Wir segeln und wandern durch die Welt

Olallie Lake bis Elk Lake / Sisters

Um 6.30 Uhr sind wir wach. Unser Nachbar ist bereits weg. Streber ! 😉 Die ganz Eifrigen, die schnell ankommen möchten, sind sogar nachts unterwegs, wenn es das Gelände erlaubt. Unser Zelt steht direkt am Weg, und Thomas hat in der Nacht ein paar vorbei laufende Hiker gehört. 

Die „Three Sisters Wilderness“ liegt vor uns. Zunächst wandern wir an einem Schattenhang. Es ist noch sehr frisch. Bald darauf geht es in den Aufstieg, dabei wird uns schnell warm. Gelbe Hose und Mütze in knalligem orange, das fällt auf im Wald. Der dazugehörige junge Mann, der uns entgegen kommt, macht auf dem engen Pfad bereitwillig Platz für uns Senioren. Er hat eine auffallend nette Ausstrahlung, grüßt ganz lieb, aber nicht so übertrieben wie die meisten Amis. Ein paar Minuten später treffen wir seinen Bruder „Chuck Jug“, ebenfalls in gelber Hose, dazu Mütze in orange mit Jägermeister-Zeichen drauf. Ebenfalls total sympathisch. Wir quatschen eine Weile und werden uns vermutlich bei den Trail Days am nächsten Wochenende in Cascade Locks wiedersehen.

Der Weg verläuft durch eine Seen-Landschaft. Am Shale Lake nehmen wir Wasser und finden einen schönen Platz am Ufer. Leider ist es dort nicht zum Aushalten, weil schlimmstes Moskito-Revier. Einpacken und weiter, eine Viertelstunde später folgt der nächste Versuch. Kaum sitzen wir, da fallen die Blutsauger wieder über uns her. Ich ziehe eine zweite lange Hose, Daunenjacke und Handschuhe über. So geht’s. Schwitze natürlich wie blöd, aber besser als Stiche.

Der PCT führt heute stetig bergauf. Wir schrauben uns in Serpentinen hoch bis 2300 Meter. Oben gibt es zur Belohnung einen wunderschönen Weg mit lila Blümchen zu beiden Seiten. Super Aussicht und Sonnenschein. Leider schwirrt die Luft von Moskitos. Eigentlich dachten wir, dass wir diese Plage hinter uns gelassen hätten. Aber wir erleben gerade die nächste Welle, weil der Schnee rund um den Mount Jefferson soeben erst geschmolzen ist. Voraus im Süden warten noch einige weitere Berge mit Schnee.

Man weiß nie, was einen erwartet, wenn man um die nächste Ecke kommt. In diesem Fall macht der PCT eine Kurve auf die andere Seite des Berges, und die Landschaft ändert sich schlagartig. Schon wieder eine verbrannte Region, tote Bäume und Kahlschlag, so weit das Auge reicht. Am Rockpile Lake haben wir klares Wasser, viel Platz im Schatten und weniger Moskitos. Das gibt eine entspannte Pause. Die nächsten zwei Stunden laufen wir durch vom Feuer zerstörtes Gebiet abwärts. Oben auf dem Pass ähnelt das Bild einer Mond-Landschaft. Die ersten Blümchen und kleine Nadelbäume setzen sich durch, ansonsten liegen da nur nur Steine in verschiedenen Größen und Farben.

Den nächsten See erreichen wir um Viertel vor sechs und machen dort Lagebesprechung. Ab jetzt beginnt eine sehr trockene Strecke. Den ganzen Tag lang sind wir von See zu See gehüpft, aber nun ist es vorbei. Das nächste zuverlässige Wasser soll es in knapp 20 Kilometern geben, also morgen erst. Das ist lang. Sollen wir hier bleiben, kochen und früh Feierabend machen ? Thomas entdeckt den Kommentar eines Hikers in unserer App. Da ist von einem Zeltplatz in gut 7 Kilometern die Rede, angeblich soll daneben ein Teich sein. Das würde für uns genau passen. Wir trinken schnell jeder einen Liter, schultern die Rucksäcke und gehen in die letzte Runde. Bedeutet nochmal zwei Stunden Anstrengung, denn der Weg geht 300 Höhenmeter durch Geröll bergauf.

Um 20.00 Uhr haben wir das Ziel erreicht. Der Platz für’s Zelt ist leider schief und krumm. Der erwartete Teich ist gar nicht mehr da. Das war wohl nur eine Pfütze aus Schmelzwasser, die inzwischen von der Sonne ausgetrocknet ist. Man sieht noch genau die Umrisse. Der Boden ist morastig und von Steinen durchzogen. Kein Wasser, kein warmes Abendessen und kein Kaffee am Morgen. Blöd. 🙁 Wir stellen unser Zelt im trockenen Teich auf, nachdem wir ein paar Steine weggeräumt haben. Hier ist der Boden wenigstens gerade. Rutschen hatten wir erst letzte Nacht, heute werden wir hoffentlich besser schlafen. Müde genug sind wir. Mehr als 1500 Höhenmeter Aufstieg, 35 Kilometer insgesamt. Das merkt man in den Beinen.

Knapp 10 Kilometer sind es bis zum Santiam Pass. Es geht dauernd bergab, bis wir 500 Höhenmeter tiefer sind. Schnelle Nummer, knapp zwei Stunden. Wir laufen wieder durch verbranntes Gebiet, also gibt es nicht viel Schönes zu sehen. Junge Streifenhörnchen flitzen über den Trail. Der Nachwuchs ist flügge geworden. Und die Kleinen sind so blitzschnell, dass man sie nicht vor die Kamera bekommt. Eine Wapiti Hirschkuh kreuzt meinen Weg.

Am Santiam Pass müssen wir den Highway 20 überqueren. Viel Verkehr, kein Fußgänger-Überweg, keine Ampel. Das ist das Gefährlichste, was wir bisher in dieser Etappe gemacht haben. Leider keine Trail Magic, es steht kein Wasser an der Straße. Wir müssen tatsächlich noch eine Stunde dranhängen, bis wir „unseren“ See erreichen. Tatsächlich waren das jetzt 20 Kilometer ohne Wasserquelle. Wir sind seit 3 Stunden unterwegs. Endlich gibt’s Frühstück und Kaffee. Danach geht es erneut 300 Höhenmeter bergauf. Wir befinden uns wieder auf 2200 Meter Höhe. Das ständige Auf und Ab scheint kein Ende zu nehmen. Ich freue mich jetzt schon auf die Wüste in Süd-Kalifornien.

Auf der nächsten Etappe nehmen wir einen Abzweiger zum Big Lake Youth Camp. Dort soll man gegen Spende eine Mahlzeit bekommen und duschen können. Die Dusche reizt sehr, sie ist auch dringend nötig. Es gibt ein Gebäude, welches für Hiker als Tagesraum eingerichtet wurde. Zwei Duschen, Waschmaschine, Trockner, Hiker-Boxen, Mülleimer und Steckdosen. Herzlich willkommen in der Zivilisation. 🙂 Eigentlich hatten wir auf eine warme Mahlzeit gehofft. Heute ist Sonntag, da bleibt die Küche kalt. Pech gehabt. Trotzdem ist es gut, eine Weile der Sonne zu entkommen. Beide Duschräume sind frei, aber Thomas besteht darauf, dass wir nacheinander gehen. Als ich fertig aus der Dusche komme, da stelle ich fest, dass es ziemlich unruhig ist im Raum. Thomas sagt : „Das ist nur Einer.“ Er verschwindet Richtung Dusche, und ich verstehe sofort, wer gemeint ist. Da ist ein Typ angekommen, der nicht grüßt und sich nicht mit den üblichen Höflichkeitsfloskeln aufhält. Der sieht eigentlich ganz normal aus. Schmutzige Klamotten, durchgeschwitztes Hemd, Vollbart, wie ein männlicher Hiker nach einer Woche im Wald. Er stürzt sich sofort auf die Hiker-Boxen und durchwühlt diese nach Brauchbarem. Auf dem Tisch stehen Pakete mit Ramen Nudeln und andere Dinge zur freien Verfügung für die Hiker. Der Typ bedient sich ordentlich an den kostenlosen Sachen. Wir nennen ihn den „Haifisch“. Als nächstes öffnet er nacheinander alle Küchenschränke, dann den Kühlschrank und sogar das Gefrierfach. Der Haifisch schaut in jedes Schraubglas, steckt seine Nase hinein und füllt sich etwas vom Inhalt in seine Zipp-Beutel. Sogar aus einem angefangenen Glas Erdnussbutter holt er reichlich heraus und streicht sie in sein eigenes Glas. Als er damit durch ist, geht es wieder von vorne los. Noch einmal werden die Hiker-Boxen lautstark von unten nach oben durchgekramt, obwohl nichts Neues hinzugekommen ist. Ein Mädel schenkt ihm Müsli-Riegel und hochwertiges Essen, weil sie angeblich zu viel hat. Dann geht dieser Haifisch ein weiteres Mal an die Hängeschränke und den Kühlschrank. Unfassbar, dieses Benehmen. 🙁  Im Nebenraum liegen Dutzende von Päckchen für Hiker. Meistens Proviant, den sie an sich selber schicken, manchmal auch bestellte Sachen wie Amazon-Lieferungen. Der Haifisch wühlt darin herum, inspiziert die Adressen und fragt ankommende Hiker, ob sie ein Päckchen erwarten. Alles sehr merkwürdig. So einen unangenehmen Menschen habe ich selten erlebt. Jetzt verstehe ich auch die Sache mit dem „Getrennt duschen“. Normalerweise gilt auf dem Trail die Hiker-Etikette. Niemand würde einem anderen Hiker irgendetwas wegnehmen. Eher würde man noch verlorene oder vergessene Dinge hinterher tragen. Aber bei diesem Schmarotzer-Typen möchten wir unsere Sachen nicht eine Minute unbeaufsichtigt lassen. Der macht uns total raschelig. Nach zwei Stunden halten wir diese hektische Aktivität nicht mehr aus und flüchten nach draußen. Wir sind frisch geduscht, das Handy ist geladen, die Powerbank halb voll. Hat sich also richtig gelohnt, dieser Umweg.

Auf dem nächsten Abschnitt laufen wir erneut durch verbranntes Gelände. Nur eine schmale Spur führt um die Berge herum. Die kahlen Gerippe der Bäume geben überhaupt keinen Schutz. Wir sind den ganzen Nachmittag gnadenlos der Sonne ausgesetzt. Die Dusche tat so gut, jetzt rinnt der Schweiß wieder in Strömen. Nur eine kurze Pause gegen 17.00 Uhr, um den restlichen Verlauf des Tages zu checken. Kein Wasser in Sicht …. ganz schlecht. Wir hoffen darauf, dass Jemand am McKenzie Pass etwas bereitgestellt hat. Bis dahin sind es allerdings noch 10 Kilometer mit 500 Höhenmetern Aufstieg. Okay – wir wollen es versuchen und marschieren los.

Und wer jetzt denkt „Schlimmer geht nimmer“ ….. der täuscht sich gewaltig. Lava-Geröll fehlte bisher noch. Plötzlich taucht auf unserer rechten Seite, also im Süden, eine schwarze Mauer aus kompakter Lava auf. Wir kommen in den Dunstkreis der Vulkane, für die Oregon bekannt ist. Knapp drei Stunden lang stolpern wir über Lava-Geröll, wie wir es von den Kanaren kennen. Das braucht ja nun wirklich kein Mensch.  🙁  Unterwegs bekommen wir von Entgegenkommern erzählt, dass es am McKenzie Pass Trail Magic mit Früchten, Soda und Bier gibt. Wir sind spät dran, hoffen aber zumindest auf Trinkwasser. Die letzte Etappe des Tages ist nicht meine beste. Inzwischen spüre ich jeden Stein unter der Schuhsohle, und meine Fußgelenke schmerzen. Das braucht eine lange Nachtruhe, bis es wieder im Lot ist. Wir beißen uns durch.

Den McKenzie Pass erreichen wir gegen 20.00 Uhr. Schon von Weitem sehen wir drei Kühlboxen. Jippieh ! Trail Magic. 🙂 Wasser hätte uns gereicht, zum Trinken und für den Kaffee am Morgen. Früchte und Soda sind aus, aber in einer Kühlbox gibt es tatsächlich noch Bier. Wird gerne genommen, wir trinken eine Dose direkt vor Ort in Gesellschaft anderer Hiker. Das Kämpfen hat sich gelohnt. Der oder die Spender sind um diese Zeit nicht mehr anwesend. Mehrere schöne Zeltplätze gibt es in der Nähe. Der Wald hat sich bereits einige kleine Inselchen zurückerobert. Einige Leute sind hier hängen geblieben. Wir bleiben natürlich auch.

Höchstleistung bisher : 36 Kilometer trotz langer Pause im Big Lake Youth Camp.

Vollmond ! Taghell war es während der ganzen Nacht in unserem Leichtgewicht-Zelt. Schlafen können wir trotzdem meistens hervorragend. Früh morgens hören wir ein Auto am Trailhead parken und das Geklapper von Kisten. Da sind bereits die Trail Angel am Werk. Um Viertel vor acht stehen wir wieder am McKenzie Pass und kommen aus dem Staunen nicht heraus. Alle Kühlboxen sind aufgefüllt, außerdem steht dort eine neue größere Box, ein gefüllter Bär-Kanister, ein weiterer Karton Cola. Das ist Trail Magic vom Allerfeinsten ! Es gibt grüne und blaue Weintrauben, Clementinen, Nektarinen, mehrere Sorten Kekse und Gebäck. Verschiedene Sorten Limonade sind im Angebot, Cola, Energy-Drinks, Griechischer Joghurt mit extra viel Protein. Außerdem komplettes Frühstück in Form von separat in Zipp-Beuteln verpackten Croissants, Butter, Philadelphia Frischkäse, Marmelade, Salami, hartgekochte Eier. Eine Dreiviertelstunde lang futtern wir uns durch das reichhaltige Angebot und trinken eine Dose Cola.

Mit vollem Bauch und Koffein im Körper beginnen wir das nächste Lava-Feld aufzurollen. Dieselbe Hitze wie gestern, dasselbe schwarze Geröll unter den Füßen. 500 Höhenmeter Aufstieg inklusive. Geht aber ausgeruht und gut gestärkt viel besser als gestern. Uns kommt eine Hikerin entgegen, die deutlich älter ist als wir, schätzungsweise Mitte 70. Sie trägt ein Zelt, einen vernünftig gepackten Rucksack und die PCT-Plakette dran. Wenn sie wirklich den ganzen PCT macht und an der mexikanischen Grenze gestartet ist, dann ist diese Frau bis hierhin mehr als 3000 Kilometer gelaufen. Dabei sieht die Dame aus, als würde es ihr Spaß machen, morgens um 9.00 Uhr durch die Lava zu stapfen. Wir schrauben uns die erloschenen Vulkane hoch. Auf der anderen Seite schlängelt der Weg in Serpentinen wieder hinunter. Und das alles bei 32° Hitze-Alarm. Um uns herum nur schwarze Lava. Am höchsten Punkt sind wir auf 2300 Meter angelangt. Oben weht ein frischer Wind. Anstrengend wird es, wenn der von vorne kommt. Ein Hirsch trabt durch das Geröllfeld. Es sieht richtig elegant aus, wie er mit hoch erhobenem Kopf an der schrägen Wand des Vulkans läuft. Vielleicht sucht er die Wapiti-Kuh von gestern. 😉

Bei der Minnie Scott Spring blubbert eiskaltes Wasser aus der Erde. Die Flecken mit Lava werden zunehmend kleiner, dafür nimmt der Anteil an Wiese und Nadelbäumen zu. Es riecht wunderbar würzig im Wald nach der kahlen Landschaft der vergangenen Tage. Nur knapp 2 Stunden später erreichen wir die Obsidian Area. PCT-Hiker dürfen zwar durchlaufen, aber nicht campen. Obsidian ist ein vulkanisches Gesteinsglas mit glatter glänzender Oberfläche. Die Berge und der Weg glitzern in der Sonne von den schwarzen Steinchen. Unsere nächste erstklassige Wasserquelle ist die Sister Spring. Zwei Bäche liegen auf dem Weg, auf Trittsteinen hüpfen wir hinüber.

Obsidian Falls ist ein Wasserfall, der aus 25 Metern in die Tiefe stürzt. Nur ein kleiner Umweg, und wir möchten nichts auslassen. Schleichender Anstieg am Ende des Tages. Zum Schluss wissen wir gar nicht mehr, wie viele Höhenmeter wir heute gemacht haben. Nein – Oregon ist nicht flach. 😉

Am Reese Lake gibt es Wasser mit Fischen drin. Die sollten besser nicht im Filter landen. Ich gehe barfuß hinein zum Füße-Kühlen. Das tut gut. Daneben lockt ein richtig schöner Platz auf Blümchenwiese. Die Sonne scheint immer noch, dazu weht ein leichter Wind. Aus der Kochpause wird schon um 19.00 Uhr das Nachtlager. Freier Blick auf den Berg South Sister, an dessen Fuß wir unser Zelt aufstellen. Aus der Liegend-Position heraus können wir zwei Rehe beobachten, die ganz in der Nähe grasen. Von Anfang bis Ende ein richtig toller Tag ! 🙂

Mehrmals während der Nacht ist draußen das Trappeln und Mampfen irgendwelcher Tiere zu hören. Unsere Wiese am See scheint sehr beliebt zu sein. Es ist beinahe Vollmond und so hell im Zelt, als hätte man Flutlicht angemacht. Der Wecker klingelt bereits um 5.00 Uhr. Es soll heute und morgen nochmal Hitze-Alarm geben, deswegen starten wir mit Beginn des Tageslichts. So haben wir es zwei Stunden kühler, bevor die Sonne über den Bergen erscheint und uns erwischt. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir nicht so viele Leute treffen. Viel los in der Gegenrichtung zur Zeit. Bis um 8.00 Uhr zähle ich schon 11 entgegenkommende Hiker. NoBo = northbound =  von Mexiko nach Kanada unterwegs. Früh-Sport umgestürzte Bäume auf dem Trail. Ein Wapiti steht am Wegesrand und schaut uns neugierig an. Wir laufen drei Stunden durch bis zum Sisters Mirror Lake, wo wir Wasser nehmen und schnell noch ein Stück weiter rennen. 13 Kilometer bisher, das ist ein sehr guter Tagesbeginn. Leider sind die Moskitos überall. Unsere Pause fällt dementsprechend kurz aus. Bereits um 12.00 Uhr erreichen wir den Abzweiger zum Elk Lake Resort und verlassen den PCT. Der frühe Vogel …..  🙂

Von da aus sind es ca. 2,5 Kilometer bis zur Straße. Wir überlegen, ob wir zuerst zum Resort gehen, um dort etwas zu essen und zu trinken. Oder aber in der prallen Sonne an die Straße stellen und versuchen, sofort ein Auto zu stoppen ? Wir werden 10 Autos abwarten ….. Der 5. Wagen hält. Hinten ist ein Kajak aufgeladen. Am Steuer sitzt Gretchen, eine nette ältere Dame. Sie ist strohblond und trägt diesen Namen, weil sie holländische Vorfahren hat. Gretchen war mit einer Gruppe von Freunden aus ihrer Kirche ein paar Stunden auf dem See. Dort treffen sie sich regelmäßig zum Kajak fahren. Im Winter läuft sie auch sehr gerne Ski. Bis nach Bent können wir mitfahren. Eigentlich würde sie uns direkt bis nach Sisters bringen, aber sie hat einen Mann mit Parkinson zu Hause, den sie nicht länger alleine lassen kann. Gretchen ist 87 Jahre alt. Wir sind schwer beeindruckt.

Die Hitzewelle erschlägt uns fast, als wir an einer Tankstelle aussteigen. Essen und Trinken, also das Wichtigste zuerst, dann den weiteren Plan aushecken. Wir möchten nach Sisters, einem 3000-Einwohner-Ort in etwa 30 Kilometer Entfernung. Dort gibt es einen Campingplatz, wo wir günstig übernachten können. Auf gar keinen Fall wollen wir stundenlang in der Mittagssonne an der Straße stehen und trampen. Ein Stück weiter ist die Haltestelle vom City Bus, der uns kostenlos zur Station bringt. Einmal Umsteigen in den Bus nach Sisters, auch dieser ist umsonst. Toller Service ! Erklärung des Busfahrers : Das ist ein ( positives ) Überbleibsel aus Zeiten der Pandemie. Damals durften die Busfahrer kein Bargeld annehmen.

Es ist sooo heiß. Wir sind auf dem Weg zum Campingplatz, aber schon wieder meldet sich der Durst. An der nächsten Tankstelle kaufen wir 4 Flaschen Limo und setzen uns damit in den Schatten. Mir kommt der Gedanke, dass Nora und Bruce von der Ugly Betty in Sisters wohnen. Kennengelernt haben wir die Beiden vor 2 Jahren in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands, bevor wir in die Nordwest-Passage gestartet sind. Bruce ist online, antwortet sofort, und 15 Minuten später werden wir abgeholt. Riesige Freude über unser Wiedersehen. 🙂

Wir dürfen im klimatisierten Gästehaus wohnen und bleiben, solange wir möchten. Dusche, Waschmaschine, Trockner. Für uns totaler Luxus ! 🙂 Wir sind unheimlich dankbar für dieses großzügige Angebot. Was für eine enorme Gastfreundschaft von Menschen, die wir vor 2 Jahren wenige Stunden in Grönland getroffen haben ! Unfassbar. Es kommt uns gerade alles ziemlich unwirklich vor.

Rehe und wilde Truthähne laufen durch den Garten. Ein kleiner Gecko klettert innen am Fenster, ein weiterer vor der Haustür. Gern gesehene Gäste, sie sollen Glück bringen und fressen Insekten. Im Teich schwimmen viele Fische. Die Seerosen öffnen sich, sobald die Sonne aufgeht. Wunderschönes Anwesen !

Aus dem Salon im Haupthaus hat man freien Blick auf drei Berge mit Schnee. Das sind die „Three Sisters“. Bruce erklärt uns die englischen Namen und die Bedeutung dieser Gipfel : Faith, Hope & Charity =  Glaube, Hoffnung & Nächstenliebe.

Wir bekommen selbstverständlich den BMW ausgeliehen. Uns wundert hier bald gar nichts mehr. Nora und Bruce sind so lieb, wirklich einmalige Menschen. 🙂

Nettes Städtchen im Stil einer Western-Stadt. Es wirkt so, als wären viele Geschäfte speziell für Touristen eingerichtet. Traditionelles Handwerk, Kunst, Antiquitäten, Souvenirläden, ein paar Brauereien gibt es auch. Die Hitzewelle hält an, d. h. die Feuergefahr in den Wäldern ist bei 36° bis 37° unheimlich groß. Das kann ja nicht gesund sein, sich bei diesen Bedingungen über die Maßen anzustrengen. Gute Entschuldigung für ein paar freie Tage. Damit kicken wir uns selbst aus dem Rennen. Nein, der PCT ist kein Rennen. Wir möchten den Trail, die Natur und das Drumherum genießen. 

„Hike your own hike“ – Dieses Motto haben wir auf dem AT 2012 zum allerersten Mal gehört. Daran halten wir uns, und wir haben bereits ziemlich früh entschieden, dass wir uns nicht kaputt laufen wollen.

196 Meilen von Cascade Locks bis nach Elk Lake, das sind 315 Kilometer. Wir waren nicht faul. Insgesamt stehen wir jetzt bei Kilometer 1130. 🙂