieh-Transporter. Ein Haus, Zäune, Verbotsschilder, Strommasten. Von einer nahen Straße sind Autos zu hören. Willkommen in der Zivilisation. Auch die nächste Wasserquelle lassen wir aus. Die Soda Mountain Wilderness liegt vor uns. Ja, ein Soda hätte ich jetzt auch gerne. Aber das muss wohl noch ein bisschen warten. Heute haben wir es eilig. Bei der Pause um Viertel nach 11 haben wir schon über 20 Kilometer auf der Logge. Gut vorgelegt, mehr als die Hälfte vom Tagespensum. Kaltes Wasser sprudelt aus dem Boden und schmeckt einfach köstlich. Das von gestern war muffig oder erdig, auf jeden Fall gar nicht lecker. Und wir haben seit einer Woche kein Getränke-Pulver oder Tropfen mehr, um den Geschmack zu verbessern. Umso mehr genießen wir es jetzt. Kaum haben wir unsere Flaschen gefüllt und sitzen im Schatten, da kommt auch Houdini. Wir haben heute einen gemeinsamen Plan und dasselbe Ziel. Strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen zu sehen. Thomas quatscht mit ein paar Bauarbeitern an der Straße. Die erzählen, dass es die nächsten Tage trocken und sonnig bleiben wird.

Ein Reh mit zwei Kitzen spaziert vor uns über die Wiese. In diesem Gebiet scheint die Kinderstube zu sein. Gestern haben wir die erste Eidechse gesehen, und heute huschen Dutzende durch den Wald. Überwiegend kleine Echsen, aber es sind auch ein paar erwachsene Exemplare darunter. Thomas bekommt einen ordentlichen Schrecken, weil plötzlich eine Klapperschlange vor ihm auf dem Weg liegt. Sie verschwindet blitzschnell in einem Blätterhaufen hinter einem modrigen Baumstumpf. Zur Demonstration wirft Thomas einen Stein in diese Richtung. Die Klapperschlange protestiert genau wie erwartet, und so kann ich auch das Rasseln hören. Nicht lange danach sieht er noch einmal, wie sich etwas Schlangen-ähnliches im hohen Gras windet. Es gibt sie also in Oregon. Es ist Ende August, und anscheinend kommen manche Tiere erst jetzt heraus.

Der PCT macht einige Blödsinns-Schleifen, um den Weg zu verlängern. Und es geht gefühlt immer bergauf. Irgendwo müssen die 1200 Höhenmeter ja herkommen, die wir heute insgesamt aufsteigen müssen. Eigentlich reicht es so langsam. Zum Schluss geht es noch eine halbe Stunde über Asphalt bis zur Lodge. Meine Beine werden immer schwerer. In der Summe war es ein ganz schön anstrengender Tag. Gegen 17.00 Uhr haben wir unser Ziel erreicht, kurz darauf kommt auch Houdini an. Schnell die Zelte auf der Wiese vor dem Haus aufgebaut, Frühstück für morgen ist gebucht. Abends gibt es gutes Essen zu Dritt und ein paar Bier im Restaurant. Das haben wir uns verdient.

Die letzte Etappe seit den Trail Days war anstrengend : 380 Kilometer in 11 Tagen. Morgen früh werden wir von einem Trail Angel aus Ashland abgeholt. Die Stadt hat mehr als 20.000 Einwohner und liegt etwas nördlich der kalifornischen Grenze. Der Bundesstaat Oregon ist also fast durch. Wir waren im Monat August 21 Tage auf dem Trail. In dieser Zeit sind wir 695 Kilometer gelaufen und insgesamt 18.500 Höhenmeter aufgestiegen. Nur zwei lange Etappen, unterbrochen von einer ganzen Woche „Urlaub“ für den Besuch bei Nora und Bruce, Portland und die Trail Days. 

2 Kommentare zu “Crater Lake bis Callahan’s Lodge / Ashland

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Hallo liebe Meerbaeren !

      In Afrika waren wir noch nie und wird die Walkabout wahrscheinlich auch nicht hinkommen.
      Schön waren die Zeiten als ihr für uns den Ankerplatz gefegt habt.
      Bin mal sehr gespannt, wann und wo wir uns wiedersehen.

      Herzliche Grüße aus der Sierra Nevada