Wir segeln und wandern durch die Welt

Sonora Pass bis Mammoth Lakes

Es gibt ein Sprichwort im flachen Ostfriesland : Man kann heute schon sehen, wer übermorgen zu Besuch kommt. 😉 Genauso beginnt unsere neue Etappe ab dem Sonora Pass. Eine Bergkette hinter der anderen, so weit das Auge reicht. Hier in dieser Höhe wächst nichts mehr, oder fast nichts. Weiße und rosa Blümchen trotzen der Kälte und wachsen ohne Erde im Geröll. Der Weg windet sich scheinbar endlos an den Hängen entlang. Ein scharfer Wind weht hier oben und animiert zum Schnell-Laufen. Sehr kurze Pause auf 3500 Metern. Es ist viel besser, wenn man in Bewegung bleibt.

Endlich geht es abwärts, die Temperatur wird erträglicher. Wir wandern durch die Hoover Wilderness. Schon am Eingang zum Trail hing ein Schild mit dem Hinweis, dass die Brücke über den Walker River kaputt und gesperrt ist. Man soll diese nicht mehr benutzen, sondern sich einen anderen Weg zum Überqueren suchen. Quatsch. Wir laufen vorsichtig drüber, und nichts passiert. Zeltplatz mit Wasser gleich daneben. Perfekt. Bin 7 Stunden mit meinen neuen Schuhe gelaufen, fühlt sich gut an. Früher Feierabend um 19.00 Uhr, aber viel länger geht auch nicht, weil es abends jetzt empfindlich kühl wird.

Der Himmel ist stark bewölkt, der Wetterbericht für die nächsten zwei Tage verheißt kühle Temperaturen und eventuell Regen. Zwei Stunden nach unserem Start erreichen wir die 1000-Meilen-Marke. Das gilt für die NoBos, bedeutet also für uns, dass wir dieses Jahr noch genau 1000 Meilen vor uns haben, etwa 10 Wochen für 1600 Kilometer.

Wir betreten den Yosemite Nationalpark durch den wenig frequentierten Osteingang. Jährlich zieht der Yosemite Nationalpark vier Millionen Besucher an. Hier steht auch kein Kassenhäuschen, sondern nur ein Schild mit den Regeln. Die PCT Hiker werden wohl ganz bewusst abseits der Touristenmassen geführt. Der Park erstreckt sich über 3080 Quadratkilometer entlang der westlichen Hänge der Sierra Nevada. Uns begrüßt der Yosemite mit einem Hagelschauer. Ich frage mich, ob der Niederschlag in dieser Höhe und im Herbst wohl immer als Hagel oder Schnee fällt ? Wir werden es erleben.

In der Frühstückspause ist es nicht besonders gemütlich. Zum Aufwärmen kochen wir heißen Kakao. Unterwegs treffen wir auf eine Crew von Freiwilligen, die dafür sorgen, dass der Weg begehbar bleibt. Schön bequem ist das im Nationalpark. Ein bisschen Nieselregen während des Laufens, dann wieder Sonne-Wolken-Mix. Noch 75 Kilometer bis zum Yosemite Valley, was auch immer das bedeuten mag. Hoffentlich sehen wir endlich mal ein paar große Tiere. Es gibt erstaunlich wenig Wild auf dem PCT im Vergleich zum AT und CDT. Am Nachmittag noch einmal Regen, der in Hagel übergeht. Regenjacke an, Regenjacke aus, und wieder an. Ganz schön lästig.

Vor uns liegt der Falls Creek, den wir überqueren müssen. Bin froh, dass genügend Steine im Wasser liegen, um einigermaßen trocken auf die andere Seite zu hüpfen. Der Tag ist durchwachsen. Es bleibt grau mit ein paar wenigen Lücken. Ausgerechnet zum Abend hin wird die Wasser-Situation ungünstig. Wir müssen uns entscheiden zwischen 1,5 Kilometern oder aber 7 Kilometern bis zum nächsten sicheren Wasser mit Zeltplatz. Die erste Entfernung ist uns eigentlich zu kurz, denn die Uhr zeigt erst Viertel nach 5. Die nächste Möglichkeit wäre uns lieber, ist aber wahrscheinlich nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen, da noch 200 Höhenmeter Aufstieg drin stecken. Dazu kommt, dass mir den ganzen Tag schon kalt ist, und das wird sicher nicht besser, wenn wir erst nach 19.00 Uhr das Lager aufbauen und essen können. Wir nehmen also die erste Option, schlechtes Wasser aus dem See und frühen Feierabend.

Ein schöner gerader Zeltplatz ist die halbe Miete. Unfassbar ruhig war es in der Nacht. 10 Stunden Tiefschlaf. Um Viertel vor 6 beginnt für uns der neue Tag. Bald nach dem Start kommt uns ein junger Mann mit schwerem Gerät entgegen. Spitzhacke, Spaten und Schaufel auf der Schulter, gut gelaunt und arbeitswütig.Es riecht leicht nach Rauch. Der Himmel ist dunstig. Von einem Aussichtspunkt aus verschaffen wir uns einen Überblick : Dicke Luft im Süden, dicke Luft im Norden, im Westen kann man blauen Himmel erkennen. Bei uns in der Höhe ist die Luft relativ klar. Wir treffen mehrere Kolonnen von Freiwilligen, die Steine auf dem Trail zerkleinern und Stufen legen. Etwas später laufen wir am Arbeiter-Camp vorbei. Zwei Rehe spazieren über den Platz. Die sind ganz zutraulich und anscheinend an die Menschen gewöhnt. Etwa später sieht Thomas einen Marder ( oder Wiesel ?). Am Berghang links toben zwei Picas durch’s Geröll. Es gibt also doch Tiere hier. 😉

Im Stubblefield Canyon verläuft der Trail über einen Fluss. Der ist nicht tief, aber breit. Es gibt in der Nähe keine Stelle, um trocken zu fjorden. Thomas läuft einfach durch. Ich mache es etwas umständlich, ziehe Schuhe und Strümpfe aus, um barfuß ans andere Ufer zu waten. Das Wasser ist eiskalt. Ich habe keine Lust, den Rest des Tages in nassen Schuhen zu laufen. Meine Aktion kostet ein paar Minuten Zeit. Aber schnelles Vorwärtskommen gibt es sowieso nicht. Wir haben satten Aufstieg vor uns. Kletterei über Felsen und steil nach oben, das dauert seine Zeit. Wie gut, dass wir schon früh unterwegs sind. Noch einmal versperrt uns ein kleiner Fluss den Weg. Auf Steinen und Ästen kommt man trocken über den Kerrick Creek. Dann steigen wir auf und auf und auf.

Zur Mittagspause finden wir einen superschönen Platz auf 3000 Meter Höhe. Wiese unter’m Popo, Felsen im Rücken zum Anlehnen und Blick auf die imposanten Granitwände gegenüber.

Nach der Pause ist irgendetwas nicht mehr gut beim Laufen. Die neuen Schuhe drücken mit jedem Meter mehr. Ich bin wieder auf halbhohe Keen umgestiegen, und die schmerzen jetzt am Knöchel. Komischerweise erst am dritten Tag, bisher war ich glücklich damit. Die rechte Seite wird immer empfindlicher, am linken Fuß fängt es auch schon an zu schmerzen. Es wird immer schlimmer, so dass ich zum Ende unserer 2-Stunden-Etappe nur noch humpeln kann. Thomas verarztet mir beide Knöchel, indem er sie mit einer doppelten Lage Moleskin abpolstert und mit einer elastischen Binde fixiert. Mal gucken, ob das bei Bewegung hält. Auf jeden Fall bringt es etwas Erleichterung. Geradeaus und bergauf ist okay, nur bergab tut höllisch weh. Es geht fast nur aufwärts – 1400 Höhenmeter heute. Eine Viertelstunde vor unserem Ziel erwischt uns ein Hagelschauer. Das muss ja nun nicht mehr sein ! Auf dem letzten Kilometer nass werden ist ziemlich doof. Beide schmeißen wir uns das Regenzeug über. Weit ist es sowieso nicht mehr. Ich hole Wasser am Bach, Thomas baut schnell das Zelt auf, der Rest findet im Trockenen statt. Wir sind sehr früh aufgestanden und sind nur 24 Kilometer weiter.

Am nächsten Morgen ist der Himmel noch grau, der Wald und das Zelt sehr nass. Thomas polstert mir die Knöchel neu. Zwei Lagen Moleskin, Hansaplast drüber, zwei Paar dicke Socken. Trotzdem habe ich bei jedem Schritt starke Schmerzen. Zeit für eine Ibuprofen – die erste Schmerztablette auf diesem Trail. Dauert eine Stunde, bis sie wirkt. Danach geht es etwas besser, allerdings kann ich abwärts nach wie vor nur langsam humpeln.

Wir haben 500 Höhenmeter Aufstieg in 3 Kilometern bis zum Smedberg Lake. Dafür brauchen wir glatte 2 Stunden. Wir steigen über glatte Gesteinsplatten und Stufen aus Felsbrocken immer höher. Gegen 10.00 Uhr zeigen sich ein paar blaue Flecken am Himmel. Die Sonne scheint zwischendurch. Einige dicke Granitblöcke sind der geeignete Platz, um unsere Sachen und das Zelt zu trocknen. Eigentlich viel zu früh für die Pause. Wir haben noch nicht viel geschafft. Hunger haben wir aber auch, weil gestern am Nachmittag bereits die warme Mahlzeit gekocht und abends nichts mehr gegessen.

Schweißtreibender Anstieg zum Benson Pass, schon wieder 3400 Meter hoch. Das Ende ist so steil und geröllig, dass man das Gefühl hat, zwei Schritte vor und einen zurück zu machen. Wir sind froh, dass wir den Pass ohne Wind und mit ein bisschen Sonne haben. Auf der anderen Seite geht es sofort wieder hinunter. Abwärts tut mir gar nicht gut, die Schuhe scheuern an beiden Seiten.

Am Nachmittag packen sich dunkle Wolken am Himmel zusammen. Nächste Pause am Wilson Creek, solange es noch nicht regnet. Das Wasser ist inzwischen zu kalt zum Trinken. Wir kochen Tee. Lange folgen wir dem Flusslauf des Wilson Creek, der Trail läuft immer schön parallel. Dann liegt der Miller Lake vor uns, ein besonders schöner Bergsee. Kurzer Stopp am Ufer. Angeblich soll man hier gut schwimmen können, aber uns ist nicht danach zumute.

Der nächste Aufstieg findet im Nieselregen statt. Es will gar nicht mehr aufhören, der Himmel bleibt grau in grau. Wir machen mehrere Überquerungen von Strömen, die vor dem Regen trocken waren. Der heftige Niederschlag der vergangenen Nacht hat dazu geführt, dass alle Bäche prall gefüllt sind. Überall rauscht und plätschert es munter. Wir müssen kein Wasser tragen, das ist gut. Keine Pause mehr. Man kann nur laufen, um anzukommen. Auf dem Pfad sind die Spuren von Bärenkrallen zu erkennen. Hier müssen Unmengen von Regen heruntergekommen sein, so aufgeweicht wie der Weg ist. Da haben wir noch richtig Glück gehabt, denn wir sind vom Nieselregen gar nicht richtig nass geworden. Die letzte halbe Stunde ist es trocken. Lange genug, um das Zelt aufzubauen und draußen zu kochen. Gleich nach dem Essen ( 19.30 Uhr ) ist es vorbei mit Tageslicht. 25 Kilometer in diesem Gelände, mehr geht nicht. 1300 Höhenmeter auf und ab.

6.00 Uhr Wecker. Aufstehen und Packen macht keinen Spaß. Es ist kalt. Wir laufen in voller Montur los, inklusive Jacke, Mütze und Handschuhen. Raureif liegt auf den Wiesen, weiße Eiskristalle auf den niedrigen Kräutern. Dichter Nebel über der Landschaft. Diesmal ist es aber kein Rauch, sondern der Morgendunst, der in die Luft steigt. Trotz Ibuprofen kann ich fast nicht auftreten. Ich habe starke Schmerzen. Inzwischen sind wir drauf gekommen, dass der Schuh zwar an den Außenseiten der Füße scheuert, aber die Sehne hinter dem Knöchel das eigentliche Problem ist. Thomas entfernt das Tape und bindet meine Schuhe mit seiner Müller-Spezial-Schnürung. Danach geht es besser.

Wir entdecken Kratzspuren eines ausgewachsenen Bären an einem Baum. Okay – es gibt sie hier, der Bär-Kanister ist nicht völlig unsinnig. Ein Hirsch mit rötlichem Geweih steht am Wegesrand. Völlig entspannt dreht er sich um und läuft eine Weile vor uns auf dem Trail, bevor er zwischen die Büsche verschwindet. Wenig später galoppiert ein Fuchs über’s Feld. Wir machen kurze Pause auf sonnigen Felsen mit Weitblick. Ein weiterer Fuchs schnürt zwischen den Bäumen hindurch. Wir können ihn eine Weile beobachten, leider zu weit weg für ein gutes Foto. Ein Reh kommt nahe zu uns heran, ein anderes Reh springt durch den Bach auf die andere Seite. Das ist das Gute am Nationalpark mit seinen strengen Regeln und Restriktionen : Die Tiere werden hier geschützt und nicht abgeballert.

Mehrere Brücken führen über und zu den White Cascades, dem zweitgrößten Wasserfall am Tuolumne River. Tatsächlich sprudelt das Wasser in weißen Kaskaden in die Tiefe. Es gibt tolle Zeltplätze ringsherum, die aber leider für PCT Hiker tabu sind. Die nächste Attraktion sind die Tuolumne Falls, die mit lautem Getöse 15 Meter nach unten donnern. Hier treffen wir „Chilly“. Er ist Amerikaner, wohnt schon seit 10 Jahren in Hannover. Chilly arbeitet als Zugschaffner bei der Deutschen Bahn. Er hat sich 3 Monate Urlaub gespart, um 900 Kilometer auf dem PCT zu wandern. Einige Jahre vorher hat er bereits einen Abschnitt von 1100 Kilometern gemacht. Auch das ist eine gute Idee, so einen Long-Trail in mehreren Jahren zu laufen, während man noch berufstätig ist. Netter Kerl.

Nach wie vor können wir nicht genug bekommen von dieser beeindruckenden Landschaft, bleiben ständig stehen, staunen und fotografieren. Gegen Mittag schmerzen meine Knöchel wieder sehr. Wir sind schon 6 Stunden unterwegs und hatten nur eine Viertelstunde Pause, ohne die Schuhe auszuziehen. Eine weitere Ibuprofen einnehmen ? Haben gerade kein Wasser, um eine Tablette zu schlucken. Wir sind inzwischen so weit ins Touristenzentrum des Yosemite vorgedrungen, dass der Weg breit und gepflegt ist. Mir kommt die Idee, die Wanderschuhe auszuziehen, um Knöchel und Sehnen zu entlasten. In diesem einfachen Gelände ist es durchaus möglich, eine Weile mit Crocs zu laufen. Sofort nach dem Schuh-Tausch bin ich schmerzfrei und kann wieder rennen. Es sind also tatsächlich die neuen Schuhe, die mir Probleme bereiten.

Soda Springs soll eine geologische Besonderheit sein, super gesund und verjüngend. Tatsächlich kommt das Wasser an mehreren Stellen aus dem Boden gesprudelt. Das Besondere : Es ist kalt und enthält tatsächlich Kohlensäure. Wir trinken jeder eine Tasse von diesem angeblichen „Jungbrunnen“. Die Falten sind immer noch da. 😉 So richtig lecker schmeckt es nicht, da ist uns eine kalte Limo lieber. Erst später lesen wir in den Kommentaren, dass man das Wasser besser nicht trinken sollte, weil jeder seine Hände hineinhält. Stimmt wahrscheinlich, aber an so etwas denken wir nicht, dafür sind wir zu naiv.

Gegen 15.00 Uhr erreichen wir Tuolumne Meadows, den größten Campingplatz im Yosemite Nationalpark. Ein kleiner Laden bietet Souvenirs und ein bescheidenes Sortiment an Lebensmitteln an. Wir müssen nur Snacks für zwei Tage kaufen. Einen Apfel und zwei Bananen nehmen wir auch mit, ohne nach dem Preis zu fragen. Frische Sachen sind so selten auf dem Trail, die muss man einfach haben. Am Imbiss gibt es Hamburger und Kartoffelspalten, zwei Cola dazu, zum Nachtisch ein Eis. Im Laden dürfen wir Handy und Powerbank an die Steckdose hängen. Auch unseren gesammelten Müll der letzten 5 Tage werden wir los. Draußen stehen Picknick-Tische. An einem davon sitzt Chilly. Internet gibt es hier nicht, das muss dann noch ein paar Tage warten. In dieser Gegend darf man nicht zelten, es gilt eine Bannmeile für PCT Hiker. Deswegen müssen wir noch 10 weitere Kilometer laufen, bis wir aus dem Sperrgebiet heraus sind.

Beim Verlassen von Tuolumne Meadows sehen wir gleich 6 Rehe auf einmal, vier erwachsene Tiere mit zwei Kitzen. Ab hier verläuft der PCT mehrere Kilometer auf der gleichen Spur wie der John Muir Trail. Nach 2,5 Stunden dürfen wir wieder frei zelten, finden bald einen schönen Platz im Wald. Ich gehe noch einmal hinunter zum Fluss, um Wasser zu holen. Früher Feierabend. Das Gelände war einfach. Unsere Kaffeetassen werden quer in meine Schuhe gesteckt, um den Schaft zu weiten. Wir haben 30 Kilometer geschafft, die Hälfte davon bin ich in Crocs gelaufen.

Ich nehme eine Ibuprofen zum Kaffee. Heute und morgen muss ich noch die volle Distanz laufen, danach zwei Tage gar nicht mehr. Hoffe darauf, dass die Reizung in der Ruhephase abklingt. Wie sagte unser Wander-Kollege Stef auf dem Te Araroa : „Alles ist ein Experiment.“

Der PCT und der John Muir Trail verlaufen parallel zum Ufer des Tuolumne River. Wasser ist also ausreichend und jederzeit verfügbar. Die aufgehende Sonne spiegelt sich auf dem Fluss. Wiesen und niedriges Kraut sind weiß. Vor uns tauchen hohe Gipfel mit Schnee auf. Wir sind eine Stunde später dran als gestern, der Morgendunst ist schon höher gestiegen.

Für uns geht es auch bergauf. Auf den nächsten 10 Kilometern liegen 800 Höhenmeter Aufstieg vor uns. Ist mir eigentlich gerade viel lieber, weil die Schmerzen abwärts schlimmer sind. Eine schmale Spur führt nach oben. Gelegentlich erleichtern Steinstufen den steilen Weg. Meistens suchen wir uns selber den Knie-schonendsten Weg beim Klettern über die Felsen.

Der Donohue Pass liegt auf 3373 Meter Höhe. Blauer Himmel, Sonnenschein und kein Wind. Bessere Bedingungen kann man sich nicht wünschen. Hier gibt es sogar Handy-Empfang – zum ersten Mal seit Tagen. Das ist nicht immer nur gut, manchmal überschatten die Nachrichten das grandiose Naturerlebnis.

Am Nachmittag überqueren wir den Island Pass, benannt nach dem nahe gelegenen Thousand Island Lake. Tausend Inseln sind es nicht, aber es sind wirklich viele grüne Inselchen im See verteilt. Wir haben wieder Glück mit dem Wetter. Mit Wind und Regen könnte es ziemlich hässlich sein auf den hohen Pässen.

Inzwischen sind wir raus aus dem Yosemite Nationalpark. Den Rest des Tages wandern wir durch die Anselm Adams Wilderness. Viele Leute sind unterwegs, meistens in Gruppen und wahrscheinlich auf dem John Muir Trail. Ein Berg nach dem anderen, Geröllhänge ohne Ende. Dann geht es abwärts und immer tiefer hinunter. Gefällt mir gar nicht, die Schmerzen werden wieder sehr unangenehm. 1000 Höhenmeter Aufstieg und 700 Abstieg. Da weiß man abends, was man getan hat. Ständig überqueren wir große und kleine Wasserläufe. Darin sind Fische, Frösche und sogar eine Schlange. Meistens kommt man auf Steinen trocken hinüber, gelegentlich balancieren wir auch über Baumstämme. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir eine Weggabelung, wo sich der John Muir Trail und der PCT trennen. Wir sind jetzt wieder ganz alleine.

Alles ist nass. Unser Platz auf grüner Wiese neben einem Bach ließ das gestern schon erahnen. In der Pause stellen wir das Zelt auf einem Felsabsatz zum Trocknen auf. Von hier aus haben wir einen tollen Blick auf die verschneite Bergkette gegenüber. In der Mitte zwischen den Gipfeln blitzt ein blauer See. Es gibt Bohnen zum Frühstück. Die kleinen Pausensnacks sind weg, Haferflocken und Granola haben wir auch nicht mehr. Der Bär-Kanister ist so gut wie leer. Und wir haben Hunger.

Auf der nächsten Etappe kommt uns ein deutsches Mädchen entgegen. „Messenger“ ist am Bodensee zu Hause und läuft mal hier und mal da ein Stück vom PCT. Zur Zeit ist sie NoBo unterwegs und weiß genau Bescheid über die Strecke, die vor uns liegt. Zuerst einmal hören wir die schlechte Nachricht, dass Red’s Meadows Resort ab heute geschlossen ist. Saison-Ende. Da ist nichts mehr los. Ein paar Leute sollen noch zum Putzen und Aufräumen dort sein. Der Bus nach Mammoth Lakes ist gestern zum letzten Mal gefahren. Das Vermilion Valley Resort hat ebenfalls wegen der Rauch-Entwicklung durch das große Garnet Feuer den Betrieb eingestellt. Dabei hatten wir den Laden dieses Resorts zum Einkaufen für eine 7-Tage-Etappe von 190 Kilometern vorgesehen. Da wird es nichts mehr zu kaufen geben. Das haut unsere Pläne natürlich völlig durcheinander.

Am frühen Nachmittag stehen wir an einer Weggabelung. Die Original-Route verläuft auf der anderen Seite vom Fluss. Die Brücke hinüber ist total zerstört. Da werden wohl die meisten PCT Hiker die alternative Strecke zum Red’s Meadows Resort nehmen. Diese Umleitung ist sehr gut gekennzeichnet, aber alles andere als schön. Wir kommen an vier geschlossenen Campingplätzen vorbei. Alles etwas trostlos. Anscheinend ist die Saison hier schon zu Ende. Stark gelichteter Wald, viel Totholz aufgestapelt am Rande, es sieht nach Forstarbeiten aus. Ein Stück weit laufen wir auf einer kaputten Straße, in der Hoffnung, dass hier vielleicht doch ein Auto fährt. Aber nein. Ein kobaltblauer Vogel fällt auf in dieser etwas tristen Landschaft. Eigentlich hatten wir für heute mit frühem Feierabend gegen 16.00 Uhr, lecker Essen und Trinken im Restaurant und anschließend Bus nach Mammoth Lakes gerechnet. Aber das wird wohl nichts. Die Leute, die wir noch im Resort antreffen, bleiben ein paar Tage zum Arbeiten. Keiner fährt heute noch weg. Ein junges Paar sitzt an einem der Picknick-Tische und packt Lebensmittel aus. Die haben sich ein Paket mit Proviant hierher geschickt. Nun haben sie viel zu viel, ihre Rucksäcke sind prall gefüllt. Wir unterhalten uns eine Weile und erfahren, dass die Beiden über den Mammoth Pass Trail gekommen sind, um gleich auf den PCT zu gehen. Ja, das ist der einzige Weg. Uns bleibt wohl auch nichts anderes übrig, wenn wir zum Einkaufen in die Stadt wollen. Zum Abschied bekommen wir eine Menge guter Lebensmittel geschenkt. Die nehmen wir natürlich sehr gerne. Wir sind ziemlich blank und wissen noch nicht, wann wir zum Einkaufen kommen.

Leider kein früher Feierabend. Wir müssen mal eben noch über einen weiteren Berg. Der Mammoth Pass Trail ist ungefähr 6 Kilometer lang und führt zum Horseshoe Lake. Dort soll es einen regelmäßigen Busverkehr ab 9.00 Uhr morgens geben. Der Trail geht 1,5 Stunden stramm bergauf – als ob wir davon nicht schon genug hatten in der letzten Woche. Dann die nächste halbe Stunde lang steil bergab bis zum See. Beim nächsten Mal, also wenn wir von Mammoth zurück auf den Trail wollen, ist das Verhältnis umgekehrt. Der Rückweg zum PCT sind zwar zusätzliche Kilometer, aber wird dann überwiegend einfach sein.

Niemand mehr unterwegs, wir treffen nur einen Mann mit seinem Hund. Ein sehr schöner schwarzer Schäferhund, der das letzte Stück des Weges um uns herum springt.
Der Horseshoe Lake hat wirklich die Form eines Hufeisens. Und tatsächlich gibt es dort eine Bushaltestelle mit Fahrplan. Heute fährt nichts mehr, das war eigentlich klar. Es ist mittlerweile 18.30 Uhr. Zelten in der Nähe ? Während wir noch überlegen, was zu tun ist, bietet der Hundebesitzer an, uns mit in die Stadt zu nehmen. Natürlich sehr gerne, dann kommen wir heute schon nach Mammoth Lakes. Aber wo sollen wir dann hin ? Wir möchten nicht abends so spät in einem Hotel einchecken. Der sehr einfache Campingplatz ohne Dusche kostet laut Informationen in unserer App 32,- Dollar. Ganz schön teuer, wenn man sonst überall kostenlos zelten kann. Aber okay, irgendwo müssen wir ja schlafen. Wir laufen zum Shady Campground, suchen den Platzwart oder einen Kasten zur Selbst-Registrierung, in den man das Geld einwerfen kann. Finden weder das eine noch das andere und bauen unser Zelt im Dunkeln auf. Ein Rundgang mit Taschenlampe zu den Sanitärhäuschen, aber die sind beide abgeschlossen. Auf dem Rückweg entdecken wir eine Kette als Absperrung und das Schild „Campground closed“. Wir bleiben natürlich trotzdem. 😉

Mammoth Lakes ist eine richtige Stadt mit 7200 Einwohnern. Ein beliebter Wintersportort, der nahezu ausschließlich vom Tourismus lebt. Wir gönnen uns ein besseres Hotel, da wir eine sehr anstrengende Woche hatten. Das Empeira High Sierra ist eine Empfehlung des Paares von gestern. Etwas teurer als die üblichen Hiker Motels, aber absolut sein Geld wert. Schönes Zimmer, WLAN funktioniert, Waschmaschine und Trockner auf dem Flur. Den Fitnessraum brauchen wir nicht, das ist uns zu anstrengend. 😉 Aber es gibt ein Schwimmbad und einen Whirlpool, den wir gerne zum Entspannen für die müden Glieder nutzen. Toll – wir genießen diesen Luxus sehr. 🙂

Mammoth Lakes hat etliche Restaurants und zwei gute Lebensmittel-Geschäfte zu bieten. Wir essen und trinken mehr als sonst, weil wir Nachholbedarf haben. Das macht nicht nur satt, sondern auch träge. Einen Nachmittag verbringen wir in der Bücherei, dort kann man kostenlos die modernen Computer nutzen.

Es brennt immer noch im Süden. Das  „Garnet Fire“ ist am 23. August im Sierra National Forest ausgebrochen und inzwischen zu 85 Prozent eingedämmt. Dort sind schon über 600 Quadratkilometer Wald verbrannt. Insgesamt sind in Kalifornien derzeit Dutzende größere und kleinere Brände aktiv. Bisher hat es uns nicht direkt betroffen, keine Sperrungen auf unserer unmittelbaren Strecke. So weit, so gut.

Nach 3 Tagen fühlt es sich an, als wären meine Beschwerden vorbei. Nur so zum Test ziehe ich die Wanderschuhe an, um ein paar Schritte damit im Zimmer zu laufen. Aua ! 🙁 Sofort schmerzen die Knöchel und Sehnen wieder. Ich bin ziemlich ratlos und hilflos. So kann ich nicht auf die nächste Etappe gehen und mich weiter mit Schmerzmitteln vollpumpen. Thomas greift zum Messer und schneidet großzügig die Außenseiten meiner Schuhe ein. Das muss jetzt gehen. So richtig gut fühle ich mich immer noch nicht. Und für morgen ist viel Regen angesagt. Da werden wir wahrscheinlich nass, noch bevor wir zurück auf dem PCT sind. Aber so ein Trail ist eben kein Wunschkonzert.