Freitag, den 06.11., sitzen wir um 8.00 Uhr morgens im Bus von Auckland nach Kaitaia. Um 14.30 Uhr kommen wir endlich an, bis zum Startpunkt am Cape Reinga sind es noch knapp 120 weitere Kilometer. Eigentlich wollten wir per Anhalter fahren, aber zum Trampen in den äußersten Nordzipfel ist es jetzt wohl die falsche Uhrzeit. Nach einigem Hin und Her im Touri-Büro haben wir zu dritt einen privaten Shuttle organisiert. Mit von der Partie ist Daniel aus den USA/Washington. Er ist bereits die drei längsten Trails in Nordamerika gelaufen und damit stolzer Träger der Triple Crown. Wir sind schwer beeindruckt. Den AT, den PCT und den CDT ist Daniel alias „Cloudwalker“schon komplett gelaufen, obwohl er erst halb so alt ist wie wir. Ein älterer Herr namens Olly holt uns ab und bringt uns für 30,- NSD pro Person zu seinem Grundstück, wo wir auf der Wiese unser Zelt aufstellen dürfen.
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker schon um 4.45 Uhr. Olly fährt uns das letzte Stück bis zum Cape Reinga, wo wir um 6.30 Uhr unseren Te Araroa starten.
Die Sonne ist gerade aufgegangen, es verspricht ein schöner Tag zu werden. Zunächst führt unser Weg über den Werahi Beach, dann müssen wir den Herangi Hill überqueren. Es geht vorbei an Scott Point und Cape Maria van Diemen. Mittags erreichen wir die campsite vom Twilight Beach. Ein sehr schöner Platz mit Pavillon, Wasser und einem Toiletten-Häuschen auf grüner Wiese. Es ist uns noch zu früh, um unser Lager aufzubauen. Nach einer ausgedehnten Pause geht es weiter am Strand entlang. Die Sonne brennt, wir müssen uns gut mit Sonnencreme, Hut und Brille schützen. Rechts von uns liegt die kleine Insel Motuopao Island in der Tasman See. Wir haben uns vorgenommen, am Anfang nicht mehr als 6 Stunden täglich zu laufen. Deswegen machen wir schon um 15.00 Uhr Feierabend und suchen uns einen Zeltplatz nahe beim Fluss Te Paki Stream in den Dünen. Die ersten 5 Kilometer vom Ninety Mile Beach sind geschafft, insgesamt haben wir 20 Kilometer auf dem Te Paki Coastal Track zurückgelegt.
Die Nacht war trocken und mild. Wir hatten das Zelt offen gelassen, und durch das Moskitonetz konnte man Millionen von Sternen am Himmel sehen. Wunderschön ! Allerdings war unser Lager auf dem Sandboden ziemlich hart. Oder wir waren noch nicht müde genug.
Den ganzen Tag über ging es nur am Strand entlang, rechts das Wasser und links von uns die Dünenkette. Fast wie zu Hause. Austernfischer, Möwen, Kormorane tummeln sich bei ablaufendem Wasser am Flutsaum. Aber wir sehen auch viele angespülte tote Kugelfischer, eine große Scholle, einen kleinen Hai sowie einen toten Hammerhai. Vorbei geht es an Matapia Island mit seinem weithin sichtbaren Tunnel im Felsen. Später am Nachmittag liegt das Natur-Reservat Bluff am Wege. Hier ist so ziemlich alles verboten, aber jeden Tag werden Touristen von organisierten Gruppen mit Jeeps angekarrt, um kurz darauf herumzutrampeln. Den ganzen Tag scheint gnadenlos die Sonne auf uns herab. Ab Mittag wechseln wir von kurzen zu langen Hosen, vom T-Shirt zu langen ärmeln. Ist zwar eigentlich zu warm dafür, aber es besteht sonst akute Sonnenbrand-Gefahr trotz Eincremen. Ich bin 3 Stunden barfuß gelaufen, nachdem die Wanderschuhe unbequem wurden. Aber das war wohl ein Fehler, denn der Boden entlang der Wasserkante ist hart und der Sand schmirgelt richtig unter den Füßen. Am Abend muss ich feststellen, dass ich mir zwei große Blasen eingehandelt habe. Wir finden einen sehr schönen Platz für unser Zelt zwischen Dünenkante und dem Aupouri Forest. In diesem sumpfigen Gebiet grasen einige freilaufende Pferde. Ob die wohl Jemandem gehören ? Auf einem trockenen Flecken mit kurzem Grasbewuchs richten wir unser Lager für die Nacht ein. Ringsherum blühen dichte Sträucher mit gelben Blüten, die einen betörenden Duft verströmen. Leider haben wir uns mit dem Wasser verkalkuliert, also bleibt abends die Küche kalt.
Der nächste Tag beginnt mit Regen auf dem Zeltdach, also erst noch einmal umdrehen, bis wir einigermaßen trocken einpacken können. Später nieselt es nur noch leicht, der Himmel ist grau. Dichter Nebel lässt unseren Spaziergang am Strand etwas monoton werden, denn man sieht keine Landmarken mehr und kann überhaupt keine Entfernungen abschätzen. Die Füße schmerzen immer schlimmer. Eine dritte Blase hat sich gebildet, beide Sohlen sind wundgelaufen. In der Mittagspause ist erst einmal Verarzten angesagt, danach Schuh-Wechsel. Nachmittags haben wir wieder ein Wasserproblem. Endlose Kilometer weit gibt es kein Rinnsal mit Süßwasser, an dem wir unsere Flaschen füllen können. So müssen wir mit einem Liter recht lange auskommen. Zum Glück ist es heute bedeckt und nicht so heiß, der Durst wird deswegen nicht so schlimm. Ein kleiner Seehund ruht sich ganz nahe an der Dünenkante aus. Es kommt uns komisch vor, weil das Meer schon weit zurückgegangen ist. Vielleicht ist er tot oder krank ? Aber als wir uns dem Tier nähern, da wird der Seehund plötzlich sehr munter und kommt uns mit eindeutig aggressivem Gebaren entgegen. Erst in etwa 3 Meter Abstand merkt er wohl, dass wir Menschen viel größer sind und trollt sich ins Wasser.
Am Nachmittag erreichen wir den Utea Park bei Hukatere und beschließen, den Tag früh zu beenden. Dieser Campingplatz wird überwiegend von Autos angefahren. Es gibt sogenannte cabins zu mieten, sehr einfache Wohneinheiten mit Etagenbetten drin, ansonsten unmöbliert. Für 10 NSD pro Person können wir unser Zelt aufstellen, wieder auf einer schönen Wiese umgeben von Blumen. Außerdem sind im Preis die Benutzung der Gemeinschaftseinrichtungen wie Küche und Sanitäranlagen mit drin. Heiße Duschen, an einem richtigen Herd kochen und zivilisiert mit Porzellan-Geschirr an einem Tisch essen – das alles kommt uns schon ziemlich luxuriös vor. Die Betreiberin des Campingplatzes ist total nett und energiegeladen. Sie stellt sich als Tanja vor und quatscht einfach Jeden voll. Wegen meiner Fußprobleme wissen wir noch nicht, wann wir den nächsten Ort erreichen werden. Falls wir aus einer 32 Kilometer-Etappe zwei Tage machen, dann könnte es knapp werden mit unserem Proviant. Die größte Angst eines Hikers ist immer, dass das Essen nicht ausreicht. Tanja ist sehr hilfsbereit und verkauft uns ein paar Lebensmittel aus ihrem eigenen Haushalt. Ein halbes Körnerbrot, 4 Eier, Butter und ein paar Stücke Obst lassen den Hungertod wieder in weite Ferne rücken.
Der nächste Morgen beginnt dank der aufgestockten Lebensmittel mit einem opulenten Frühstück in der großen Küche, noch bevor die anderen Gäste Aufstehen. Wir starten genau bei Hochwasser, der Strand ist stellenweise nicht begehbar, weil die Wellen bis an die Dünenkante laufen. Es gibt einen ausgetretenen Pfad direkt hinter den Dünen parallel zum Strand. Hier laufen wir die ersten 15 Kilometer und finden den alternativen Weg richtig schön. Endlich mal eine willkommene Abwechslung zum Marschieren im Sand – Links von uns liegt der Aupouri Forest mit seinem Mischwald, um uns herum stehen viele Blumen und Kräuter. Auch dieser Tag ist grau und nieselig, es besteht keine Sonnenbrand-Gefahr.
Mittags erreichen wir Waipapakauri Beach, wo wir auf dem Gelände des Holiday Parks eine lange Rast einlegen. Die Betreiberin fragt uns, ob wir über Nacht bleiben möchten. Nein, das ist uns noch zu früh und eigentlich auch zu teuer für’s Zelten. Wir dürfen uns aber gerne die Anlage ansehen, Wasser nehmen und an einem der Picknick-Tische kochen. Sehr nett ! Die Menschen in Neuseeland sind alle unheimlich freundlich und unkompliziert.
Von dort aus sind es noch weitere 14 Kilometer bis zur Ortschaft Ahipara, die ziehen sich aber ordentlich in die Länge. Unterwegs überholen wir den deutschen Paul, der einen 25 Kilo schweren Rucksack mit sich herumschleppt.
Erst gegen 17.30 Uhr erreichen wir das Städtchen Ahipara mit knapp 1000 Einwohnern. Haben an diesem Tag 32 Kilometer unter den Füßen, den Ninety Mile Beach geschafft, und insgesamt sind wir schon mehr als 100 Kilometer auf dem Te Araroa gelaufen. Müde und kaputt sind wir, deswegen gönnen wir uns etwas Gutes und mieten uns im Baylinks Motel ein. Sehr herzlicher Empfang durch die Besitzerin Christine, die uns einen Discounter bei 2 Nächten anbietet. Wir beziehen ein sehr sauberes und geschmackvoll eingerichtetes Appartement. Voll eingerichtete Küchenzeile, eigenes Bad, ein weiches Doppelbett, Internet und Sky-Fernsehen. Welch ein Luxus ! Aber wir haben uns eine Pause verdient, und meine Füße müssen heilen. Der Vater von Christine ist sogar so nett, uns noch einmal in den Ort zu fahren, wo wir an einer Imbiss-Bude schnell etwas Ungesundes essen und im kleinen Lebensmittel-Laden Cola und Chips für unsere Party kaufen. Wir sind sehr zufrieden und freuen uns auf einen freien Tag, bevor wir den anstrengenden Herekino Forest Track beginnen.
Mittwoch passiert nicht viel außer Essen, Trinken, Faulenzen. Morgens wird die Wäsche gemacht. Danach möchte Christine uns unbedingt nach Kaitaia fahren, diese Stadt ist größer und bietet bessere Einkaufsmöglichkeiten. Wir brauchen etwas zum Desinfizieren und Polstern unserer Blasen aus der Apotheke. Außerdem möchten wir heute unsere Küche ausgiebig nutzen und dafür leckere Dinge einkaufen. Proviant für die nächsten 4-5 Tage im Wald muss besorgt werden – damit ist der Einkaufswagen beinahe voll, und wir bezahlen eine stattliche Summe an der Kasse. Die liebe Christine hat während der ganzen Zeit geduldig auf uns gewartet und chauffiert uns wieder zum Motel. Unglaublich nett und hilfsbereit ! „You are welcome.“ und „Make yourself feel at home.“ Das ist hier nicht nur so’n dummer Schnack.
Herekino Forest 12.11.2015
Vom Hostel in Ahipara aus müssen wir unseren ersten „connector“ laufen. Das ist die Verbindungsstrecke zwischen dem Ende des einen und dem Anfang des nächsten Weges. Der Te Araroa ist kein durchgängiger Trail wie der Appalachian Trail in den USA. Wir haben uns vorgenommen, dass wir jeden Meter von Norden nach Süden laufen, also auch die Stücke ( zumeist Straße ) zwischen den Tracks. Solche Wanderer nennt man im Hiker-Jargon „Puristen“.
Wir beginnen also unseren Tag mit zwei Stunden „roadwalk“ bis zum Trailhead. Und dann sind wir endlich wieder im Wald – das fühlt sich richtig gut an !
Es geht sofort steil bergauf in den Herekino Forest. Der Boden ist sehr nass und matschig, dadurch natürlich auch ziemlich rutschig. Bei jedem Schritt muss man aufpassen, dass man nicht ausglitscht und im Matsch landet. Das klappt nicht immer, aber der sumpfige Boden ist zum Glück weich. Und wie schön ist hier die Natur ! Der Wald ist ein dicht bewachsener Dschungel von verschiedensten Grünpflanzen. Wir freuen uns an den dicken uralten Kauri-Bäumen und den gigantischen Farnen. Immer wieder liegen Baumstämme quer über dem Weg, die wir irgendwie umgehen oder überklettern müssen. Den Rangiheke Stream überqueren wir bei niedrigem Wasserstand ohne Probleme, bei höherem Wasser und stärkerer Strömung kann man sich an einem dort befestigten Kabel hinüberhangeln. Es geht an einigen verfallenen Hütten vorbei, lange nicht mehr benutzte Kabinen der früheren Arbeiter. Dann folgt der Aufstieg auf unseren ersten Gipfel, den Taumatahoe. Mann, ist das anstrengend ! So langsam Schmerzen die Muskeln und die Füße. Aus See-Beinen müssen wohl erst noch Hiker-Beine werden.
Gleich hinter dem Gipfel gibt es einen flachen Platz für ein Zelt, aber hier oben ist es uns zu kalt. Der Wind kommt aus Süden, d.h. aus der Antarktis und ist dementsprechend eisig. Deswegen machen wir uns sogleich an den Abstieg, aber der ist schwieriger als erwartet. Ebenso steil und matschig wie der Aufstieg, so dass wir bergab mehr rutschen als laufen. Die größte Kunst ist das Bremsen an diesem schmalen Abhang. Dafür loben wir unsere Trecking-Stöcke mehr als einmal. Es wird ein langer Tag für uns, denn unterwegs kommt keine einzige Stelle mehr, an der wir unser Lager errichten könnten. Also müssen wir wohl oder übel weiter absteigen, bis wir es endlich aus dem Wald heraus geschafft haben. Am Ende des Tracks zelten wir auf einer weichen grünen Wiese. Es ist mittlerweile schon 19.30 Uhr. Wir waren insgesamt 10 Stunden im Herekino Forest unterwegs, davon waren 8 reine Laufstunden – zu viel für meine wunden Füße. Gekocht wird nicht mehr, denn das Wasser ist knapp geworden. Es gibt nur noch eine Stulle und ein paar Kekse, dann fallen wir in Tiefschlaf.
Raetea Forest Track 13.-14.11.2015
Unser Zelt und die Schlafsäcke sind am Morgen nass vom Tau. Wir beginnen den Tag mit 2 Kilometern auf einem breiten Waldweg bis zur Digger’s Valley Road. Unterwegs sehen wir ein selbstgemaltes Schild : Tramper’s Campsite. Wie nett, da stellen Anwohner ihr Privat-Grundstück zum Zelten zur Verfügung ! Aber wir fangen ja gerade erst an, es liegen weitere 9 Kilometer auf einer Schotterstraße vor uns. Im kleinen Ort Takahue möchten wir auf einem in der Karte eingezeichneten Campingplatz Mittagspause machen, aber wir finden ihn nicht, deswegen Pause nur am Straßenrand. Eine schöne lange Rast auf grüner Wiese in der Sonne machen wir am Ufer des Takahue River. Hier wird auch gleich gekocht, Tee getrunken und 4 Liter Wasser behandelt. Wasser soll auf der nächsten Etappen knapp sein, also müssen wir mehr schleppen.
Dann endlich sind wir im Raetea Forest – was für ein Dschungel ! Der Weg, wenn man ihn überhaupt erkennen kann, ist total zugewuchert. Es sieht nicht so aus, als ob hier viele Menschen durchkommen. Wieder müssen wir umgestürzten Bäumen ausweichen und eigene Pfade drumherum finden. Genau wie der gestrige Herekino Forest ist auch der Raetea Forest unheimlich nass und matschig. Obwohl wir anfangs versuchen, die Schuhe möglichst trocken zu halten, treten wir immer wieder in tiefe Matschlöcher. Manchmal versinkt man bis zu den Knien im Morast. Irgendwann ist es dann sowieso egal, wir patschen einfach weiter durch die Pfützen.
Die Schönheit dieser ursprünglichen Natur haut uns fast um. Alles ist so gewaltig und wild ! Wir sind schwer beeindruckt von diesem Wald, auch wenn der Weg mehr als beschwerlich ist. Es geht den ganzen Tag auf und ab, Erinnerungen an den Roller Coaster auf dem AT werden wach. So langsam machen sich auch unsere Knie schmerzhaft bemerkbar. Wir zählen 5 Gipfel an diesem ersten Tag im Raetea Forest. Einen knappen Kilometer unterhalb des Gipfels vom Raetea Mountain richten wir unser Nachtlager ein. Heute geht nichts mehr, den Rest sparen wir uns für Morgen auf.
In der Nacht war es sehr kalt auf dem Berg. Wir mussten unsere Inlets für die Schlafsäcke einlegen, damit konnte man es aushalten. Gleich nach dem Aufstehen mussten wir uns in einer guten halben Stunde 200 Höhenmeter hinaufkämpfen bis zum Gipfel in 744 Meter Höhe. Das war schon nahrhaft, so ein steiler Anstieg auf dieser kurzen Distanz. Aber danach waren wir wenigstens richtig wach und zum ersten Mal durchgeschwitzt. Von oben haben wir eine phantastische Aussicht auf die umliegenden Täler. Auch den nächsten Berg, einfach nur P727 genannt, schaffen wir noch am Vormittag. Danach hält der Raetea Forest noch 3 oder 4 weitere Gipfel für uns bereit, bevor es endlich an den Abstieg geht.
Endlich haben wir es geschafft. Diese letzten beiden Wälder sind nicht gerade das, was man sich für eine Wochenende-Wanderung aussuchen würde. Zu anstrengend, matschig …. aber einfach nur wunderschön !
Es folgen lockere 7 Kilometer entlang des Highway 1 bis zur Mangamuca Bridge. Nicht so toll, aber schnelles Vorwärtskommen. Der kleine Laden hat bereits geschlossen, aber die Inhaberin ist so nett und lässt uns noch einmal für 10 Minuten ein. So kommen wir in den Genuss von Kaffee, Cola, Bananen und Eis, die wir draußen am Picknick-Tisch mit Genuss verzehren. Außerdem wird uns angeboten, dass wir unser Zelt im Garten aufstellen dürfen oder aber in einem nicht genutzten Raum übernachten dürfen. Super, das Angebot nehmen wir gerne an und beziehen Quartier in einem kahlen Zimmer in einem verlassenen Teil des Hauses.
Omahuta Forest Track. 15.-16.11.2015
Die Nacht in unserer Kammer war trocken, aber unruhig. Die hintere Seite ist zum Garten hin offen, da das Gebäude erst im Juni zur Hälfte abgebrannt ist. Direkt am Highway gelegen, war es sehr laut vom Verkehrslärm. Die Fenster konnten wir nicht zumachen, weil wir es durch unser Freiluft-Leben nicht mehr gewöhnt sind. Also wurden wir durch die vorbeibrausenden Autos empfindlich in unserer Nachtruhe gestört. Und dann, mitten in der Nacht „Moskitoalarm“. Die kleinen Stechbiester konnten wegen der fehlenden Mauer an der Hinterseite ungehindert eindringen und piesackten uns ordentlich.
Morgens ging es nach einem ausgiebigen Frühstück zunächst ein paar Kilometer an der Straße entlang, danach noch mehrere Stunden über breite Forstwege. Ein Schild an einer Brücke warnt, dass man nicht weitergehen soll, wenn der Wasserstand das Brückenniveau erreicht. Dann muss man eine Umleitung von 42 Kilometer Länge laufen. Der Track durch den Omahuta Forest darf bei Regen nicht begangen werden, da es einige Wasserpassagen zu überqueren gibt. Aber wir haben Glück. Das Wasser reicht nur bis etwa einen halben Meter unter die Brücke. Bisher nieselt es nur leicht, es ist jedoch viel Regen für die Nacht und die kommenden zwei Tage angesagt. Wir wollen versuchen, die gefährlichen Fluss-Durchquerungen heute noch zu schaffen. Nach stundenlangem Marsch führt der Weg endlich steil abwärts zum Mangapukahukaku Stream. Ab hier gibt es wieder nur unverfälschte Natur um uns herum. Die Wanderschuhe werden gegen Sandalen getauscht. Damit laufen wir ca. 2,5 Kilometer durch den Fluss, der heute sehr ruhig dahinfließt und an der tiefsten Stelle etwa knietief ist. Das Laufen im Fluss ist landschaftlich wunderschön, eine richtige Schlucht mit steilen Berghängen rechts und links. Zum Ende hin vereinigt sich unsere Wasserstraße mit dem größeren Waipapa River. Nun nur noch einmal auf die andere Uferseite fjorden, dann haben wir den wetterabhängigen Teil des Trails geschafft. Es folgt ein steiler Aufstieg in den Wald, gefolgt von einer Traverse am rutschigen Abhang. Wir laufen nun lange Zeit direkt parallel ein paar Meter über dem Waipapa River. Hier wundern wir uns über unzählige aufgestellte Tierfallen. Es gibt drei verschiedene Arten von Fallen, und sie scheinen ihren Zweck zu erfüllen. Possums und Wildkatzen sind eine eingeschleppte Plage für Neuseelands Wälder mit ihrer ganz besonderen Tier- und Pflanzenwelt. Wir zählen bis zum nächsten Mittag insgesamt 20 Tiere entlang unseres Weges, die mit Genickbruch in den Fallen haengen. Das ist schon sehr befremdlich, aber es dient sicherlich zum Schutz dieser einzigartigen Flora und Fauna.
Nach einem langen Wandertag mit abwechselnd Sonne und leichtem Regen finden wir einen schönen Platz zum Zelten und freuen uns, dass wir den „gefährlichen“ Teil vom Omahuta Forest so gut hinter uns gebracht haben.
Während der Nacht hörten wir seltsame Tiergeräusche, Knacken und Knistern in den Büschen ringsherum, dazu laute Vogelschreie. Das wird wohl der berühmte Kiwi gewesen sein. Gesehen haben wir noch keinen, da diese Vögel nachtaktiv sind, wir müden Wanderer dagegen meistens eher nicht. Es hat angefangen zu regnen, genau wie vorhergesagt. Müssen das Kunststück vollbringen, im engen Zelt unsere Rucksäcke zu packen und alles möglichst wasserdicht zu verstauen. Da haben wir noch keine Routine drin, es dauert länger als gewöhnlich.
Der Morgen beginnt mit einem steilen Aufstieg auf matschigem Pfad. Nachdem wir eine gute halbe Stunde bergauf geklettert sind, hat Thomas plötzlich einen Geistesblitz : Wo ist eigentlich das Zelt ? Wie blöd, das steht zusammengepackt an einem Baum. Ja, das haben wir bei der morgendlichen Packerei doch glatt an unserem Lagerplatz stehen gelassen. ärgerlich, aber gut, dass wir es jetzt schon bemerkt haben. Das kostet eine Ehrenrunde, ungefähr 2 Kilometer zurück und von Neuem starten.
Wir kraxeln mühsam auf matschigem Pfad in die Höhe bis auf den Pukatea Ridge Track. Dann geht es wieder hinunter, um gleich danach auf die Pirau Ridge anzusteigen. Inzwischen hat es sich ordentlich eingeregnet, es gießt in Strömen. Eigentlich haben wir bereits genug, nachdem wir aus den Wald herauskommen. Kein Platz und auch kein Wetter, um unterwegs Pause zu machen. Also weiter, eine endlos erscheinende Forststrasse liegt noch vor uns. Nach 5 Stunden strammen Laufens erreichen wir das Puketi Forest Headquarter. Ein großer Wander-Parkplatz mit Sanitäranlagen und einer geschlossenen Hütte. Das erwartete Info-Center entpuppt sich lediglich als Info-Tafel, also wenig hilfreich. Ein Zahlencode ist erforderlich, um Einlass in die Puketi Hut zu bekommen. Wir hoffen, dass wir dort die Nacht verbringen und all unsere Sachen trocknen können. Aber auf telefonische Nachfrage bekommen wir leider die Auskunft, dass die Hütte reserviert sei und für eine übernachtung nicht zur Verfügung steht. Eine junge Frau aus der Schweiz, die hier mit ihrem kleinen Camper-Van steht, bietet uns Kaffee und Kekse an, während wir etwas ratlos und frierend vor den Duschen nach einem Plan B suchen. Sehr nett, wir fühlen uns gleich aufgewärmt und wiederbelebt. Schließlich entscheiden wir uns dafür, bis zur Hauptstraße zu laufen und von dort aus in den nächsten Ort zu trampen. Mit unserem durchweichten Zelt und nass bis auf die Unterhosen möchten wir nicht hier bleiben, denn die Wiesen zum Campen stehen bereits jetzt unter Wasser. Und es regnet immer noch …. Das erste Auto hält, während wir an der nächsten größeren Kreuzung unter einem Wegweiser den richtigen Weg in die Stadt herauszufinden versuchen. Ein netter Einheimischer fragt, ob wir uns verlaufen haben. Er möchte uns bis nach Kerikeri bringen, obwohl das eigentlich gar nicht seine Richtung ist. So kommen wir noch zu einer halbwegs anständigen Uhrzeit im Holiday Park an, mieten uns ein Zimmer für 2 Nächte und freuen uns über die warme Dusche, Waschmaschine und Trockner.