Wir segeln und wandern durch die Welt

2. Woche El Hierro

La Frontera ist nach der Hauptstadt Valverde der zweitgrößte Ort auf El Hierro. Er liegt versteckt im Tal hinter hohen Bergen auf der Sonnen-abgewandten Seite der Insel, also die meisten Stunden des Tages im Schatten. Es ist immer kalt, aber als Ausgangspunkt für Wanderungen in alle Richtungen ideal.
Genau einen Tag lang halte ich es in meinem kühlen Zimmer aus. Grauer Himmel, Nieselregen. Verbringe viele Stunden mit Internet und Lesen. Aber so gut kann doch kein Buch sein …. Am nächsten Schlechtwetter-Tag packt mich schon wieder die Unruhe.
La Restinga, der zweite Versuch : Diesmal klappt mein Unternehmen genau nach Plan. Früh aufgestanden, und drei Busse weiter erreiche ich das Dorf ganz im Süden der Insel, welches früher einmal 500 Einwohner zählte. Ein steifer Wind weht, ich starte mit langer Unterhose und Daunenjacke. Es geht von Valverde aus über die Berge, aber von der Carretera de Montañas ist rein gar nichts zu sehen. Nur Nebel, Wolkenfetzen, Regenschleier. Wie gut, dass der Busfahrer den Weg kennt. Und bei diesem Wetter möchte ich nun wirklich nicht hier oben zu Fuß unterwegs sein. Es wird merklich wärmer, sobald wir durch El Pinar hindurch sind. Es fährt wieder ein Mini-Bus, außer mir steigt auf halber Strecke noch ein weiterer Fahrgast ein. Um 10.30 Uhr erreichen wir La Restinga, aber der kleine Ort liegt völlig verlassen da. Die Alten sind wohl größtenteils inzwischen verstorben und die jungen Leute weggezogen. Immerhin scheint die Sonne, aber der Wind ist kalt. Das Meer ist sehr bewegt, die Gischt spritzt mehrere Meter weit. Am Rande der Klippen finde ich eine nette Sandkuhle, nach drei Seiten von einer Mauer aus Steinen umgeben. Hier in der Mulde kann ich gut geschützt die Sonne genießen und auf die Mittagszeit warten. Eigentlich hatte ich vor, in der kleinen Bar am Hafen eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen und dann am späten Nachmittag noch in der Pizzeria einzukehren. Die letzte warme Mahlzeit in einem richtigen Restaurant war in Nelson mit Nina und Fabian, das ist nun schon über zwei Wochen her. Hatte mich sehr auf das leckere Essen im Dorf gefreut, aber leider werde ich enttäuscht. Die Bar an der Promenade hat geschlossen, auch die Pizzeria hat Betriebsferien. Ein einziges Restaurant verspricht auf einem Schild, dass sie ab 17.00 Uhr geöffnet haben. Das ist mir zu spät, denn dann erreiche ich meinen Zeltplatz nicht mehr bei Tageslicht. Und ich fürchte fast, dass sich die kleine Imbiss-Bude an der Cala de Tacorón auch im Winterschlaf befindet. Sicherheitshalber kaufe ich im kleinen Krämerladen ein paar Lebensmittel ein. Brot, Dosenfisch und Bananen. Außerdem habe ich noch eine halbe Packung Kekse, drei Orangen und eine Papaya im Gepäck. Das muss reichen. Dann mache ich eine Rundtour durch den stillen Ort. Ich laufe kreuz und quer alle Gassen ab, verbringe dabei die meiste Zeit am Hafen-Gelände. Mache Fotos vom Travel-Lift und vom Außengelände, wo die Boote an Land stehen. Wer weiß, vielleicht kommen wir hier ja noch einmal hin ….

Natürlich knipse ich auch etliche Bilder von dem Steg, an dem wir unsere Walkabout schon fast verloren geglaubt haben. Das letzte Mal haben wir La Restinga im Oktober 2011 besucht und wurden hautnah Zeugen einer unterseeischen Eruption, die nur ungefähr 2 Kilometer vom Hafen entfernt stattgefunden hat. Am 11. Oktober wurde der gesamte Ort aufgrund des Vulkan-Ausbruchs evakuiert und die Alarmstufe Rot für dieses Gebiet ausgerufen. Nachdem wir noch eine weitere Nacht verbotenerweise an Bord der Walkabout verbracht haben, wurden wir vom Militär entdeckt und nicht gerade freundlich des Ortes verwiesen. Inzwischen hatten wir uns vorbereitet und die Rucksäcke sowie unsere Wertsachen gepackt. Waren drei Tage Wandern, haben im Wald geschlafen und sind dann wieder aufgetaucht, um die Lage zu sondieren. Noch keine Entwarnung – wir durften weitere vier Tage Vollpension und Gastfreundschaft in den Hallen des Roten Kreuzes genießen. Besonders gerne erinnern wir uns an die Solidarität unter den Einheimischen und viele gute Gespräche mit den Dorf-Bewohnern.
La Restinga ist schnell abgegrast. Da die Restaurants offensichtlich nicht zur Mittagszeit öffnen, kann ich mich schon nach wenigen Stunden auf den Weg nach Tacorón machen. Zunächst 6 Kilometer auf einer wenig befahrenen Straße, bergauf und mit starkem Gegenwind – das gibt keinen neuen Geschwindigkeitsrekord. Ich muss aufpassen, dass die Böen mich nicht in den Straßengraben drücken. Nehme die Stöcker zu Hilfe, damit kommt man gleich viel energischer vorwärts. Ich bin froh, als ich über den letzten Hügel bin, denn von da aus geht es nur noch 5 Kilometer abwärts und im Windschatten. Die letzten beiden Serpentinen kann ich mir sparen, ein steiler Pfad durch Geröll führt direkt nach unten. Schon von Weitem sehe ich : keine Tische und Stühle draußen. Es ist Wochenende, schönes Wetter, aber die kleine Snack-Bar hat geschlossen. Dann wird es dort wohl auch morgen nichts zu Beißen geben. Wie gut, dass ich vorgesorgt habe. Auf dem Parkplatz stehen ungefähr 15 Autos. So viel los, das hatte ich nicht erwartet. Aber die Cala de Tacorón gilt als der sonnensicherste Platz auf El Hierro, das wissen nicht nur die Touristen zu schätzen. Mir persönlich ist es entschieden zu voll. Außerdem ist Samstag, da werden eventuell die Einheimischen über Nacht bleiben und Party veranstalten. Und an den Grill-Plätzen gibt es sowieso viel zu viele Kakerlaken. Ich bin gar nicht scharf auf die künstlich angelegten Fels-Terrassen zum Sonnenbaden, sondern biege bereits ein Stück vor dem Weg in die Klippen ab. Es gibt keinen Pfad, aber über die festen Lava-Brocken lässt es sich gut laufen. Eine weit vom Trubel entfernte Bucht lädt zum Bleiben ein. Hier kommt bestimmt Niemand hin …. höchstens das Wasser. Ich werde die Tide in den nächsten Stunden gut beobachten müssen. Von wegen …. Kaum habe ich mich eingerichtet, war eine Runde schwimmen und entspanne mich auf der Luftmatratze, da kommt ein nackter Mann über die Felsen geklettert. So einsam kann wohl kein Ort der Welt sein, dass nicht doch noch ein Mensch um die Ecke erscheint. Ruckzuck bin ich in meine Klamotten geschlüpft, die für so einen Fall immer griffbereit liegen. Der Mann hebt grüßend die Hand und geht tauchen. Wir stören uns einfach nicht aneinander, und irgendwann verschwindet er auch wieder mit einem freundlichen „Adios“. Südwestlich von La Restinga bis hin zum Leuchtturm von Orchilla, befindet sich das 750 Hektar große Meeres-Schutzgebiet Mar de las Calmas. Ein Paradies für Taucher, aber auch sehr gut überwacht und reglementiert. Bin wieder alleine und genieße die milde Luft. Es ist schon fast zu heiß, denn die Sonne hat die schwarzen Lava-Felsen ordentlich aufgeheizt. Aufstellen des Zeltes funktioniert natürlich nicht zwischen den Klippen, aber es verspricht eine ruhige und trockene Nacht zu werden. Luftmatratze, Schlafsack und warme Kleidung, mit der ich ja am frühen Morgen von Frontera losgegangen bin, werden bestimmt ausreichen.

Um 19.00 Uhr ist es bereits zappenduster. Hauptsache, das Wasser steigt nicht zu weit, denn dann muss ich umziehen. Ringsherum gibt es einige getrocknete Pfützen, die aber auch von einem Hochwasser stammen können, das schon länger her ist. Die Sonne hat das Wasser verdunsten lassen, weiße Schichten aus Salz-Kristallen sind liegen geblieben.

Es wird feucht von oben, einige Minuten leichter Nieselregen, wie aus dem Nichts. Dafür wickele ich meinen Poncho um den Schlafsack, so ein bisschen Feuchtigkeit hält der aus. Ganz kurz kommt mir der Gedanke an die riesigen Krebse, die es hier gibt. Habe ein bisschen Angst, dass die mich besuchen kommen und anknabbern. Aber ich bin so müde, dass ich diese Vorstellung beiseite schiebe und einfach einschlafe.

Nachts um 2.00 Uhr werde ich wach. Ich koche förmlich in meinem Daunenjacke-Schlafsack-Poncho-Kokon. Inzwischen ist es sternenklar, kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Und immer noch milde Luft. Allerdings fegen manchmal Wind-Böen durch meine kleine Bucht, die den Poncho flattern und knistern lassen. Der Regenponcho kommt weg. Das Wasser kam zum Glück auch nicht hoch genug, um mich von meinem Platz zu vertreiben. Der Wasserstand ist inzwischen wieder gefallen, da wird nichts mehr passieren. Alles gut. Ich ziehe mich etwas weiter in eine Fels-Nische zurück und schlafe sofort wieder ein. Keine Angst vor Krebsen …. und keine Kakerlaken. 🙂
Tatsächlich schlafe ich durch bis zur Morgendämmerung. Bin sehr erstaunt, weil es schon 8.00 Uhr ist – das waren mal eben mehr als 12 Stunden Schlaf. Viel besser als in meinem kühlen Zimmer in Frontera. Naja, ein bisschen Glück war auch dabei, weil das Wetter sich gehalten hat. :)Meine erste Aktion in der Frühe ist eine Kletter-Partie ohne Gepäck über die Klippen zurück. Oberhalb der Grillplätze gibt es in einer kleinen Felsgrotte frisches Trinkwasser.

Auf dem Parkplatz stehen bereits drei Autos. Oder stehen die da vielleicht immer noch ? Auf jeden Fall bin ich froh darüber, dass ich mein Lager so weit abseits gewählt habe. 🙂 Gegen Mittag ist der Mann von gestern wieder da, diesmal allerdings züchtig mit Bade-Shorts bekleidet. Heute grüßt er noch freundlicher, denn man kennt sich ja bereits. 😉 Wir unterhalten uns kurz über’s Wetter – sehr sinnig. Habe keine Lust auf weiteren Small-Talk und packe meinen Kram zusammen. Ich werde spontan noch eine kleine Höhlen-Besichtigung einschieben. Ganz in der Nähe gibt es einen ausgewiesenen Pfad, der zur Cueva del Diablo führt. Ein Schild warnt vor Steinschlag an diesem Fels-Überhang, aber sicher nicht bei diesen ruhigen Bedingungen. Der Weg verläuft sehr ausgesetzt an der Steilkante entlang, Tritt-Sicherheit und Schwindel-Freiheit sind unbedingt erforderlich. Die Höhle läuft bei Hochwasser voll, auf einen Tauchgang verzichte ich gerne. Von dort aus wandere ich ein Stück auf dem Camino de Tacorón. Dieser untere Teil besteht nur aus losem Geröll. Ein schmaler Pfad, der steil bergauf führt. Sehr mühsam. Laufen auf der Straße wäre zwar etwas weiter, aber dafür einfacher gewesen. Zufällig komme ich an einen Abzweiger, der nach El Pinar führen soll. Laut Schild sind es nur 8 Kilometer auf dem Camino de Pinar. Ich habe noch knapp 3 Stunden Zeit, bis der Bus fährt. Das sollte gut zu schaffen sein. Der Weg steigt natürlich permanent an, dasselbe hätte mich aber auch auf der Straße ins Landesinnere erwartet. Nichts Besonderes, eigentlich ziemlich öde. Bin eine Stunde zu früh in El Pinar und warte gespannt, ob wohl der erwartete Bus kommt. Wenn ich den Fahrplan richtig gedeutet habe, dann gibt es diese Verbindung um 17.30 Uhr nur zur Winterzeit. Ja, es ist Winter, und der Bus hält tatsächlich pünktlich. Einmal Umsteigen in Valverde ohne langen Aufenthalt, so dass ich um kurz nach 19.00 Uhr wieder „zu Hause“ in meiner Pension ankomme.

Das Wetter sieht nicht einladend aus. Trotzdem möchte ich gerne etwas unternehmen. Vor einigen Tagen habe ich in der Nähe des Ecomuseo de Guinea einen Wegweiser zum Natur-Strand nach La Maceta gesehen, den möchte ich gerne ausprobieren. Einige Kilometer bergab, dann zweigt ein Wanderweg ab Richtung Küste. Es geht zwischen winzigen Häuschen hindurch, sehr idyllisch. Man bekommt den Eindruck, dass man den Einheimischen beinahe durch’s Wohnzimmer läuft. Hühner, Hunde und Katzen begleiten mich. Unterwegs werde ich von einem heftigen Regenschauer überrascht, aber ich finde Schutz unter einer Reihe von hohen Palmen. Nach ein paar Minuten ist der Spuk schon wieder vorbei. Es ist gerade Hochwasser in La Maceta. Das bedeutet, die Natur-Schwimmbecken und die Fels-Terrassen werden von den Wellen überspült.

Ein Hinweis auf einem Holz-Schild beschreibt einen Weg zum Charco de los Sargos. Da war ich auch noch nie, das hört sich nach einem netten Spaziergang an. Eine schmutzige Schotterstraße führt in kürzester Zeit zum Ziel. Am Charco de los Sargos ist nichts los. Ein Kiosk, der natürlich geschlossen hat. Auf dem Parkplatz steht ein einziger Wagen. Der gehört zu einem Paar mit Kleinkind, die es sich weiter unten gemütlich gemacht haben. Nachdem ich die unzähligen Stufen hinab geklettert bin, entdecke ich eine sehr schöne Stelle ganz nahe an der Brandung. Viel besser als alle bisherigen Plätze, denn die Fläche ist eben, die Felsen sind rund und glatt, einfach perfekt zum Sitzen. Hier kann man es eine Weile aushalten, zumal jetzt gerade die Sonne von einem strahlend blauen Himmel scheint. 🙂

Eine Stunde später nähern sich dunkle Wolken, anscheinend ist die nächste Regenfront im Anmarsch. Deswegen marschiere ich zurück nach La Maceta, wo ich unter dem Strohdach des Picknick-Platzes trocken sitzen kann. Es gibt nur einen kleinen Schauer, danach wieder Sonne-Wolken-Mix. Zum Warmwerden reicht es nicht so wirklich. Den Rückweg wandere ich teilweise auf dem Camino de Maceta, den Rest entlang der Hauptstraße. Auf den letzten Kilometern regnet es richtig. Aber ich habe abends das Gefühl, diesen „Schlechtwetter-Tag“ bestens ausgenutzt zu haben.

Der „Mirador da Peña“ steht immer noch auf meiner ToDo-Liste. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass man den auch von der Hauptstraße aus begehen kann. Das Ende bzw. der Beginn dieser Wanderung liegt nur wenige Kilometer außerhalb von La Frontera. Von unten ist der Einstieg ganz einfach zu erkennen ( wenn man es weiß ). Aber mein Plan löst sich ganz schnell in Luft auf. Der Camino de la Peña ist wegen Steinschlag gesperrt, und das anscheinend schon länger, so verblichen wie die Schilder aussehen. Der Text steht dort sogar in deutscher Sprache, da kann man sich nicht dumm stellen und einfach loswandern.

Schade, also gibt es keine Kletterpartie durch Schlucht und Felswand. Offensichtlich kann man den Mirador de la Peña nur noch von oben und mit dem Auto erreichen. Umdrehen mag ich nicht, deswegen folge ich einfach irgendwelchen gelb-weißen Zeichen. Dieser Wanderweg bringt mich noch einmal zum kleinsten Hotel der Welt. Von Las Puntas aus geht es über die Bretterstege erneut nach La Maceta. Kurze Unterbrechung mit Unterstellen beim Mirador Playa del Rio, weil ein heftiger Regenguss niedergeht. Sogar ein paar Hagelkörner sind dabei. Der Naturstrand von La Maceta mit seinen Fels-Terrassen ist bei diesem Wetter auch nicht besonders attraktiv. Alles grau in grau. Ich habe noch nicht einmal etwas zum Lesen dabei, weil ich mich ja auf einen strammen Wandertag eingerichtet hatte. Zurück laufe ich durch enge Gassen über die Dörfer, weil die Hauptstraße wegen Bauarbeiten seit heute früh gesperrt ist.

Alle langen Routen auf El Hierro sind abgewandert, eigentlich möchte ich nichts Wildes mehr unternehmen. Morgens früh ahne ich noch nicht, dass es doch wieder ein langer und kalter Tag wird. Ich fahre zunächst mit dem ersten Bus nach Valverde und nehme mir viel Zeit für einen Stadt-Rundgang. Immerhin 5.000 der insgesamt 11.000 Insel-Bewohner leben in der Hauptstadt. Der Wind ist frisch, aber hier scheint wenigstens die Sonne. Habe entlang der kurvenreichen Küstenstraße freien Blick auf den Atlantik und den Hafen Puerto de la Estaca. Phantastisch, wie die bunten Häuschen an die Felswand geklebt sind. Ich staune darüber, dass diese Bauweise am steilen Hang überhaupt möglich ist und noch mehr, dass diese Konstruktionen über viele Jahrzehnte zusammen halten. Ein Besuch in der besten Bäckerei der Insel muss sein, auch wenn der Laden ein gutes Stück weiter unten liegt. Ich kaufe alle Apfeltaschen, die es noch in der Auslage gibt, es sind ja nur vier Stück. Einzig und allein der Juister Bäcker kann einem Vergleich standhalten. Wer dort vorbei kommt, der sollte unbedingt den Bienenstich probieren. 🙂 Bei meinem Spaziergang entdecke ich den offiziellen Beginn des Camino de la Virgen. Nun ist es auch egal, ich habe mir meinen Weg erfolgreich selber gesucht. Der Mirador de la Peña lässt mir keine Ruhe. Einen Versuch werde ich noch wagen. Mit dem Bus möchte ich hochfahren in die Berge bis zum Dörfchen Guarazoca und von da aus weitersehen. Das wird spannend, denn ich habe keine Ahnung, wo ich aussteigen muss. Die Einheimischen im Bus tragen Wollmützen. Der Fahrer und die nette Frau neben mir helfen bei der Wahl der richtigen Haltestelle. Guarazoca ist schnell durchquert. Ich folge der Straße weiter in die Höhe, bis ich mehrere Autos auf einem Parkplatz sehe. Das muss es sein – und richtig. Ich habe den berühmten Mirador de la Peña endlich gefunden. Dieser Aussichtspunkt mit angegliedertem Restaurant wurde komplett von dem Künstler und Architekten César Manrique aus Lanzarote gestaltet. Das perfekt in die Umgebung eingebettete Gebäude aus rötlichem Lavagestein liegt zwischen terrassenförmig angelegten Gärten und beeindruckt durch seine riesigen Fensterfronten. Es wurde 1989 eröffnet und mittlerweile von der Kanarischen Regierung zum Kulturgut erklärt. Eine sehr gepflegte Anlage mit exotischen Pflanzen, mittendrin steht das schicke Restaurant mit einladend offenen Türen.

Ich schaue mir draußen kurz die Speisekarte an. Exclusive Lage, exclusive Aussicht und exclusive Preise. Ein Kaffee kostet das 3-fache von dem, was man in einer Bar an der Straße bezahlt. Darauf kann ich gut verzichten. Der Ausblick ist wirklich toll von hier oben. Ganz deutlich kann ich das kleine Hotel an den Klippen, die Badestelle von La Maceta und den Charco de los Sargos erkennen. Man sieht sogar einen Teil vom verschütteten Pfad des Camino de la Peña. Diesen Weg sollte man wirklich nicht mehr begehen. Gegenüber gibt es eine Kirche und einen kleinen Friedhof. Eine Absperrung und ein auffällig rot-weißes Schild kennzeichnen den ursprünglichen Anfang des Camino de la Peña. Dieses Schild sieht nagelneu aus und spricht eine deutliche Sprache : Wandern verboten ! Einmal Busfahren am Tag ist genug, deswegen beschließe ich, den Rückweg zu Fuß zu machen. Meine Karten zeigen einen Pfad etwas weiter aufwärts, der zur Ermita de la Peña führen soll. Auf dem Weg dorthin fängt es heftig an zu regnen. Ich steige weiter auf, beeile mich und hoffe, dass ich mich in der Kirche einen Moment unterstellen kann. Aber die Ermita de la Peña besteht nur aus einem winzigen Raum und ist abgeschlossen. Durch die Glasscheibe in der Tür sieht man eine Madonna, mit Blumengestecken reich geschmückt, viele Kerzen und einige Bilder mit kirchlichen Motiven an der Wand. Nicht besonders spannend, und leider auch kein Schutz vor dem Regen.

Es sind nur 6 Kilometer bis nach San Andrés, dem höchstgelegenen Ort der Insel. Totale Einsamkeit unterwegs, ich treffe keinen Menschen. Ein paar Ziegen, eine Taubenzucht und ein freundliches Pferd, das sich zunächst ein paar Streicheleinheiten abholt und mich dann eine ganze Weile am Zaun entlang verfolgt. Der Regen hat aufgehört. Es geht immer noch bergauf, und je höher ich komme, umso nebeliger wird es. Sichtweite maximal 20 Meter. Ich folge gelb-weißen Zeichen, denn die sind besser als gar keine Markierung. Immer schön in Bewegung bleiben, denn sonst wird es sofort kühl. In der Nähe von San Andrés kommt mir eine Herde mit etwa 50 Schafen entgegen. Ganz hinten läuft ein einzelner Hirte. Der Mann ist höchst erfreut darüber, dass ich einfach ruhig am Rande stehen bleibe und seine Tiere passieren lassen. Schafe sind so dumm, dass sie in alle Richtungen davonrennen, wenn sie sich ängstigen. Der Hirte bedankt sich überschwänglich bei mir, wünscht einen schönen Tag und verabschiedet sich mit einem „Muy frío“. Ja, ich weiß gar nicht so wirklich, ob ich nun schwitze oder friere. Die Nebelsuppe wird immer dichter, man kann kaum noch die Hand vor Augen sehen. Ich hangele mich von Wegweiser zu Wegweiser, auch wenn nicht immer das draufsteht, wo ich hin möchte. Habe El Hierro jetzt zwei Wochen lang ausgiebig durchwandert und bilde mir ein, dass ich mich anhand markanter Punkte ganz gut orientieren kann. So dachte ich jedenfalls ….. Auf einem Schild in San Andrés lese ich, dass es noch einmal 6 Kilometer bis zum Mirador de Jinama sein sollen. Das ist okay, aber ich staune über die angegebene Richtung. Da habe ich mich total verschätzt und hätte mich wegen der schlechten Sicht beinahe wieder verlaufen. Der Weg führt zwischen Feldern und Nebel hindurch bis zum Aussichtspunkt. Kein Mensch, kein Auto, nichts los. Wen wundert’s ? Man sieht ja auch absolut nichts. Der Wind hat schon fast Sturmstärke angenommen. Die Böen treiben feuchte Wolken vor sich her, Blätter und andere Pflanzenteile wirbeln durch die Luft. Was für eine Schnapsidee, bei diesem Unwetter hier oben alleine zu sitzen ! 😉 Meine Banane ist eiskalt. Inzwischen habe ich Kapuzenpullover und Daunenjacke angezogen, beides zugeschnürt so weit es geht. Die Uhr zeigt 16.15 Uhr – jetzt würde ungefähr der Bus abfahren. Anstatt 3 Stunden zu warten bin ich schon ca. 15 Kilometer gewandert. Brauche eine Pause, bevor ich mich an den Abstieg mache. Nun muss ich nur noch den Camino de Jinama bergab laufen, schätzungsweise 2 Stunden. Auf diesem Pfad kenne ich inzwischen jeden Stein. Es tropft von den Felswänden …. ist das nun Regen oder Nebel ? Die Steine sind feucht, der Weg nach unten ist rutschig. Mir fällt die ständige Ermahnung meines Vaters ein, wenn ich als Kind gerannt oder geklettert bin : Hände aus den Taschen ! Ja, Papa. 😉 Ich erreiche Frontera sogar noch, bevor der Bus ankommt. Bin total nass. Erstmal raus aus den Klamotten und unter der Dusche aufwärmen. Das Wasser kommt hier übrigens ungechlort und so heiß aus der Leitung, dass ich mir morgens meinen Kaffee damit machen kann. 🙂

Auf El Hierro kenne ich inzwischen nicht nur die Wanderwege, sondern auch alle Busfahrer. Mein Bon Viajero-Ticket habe ich gut ausgenutzt, nur noch eine freie Fahrt ist übrig geblieben. Zur Info für die, die es nachmachen möchten : Von Frontera bis La Restinga wird die Karte 3 mal abgeknipst, zurück von El Pinar bis Frontera sind es 2 Fahrten. Es geht nicht nach Länge der Strecke, sondern nach Umsteige-Häufigkeit. Das Bus-System auf den Kanaren ist super, wenn man es einmal verstanden hat. Die Busfahrer sind durchweg sehr nett und hilfsbereit. Es gibt nur einen unfreundlichen Fahrer, der die Flughafen-Linie bedient, und das ist ausgerechnet ein Deutscher.
Die Nachrichten melden Gewitter, sintflutartige Regenfälle und sogar Schnee auf den Nachbarinseln. Da habe ich es doch ziemlich gut getroffen. 🙂 Fazit : Schlechtwetter im Winter auf den Kanaren ist längst nicht so nass wie der diesjährige Sommer in Neuseeland.
Und noch eine weitere Erkenntnis : Urlaub auf El Hierro zusammen mit Thomas war schöner. Es wird höchste Zeit, dass wir uns endlich wiedersehen und in Zukunft gemeinsam an neuen Plänen arbeiten. Ich freue mich auf unser nächstes Projekt. 🙂