Wir segeln und wandern durch die Welt

Seen-Landschaft von Stevens Pass bis Snoqualmie Pass

Thomas macht morgens spontan Visite beim Zahnarzt. Es war schon länger nicht in Ordnung, und in einer Stadt mit 20000 Einwohnern bietet es sich gerade an. Ohne Termin drangekommen, aber das ist immer ein teurer Spaß in den USA. Der nächste Gang führt zu UPS, wo wir ein Paket aufgeben. Unser China-Zelt sowie die Mikro-Spikes sind jetzt auf dem Weg zu Jonathan nach Texas. Der Bus von Monroe zurück zum Stevens Pass ist gebucht. Wie einfach das doch sein kann, wenn man im Hotel Zugang zum Internet hat ! Keine Langeweile, wir haben gut zu tun. Nachdem die Ausrüstung sauber ist geht es ans Reparieren. Verbesserungen am Rucksack, die Hose von Thomas hat Risse, meine Hose muss enger genäht werden. Einkauf, Entfernen der Verpackungen und Eintüten in Zipp-Beutel, damit unterwegs weniger Müll anfällt. Seit 14 Tagen konnten wir keine Homepage, keine E-Mails, kein online Banking bearbeiten ( außer vor der Fähre in Stehekin ). Da gibt es jetzt viel aufzuholen. Ruckzuck ist der freie Tag um. Morgen geht es weiter.

Alle Kratzer sind wieder verheilt, die Moskitostiche abgeklungen. Dank Tiger Balsam geht es der Schulter von Thomas viel besser. Wir haben uns richtig prima erholt. Der Bus kommt fast pünktlich und lässt uns am Stevens Pass aussteigen. Das hat schon mal gut geklappt. Wir müssen uns noch etwas sortieren, neu packen, umziehen, zur Toilette, Sonnencreme ins Gesicht. Eine kleine Flasche Pepsi Cola kostet 6,- Dollar in der Snack Bar vom Skilift. Autsch ! Freitag gegen 13.00 Uhr stehen wir am Eingang zum Trail. Dort treffen wir Rachel und Brian. Sie sind einen Tag später als wir an der Grenze gestartet und überholen uns jetzt. Aber das ist okay, die Beiden sind erst Mitte 20. Zwei Wochen lang waren wir fast ununterbrochen im Wald und fern jeder Zivilisation. Die Gegend um den Stevens Pass herum ist ein bekanntes Skigebiet. So viel Infrastruktur, Strommasten und Skilifte haben wir bisher noch nicht gesehen. Das Bild von der unversehrten Natur bekommt Risse.

Unser nächstes Ziel ist der Snoqualmie Pass in etwa 5 Tagen. Bis dahin haben wir über 6800 Höhenmeter bergauf vor uns.

Wir wandern auf einem gut gepflegten Weg entlang mehrerer kleiner Seen. Ein bisschen Aufstieg, ein bisschen Abstieg. Es fällt uns total leicht, noch 5 Stunden durchzulaufen. Damit haben wir schon wieder 10 Meilen der nächsten 70-Meilen-Etappe geschafft. Wir machen früh Feierabend neben einem Bach, weil wir das Aufbauen vom neuen Zelt erst lernen müssen. 

Wunderbar geschlafen. Unser neues Zelt ist einfach klasse. Es ist deutlich größer, dafür aber sogar 300 Gramm leichter als das China-Zelt. Man kann bequem ausgestreckt liegen. Drinnen ist Platz für zwei Rucksäcke, sonst hat der von Thomas nachts draußen gestanden.

Kurz nach dem Start haben wir die Marke von 200 Meilen oder 320 Kilometern seit der Grenze geknackt. Ich laufe dem Geruch von Citronella hinterher. Chemische Keule mögen wir nicht auf der Haut. Deswegen haben wir eine kleine Sprühflasche Citronella gekauft. Riecht nicht schlecht und ist ganz natürlich. Aber die Moskitos lachen uns aus. Was nicht Gift ist, das wirkt leider gar nicht gegen diese kleinen Vampire. Dummerweise habe ich gleich am Morgen mein Moskitonetz für den Kopf verloren. Wir haben sowieso nur eins zusammen ( das andere liegt auf dem Boot ). Bin noch mal einen Kilometer zurück gelaufen, während Thomas mit den Rucksäcken gewartet hat, habe es aber nicht gefunden. Abschreiben.

Ein cremefarbener Groundhog sitzt mitten auf dem Trail. Ich habe noch nie Murmeltiere mit so wuscheligem Fell gesehen wie hier im Norden Washingtons. Wahrscheinlich weil es das ganze Jahr über empfindlich kalt werden kann in den Höhenlagen. Der Groundhog ist verletzt. Eine der Hinterpfoten ist deutlich geschwollen, das Tier läuft auf drei Beinen. 

Zur Frühstückspause gibt es Eier. Man macht ja manchmal so bekloppte Sachen …. Wir haben eine Packung Eier gekauft und im Hotelzimmer gleich 10 Stück gekocht …. Wenn der Jet-Boil schon einmal an ist und wir das Gas verbrauchen …. Nur vier Stück sind im Salat gelandet, der Rest muss jetzt weg. Drei hartgekochte Eier für Jeden. Vor uns liegt ein gewaltiger Abhang aus Geröll. Heftiger Aufstieg. In Serpentinen schrauben wir uns den Berg hoch. Ich weiß nicht, wie viele Kurven wir insgesamt machen. Schätzungsweise 20 Umdrehungen, bis wir endlich oben auf dem Piper Pass stehen. Was für ein gewaltiger Unterschied, ob man in der Mittagshitze mit Sonne bergauf steigt oder im Schatten abwärts  läuft ! Es ist, als ob man einen Schalter umgelegt hat. Plötzlich hört das Schwitzen auf, und man kann einfach nur zügig gehen. Rings um uns herum blitzen immer wieder Seen durch das Grün der Bäume. Zwischen dem Surprise Lake und dem Glacier Lake entdecken wir eine Gedenktafel an einem Baum. Paul V. Nelson, gestorben 1982 und Robert V. Nelson, gestorben 2012. Vermutlich Vater und Sohn, die diesen Abschnitt des PCT besonders geliebt haben.

Auf dem Deception Lake schwimmen große bunte Gänse. Leider ist auch hier alles Moskito-verseucht. Kein guter Pausenplatz, wir eilen weiter. Im Verlaufe des Nachmittags sind einige kleine Wasserläufe zu überqueren, die aus den Bergen in kleinen Kaskaden über den Trail sprudeln. Die letzte Überquerung wird als sehr schwierig beschrieben. Da denken wir uns zunächst einmal : „Passt schon irgendwie.“ Aber um 19.00 Uhr gibt es tatsächlich richtig nasse Füße. Ein Wasserfall ergießt sich über mehrere Stufen aus der Höhe. Wir müssen auf die andere Seite. Zunächst schauen wir uns die Lage genauer an, gucken stromaufwärts und gehen ein Stück stromabwärts, um nach einer geeigneten Stelle zu suchen. Unter normalen Bedingungen wäre es wahrscheinlich durch Steine-Hüpfen und Balancieren möglich, aber nach dieser massiven Schneeschmelze in den letzten Tagen führt für uns kein Weg trocken ans andere Ufer. Wir gehen kein Risiko ein, wenn es eine ungefährliche Möglichkeit gibt. Etwas unterhalb fließt der Strom nicht ganz so stark und ist nur knöcheltief. Wir waten durch, das Wasser läuft in die Schuhe. Am anderen Ufer ist eine Menge Geröll aufgeschichtet. Hinter einigen hohen Felsen liegt ein weiterer Wasserlauf, der noch wilder nach unten schießt. Da war bisher nicht die Rede von. Der Wasserfall hat sich anscheinend geteilt und hat zwei Ströme ausgebildet. Es schäumt und brodelt. Das sieht anspruchsvoll aus. Feuchte Baumstämme und glitschige Steine sind wieder keine Option für uns. Wir laufen noch einmal an einer relativ flachen Stelle durch. Auf der anderen Seite liegt ein Geröllhang, den wir hinauf kraxeln müssen, um irgendwie wieder auf den PCT zu gelangen. Es geht noch einmal richtig steil bergauf. Diese Aktion hat uns so viel Zeit gekostet, dass wir beim nächsten Wasser mit Campsite unser Lager einrichten. Eigentlich wollten wir noch 2 Meilen weiter, aber da es weiterhin bergauf geht, würden wir eventuell nicht mehr bei Tageslicht ankommen. Bleiben wir also. Uns hetzt ja Keiner.

Habe Thomas schon um 5.30 Uhr geweckt. Aus Versehen. Die Sache mit „ohne Brille“. 😉 Auf jeden Fall sind wir sehr früh unterwegs. Stehen bereits um 8.00 Uhr auf dem ( vorerst) höchsten Punkt. Oben weht ein leichter Wind. Herrlich ! Auf der anderen Seite geht es sogleich abwärts, und das volle vier Stunden lang. Von einem erhöhten Felsen aus blicken wir in eine tiefe Schlucht. Die bleibt uns auf der linken Seite erhalten, bis wir am niedrigsten Punkt angelangt sind. Der PCT schlängelt sich weiter an einer Kette von Seen entlang. Wir nennen es „Mossi-Land“.

Zwei harmlose Fluss-Überquerungen auf Steinen halten uns nicht lange auf. Erneut ein heißer Tag mit 15 Stunden Sonne. Morgens sehr früh anfangen macht durchaus Sinn. Wenn jetzt ein bisschen Wind durchgeht, dann fühlt sich das an wie eine warme Welle auf der Haut. Zur Mittagszeit braucht Thomas dringend eine Abkühlung. Da kommt es gerade recht, dass ein Bach aus dem Berg über den Weg fließt. Ein kleines Becken von etwa 30 Zentimeter Tiefe lädt zum Baden im eiskalten Wasser ein.

Eine ganze Weile marschieren wir am Ufer des Waptus River entlang. Eine feste Brücke führt auf die andere Seite, wo die Spur natürlich direkt wieder bergauf geht. Nachmittags finden wir einen schönen Platz ohne Insekten. Entspannte Pause mit Kochen. Das wäre auch prima zum Zelten, aber 16.00 Uhr ist natürlich viel zu früh. Wir möchten eine ordentliche Meilenzahl zurücklegen, damit das frühe Aufstehen nicht umsonst war. Unser anvisierter Zeltplatz ist noch weit weg, dazu 600 Höhenmeter im Aufstieg. Leider soll es dort kein Wasser geben, unterwegs laut unserer App auch nicht. Schleppen über mehrere Stunden kommt nicht in Frage. Wir vertrauen darauf, dass es irgendwo auf dem Weg noch ein Rinnsal gibt, wo wir jeder einen Liter Wasser einsammeln können. Ich finde meine Zapfstelle 2 Meilen, also ungefähr eine Stunde, vor dem Ziel. Thomas kommt 20 Minuten später eingetrudelt und bringt auch noch einen Liter mit. Der Kaffee am Morgen ist gesichert. 🙂

Heerscharen von Moskitos bevölkern unser Nachtlager auf einer grünen Wiese. In Windeseile wird das Zelt aufgebaut, der Proviant aufgehängt und Zähne geputzt. Dann schmeißen wir uns mitsamt den Rucksäcken hinein und erledigen den Rest innen. Viel geschafft heute.

Nasse Wiese. Die Blutsauger hängen schon draußen am Netz. Aufstehen macht keinen Spaß. Aber muss ja, der Weg ist weit. Schuhe und Strümpfe sind trocken. Gut. Der Rucksack zerrt an meinen Schultern – viel zu schwer. Der Walmart ( wie in Monroe ) verleitet mit seinen günstigen Preisen dazu, viel zu viel Proviant einzukaufen. Viertel vor 8 sind wir unterwegs. Morgens früh ist die beste Gelegenheit, die grandiose Natur zu genießen. Wenn wir am späten Nachmittag mit dem letzten Aufstieg kämpfen, dann haben wir da so gar keinen Sinn für. Die erste Stunde des Tages steigen wir weiter in die Höhe. Ich liebe diese alpine Landschaft mit niedrigen Nadelbäumen und lila Heidekraut. Hinter jeder Kurve bietet sich eine neue tolle Aussicht. Oben weht ein frischer Wind. Kalte Ohren.

Danach geht es 1000 Höhenmeter in die Tiefe, nur um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachher wieder bergauf zu stapfen. Also erstmal lange Zeit abwärts, zunächst auf einen schmalen Pfad über Geröll, später dann auf einem weichen Waldweg. Um 10.00 Uhr ist Pausenzeit, allerdings gibt’s keine Pause ohne Wasser. Weiterlaufen ist mühelos, solange das Gelände einfach ist. Beim Frühstück haben wir schon 12 Kilometer auf dem Tacho. Es folgen mehrere kleine Bäche zum Überspringen und ein breiter Strom mit passendem Baumstamm zum Balancieren. Gegenüber sehen wir einen tosenden Wasserfall, der sich Hunderte von Metern nach unten stürzt. Keine Ahnung, ob wir da im Verlaufe des Tages näher dran kommen.  Seniorengerecht führt eine Brücke über den nächsten Fluss. Am Lemah Creek wird es dann etwas sportlicher. Wir müssen fjorden. Es gab mal eine Brücke, aber die ist spurlos verschwunden. Nur ein Steinmännchen am anderen Ufer zeigt die Richtung an. Das Wasser reicht an der tiefsten Stelle etwas über die Knie. Die Strömung ist nicht besonders gefährlich, aber reicht. Man muss schon feste Schritte machen und aufpassen, wo man seine Stöcker hinstellt. Mittags um 12.00 Uhr sind Schuhe und Strümpfe wieder nass.

Wir kommen an vier Freiwilligen vorbei,  die sich um den Trail kümmern, d. h. ein bisschen freischneiden und die schlimmsten Baum-Hindernisse durchsägen. Sie entschuldigen sich dafür, dass es noch nicht weit gediehen ist. Es ist eben noch früh in der Hiker-Saison. Entschuldigen müssen die sich nun wirklich nicht. Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Freiwilligen für diese wichtige Arbeit und quatschen eine Weile. Komischerweise dürfen die das schlimmste Stück ab Stehekin nicht bearbeiten. Irgendein politisches Ding, anderer Bezirk, andere Zuständigkeiten.

Beim nächsten Wasser fragt Thomas mich, ob ich Weintrauben möchte. Häh ? Wieso wachsen die hier ? 😉 Ganz einfach …. Da hat wohl Jemand seine Weintrauben an dieser Wasserstelle gewaschen. Jeder bekommt eine. Sooo lecker. Davon hätte ich jetzt gerne ein ganzes Pfund.

Pause am Delate Creek. Dort treffen wir „Salty“.  Er ist bereits zum vierten Mal auf dem PCT und erzählt uns, dass die Glacier Wilderness noch nie so schlimm war. Das sind genau die 5 Tage auf der letzten Etappe zwischen Stehekin und Stevens Pass. Dort wo das Unkraut über unsere Köpfe wuchs und alle paar Hundert Meter ein paar Bäume zu überklettern waren. Also wir waren mittendrin und dabei. 😉 Salty hat selbstverständlich die Triple Crown, auf die wir gerade hin arbeiten. Und er ist bis jetzt insgesamt 20000 Meilen auf  dem AT, PCT und CDT gelaufen. Das sind 32000 Kilometer. Ich habe es bisher auf 12500 gebracht, das sind 20000 Kilometer Long-Trail. Etwas später kommt auch seine Frau mit Trailnamen „Light“. Sie ist letztes Jahr den Appalachian Trail gelaufen, und die Beiden haben auf dem AT geheiratet.

Ein kleines Stück höher stehen wir plötzlich an einem Wasserfall. Netterweise gibt es eine Brücke und keine eiskalte Volldusche. Von da an geht’s nur noch bergauf. Bis zu einer Quelle, wo wir kochen wollen, brauchen wir viel länger als erwartet. Die letzte Stunde bis dahin ist ziemlich quälend und will einfach nicht enden. Schönes Wasser, aber leider kein Platz zum Bleiben. Zu viele Moskitos. Vor uns liegt ein Geröllfeld, vielleicht ist es dort besser ? In der Mitte der Felsen machen wir den Test. Aber nein, es ist nicht zum Aushalten. Wir flüchten schleunigst und tragen 3 Liter Wasser weiter. Laut schallen die Pfiffe der Murmeltiere, die sich damit gegenseitig warnen. Menschen-Alarm ! Ein unbekanntes Felltierchen lugt mit schwarzen Knopfaugen unter dem Geröll hervor. Zwischen den Felsbrocken tummeln sich Groundhogs, Picas und Streifenhörnchen. Ein bunt geschecktes Murmeltier ist besonders zutraulich. Es sitzt ganz entspannt auf einem Felsen und lässt uns bis auf einen Meter herankommen.

Wir möchten immer noch kochen, brauchen dringend eine Pause. Voraus liegt ein winziges Stück Waldweg, gerade breit genug zum Sitzen. Das soll unser Pausenplatz werden. Der Deckel vom JetBoil verabschiedet sich, als ich das Kochgeschirr auspacke. Er fällt nicht nur flach eine Etage tiefer, sondern landet genau auf dem Rand und rollt wie ein Rad den steilen Abhang hinunter. Der ist weg, da können wir nur noch hinterher gucken. Die Luft schwirrt von Insekten. Völlig unentspannt. Wir stärken uns mit einer Schüssel Haferflocken-Pampe und hasten weiter.

Mittlerweile 19.00 Uhr und kein Ende in Sicht. Ein weiteres Geröllfeld, zwischendurch noch ein kleiner Erdrutsch. Dann der nächste Hang, wieder nur Felsbrocken und Geröll. Einige Serpentinen weiter um die Kurve bietet sich dasselbe Bild. Steinige Angelegenheit. Was für eine blöde Nummer, wo wir doch eigentlich längst genug haben und Feierabend machen wollen. Es gibt keinen Quadratmeter Stellfläche, nur die schmale Spur waagerecht durch’s Geröll. Jammern nützt nichts. Wir müssen weiter. Insgesamt 7 Traversen an steilen Abhängen, mehr als 6 Kilometer, bis wir endlich gemäßigtes Gelände erreichen. Kurz vor Sonnenuntergang, gerade mit dem letzten Tageslicht, steht unser Zelt. Der angrenzende Teich ist voll mit schwarzen Punkten, die sich blitzschnell bewegen. Kleine Kaulquappen oder Mückenlarven ? Egal. Ich versuche, möglichst wenig von diesen schwarzen Dingern in die Flasche zu bekommen. Das Wasser wird sowieso gefiltert. Wir sind viel weiter gekommen als wir wollten ( nicht ganz freiwillig ). 13 Stunden unterwegs und 30 Kilometer geschafft. Morgen geht es raus nach Snoqualmie. 

Es sind nur noch 17 Kilometer bis zum Snowqualmie Pass. Ein Skigebiet – zur Zeit ohne Schnee. Die Sonne knallt bereits um 8.00 Uhr. Unsere Beine sind noch schwer von gestern. Und wir steigen schon wieder auf. Unfassbar, wie anstrengend dieser PCT in Nord-Washington ist ! Zur linken Seite sehen wir eine Reihe von schroffen Gipfeln. Hoffentlich müssen wir da nicht drüber. Vor uns liegt der mit 4392  höchste Berg der Kaskaden. Den weißen Kegel vom Mount Rainier hatten wir bereits vor einer Woche im Visier, allerdings nur im Hintergrund. Davor lagen einige Bergketten, über die wir inzwischen Schritt für Schritt gewandert sind. Immer noch gibt es felsige Abschnitte mit Geröll am steilen Hang, aber zum Glück nicht mehr so ewig lange Strecken wie gestern. Wasser nehmen wir aus einem der vielen Seen. Da ist wieder sehr viel Leben drin.

Vor einem besonders schmalen Grat hängt ein lustiges Schild am Baum : „Reiter bitte absteigen !“ Tatsächlich war der PCT früher ein Handelsweg, der mit Maultieren und Packpferden begangen wurde. Bis heute haben wir noch kein Pferd auf dem Trail gesehen. Dafür aber Spuren vom Elk ( Wapiti-Hirsch ), diese Abdrücke sind deutlich größer als die von Rehen.

Wir hören den Verkehrslärm schon Stunden, bevor wir in die Nähe der Straße kommen. Es wird immer lauter, je tiefer wie absteigen. Inzwischen sind wir in den Radius der Tageswanderer geraten. Mehr und mehr Menschen mit leichtem Gepäck kommen uns entgegen. Wir verbringen ein paar Stunden in Snoqualmie, einer kleinen Siedlung mit etwa 300 Einwohnern. Das Doppelzimmer im Hotel kostet 135,-  Dollar, und das ist bereits mit großzügigem Hiker-Discount. Nichts für uns, da gehen wir lieber nachher zurück auf den Trail. Roger, den Schweizer, treffen wir im Schatten vor der Tankstelle. In Stehekin haben wir ihn kennengelernt, nun sind wir am selben Ort. Das wärmstens empfohlene Restaurant hat ab 14.00 Uhr geschlossen, deswegen gibt es Pizza im Deli. Dort sitzt „Punisher“, den wir 2022 auf dem Florida Trail kennengelernt hatten. Auch ein ganz krasser Typ ! Punisher hat sich vorgenommen, den AT, PCT und CDT in 365 Tagen zu laufen. Das nennt sich „Calendar Triple Crown“. Er rennt jeden Tag 40 Meilen plus, das sind 65 Kilometer und mehr. Pro Tag, ein ganzes Jahr lang. Wir wussten, dass er auf dem PCT von Süden nach Norden unterwegs ist. Hätten nie ernsthaft erwartet, dass wir ineinander laufen, aber wie es der Zufall so will. Große Wiedersehensfreude. 🙂

Im Hotel sind zwei Tische aufgebaut, an denen sich alle Wanderer ( auch die sich kein Zimmer leisten wollen ) mit Lebensmitteln und sonstigen Dingen versorgen können. Lauter Sachen, die man unterwegs gebrauchen kann. Alles umsonst. Wir haben eigentlich gerade zu viel Proviant im Beutel und tragen zu schwer. Deswegen nehmen wir nur vier Tüten hochwertiges Fertigessen mit, was wir uns aufgrund des Preises nie kaufen würden. Wert mindestens 50,- Dollar. Außerdem noch ein bisschen Kleinkram wie Nüsse, Trockenfrüchte und Pflaster. In Snoqualmie haben wir also den Hotel-Aufenthalt gespart, nette Leute getroffen, lecker Pizza gegessen und fast kein Geld für die nächste Etappe ausgegeben. Dusche und Waschmaschine gibt’s leider nicht, aber man kann nicht alles haben.

Die Sonne brennt gnadenlos den ganzen Tag. Wir versuchen sie zu vermeiden. Volle vier Stunden sitzen wir in und an der Tankstelle, essen, trinken, quatschen. Erst nach 19.00 Uhr machen wir uns auf den Weg zurück auf den Trail. Wir haben Glück, denn wir müssen nur eine knappe Stunde laufen, bis wir einen richtig schönen Zeltplatz auf Waldboden und Sägespänen finden. Auf dem Weg dahin haben wir sogar noch Wasser für den Kaffee organisiert. Zwar keine Nacht im Hotelbett, aber alles ist super. Die nächsten 6-7 Tage werden wir wieder ohne Internet unterwegs sein.

7 Kommentare zu “Seen-Landschaft von Stevens Pass bis Snoqualmie Pass

  1. Rainer

    Wahnsinn Leute Da lobe ich mir doch meine gemuetliche Koje auf dem meerbaer. Der ins demnaechst ueber den Indic schaukelt. Gutes Gelingen weiterhin. LG von den meerbaeren

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Glaube ich gerne, lieber Rainer.
      Mir wird beim Gedanken an Schaukeln auf dem Boot schon seekrank.
      Euch auch gutes Gelingen, fair winds und lieben Gruß an Anne !

  2. Ebhardt, Ingrid

    Liebe Frauke, lieber Thomas,
    es ist so schön, wieder von euch zu lesen. Danke!
    Facebook wird mich bald löschen, denn ich bin nicht bereit, ein Video von mir anzufertigen.
    Leider verliere ich dadurch auch langjährige Internet – Freunde. Ich kann mich noch nicht einmal von meinen Facebook – Freunden verabschiede, da ich Facebook nicht mehr aufrufen kann.
    Euch kann ich zum Glück hier lesen!
    Euch wünsche ich auf eurer anstrengenden Tour viel Glück und alles Gute!
    Herzliche Grüße von eurer Ingrid

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Liebe Ingrid,
      wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt.
      Danke für deine Begleitung und netten Worte.

      Herzliche Grüße von Frauke und Thomas

  3. Ebhardt, Ingrid

    Liebe Frauke,
    ich habe mich mich nochmals mit deinem Bericht beschäftigt,
    Diesmal frage ich mich, wie du es schaffst, so lange Beiträge nach anstrengenden Tagen zu schreiben. Eine super Leistung!!!
    Ich freue mich auf weitere Bilder und Beiträge.
    Liebe Grüße von Ingrid

    1. 871385 Autor des Beitrags

      Thomas ist viel langsamer als ich.
      Meistens laufe ich voraus und warte auf ihn. Dann tippe ich Notizen in mein Handy und mache den Rest, wenn wir ein Hotel mit gutem Internet haben. Deswegen kommen die Berichte auch unregelmäßig alle 10 – 14 Tage.

  4. Ebhardt, Ingrid

    Liebe Frauke,
    heute ist es mir nicht möglich, deinen tollen Bericht mit den schönen Fotos zu kommentieren.“Seite nicht gefunden“..
    Die liebe Technik!
    Ich freue mich über eure tollen Erlebnisse, den herrlichen Blick auf die Berge, das erfrischende Bad im See, die netten Bekanntschaften, Ameisenhaufen bewundere ich….
    Danke!!!
    Dir und Thomas alles Gute! Ingrid