Wir segeln und wandern durch die Welt

1. Woche El Hierro

Ich beginne die Erkundung von El Hierro mit einem kleinen Tages-Ausflug in der näheren Umgebung. Nur zwei Stunden Fußmarsch weiter unten an der Küste liegt der Charco Azul zwischen den Klippen. Das Natur-Schwimmbecken wirkt bei Sonnenschein sicher schöner. Heute ist der Himmel bedeckt, und der Charco Azul präsentiert sich recht trist. Die auf einem Hügel stehende und weithin sichtbare Kirche zeigt mir den Rückweg nach La Frontera. Viel zu kurz war der Weg – ich brauche mehr Bewegung.

Jeden Morgen bin ich schon zwischen 5.00 Uhr und 5.30 Uhr früh wach. Mein Schlaf-Rhythmus ist völlig durcheinander, mein Wärme-Haushalt auch. In meinem Zimmer ist es kühl, ich sitze mit Daunenjacke und Wolldecke um die Beine gewickelt. Da kann man doch viel besser den Tag nutzen und etwas unternehmen. Ich habe mir vorgenommen, mit dem Bus nach La Restinga zu fahren, dort ein paar Stunden im Dorf zu verbringen und danach die 10 Kilometer zum Strand Cala de Tacorón zu wandern. Soweit der Plan, aber als ich am Bus-Terminal ankomme, da muss ich feststellen, dass ich mich leider gründlich geirrt habe. Der Bus, den ich um 9.30 Uhr nehmen wollte, fährt ab Valverde und nicht ab Frontera. Das würde bedeuten, ich muss zuerst zurück nach Valverde fahren, mit einem anderen Bus bis nach El Pinar, dann dort noch einmal umsteigen und bis La Restinga. Heute ist Sonntag, der sowieso sparsame Fahrplan noch einmal mehr ausgedünnt. Ich studiere an der Tafel mit den Linien und Abfahrtszeiten meine Optionen, finde aber nichts Gescheites. Ich hatte mich auf eine längere Tour eingestellt, im Rucksack habe ich Zelt, Isomatte, Schlafsack, Stöcker, Ninas Lampe und Proviant für 3 Tage. Aufgeben und zurück zur Pension kommt nicht in Frage. Ich überlege mir einen Alternativ-Plan und beginne in Frontera den Camino de Jinama mit einem 6 Kilometer langen knackigen Aufstieg. Dabei wird eine imposante Steilwand durchquert, vorbei an Schluchten, Höhlen und Naturstein-Mauern.

Unterwegs riecht es würzig nach frischen Kräutern, ab und zu duftet es lieblich nach Jasmin. Es geht von Meeresspiegel-Niveau hinauf zum Mirador de Jinama auf 1230 Meter Höhe. Der Aussichtspunkt liegt in Wolken verhüllt, kein Blick auf’s schöne Golfo-Tal unter mir. Nebel, ein scharfer Wind weht, kalt ist es hier oben. Ach ja, auf den Kanaren ist jetzt Winter. 😉 Ein Stück über die Straße, dann finde ich den Einstieg zum GR131. Dieses ist mit 46 Kilometern der längste erfasste Wanderweg auf El Hierro. Er beginnt in Tamaduste im Nord-Osten und endet am Faro de Orchilla im Süd-Westen.

Ich steige am Mirador der Jinama oberhalb von Frontera ein auf den Camino de la Virgen. Dieser „Jungfrauenweg“ ist ein Teilstück des GR131 und durchläuft auf einer Länge von 27 Kilometern die Insel in der Mitte. In amerikanische Maß-Einheit umgewandelt sind das etwas mehr als 17 Meilen – kein Ding. Allerdings habe ich Mühe, dem Trail zu folgen, denn der Camino de la Virgen ist nur sehr sparsam markiert. So schnell wie ich den Weg gefunden habe, so schnell ist die Spur auch schon wieder verschwunden. Irgendwann ist es mir egal. Ich habe keine Lust mehr, so viel Zeit mit Suchen zu verbringen. Es ist doch überall schön hier zwischen alten Kanarischen Kiefern und Wacholder. Inzwischen befinde ich mich auf der Sonnenseite der Insel. Zum Glück kann ich so meine ungefähre Richtung nach dem Stand der Sonne bestimmen. Ich laufe mal nach Süden und mal nach Westen, je nachdem, wo mich eine einladende Piste in den Wald hineinführt. Im Süd-Westen muss die Kirche liegen, an der ich morgen früh frisches Trinkwasser auffüllen möchte. Nach ungefähr der Hälfte des Camino de la Virgen habe ich es geschafft und komme an ein eindeutiges Zeichen. Das Cruz de los Reyes liegt etwa in der Mitte der Strecke, ab hier bleibe ich auf dem GR131.

Die Markierungen werden besser, es gibt sogar vereinzelte hölzerne Wegweiser für die Wanderer. Ab jetzt wird es einfach, denn ich kann mich genau an die Strecke erinnern, die wir bereits vor einigen Jahren gelaufen sind. Der nächste markante Wegpunkt ist der Berg Malpaso, ein Einzelberg aus schwarzem Vulkangestein mit 1501 Metern Höhe. Von da aus führt der Trail zur Fuente del Binto, wo es köstliches Wasser aus einer Quelle gibt. Zur linken Seite habe ich für den Rest des Tages freien Blick auf das Mar de las Calmas. Am Cruz de los Humilladeros mache ich eine lange entspannte Pause mit Blick auf die Küste. Sitze dabei bequem auf dem Grabstein – die Herren werden es mir sicher verzeihen. 😉 Schade, zum Zelten ist der Boden nicht eben genug. Also weiter …. Inzwischen wird die Insel immer schmaler, so dass ich nach rechts freien Ausblick auf das Meer „El Golfo“ erhaschen kann. Gegen 16.00 Uhr kann ich sogar schon den Leuchtturm in der Ferne sehen, der mein Ziel für morgen sein soll. Die „Ermita de la Virgen de los Reyes“ rückt immer näher. Ich möchte nicht so spät am Abend bei den Priestern mit meiner Bitte um Wasser erscheinen, deswegen schlage ich mein Zelt etwa 2 Kilometer vor der Kirche auf und genieße den ruhigen Abend. In einiger Entfernung kann ich Kühe hören, sonst nichts. Während der letzten 8 Stunden habe ich keine Menschenseele mehr gesehen. Um 19.30 Uhr ist es bereits stockdunkel und wird kühl. Eine schmale Mondsichel steht am Himmel.

Hatte eine wunderbare Nacht mit 11 Stunden Schlaf. Ich packe mein Zeug und bin schon auf dem Weg, bevor es hell wird. An der Kirche kurzer Halt, um Wasser zu nehmen, dann biege ich ab auf den Trail zum Faro de Orchilla. Zunächst muss ich ein Stück auf einer Schotterstraße laufen, wo etwa ein Dutzend Bauarbeiter fleißig bei der Arbeit sind. Die Männer scheinen sich nicht besonders darüber zu wundern, dass eine Frau in der Morgendämmerung alleine auf der Piste unterwegs ist. Sie grüßen freundlich und gut gelaunt. Wie gut, dass wir nicht in Tonga oder Fiji sind ….. oder in Süd-Amerika, wo meine Extra-Touren immer etwas schräg angekommen sind. 😉 Danach geht eine Spur steil nach unten, der Pfad wird sehr schmal und steinig. Unterwegs komme ich an Höhlen-Wohnungen vorbei, in denen offensichtlich Menschen zu Hause sind. Wasserkessel, Kannen und sonstige Gebrauchsgegenstände stehen draußen, da hängen auch zwei Wäscheteile zum Trocknen an einer Leine. Solche Fels-Behausungen haben wir bereits vor etlichen Jahren in einer abgelegenen Ecke Teneriffas entdeckt, inzwischen ist die Region jedoch völlig vom Tourismus erschlossen. Hier auf El Hierro gibt es noch ursprüngliches Leben und diese einfache Art zu wohnen. Ich bin froh über die frühe Stunde und dass anscheinend noch Niemand wach ist. Bereits gegen 11.00 Uhr morgens erreiche ich den 0-Meridian und den Leuchtturm, bekannt als der westlichste Punkt Spaniens. Aber hier halte ich mich nicht lange auf, sondern laufe weitere 2 Kilometer bergab bis zu einer Mole, die früher einmal den Fischern als Ladeplatz gedient hat. Sehr abgelegen, ein total einsamer Ort, an den sich nur wenige Menschen verirren. Dabei ist die Einrichtung richtig gut : Es gibt zwei überdachte Grillplätze mit Tischen und Bänken, Wasser, Mülltonnen sowie eine Toilette, die man besser nicht benutzt. Eine Leiter führt hinunter in ein tiefes Fels-Bassin, so dass man im Mar de las Calmas schwimmen kann. Eine Nacht im Zelt an diesem exklusiven Platz, das war eigentlich meine Idee. Aber zunächst habe ich riesigen Hunger, denn ich habe noch nicht gefrühstückt. Und während ich so meinen Rucksack auspacke, kommt mir die Erkenntnis, dass ich meinen Futter-Beutel nicht mitgenommen habe. Der hängt wahrscheinlich unberührt in einem Baum an meinem letzten Lager. Habe ich in der Dämmerung schlichtweg übersehen, Denken funktioniert ohne Kaffee sowieso nicht gut. Dumm gelaufen ! Ich habe noch 5 Kekse und 4 Riegel Kinder-Schokolade, die waren sozusagen im Handgepäck. Das ist nicht viel, aber besser als gar nichts. Ja, da ist guter Rat teuer. Ich beschäftige mich eine ganze Weile mit meinen Karten und den Bus-Fahrplänen. Wo komme ich denn nun am schnellsten hin, um etwas Proviant einzukaufen ? Nirgends. Ich bin am äußersten Ende der Insel. Bis in die nächste Stadt El Pinar sind es mindestens 25 Kilometer, immer nur bergauf. Das ist Müller-Reisen ohne Herrn Müller. 😉 So etwas passiert natürlich nicht, wenn man schön gemütlich zu Hause auf dem Sofa sitzt. Aber das können wir immer noch machen, wenn wir 80 sind. Im Umkehrschluss könnte das bedeuten : Noch ein Viertel-Jahrhundert Reisen und Abenteuer. 🙂
Okay, ich werde hier nicht verhungern. Aber ohne Essen bis morgen bleiben, das ist auch keine gute Idee. Da ich sowieso noch nicht entschieden hatte, welchen Rückweg ich nach La Frontera nehme, kann ich genauso gut die 10 Kilometer zur Kirche wieder zurück laufen – diesmal allerdings stramm nach oben. Aus Plan B wird also Plan C. Nur eine halbe Stunde von der Ermita entfernt auf dem Camino de la Virgen liegt mein Zeltplatz der vergangenen Nacht und hängt wahrscheinlich noch mein Futter-Beutel im Baum. Das gibt dann wenigstens ein reichhaltiges Abendmahl. 🙂 Morgen früh dann das kleine Stück zurück zur Kirche, wo der Camino de Sabinosa abzweigt. Keine Ahnung, wie lang der ist, aber am Ende werde ich im Ort Sabinosa landen, von wo es einen Bus nach Frontera gibt. Ziemlich guter Plan – Problem gelöst. 🙂
Ein paar Eidechsen leisten mir Gesellschaft, sie flitzen auf dem Tisch hin und her. Über mir am Himmel ist ein Falke auf Beute aus. Ich habe Zeit zum Baden, Lesen, Schreiben. Mehr als 4 Stunden bleibe ich alleine an der Mole Orchilla. Dann nähern sich kurz hintereinander zwei Wagen und halten auf dem Parkplatz. Aufbruch-Stimmung bei mir, denn schließlich muss ich noch 10 Kilometer wieder aufsteigen. Ich erreiche bereits um 18.00 Uhr meinen Zeltplatz. Natürlich hängt der Proviant noch unschuldig im Busch. Dort gibt es ein opulentes Abendessen mit Brot, Butter, Salami, Ölsardinen, Joghurt und Müsli. Die Butter ist geschmolzen, der Joghurt ist warm, aber es schmeckt ausgezeichnet. 🙂

Gegen 1.30 Uhr in der Nacht werde ich wach und muss raus. Ein kräftiger Wind weht und lässt die Zeltwände flattern und schlagen. Ich muss die Schnüre festziehen, neu verspannen, ein paar mehr Heringe befestigen. Schon besser, aber der Innenraum des 3-Personen-Zeltes ist viel zu groß für mich. Der Wind lässt den Boden auf und nieder wehen, er bewegt sich und knistert, wo freie Fläche vorhanden ist. Ich ändere die Lage meiner Luftmatratze, liege schließlich diagonal, und versuche, die Grundfläche mit allen vorhandenen Gegenständen zu beschweren. Habe bereits 6 Stunden geschlafen, allerdings sind es noch weitere 6 Stunden, bis überhaupt an Tageslicht zu denken ist. Lange Nacht. Und kalt.
Morgens ist es immer noch sehr frisch. Ich bin nicht sehr begeistert, als ich mit klammen Fingern mein nasses Zelt einpacken muss. 🙁 Aber wer sich nicht bewegt, der kommt nicht ans Ziel. Starte mit langer Hose und Daunenjacke einen kleinen Aufstieg. Nach einer halben Stunde habe ich mich warmgelaufen und stehe am Abzweiger zum Camino de Sabinosa. Über diesen Trail gibt es nicht viel zu erzählen. Ein typischer kurzer Touristen-Weg, der wenig Besonderheiten bietet. Von jetzt an geht es nur noch zwischen Unkraut und Geröll steil bergab. Insgesamt sehr feucht, denn diese Route liegt komplett im Schatten. Nicht wiederholenswert – aber ein gutes Mittel zum Zweck. Der Camino de Sabinosa ist im Abstieg angenehm kurz, so dass ich bereits um 11.00 Uhr früh den kleinen Ort Sabinosa erreiche. Hier ist nichts los. Kein Laden, kein Café. Ich treffe nur ein paar ältere Einwohner, die sich anscheinend über ein bisschen Unterhaltung freuen. Sabinosa hat ungefähr 300 Einwohner und gilt als das abgelegenste Dorf von El Hierro. Mein Bus nach Frontera soll erst nach 12.30 Uhr fahren. Was mache ich denn nur so lange ? 90 Minuten Wartezeit, das ist ja gar nicht meine Welt. Kurz entschlossen biege ich auf den nächsten Wanderweg ein, der zum Kurort Pozo de la Salud ganz unten am Meer führt. Wenn es mit der Zeit zu knapp wird, dann könnte ich ja immer noch wieder umdrehen ….. Passt alles gut, ich bin früh genug unten. Pozo de la Salut ist absolut tot. Es besteht aus einigen wenigen Häusern, die bereits vor längerer Zeit verlassen wurden und langsam verfallen. Die einzige Bar, die auf einem Schild „Kaffee“ verspricht, ist geschlossen. Pozo de la Salud ist weniger als ein Dorf. Eigentlich gibt es nur eine radiumhaltige Heilquelle und ein Kur-Hotel, welches direkt an die Klippen gebaut wurde. Dieses Sanatorium für gutbetuchte Gäste scheint allerdings auch nicht ausgebucht zu sein. Es steht nur ein einziges Auto auf dem Parkplatz. Winterzeit = Saure Gurken-Zeit. Ich lasse Schuhe, Rucksack und Stöcker draußen, überprüfe mein Outfit im Spiegel und betrete die heiligen Hallen. Was für ein Luxus ! Tropisches Ambiente, perfekt gewachsene Grünpflanzen, gediegene Möbel und prunkvolle Bilder, die von indirekter Beleuchtung angestrahlt werden. Einen Moment lang habe ich Hemmungen, weiter einzudringen. Aber die Dame an der Rezeption ist professionell freundlich und kann mir selbstverständlich sagen, wo der Bus abfährt. Ich habe noch etwas Zeit und besuche die berühmte Heilquelle. Möchte gerne meine Trinkflasche mit gesundem Wasser auffüllen, aber heute hängt ein dickes Schloß davor. Früher konnten wir dort noch mit einem Eimer Wasser aus dem Brunnen schöpfen. Naja, vielleicht hat auch die heilende Quelle gerade Winterpause. Ich bin sehr gespannt, ob an diesem abgeschiedenen Ort überhaupt ein Bus auftaucht. Er kommt, auf die Minute genau um 12.30 Uhr. Es ist ein Klein-Bus mit nur 8 Sitzen, aber durchaus ausreichend, denn ich bin zunächst der einzige Fahrgast. So komme ich mit meinem Bon Viajero-Ticket für weniger als 1,- Euro bequem zurück nach Frontera und kann gleichzeitig eine Rundfahrt durch das gesamte Golfo-Tal genießen. 🙂 Mein mehrtägiger Ausflug ist von Anfang bis Ende ganz anders verlaufen als geplant. Trotzdem habe ich eine tolle Zeit verbracht, neue Wege entdeckt und nebenbei einige Touristen-Attraktionen abgehakt.

Mein nächstes Ziel ist Las Puntas, das nur 8 Kilometer von Frontera entfernt liegt. Das besondere an dieser Ortschaft ist das kleinste Hotel der Welt. Es steht auf einer Landzunge direkt auf den Klippen und ist mit seinen vier Zimmern sogar im Guiness Buch der Rekorde verzeichnet. Auf dem Weg dorthin komme ich am Ecomuseo de Guinea und Lagartario vorbei. Einen Besuch im Freilicht-Museum und in der Echsen-Aufzuchtstation spare ich mir, denn Beides kenne ich bereits. Trotzdem zieht es mich in das kleine Häuschen, in dem Kasse, Information und Souvenir-Laden untergebracht sind. Finde ein schönes Andenken zum Mitnehmen und freue mich darüber, dass ich es nicht lange im Tages-Gepäck tragen muss. In Las Puntas entdecke ich einen neuen Wanderweg nach La Maceta. Er führt auf Bretterstegen durch schwarze Lava-Landschaft direkt an der Küste entlang. Oben auf den Klippen gibt es in regelmäßigen Abständen überdachte Picknick-Plätze mit Blick auf die Atlantik-Brandung. Einer davon ist der „Mirador Playa del Rio“ – ausgesprochen schön angelegt.
Dann erreiche ich das Natur-Schwimmbad La Maceta. Hier habe ich vor vielen Jahren meine Unterwasser-Ängste überwunden und Schnorcheln „gelernt“. Es ist nicht viel Betrieb. Die Herreños frieren im Januar und legen sich nicht an den Strand. Auf den Fels-Terrassen kann man wunderbar entspannen. Der Untergrund ist hart, aber ich habe meine Luft-Matratze dabei. 🙂 Es gibt auf El Hierro keinen Sandstrand, dafür ist La Maceta eine wirklich gelungene Kombination aus Sonne, Lava und Meer.

Und noch einmal der Camino de la Virgen. Diesmal nehme ich den ersten Bus und starte von Valverde aus in Richtung Süd-Westen. Die schwierigste Aufgabe des Tages besteht darin, den Beginn des Weges zu finden. Wo ist denn nur der Startpunkt zwischen all diesen engen Gassen, Hügeln und Kurven ? Ich weiß nur, es geht auf jeden Fall ordentlich hinauf. Eine einsame Straße schlängelt sich etliche Kilometer hoch und immer höher in die Berge. Kein Verkehr, kein Mensch, einfach nichts. Zu meiner linken Seite kann ich die Umrisse der Insel Teneriffa mit dem alles überragenden Pico del Teide sehen. Der Atlantik ist ziemlich bewegt. Dichte weiße Schaumkronen kräuseln sich auf dem Meer. Ich komme vorbei an einem großen Wasser-Reservoir und biege auf einen Schotterweg ab. Kurz vor der Kirche im Dörfchen Tiñor erreiche ich endlich den richtigen Einstieg auf den Camino de la Virgen. Ein hölzernes Schild zeigt an, dass es 14 Kilometer bis zum Malpaso sind. Hier oben weht ein kräftiger Wind. Schnell dahin ziehende Wolken und Nebel bestimmen das Bild. Immerhin bin ich jetzt schon auf 955 Meter Höhe angestiegen. Feuchtigkeit und Kälte, das ist nicht gut für mein Handy-Akku. Das Handy geht aus, erstmal keine Fotos mehr. Ein grob gepflasterter Weg führt immer weiter in die Höhe. Die Landschaft ist ländlich, Wiesen und Weiden. Dann reißt die Wolkendecke auf, blauer Himmel und Sonnenschein für die nächsten zwei Stunden. Nachdem ich nun endlich ganz sicher auf dem Camino de la Virgen bin, gönne ich mir eine wohl verdiente Frühstücks-Pause mit dem leckeren Brot des besten Bäckers von Valverde. Schwarz-weiß gefleckte Ostfriesen-Kühe grasen friedlich um mich herum. Weiterhin kein Mensch und kein Fahrzeug in Sicht. 🙂 Nächste Station ist der kleine Ort San Andrés, den ich allerdings nur am Rande passiere. Außer ein paar alten Bauern mit ihrem Vieh bekomme ich nichts mit von der Nähe zur Zivilisation. Auch den Abzweiger zum wasserspendenden Arbol Garoé lasse ich rechts liegen. Da waren wir schon einmal, und der heilige Baum der Bimbaches ( Ureinwohner von El Hierro ) hat uns nicht sonderlich beeindruckt. Endlich führt der Weg eine Weile durch schönen Kiefernwald. Danach wandere ich zwischen Feldern hindurch, die von Naturstein-Mauern eingegrenzt sind. Bin viel zu schnell unterwegs, denn schon bald stehe ich an der Kreuzung, die mich zurück nach Frontera führt. Inzwischen umgibt mich wieder eine dicke Nebel-Suppe. Über einen Seitenweg gelange ich zum Mirador de Jinama. Dort bin ich vor einigen Tagen erst gewesen, auch heute ist die Sicht nicht viel besser. Nebel und dichte Wolken um mich herum, da lohnt sich das Bleiben nicht. Ich kann mich erinnern, dass es ganz in der Nähe noch einen weiteren Aussichtspunkt gibt und suche an der Straße die entsprechenden Wegweiser. Ein Wagen hält und möchte mich mitnehmen. Ich bedanke mich und lehne das Angebot freundlich ab. Der einheimische Fahrer guckt mich völlig verständnislos an. Es dauert eine ganze Weile, bis ich ihm erklärt habe, dass ich viel lieber laufen möchte. 😉 Vielleicht wäre ich doch besser eingestiegen ? Auf jeden Fall finde ich den Zugang zum Mirador de la Peña nicht, aber dafür einen einsamen Gipfel, von dem aus ich wunderbare Sicht auf den Aussichtspunkt unter mir habe. Es ist erst früher Nachmittag, immer noch so viel Zeit. Ich sitze auf dem höchsten Punkt und warte, bis die Wolkenfetzen sich kurz beiseite schieben. Endlich habe ich den berühmten Blick auf die Küste von El Golfo, wenn auch nur für einen winzig kleinen Augenblick.

Der Abstieg durch die Steilwand auf dem Camino de Jinama erfordert Konzentration und geht tüchtig in die Beine. Trotzdem ist diese Strecke nach knapp zwei Stunden erledigt. Die leuchtend weiße Kirche auf dem Hügel von Frontera kommt immer näher. Um 18.00 Uhr habe ich meine 1-Stern-Pension erreicht und kann den Feierabend mit Kaffee und einem guten Buch einläuten. Die nächsten beiden Tage soll das Wetter schlecht werden, viel Regen ist angesagt. Da werde ich es wohl etwas ruhiger angehen lassen müssen.

Ein Kommentar zu “1. Woche El Hierro

  1. steinfisch

    Es ist richtig aufregend, die einsamen Wege mit dir zu wandern! 😀
    Danke für den spannenden Bericht und die Fotos.

    Alles Gute für deine weiteren einsamen Wanderungen wünscht dir Ingrid