Start am schlimmsten Regentag der Woche. Eine weitere Nacht im Hotel möchten wir uns nicht leisten, zumal der Preis am Wochenende deutlich teurer ist. Bei Regen auf einen bezahlten Campingplatz ist auch keine Option. Ungemütlich und nass können wir auf dem PCT kostenlos zelten. Zunächst nehmen wir den City Trolley bis zum Horseshoe Lake. Nebel und Nieselregen hüllen uns ein. Das Red’s Meadows Resort hat bereits Saisonende, und es fährt kein Bus mehr dorthin. Deswegen laufen wir vom See über den Mammoth Pass Trail bis zum PCT. Extra-Meilen lieben wir gar nicht, erst recht nicht mit neuem Proviant für 8 Tage im Rucksack.
Los geht es mit Anlauf-Schwierigkeiten. Der linke Knöchel tut weh, rechts scheint es gut zu sein. Nach einer halben Stunde geht es immer besser. Fast schmerzfrei mit den großzügig abgeschnittenen Schuhen. Ich bin optimistisch, was das Laufen auf der nächsten Etappe angeht. Wir steigen auf, insgesamt 600 Höhenmeter für den Anfang. Das Wetter wird nicht angenehmer, während wir nach oben stapfen. Auf dem Trail kommt uns fließendes Wasser entgegen. Dichter Nebel. Es regnet immer mehr. Wir treffen keinen Menschen. Nach 4 Stunden machen wir Schluss für heute. Reicht auch. Nur 13 Kilometer geschafft, aber immer noch besser, als eine weitere Nacht in der Stadt. Um 19.00 Uhr ist es dunkel. Morgen früh werden wir auf dem PCT aufwachen und starten die nächste Runde in den Sierras.

Nachts hat es heftig geregnet. Alles ist nass ( bedeutet noch mehr Gewicht ). Aufstehen und Packen im modderigen Wald ist nicht schön. Wenn man erst einmal unterwegs ist, dann geht es. Der Nebel hat sich verzogen. Kein Rauch mehr zu sehen. Die Luft ist herrlich klar, vom Regen rein gewaschen. Zelt und Klamotten müssen dringend in die Sonne zum Trocknen. Loslaufen ist etwas holprig. Mein linker Knöchel zwickt. Aber längst nicht so schlimm wie zuvor, es ist gut auszuhalten ohne Ibuprofen. Mein Schmerzzentrum hat sich jetzt auf Schulter-Nacken-Rücken verlagert. Die Rucksäcke sind verdammt schwer. Dagegen hilft nur, dass wir sehr viel essen in den ersten Tagen. 😉

Blauer Himmel, ein paar Wölkchen, die Sonne scheint. Ausgiebige Pause am Purple Lake. Hier können wir das Zelt aufstellen und unsere nassen Sachen ausbreiten. Thomas schneidet ein weiteres Scheibchen von meinen Schuhen ab. Dauert 1,5 Stunden, bis wir uns wieder auf den Weg machen. Es geht erneut bergauf bis auf 3500 Meter. Am höchsten Punkt Wechsel auf die andere Hangseite und in Serpentinen wieder bergab bis zum Fish Creek.
Der PCT verläuft auf einer Spur mit dem John Muir Trail. Warum und wie lange, das wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir hier richtig sind. Das ganze Gebiet nennt sich John Muir Wilderness. Wir kommen an vielen schönen Bergseen vorbei, die aber nicht zum Schwimmen locken. Die Nordflanken der Berge haben immer noch Schneeflecken. Am Abzweiger zum Vermillion Valley Resort hängt eine Nachricht über die vorzeitige Schließung in diesem Jahr. Nett, dass die Leute daran gedacht haben, damit kein Hiker den Umweg vergeblich macht.

Der Himmel hat sich inzwischen zugezogen. Nach weiteren 600 Höhenmetern Aufstieg erreichen wir den Silver Pass. Alles grau in grau, neblig und kühl ist es auf 3285 Metern. Wir sind froh, dass wir diesen Pass trocken überschreiten können. Schnell weiter und über Geröll auf der anderen Seite hinunter. Mittlerweile ist es schon 18.00 Uhr, und wir schauen nach dem nächsten Wasser und einem geraden Platz für’s Nachtlager.
Kurz vor Feierabend bekommen wir einen kleinen Stimmungsdämpfer. Direkt neben dem Pfad liegt ein Reh und schreckt zusammen, als wir um die Kurve biegen. Mindestens eins der beiden Hinterläufe, vermutlich sogar beide Beine, sind gebrochen. Das Reh kann gar nicht mehr aufstehen und ist schon ziemlich matt. Es zuckt nicht einmal mehr zusammen, während wir ganz vorsichtig dran vorbei schleichen. So einem schwer verwundeten Tier müsste man eigentlich den Gnadenschuss geben. Das Reh wird hier einfach langsam sterben. So ist die Natur. Nur sind wir gerade direkt dran vorbei gelaufen, ohne helfen zu können. Das Bild von dem hilflosen Blick verfolgt uns noch eine ganze Weile. 🙁 Am Silver Pass Creek finden wir Wasser und Zeltplatz, bevor es dunkel wird.

Zu dieser Jahreszeit und in dieser Höhe ist es wohl normal, dass man morgens ein nasses Zelt von Kondensation und Tau hat. Heute erleben wir zum ersten Mal, dass unser Zelt gefroren ist. Auch der Bär-Kanister und die Gas-Kartusche sind mit Eis bedeckt. Muss wohl kalt gewesen sein die letzte Nacht. In der Sierra Nevada wird es jetzt spürbar Herbst. Wir sind schon vor 6.00 Uhr wach. Früh am Morgen glauben wir noch, dass wir den Selden Pass überqueren werden. Allerdings wird sich im Laufe des Tages zeigen, dass wir in diesem Gelände keine 25 Kilometer machen. Heute müssen wir das Zelt auftauen und trockenreiben. Bis zur Frühstückspause liegen 500 Höhenmeter Aufstieg vor uns. Gleichmäßige Steigung, es geht ganz konstant 2 Stunden lang bergauf. Danach fast alles wieder bergab bis zu einem Talkessel. Einmal über den Fluss hüpfen, dann beginnt sofort der nächste Anstieg.

In dieser hochalpinen Landschaft sind Murmeltiere und Picas zu Hause. Die Tiere sehen so rundlich aus, als ob sie sich bereits ordentlich Winterspeck angefuttert haben. Ein paar Schneehühner kreuzen unseren Weg. Die werden vermutlich bald die braunen Federn gegen ein weißes Winterkleid wechseln. Unser Trail verläuft lange Zeit parallel zum Bear Creek. Überall rauscht und plätschert es. Klares Wasser strömt über Felsstufen und sprudelt in Kaskaden die nächsten Stufen hinunter.
In der Pause am Nachmittag stellen wir fest, dass es noch 14 Kilometer bis zum Selden Pass sind. Und damit ist es ja nicht getan, wir müssen auch auf der anderen Seite wieder ein Stückchen absteigen und noch vor Anbruch der Dunkelheit einen Zeltplatz finden. Dazu kommen 800 Höhenmeter Aufstieg, die ein schnelles Vorwärtskommen unmöglich machen. Es ist bereits 15.00 Uhr, das wird uns zu knapp. Zähneknirschend suchen wir uns ein anderes Ziel für’s Nachtlager aus. Müssen uns eingestehen, dass wir diesen blöden Pass heute nicht schaffen werden, auch wenn wir liebend gerne ein paar weitere Meilen in der Zählung hätten. Aber wir sind ja auch keine 25 mehr. 😉 Ab 16.00 Uhr grummelt es. Schwarze Wolken am Himmel, die in unsere Richtung ziehen. Ach nein, das muss doch jetzt nicht sein. Das Gewitter kann gerne woanders stattfinden. Es wird sofort empfindlich kalt. Dicke Regentropfen pladdern auf uns nieder. Nach ein paar Minuten ist es wieder vorbei. Das Gewitter ist anscheinend über die Berge nach Westen abgezogen. Der weitere Weg nach oben bleibt trocken. Bis zu unserem Zeltplatz müssen wir allerdings noch 3 Stunden weiter kämpfen. Diese 500 Höhenmeter zum Ende des Tages gehen ordentlich in die Beine. Immer noch fließt der Bear Creek ganz nahe am PCT. Mehrmals müssen wir diesen lebhaften Fluss auf Steinen überqueren. Klappt gut ohne nasse Füße.
Um 18.30 Uhr finden wir ein schönes Plätzchen im Wald. In einiger Entfernung blitzt und donnert es, aber das kann uns jetzt egal sein.

Früh am Morgen ist die Wiese gefroren. Es ist sehr frisch. Wir beeilen uns mit dem Zusammenpacken und sind ungewöhnlich schnell am Start.
Gestern haben wir zwar nicht so viel geschafft wie erwartet, aber doch ganz gut vorgelegt : Es sind nur noch 4 Kilometer und 300 Meter bergauf. Schon um Viertel nach 8 stehen wir auf dem Selden Pass mit 3300 Meter Höhe. Das Wetter ist ruhig, kein Wind und blauer Himmel. Gerade eben steigt die Sonne über den Bergen auf und beleuchtet die Gipfel. Die Landschaft ringsum ist weiß. Sehr schön. 🙂


Unter uns liegt der Marie Lake spiegelglatt und friedlich. Es ist einfach herrlich, so früh unterwegs zu sein. Man muss nur den inneren Schweinehund überwinden und sich aus dem Schlafsack quälen. Im Abstieg laufen wir an drei weiteren großen Bergseen entlang. Scheint ein toller Tag zu werden. 🙂
Uns kommt ein Cowboy entgegen, der ein vollbeladenes Pferd hinter sich her zieht. Auf schmalem Pfad bergauf, das ist anscheinend gar kein Problem. Ein paar Minuten später machen wir Platz für einen weiteren Reiter mit Pack-Pferd am Führzügel. Mit dem unterhalten wir uns eine Weile. Sein Pferd „Mo“ trägt ungefähr 120 Kilo an Gewicht. Es gibt Wanderer auf dem John Muir Trail, die sich so ihren Nachschub an Proviant liefern lassen. Teurer Spaß, aber auf diese Weise müssen die Leute auf ihrer 2-3 Wochen dauernden Wanderung nicht viel an Essen tragen.


Volle 3 Stunden lang laufen wir auf schönem Waldweg auf einer Ebene. Wir können es kaum fassen, dass wir plötzlich schnell vorankommen. Kein Auf- und Abstieg, kein Geröll. Irgendein Fluss ist immer in der Nähe. Diesmal folgen wir dem Verlauf des San Joaquin River. Nachmittags kommen wir am Abzweiger zur John Muir Ranch vorbei. Die hat allerdings bereits geschlossen, für uns ist keine Mahlzeit und kein Einkauf mehr möglich. Ein anderer Wegweiser zeigt zum Piute Trail und zum Kings Canyon Nationalpark. Den nehmen wir, das hört sich vielversprechend an. Am Piute Creek gibt es eine bequeme Pause mit Sitzsteinen und einem zwischen Felsen geklemmten Holzbrett als „Bank“. Nach Überqueren einer Brücke beginnt der Kings Canyon Nationalpark mit neuen strengen Regeln.


Südlich von uns liegt der Piute Canyon, eine tiefe Schlucht, in der ein wilder Fluss brodelt. Das ist immer noch der San Joaquin River. Unser Trail verläuft auf einem schmalen Felsband entlang des Berghanges. Fantastische Aussicht auf steile Granitwände, und rechts unter uns strömt der Fluss durch den engen Canyon. Das ist ein Weg vom Allerfeinsten, da kann man jeden Schritt genießen. 🙂


Um 17.00 Uhr beginnen wir mit dem lang erwarteten Aufstieg. Kategorie super-steil über unregelmäßige Felsstufen. Das ist erst der Anfang eines langen gleichmäßigen Anstiegs für die nächsten 20 Kilometer. Heute klettern wir ca. 500 Höhenmeter nach oben, der Rest folgt dann morgen. Auf der linken Seite kann man die Wände einer weiteren Schlucht sehen, den Goddard Canyon. Etwas abseits hört es sich nach tosendem Wasser an. Natürlich sind wir neugierig und verlassen den Weg, um einen Blick in die Schlucht zu werfen. Nie hätten wir damit gerechnet, dass hier solche Wassermassen durchlaufen. Der Evolution Creek, von dem wir vorher noch nie gehört haben, bricht sich seine Bahn durch den Canyon. Dieser Fluss ist so gewaltig und die Schlucht an manchen Stellen so eng, dass gleich auf mehreren Stufen Wasserfälle in die Tiefe stürzen. Fantastisches Natur-Schauspiel 🙂 und für uns völlig unerwartet.



Zum Ende des Tages stehen wir vor dem Evolution Creek und müssen auf die andere Seite fjorden. Keine Trittsteine und auch keine Baumstämme, um über den Fluss zu kommen. Diese Fluss-Querung soll bei hohem Wasserstand, also nach Schneeschmelze oder Regen, gefährlich sein. Es gibt sogar eine ausgeschilderte Alternativ-Route weiter flussaufwärts. Heute gestaltet sich das nicht besonders schwierig für uns. Wir ziehen Schuhe und Strümpfe aus, waten in Crocs durch das eiskalte Wasser. Es ist sowieso Feierabend-Zeit, und auf der anderen Seite finden wir direkt einen schönen Zeltplatz. Wir haben tatsächlich beinahe 30 Kilometer geschafft, obwohl wir uns gar nicht beeilt haben. So viele schöne Momente und Aussichtspunkte, wir sind überall stehen geblieben und haben nichts davon ausgelassen. Genialer Tag von Anfang bis Ende. 🙂


In der Nacht hat sich ein kleines Tier an unseren Sachen vor dem Zelt zu schaffen gemacht. Es gab allerdings nichts Essbares zu holen.Wecker klingelt um 5.30 Uhr. Draußen ist es noch stockfinster. Kaffeetrinken im Schlafsack mit Stirnlampe. Morgendämmerung bricht an, es wird hell, bis wir los kommen. Es liegen weitere 1000 Höhenmeter Aufstieg zum Muir Pass vor uns. Dieses soll der schwierigste auf dem ganzen Trail sein. Der Anfang ist schwer für mich wie jeden Morgen. Bei jedem Start schmerzt der linke Knöchel. Mit der Zeit wird es besser, Tendenz positiv. Es ist gut auszuhalten. Schmerzmittel habe ich auf dieser Etappe noch nicht gebraucht. Das Abschneiden der Schuhe war DIE Lösung, jetzt muss sich die überreizte Sehne nur noch erholen. Im Moment sind eher eisige Finger trotz der dicken Handschuhe mein Problem. Um 9.00 Uhr ist es noch zu kalt für die Frühstückspause. Wir laufen eine Stunde weiter durch. Die rechte Schulter von Thomas meldet sich wieder. Der schwere Bär-Kanister mit Lebensmitteln ist schuld. Hoffentlich gibt sich das, sobald der Proviant weniger wird.


Zur Pause um 10.00 Uhr haben wir die Hälfte des Aufstiegs geschafft, weitere 500 Höhenmeter fehlen noch. Ein bekanntes Gesicht erscheint hinter einem Hügel. Salty, den wir das letzte Mal in Washington getroffen haben, mit seiner Frau „Light“. Er ist zum vierten Mal auf dem PCT, für sie ist es das erste Mal. Es gibt wieder einige Bäche zu überqueren. Bei einem etwas breiteren Strom wird mit einem Mikado aus toten Baumstämmen der Weg nach drüben erleichtert. Balancieren machen wir gerne, wenn es nicht zu rutschig ist.


Ein kapitaler Hirsch mit rötlichem Geweih spaziert neben unserem Weg. Gar nicht ängstlich, der lässt sich erstmal nicht beim Grasen stören. Weiter geht es hinauf. Wir müssen die Beine kräftig anheben, aber dieser Anstieg fühlt sich gar nicht so anstrengend an. Die Szenerie ist unheimlich abwechslungsreich, und die Zeit vergeht schnell. Es beginnt mit dem Überqueren einiger Bäche. Aus den Bergen stürzen kleine Wasserfälle in die Tiefe. Etwas höher reihen sich Bergseen aneinander, einer blauer und tiefer als der andere. Die wahnsinnig schöne Landschaft lässt uns immer wieder stehenbleiben und fotografieren. Einfach fantastisch ! 🙂 So viele „Aah“s und „Ooh“s auf dieser Route, dass wir gar nicht merken, wie lang der Anstieg ist. Seit der Frühstückspause sind wir 3,5 Stunden ohne Absetzen unterwegs. Nur die letzte Stunde ist etwas mühsam, weil der Pfad über rutschiges Geröll immer höher führt. Wir sehen mehrere Murmeltiere in dieser Granit-Wüste, aber leider keine großen Tiere.


Die John Muir Shelter markiert den höchsten Punkt auf 3644 Metern. Das ist eine feste Schutzhütte mit historischem Hintergrund, die 1931 aus massiven Granitblöcken gebaut wurde. Der John Muir Trail verläuft über eine Länge von 211 Meilen bzw. 340 Kilometern vom Yosemite Valley bis auf den Gipfel des Mount Whitney. Er ist sehr beliebt bzw. ziemlich überlaufen. Zum Schutz der fragilen Landschaft gilt eine Begrenzung von 45 Startern pro Tag. Was wir vorher nicht wussten : 270 Kilometern ( von 340 ) sind PCT und John Muir Trail parallel. Damit haben wir jetzt auch schon einen Großteil dieser Strecke gemacht. Vielleicht wandern wir das ganze Ding so nebenbei im nächsten Jahr. Wir haben riesiges Glück mit dem Wetter. Auch diesen Pass können wir mit Sonnenschein genießen und eine schöne Pause oben machen. 🙂
Um 16.00 Uhr starten wir in den Abstieg. Der Hinweg war total sanft, hinunter ist es steil und ein bisschen gruselig. Die erste Stunde ist viel schwieriger als gedacht. Im Prinzip klettern wir nur steil auf Steinen unterschiedlicher Größe bergab. Die Sonne ist weg, es wird sofort kalt. Geröll, Seen, Geröll, ein rauschender Fluss, Geröll, ein unterirdischer Wasserfall und noch mehr Geröll. Es geht immer tiefer hinein in einen Kessel, der von hohen Bergen umgeben ist. Ich habe ein bisschen Angst, dass wir hier nicht mit Tageslicht heraus kommen. Wir laufen am Ufer des Helen Lake entlang. Hier gibt es ein paar flache Stellen, aber auf feuchter Wiese am See ist nicht gut zelten. Weitere Seen folgen. Der Kings River fließt die meiste Zeit neben unserem Weg. Wasser müssen wir nicht tragen. Es bleibt feucht und kalt um uns herum. Ein trockener Platz wäre schön. Nach 2,5 Stunden haben wir es geschafft und sind fast heraus aus dem Schlamassel. Das Gelände wird zunehmend trockener, einzelne Bäume und Waldboden machen Hoffnung auf baldigen Feierabend. Mittlerweile ist es 18.30 Uhr und höchste Zeit. Das Lager ist eingerichtet, kurz bevor es dunkel wird. Während des Abendessens erscheinen nach und nach immer mehr Sterne am Himmel. Wir sind todmüde und gehen früh schlafen. Das war wieder ein Tag der Superlative ! 🙂

Der neue Morgen beginnt mit Sonnenaufgang über den Bergen. Immer noch befinden wir uns mitten in der Geröll-Wüste. Die kleine Baumgruppe, an der wir gezeltet haben, ist noch die Ausnahme. Wir steigen weiter ab, und die Bäume werden mehr. Das Gelände bleibt spannend. Wir entdecken ein Stein-Monster. Da hat sich ein kreativer Mensch sehr viel Mühe gegeben und ganz viel Zeit investiert, um einem Felsen ein Gesicht zu geben. Kleine Wasserfälle schießen aus den Bergen. Eine nackte Eidechse versteckt sich zwischen den Steinen. Sie ist dermaßen an die Umgebung angepasst, dass ich sie erst sehe, als sie sich bewegt. Zunächst haben wir weiterhin Abstieg vor uns, aber eher auf Waldweg und ohne viele Stolpersteine. Im Wald wird es bunt. Die Blätter der Laubbäume leuchten in allen möglichen Herbstfarben, was sehr schön aussieht.


Wir wandern parallel zu einem kleinen Fluss. Brauchen tatsächlich volle 2 Stunden für 6 Kilometer. Schnell geht hier gar nichts. Endlich erreichen wir den Abzweiger zum Bishop Pass Trail. Diesen werden wir laufen, obwohl es sich verkehrt anfühlt. Die Sonne steht auf der anderen Seite ? Wir machen zuerst einen Bogen nach Osten, danach noch einen riesigen Schluck nach Norden. Falsche Richtung. Der PCT SoBo geht von Norden nach Süden. Dieses ist für uns die zweite von drei Möglichkeiten, in die Stadt Bishop zu kommen. Für uns bedeutet das 20 Kilometer mehr Strecke, die nicht zur PCT-Zählung gehören. Außerdem liegt der Bishop Pass, den wir überqueren müssen, auf 3650 Metern. Es sind mal eben 1000 Höhenmeter zusätzlich im Aufstieg, die wir uns hier antun. Wohlgemerkt – das ist nur der Hinweg. Zurück auf den PCT müssen wir auch wieder. Man könnte dabei denken : „So ein Mist ! Diese zusätzliche Anstrengung, nur um in die Stadt zum Einkaufen zu gehen.“ Aber man kann die Sache auch positiv sehen. Der Weg ist einfach unbeschreiblich schön. Und wir laufen gerne. 🙂

Der Bishop Pass Trail ist toll. Viel Aufstieg, es dauert seine Zeit, aber es lohnt sich. Die Spur verläuft angenehm in Serpentinen nach oben. Mal über griffige Granitplatten oder Steinstufen, zwischendurch sogar auf Sandboden. Kanarische Kiefern stehen in großer Anzahl an den Hängen. Diese Bäume sind alleine schon ein Hingucker. Ringsum sind wir von zackigen Bergen umgeben. In der Mitte unter uns liegt ein liebliches Tal, das Dusy Basin. Auch hier hat die Vegetation bereits herbstliche Farben abgenommen. Ein paar Bäche und ein kleiner See runden das Bild ab. Sieht sehr idyllisch aus. Um 14.30 Uhr haben wir den höchsten Punkt erreicht. Wir stehen auf dem Bishop Pass in 3650 Meter Höhe. Ein bisschen windig, es ist kalt. Kein langer Aufenthalt, wir steigen schnell wieder auf der anderen Seite hinunter. Wir sind total begeistert von diesen Extra-Kilometern. Der Bishop Pass Trail ist eine Reise wert, und wir dürfen sie zur besten Jahreszeit machen.

Unterwegs treffen wir einen Deutschen, der seit 20 Jahren in New York lebt. Kurze Unterhaltung, wir sind auf einer Wellenlänge. Sofort wird uns von Jan eine Mitfahrgelegenheit nach Bishop angeboten, wenn wir nachher auf ihn warten möchten. Wir sind viel schneller und auf der Überholspur. Eigentlich wollten wir heute Abend noch gar nicht in die Stadt, aber eine gute Gelegenheit darf man nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wir warten eine halbe Stunde am South Lake Trailhead auf unser „Taxi“ und kommen so ganz einfach in die Zivilisation.