Wir segeln und wandern durch die Welt

Culatra bis La Coruña – 1. Woche auf See

Am Sonntag, dem 6. Mai, lichten wir gegen 12.30 Uhr den Anker und starten auf unseren ersten Seetörn mit dem neuen Schiff. Genau eine Stunde später ist Niedrigwasser am Cabo de Santa Maria, und wir müssen mit ablaufendem Wasser durch das Nadelöhr. Wenig Wind, aber links und rechts donnert weiße Brandung gegen die Felsen, die Wellen sind kabbelig. Schon fliegen die ersten Sachen durch die Gegend, die noch nicht richtig seefest verstaut waren. Es klappert und scheppert überall, da gibt es noch Verbesserungs-Potential. Richtung Nord-Westen möchten wir fahren, aber die Rad-Steuerung im Deckshaus ist mir sehr fremd. Ich brauche lange, um so einigermaßen den Kurs halten zu können. Da ist mir das Steuern mit der dicken Pinne draußen schon symphatischer. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier. 😉 Das Groß-Segel wird hochgezogen, nachdem wir etwas freien Raum von der Küste gewonnen haben. Aber es steht noch nicht ganz richtig, da bricht die Curry-Klemme aus dem Block der Großschot. Diese erste Beanspruchung nach langer Zeit war schon zu viel für das Material.

Thomas ist erfinderisch und wechselt das kaputte Teil aus gegen die Schot der beweglichen Backstagen. Nachdem dieser Schaden behoben ist, setzen wir vorne den Klüver und in der Mitte die Arbeitsfock. Es dauert eine ganze Weile, bis alle Leinen in der richtigen Position eingeschoren sind. Das Groß steht wunderbar bis in die oberste Spitze vom Top. Beide Vorsegel sehen angeschlagen nicht so gut aus, denn es zeigen sich bauchige Falten, die wir nicht weggetrimmt bekommen. Die rot-braunen Segel, für die wir uns bei der heutigen Testfahrt entschieden haben, könnten noch die Original-Besegelung des Schiffes sein. Wenn die wirklich schon so alt sind, dann muss man sich nicht wundern, wenn sie aus der Form sind. Die nächste knifflige Aufgabe besteht darin, dass Thomas die Windsteuer-Anlage aktivieren und richtig einstellen muss. Bisher hatten wir eine Windpilot von Förthmann, die auch mit der Spedition nach Norderney verschickt wurde. Auf dieser Passage fahren wir mit einer Aries-Windsteuerung, an die wir uns erst gewöhnen müssen. Mal sehen, wie diese den Kurs hält auf dem Weg nach Norden. Wenn uns die Aries nicht überzeugt, dann werden wir sie zu Hause auswechseln.

Es wird sicherlich noch ein paar Tage dauern, bis sich an Bord alles zurechtgeruckelt hat. In den nächsten 2-3 Wochen haben wir genug Zeit und Gelegenheit, um unser Boot besser kennenzulernen. Mal sehen, was als Nächstes passiert ….
Erste Wache alleine, erste Nacht auf See mit dem neuen Schiff. An guten Schlaf ist natürlich noch nicht zu denken, weil sich der Körper erst auf den Rhythmus von Wache und Freiwache einstellen muss. Wir segeln mit 3-4 Knoten die portugiesische Küste entlang bis zum Cabo de San Vicente. Angenehm wenig Schiffs-Verkehr, nur wenige Lichter ziehen in gebührendem Abstand vorbei. Alles ganz entspannt. 🙂 Etwas zu entspannt, denn der Wind lässt uns im Stich. Wir werfen die Maschine an, da wir nicht so küstennah in der Flaute dümpeln wollen. 300 Liter Diesel-Kapazität im Gegensatz zu unserem früheren 70-Liter-Tank auf dem alten Boot …. da muss man nicht allzu lange drüber nachdenken. Wir haben keinen elektrischen Autopiloten, deswegen steuern wir die ganze Nacht von Hand. Eine gute Übung, denn am Ende der Nacht kann ich mit der ungewohnten Rad-Steuerung einwandfrei Kurs halten. 🙂

Mit Anbruch des Tageslichts gibt es wieder Wind, leichter Nord-West, also genauso aus der Richtung, in die wir segeln möchten. Kein Land mehr in Sicht, wir halten weiter von der Küste weg. Ein riesiges Container-Schiff kreuzt unseren Kurs von backbord nach steuerbord, vermutlich auf dem Weg nach Lissabon. Sieht aus, wie eine Stadt auf dem Wasser. Nur eine Stunde später passiert ein weiteres Container-Schiff in derselben Linie knapp vor uns. Es schiebt eine gewaltige Bugwelle vor sich her, so dass auch unsere Bewegungen etwas ungemütlich werden. Vorsichtshalber schalte ich das Funkgerät an, aber Keiner spricht uns an. Spannende Augenblicke, bis der Riese eindeutig vorbei gezogen ist.

Nochmalige Kontrolle von Rigg und Leinen – sieht alles gut aus. Mit vollem Großsegel, Klüver und Fock auf backbord läuft das Boot sehr gut. Kurs West, nicht perfekt, aber das können wir in den nächsten Tagen korrigieren. Am Nachmittag nimmt der Schiffsverkehr immer mehr zu. Ein weiterer Grund, lieber von der Küste wegzusteuern. Weiter draußen auf See haben wir mehr Platz. Wir fühlen uns sehr wohl damit, wenn wir tage- und wochenlang nur Wasser um uns herum sehen. Ein kleiner Vogel kommt bis ins Deckshaus geflogen, setzt sich auf’s Steuerrad und ruht sich eine Weile aus. Irgendwann wagt sich der hübsche Piepmatz sogar bis in den Salon und macht es sich nach einem Erkundungsflug in unserem Bett gemütlich. Aus dem Schlafzimmer wird er schnellstmöglich wieder vertrieben, ansonsten kann er gerne mitfahren.

Gegen Abend frischt der Wind auf, der Klüver wird geborgen. Durch den Abfluss der Spüle spritzt Wasser in einer Fontäne nach oben, wenn das Boot in die Wellen einstampft. Wir schließen das Seeventil, damit ist das Problem gelöst.
Die neue Walkabout segelt wunderbar am Wind, hat aber jetzt doch eine ungemütliche Schräglage. Kochen und Essen gestalten sich mühsam. So richtig Appetit auf eine warme Mahlzeit haben wir am zweiten Tag auf See auch noch nicht. Bisher ist die Seekrankheit gnädig gewesen, Übelkeit hält sich in Grenzen.

Die drei Bord-Batterien sind nagelneu, trotzdem haben wir Probleme mit dem Energie-Haushalt. Unsere alten Solar-Paneele liefern nicht genügend Strom, und das, obwohl nur die Nacht-Beleuchtung und der elektronische Karten-Plotter an sind. Kein Kühlschrank, kein Radar, kein Funkgerät, kein AIS, kein Schnick-Schnack. Wir probieren den Wind-Generator Marke Eigenbau aus. Das Ding macht einen Höllenlärm und bringt das ganze Schiff zum Vibrieren, da er an der hinteren Reling fest montiert ist. Da lassen wir lieber eine Stunde den Motor zur Strom-Erzeugung laufen. Der Wind hat weiter zugenommen, er kommt leider weiterhin aus Nord-West. Es ist Zeit für ein Reff im Groß. Inzwischen sind wir beide etwas blass um die Nase geworden. Genau wie auf der alten kleinen Walkabout sind 6 Windstärken von vorne auch auf dem neuen Boot kein Vergnügen. Wir arbeiten uns mühsam voran, genau nach Westen in Richtung der Azoren, wo wir auf ein besseres Wind-System hoffen. Am Nachmittag des 3. Tages kreuzen wir unsere Kurslinie von Mitte September 2011. Seitdem ist viel passiert. Wir haben unendlich viel gesehen und erlebt, sind über 28.000 Seemeilen gesegelt und mehr als 13.000 Kilometer auf verschiedenen Trails gewandert. Nun also geht es erstmal ab nach Hause mit dem neuen Boot, und dann starten wir in die nächste Runde …. 🙂

Hinlegen – Schlafen – Aufstehen – Wachen. Klappt inzwischen schon ganz gut mit dem Ausruhen während der Freiwachen. Wir verbringen die meiste Zeit, die wir nicht „im Dienst“ sind, liegend in unserer gut gesicherten Koje, da uns im Moment sowieso noch eine latente Übelkeit plagt. So bekommen wir auf jeden Fall ausreichend Schlaf, nur an regelmäßige Mahlzeiten müssen wir uns erst noch gewöhnen. Eine Drehung der Windrichtung könnte dabei schon helfen …. Immer noch stampfen wir ordentlich gegenan. Bis zum Abend hin hat die Wellenhöhe beständig zugenommen. Das Leben an Bord ist ziemlich ungemütlich. Beide Oberlichter lecken, die im Schlafzimmer über unserer Koje und das Luk über dem Tisch im Salon. Immer wenn der Bug kräftig eintaucht oder eine große Welle über das Deck rollt, dann tropft es ins Schiff. Thomas hat bereits an Land mehrere Reparatur-Versuche gemacht hat, aber die Fenster sind immer noch undicht. In Faro war es wenigstens nur Süßwasser, wenn es heftig geregnet hat. Nun bekommen wir Salzwasser-Duschen von oben ins Schiff. Da verstehe ich überhaupt keinen Spaß ! Das alte Boot war IMMER trocken, kein Tropfen, kein Lecken, nie ein bisschen Wasser in der Bilge. Das gibt Punkt-Abzüge für das neue Schiff. 🙁 Thomas hat eine Funk-Verabredung mit Fidi, die Verständigung ist gut. Witzig, wie er da so aus dem Nirgendwo im Atlantik mit unserem Beinahe-Nachbarn auf Norderney quatscht. 😉

Es war eine ruppige Nacht, schlechte Sicht noch dazu. Wachwechsel morgens um 8.00 Uhr – beim ersten Blick aus dem geschützten Deckshaus sieht es aus, als ob sich die Lage beruhigt hat. Vereinzelt ist blauer Himmel zu sehen, die Sonne blinzelt zwischen den Wolken hervor, die Wellen sind scheinbar kleiner und regelmäßiger geworden. Mit Sonne wirkt doch gleich alles viel freundlicher. Das kann man schon fast „schönes Wetter“ nennen. 🙂 Draußen merkt man, dass es doch noch ganz gut pfeift. Der Windmesser zeigt konstant zwischen 5 und 6 Windstärken an.
Über Nacht wurden wieder unsere Batterien leer gelutscht. Unsere Positionslampe, der Dreifärber im Top, hat einen enormen Energieverbrauch. Morgens reicht der Strom nicht mehr zum Funken. Wir müssen den Motor im Leerlauf mitlaufen lassen, um die Batterien zu laden, wenn wir nicht den Lärm des Windbaggers aushalten wollen. Mit diesem Zustand können wir auf Dauer nicht leben. Im September wird der Mast gelegt, dann gibt es ein neues Rigg auf’s Schiff und neue Lampen, die nicht so viel Strom fressen. Außerdem haben wir unsere gute Solar-Paneele vom alten Boot mit der Spedition verschifft, die wird Einiges zusätzlich an Energie liefern. Am Nachmittag klappt eine erste Funk-Verbindung mit Intermar. Wir bekommen einen detaillierten Wetterbericht und die Bestätigung, dass es richtig ist, den Kurs stur weiter nach Westen zu halten. Entlang der Küste gibt es nur Wind aus Nord, Nord, Nord …. Je näher an Land, umso heftiger. Das soll auch die nächste Zeit noch so bleiben. Immerhin hat uns die gewählte Richtung bereits aus der Starkwind-Zone herausgebracht, in etwa zwei Tagen sollten wir die Nordwind-Region hinter uns haben. Bis dahin heißt es : Bananen essen. 😉 Am Donnerstag in Faro im Supermarkt eingekauft, wo man keine Wahl hat zwischen essbereiten und grünen Stauden. Nun sind sie alle gleichzeitig reif. Das bedeutet, mindestens 3-4 Bananen am Tag für Jeden. Ein kleiner Rest wird dann wohl trotzdem noch über Bord gehen.

Nachts beruhigt sich die See, es rumpelt nicht mehr so dolle. Nur noch Windstärken zwischen 4 und 5 Bft. – allerdings weiterhin von vorne. Trotzdem sind die Schiffs-Bewegungen viel angenehmer geworden. Oder wir haben uns dran gewöhnt und endlich unsere Seebeine zurück. Eine Woche unterwegs, es ist schon lange keine Küste mehr in Sicht. Wir beginnen, diesen etwas ruppigen Törn nach Hause zu genießen. Die Wetter-Bedingungen sind nicht optimal, aber das war ja klar, wenn man Anfang Mai vom Süden in die Nordsee segelt. Schon nach wenigen Tagen auf dem Nord-Atlantik ist unser Boot vom Bug bis zum Heck dick mit Salz überkrustet. Morgens früh geht eine Regenfront durch. Ein paar Tropfen Süßwasser auf dem Deck schaden nicht. Unser Wassertank unten im Schiff macht unheimliche Geräusche. Da schwappen 500 Liter Wasser ungebremst ohne Zwischenwände hin und her. In unserem alten Boot besaßen wir eine Wasser-Kapazität von insgesamt 90 Litern, die auf 3 separate Tanks verteilt waren. Kein Wunder, dass uns dieses Geräusch von bewegten Wassermassen unter uns etwas befremdlich vorkommt. Funkrunde mit Fidi sowie später mit Intermar klappt wieder ganz ausgezeichnet.

Ein Schiff kommt uns in der Nacht relativ nahe. Ich bleibe draußen und halte gespannt Ausguck, um schnell reagieren zu können. Sicherheitshalber mache ich zusätzlich zu den Positionslampen die Fest-Beleuchtung an und strahle das Groß-Segel mit einem Scheinwerfer an. Aha – der Andere hat uns gesehen und „grüßt“ zurück, indem er auch ein sehr helles Licht dazu schaltet. Entwarnung …. wir passieren einander in gebührendem Abstand an backbord. Die Nächte sind kühl und feucht. Wir haben jetzt die Wahl, ob wir uns draußen in der Plicht aufhalten oder die Nachtwache im geschützten Deckshaus sitzen. Um diese Jahreszeit im Nord-Atlantik entscheiden wir uns für das Letztere und verbringen die meiste Zeit trocken und gemütlich in eine Wolldecke gewickelt. Ausguck halten wir durch die Fenster, den elektronischen Karten-Plotter und den Kompass haben wir direkt vor der Nase, so dass man nur alle Viertelstunde für einen besonders aufmerksamen Rundum-Blick hinausgehen muss. Des Weiteren hilft mir mein e-book-reader, die Hundewache zwischen Mitternacht und 4.00 Uhr morgens gut zu überstehen. Was für eine tolle Erfindung ! 🙂 Nur noch 4 Beaufort, da können wir sogar den Windgenerator anstellen, ohne dass uns der Lärm wahnsinnig macht. Bei ruhiger See und wenig Wind ist das Ding also als Strom-Erzeuger durchaus brauchbar. Wir haben uns eingelebt, der Alltag an Bord hat sich gut eingespielt. Seekrankheit ist Vergangenheit, so dass wir nun auch wieder etwas aktiver werden und nicht nur in der Koje pennen. Zeit, um das Rigg erneut genauestens zu kontrollieren, den Müll zu zerschnipseln, das Obst zu sortieren, die Eier umzudrehen, das Holz unter den Leckstellen mit Süßwasser abzuwaschen, ein paar Verbesserungen vorzunehmen. Der Weg ist noch weit – aber wir fühlen uns wohl, und es macht Spaß ! 🙂