Wir segeln und wandern durch die Welt

Longwood Forest-Riverton-Invercargill-Bluff 12.04.2016 bis 16.04.2016

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Longwood Forest – das Schlimmste kommt zum Schluss ?

Wir konnten eine lange Nachtruhe in unserem Prinzessinnen-Zimmer genießen. Nach dem Frühstück gibt es noch eine ausführliche Haus- und Hofbesichtigung, danach bringen Catherine und Ian uns zurück zum Trailhead, wo sie uns gestern eingesammelt haben. Ein ganz herzliches “ Dankeschön “ an unsere netten Gastgeber ! Um 11.00 Uhr starten wir den Longwood Forest Track, der gleich mit 2,5 Kilometern Anstieg beginnt. Eigentlich sind wir schon zu spät dran, um die 28 Kilometer bis zur Martins Hut in diesem schwierigen Gelände zu schaffen. Die nächsten 54 Kilometer sind unsere letzte mit “ hard tramping “ bezeichnete Tour, das bedeutet, es wird noch einmal anstrengend. Außerdem haben wir nur noch diese eine Schutzhütte auf dem Weg nach Bluff, danach müssen wir zelten oder versuchen, unsere Etappen nach den Unterbringungs-Möglichkeiten zu planen. Nach zwei angenehmen Stunden führt unser Weg in den Wald ….. und in den Morast. Von Anfang an präsentiert sich der Longwood Forest nass und rutschig. Wir versuchen zunächst, die größten Pfützen zu umgehen und dem Matsch irgendwie auszuweichen. Aber das erweist sich schon bald als völlig unmöglich. Die Füße sind nass, der Modder läuft uns von oben in die Schuhe. So viel Schlamm hatten wir noch nicht einmal in den schlimmsten Wäldern zu Beginn der Nordinsel. Am Anfang nehmen wir es noch locker, immer mit dem Gedanken “ ist ja bald vorbei „. Aber dann wähle ich eindeutig die falsche Seite des Pfades und versinke bis zum Oberschenkel in einem braunen Tümpel. Igitt ! Davon bin ich jetzt gar nicht mehr begeistert, das ist richtig ekelhaft. Nicht nur Schuhe und Strümpfe, jetzt sind auch noch beide Hosenbeine nass und von Schlamm durchtränkt. Nicht lange danach habe ich wieder Pech und sinke bis zu den Knien ein. Bekomme mein Bein aus eigener Kraft nicht wieder heraus und muss aufpassen, dass ich meinen Schuh nicht verliere. Irgendwie ist das alles gar nicht schön, ich habe überhaupt keine Lust mehr auf diesen Weg. Mag nun nicht mehr vorauslaufen und überlasse Thomas die Führung. Gegen Mittag erreichen wir den Gipfel des Bald Mountain, wo wir einige Arbeiter treffen, die an der dortigen Antennen-Anlage beschäftigt sind. Die Männer sind ausgesprochen freundlich und sehr interessiert an unserer langen Wanderung. Aber hier oben weht ein kräftiger Wind, es ist viel zu kalt, um lange stehen zu bleiben. Im Abstieg suchen wir uns ein halbwegs windgeschütztes Plätzchen an der Straße, wo wir eine dringend nötige Rast einlegen wollen. Aber kaum haben wir uns warme Sachen angezogen, die nassen Schuhe aus und uns auf den Boden gesetzt, da fallen dicke Tropfen vom Himmel. Diese Pause ist uns wohl nicht gegönnt, denn 5 Minuten später schneit es. Schnell packen wir alles zusammen, ziehen die Regenkleidung an und hasten weiter. Ein paar Kilometer bis zu einem Steinbruch können wir zügig voran kommen. Auf dieser Strecke halten insgesamt drei Autos an, die uns mitnehmen möchten bis zum nächsten Ort. So oft sind wir noch nie gefragt worden, ob wir mitfahren wollen. Und jedes Mal antworten wir : “ Nein danke, wir laufen den Te Araroa.“ Die Arbeiter müssen uns für verrückt halten, dass wir es vorziehen, bei diesem Wetter lieber wieder in den Wald zu verschwinden. Um 16.00 Uhr stehen wir beim Steinbruch an einem DOC-Schild, nach diesem sind es noch 6 Stunden bis zur Martins Hut. Das schaffen wir nie im Leben bei Tageslicht, denn es wird jetzt schon ab 18.30 Uhr dunkel. Aber wir haben uns entschieden, dass wir es bis zur Schutzhütte versuchen wollen. Schnell geht natürlich in diesem feuchten Gelände gar nicht gut. Ich falle nochmal auf den Hintern in den Dreck, nun ist auch der letzte Zipfel meiner Hose nass. Habe mir nicht wehgetan, denn man fällt weich im Matsch, aber so langsam habe ich genug von dem Mist. Auf den Ebenen zwischen den Hügeln laufen wir ebenfalls nur im Sumpf. Weiches Moos und Tussock, aber alles steht zentimetertief unter Wasser. Das fühlt sich so an, als wenn man sich auf einem riesigen Schwamm fortbewegt, der unter uns nachgibt. Immer wieder drückt eiskalte Flüssigkeit in die Schuhe, die Füße sind mittlerweile total gefühllos. Etwa in der Mitte der Langwood Range wird es bereits dunkel. Links kann man die Lichter einer großen Stadt erkennen, das müsste Invercargill sein. Rechts sieht man das Meer, die Tasman See, die Colac Bay und den Landzipfel von Riverton. Ausgerechnet hier oben fängt es an zu hageln, das treibt uns noch schneller voran. Inzwischen laufen wir mit Stirnlampen und haben Mühe, den schmalen Pfad im Morast zu finden. Thomas stapft voraus und sucht die sparsamen Markierungen. Ich stolpere im Dunkeln über eine Wurzel und falle nochmal kräftig in den Dreck. Mein Fuß ist in einem Loch hängengeblieben und hält mich fest. Ich bekomme ihn nur wieder heraus, indem ich meinen Schuh ausziehe, den lasse ich erstmal drin stecken. Die Vorderseite ist nun auch ruiniert, meine Handschuhe sind nass, der Rucksack ebenfalls. Jetzt fließen doch noch ein paar Tränen bei mir, die ersten während des gesamten Te Araroa. Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, bin müde und mag gar nicht daran denken, dass wir morgen nochmal so eine Etappe durch den Modder vor uns haben. Eine Stunde Abstieg liegt ebenfalls noch vor uns, steil und rutschig. Inzwischen ist uns alles egal, wir laufen durch jede Pfütze und jeden Matsch. Die Dunkelheit macht uns natürlich noch deutlich langsamer. Aber wir schaffen es bis um 20.00 Uhr zur historischen Martins Hut. Und wir werden für unsere Strapazen belohnt, denn wir haben die Unterkunft für uns alleine. Diese Hütte stammt aus dem Jahr 1905, hat Löcher im Boden und in den Wänden. Die Tür schließt nicht richtig und hat zentimeterdicke Spalten im Holz. Thomas macht ein Feuer im Kamin, aber es kommt nicht so richtig in Gang, weil das Holz zu feucht ist. Zugig und kalt ist es im Inneren, aber immerhin bietet uns die Hütte Schutz vor Regen und Sturm. Trotz der erschwerten Bedingungen haben wir für die Strecke keine 6 Stunden gebraucht, sondern haben es vom Steinbruch aus in 4 Stunden geschafft. Und obwohl wir erst um 11.00 Uhr losgekommen sind, haben wir noch 28 Kilometer bis zur Martins Hut durch übelsten Matsch zurückgelegt. Für mich war dieses der allerschlimmste Tag von insgesamt 9400 gelaufenen Kilometern ( AT 2012, AT 2014 und Te Araroa zusammen ). Morgen kann es eigentlich nur besser werden !

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Die ganze Nacht hindurch prasselte heftiger Regen auf das Dach der Martins Hut. Unsere über 110 Jahre alte Hütte ist uns vorgekommen wie ein Palast. Wir haben sehr gut geschlafen, es war warm genug und trocken. Allerdings habe ich in einem wachen Moment den Gedanken gehabt, dass wir wahrscheinlich am nächsten Tag durch den Matsch schwimmen können. Bitte nicht – ich habe seit gestern wirklich genug von Schlamm und Pfützen ! Und der Anfang des Trails war genau, wie er gestern aufgehört hat. Wieder hinein in den Modder, die Schuhe waren sowieso ruiniert. Wir laufen auf dem Ports Water Race Track. Ein schmaler Pfad führt direkt neben einem künstlich geschaffenen Wassergraben entlang. In den Jahren des Goldrauschs ab 1870 haben die Chinesen die Rechte an diesem Land erworben und hier im Wald eine Stadt gegründet. Dieser Kanal wurde in einer unglaublichen Länge über 25 Kilometer von den Chinesen gegraben, um die Wasserversorgung der Goldgräber und ihrer Familien zu gewährleisten. Die fleißigen Arbeiter haben insgesamt 14 Monate gebuddelt, ihre kleine Stadt existierte etwa 60 Jahre lang. Was für eine unglaubliche Leistung ! Wir sind schwer beeindruckt, während wir Kilometer um Kilometer neben diesem von Menschenhand erschaffenen Kanal abspulen.
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Relikte aus der alten Zeit liegen vergessen und rostig im Wald. Alle paar Hundert Meter sind sogenannte Gullys im Weg, das sind tiefe Einschnitte, die wir hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf klettern müssen. Das geht mal mehr und mal weniger gut, je nachdem, wie steil die Abhänge sind. Rutschig sind diese Passagen durch den vielen Regen, manchmal sind die Gräben auch einfach eingestürzt. An manchen Stellen haben Erdrutsche den Trail ganz verschüttet. Umgestürzte Bäume, über die wir steigen müssen, lassen auf starke Stürme schließen. Manchmal umgehen wir solche Hindernisse und suchen dann unseren Trail auf der anderen Seite wieder. Erstaunlicherweise wird der Pfad nach etwa der Hälfte besser als erwartet. Baumstämme dienen als Brücken über die Gräben. Wir kommen recht schnell voran, ganz im Gegenteil zu gestern. Kleine Vögel begleiten uns die meiste Zeit. Das sind die Fantails, sehr hübsch mit ihrer gelben Brust und ihrem breit gefächerten Schwanz. Von Ian haben wir gelernt, dass diese niedlichen Piepmätze nicht deswegen so zutraulich sind, weil sie den Menschen zum Freund haben wollen. Nein, sie flattern so nahe um uns herum, weil wir für sie die Insekten aufscheuchen. Irgendwann wird uns der Ports Water Race Track ziemlich langweilig. 25 Kilometer sind und bleiben eben 25 Kilometer, und die Landschaft in diesem Moos-Wald ändert sich über viele Stunden nicht. Es ist relativ dunkel und feucht um uns herum. Erst um 16.00 Uhr sehen wir das erste Mal helles Tageslicht, als sich die Baumreihen lichten. Wir haben ungehinderten Ausblick nach links auf die Colac Bay, die wir morgen umrunden werden. Der Longwood Forest ist geschafft, wir sind raus. Sehr schön ! Von da aus haben wir noch 8 einfache Kilometer auf der Straße vor uns, die wir in Rekordzeit absolvieren. Wir erreichen Colac Bay Campingground gegen 18.30 Uhr und werden sehr nett empfangen ( nachdem wir die Schuhe draußen ausgezogen haben ). Der Betreiber fragt, ob wir den Te Araroa laufen und überlässt uns ein schönes Doppelzimmer zum Sonderpreis von 50,- Dollar die Nacht. Als Belohnung für 30 Kilometer in diesem überwiegend schwierigen Gelände lassen wir den Abend in der angrenzenden Taverne ausklingen. Mittwochs gibt es zu jeder Pizza einen halben Liter Bier gratis dazu. Heute ist Mittwoch – die Pizza ist gigantisch lecker, das Bier schmeckt auch gut. Die Waschmaschine kämpft mit unseren Matsch-Klamotten, während wir beim Essen sitzen. Wir hatten das Schlimmste befürchtet, aber es war ein rundum gelungener Tag.
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Riverton – Invercargill – Bluff 14.04. – 16.04.2016  

Heftiger Regen in der Nacht. Wir sind heilfroh, dass wir uns bis hierhin gequält haben.

Ein ruhiger Ort, der zum Bleiben einlädt, supernette Gastgeber und alles perfekt für unsere Bedürfnisse eingerichtet. Der Aufenthaltsraum, die Gemeinschaftsküche, Dusche und Toiletten liegen ganz nahe bei unserem Zimmer. Alles überdacht, so dass man noch nicht einmal nass wird oder schmutzige Füße bekommt, wenn man nachts einmal raus muss. Perfekt ! Aber das Wetter sieht einladend aus, morgens ist es trocken und windstill. Ideale Bedingungen für die vor uns liegenden 10 Kilometer am Strand, deswegen trennen wir uns schweren Herzens von diesem gemütlichen Platz. Der Tihaka Beach Track liegt vor uns. Endlich wieder am Meer ! Die Luft tut gut, die Morgenstimmung an der Colac Bay ist wunderschön. Heute haben wir die Wahl : Entweder wir geben Gas und schaffen ganze 42 Kilometer bis nach Invercargill, oder aber wir lassen es entspannt angehen und werden gegen Mittag in Riverton eine Bleibe suchen. Zelten möchten wir nicht mehr. Die Nächte sind inzwischen einfach zu kalt geworden. Unser Zelt haben wir vor 4 Tagen nass eingepackt und seitdem auch nicht mehr trocken gekriegt. Lieber richten wir unsere Tagesetappen nach den Orten, in denen wir möglichst günstig, aber warm und trocken, unterkommen möchten. Schon bald wird uns klar, dass wir es nicht bis nach Invercargill schaffen werden. Wir haben überhaupt keine Lust, in den letzten Tagen noch weiter zu stressen. Der Tihaka Beach ist kein flacher Sandstrand, an dem man schnell vorwärts kommt. Wir laufen über Kieselsteine in allen Größen, dazu sinken wir am Flutsaum immer wieder mit den Füßen ein, so dass wir auf keinen Fall unsere gedachten 5-6 Kilometer pro Stunde machen können. Deswegen lassen wir es gemütlich angehen und nehmen uns nur die Strecke bis Riverton vor. So können wir diesen Strand-Spaziergang bei gutem Wetter richtig genießen. Wir klettern über die Klippen am Ufer und staunen über die bizarren Felsen, in die das Meer tiefe Rillen gewaschen hat. Zwischendurch geht der Weg immer mal wieder bergauf und verläuft über Hügel mit Weideland. Hier oben weht ein strammer Wind. Die Schaumkronen auf dem Wasser verraten uns, dass wir mindestens 6 Windstärken haben. Bäume und Büsche sind von der Naturgewalt seltsam zur Seite gebogen, als würden sie sich vor dem Wind ducken. Es herrscht wirklich ein rauhes Klima hier im Süden. Unsere Freunde Claudia und Jürgen von der “ La Belle Epoque “ haben kürzlich erst ganz Neuseeland umrundet, indem sie an der Pazifikküste im Osten hinunter bis nach Bluff und auf der Westseite durch die Tasman See bis nach Cape Reinga im Norden gesegelt sind. Eine bemerkenswerte Tour abseits der gewöhnlichen Segelrouten – starke Leistung, wie uns heute ein Blick auf den aufgewühlten Ozean verrät. Wir spielen “ Urlauber “ und bummeln die Küste entlang, so langsam, wie man nach 2900 Kilometern strammen Laufens eben gehen kann. Sogar zum Muscheln suchen nehmen wir uns Zeit. Wir finden einige schöne Exemplare, die wir die nächsten 90 Kilometer im Rucksack tragen werden. Ein Neuseeland-Falke mit braun-weissem Gefieder zieht am Himmel seine Kreise. Der kann mit bis zu 230 Kilometern in der Stunde fliegen und soll damit der weltweit schnellste Vogel sein. Leider ist die Population rückläufig, da er am Boden nistet und seine Eier oft von Räubern gefressen werden. Das letzte Stück des Weges führt durch Mores Reserve, einen Park mit einem gut gepflegten Weg durch besonders schönen Wald. Es handelt sich um ein Renaturierungsprojekt, welches von drei engagierten Männern ins Leben gerufen und von der Bevölkerung sehr gut angenommen und weitergeführt wurde. In einem etwas angestaubten Backpackers mieten wir uns ein Zimmer für die Nacht und verbringen einen ruhigen Nachmittag. Zum Abend hin wird der Sturm immer stärker, heftig rüttelt der Wind an den Fensterscheiben. Wir sind glücklich über unsere Entscheidung, die letzten Nächte nicht im Zelt zu verbringen. Hier können wir die Heizung anstellen und entspannt dem Prasseln des Regens lauschen. Morgen werden wir es dann ganz sicher bis Invercargill schaffen.
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Voll motiviert starten wir morgens um 11.00 Uhr unsere Wanderung von Riverton nach Invercargill. Früher ist es wegen der Tide nicht möglich, den Oreti Beach Track zu laufen. Zwei Stunden nach Hochwasser geht der Weg bequem am Wasser entlang. Erinnerungen an den Ninety Mile Beach werden wach, dort, wo alles begann. Nach unserem Start von Cape Reinga sind wir ganze vier Tage lang nur am Sandstrand gelaufen und haben uns die ersten Blasen geholt. Ist das wirklich schon mehr als fünf Monate her ? Heute liegen zunächst 22 Kilometer auf feinem Sandstrand vor uns, ganz so, wie wir ihn von zu Hause aus kennen. Ein gewaltiger Unterschied zu Norderney : keine Touristen und keine Hunde-Spaziergänger weit und breit. Unglaublich, diese Stille und Einsamkeit ! Rechts von uns liegt die Tasman See, in der Ferne ist die Silhouette von Stewart Island am südlichen Horizont zu erkennen. Zur linken Seite befindet sich eine flache Dünenkette, dort wächst der Strandhafer. Austernfischer und Möwen spazieren am Flutsaum und picken nach Futter, auch dieser Anblick ist nichts Neues für Insulaner. Etwas Besonderes sind allerdings die schwarzen Schwäne, die von hier aus nach Norden in die Wärme fliegen. Und wieder können wir einen Falken am Himmel beobachten, der offensichtlich auf Beute aus ist. Zwei verrostete Auto-Wracks stehen leicht eingegraben bei ablaufendem Wasser im Sand, entweder falsch geparkt oder absichtlich hier zum Verrotten “ vergessen „. Ein niedlicher Heuler liegt am Flutsaum. Der sieht gesund und munter aus, wir gehen in möglichst weitem Abstand dran vorbei. Ein Stück weiter sehen wir eine größere Robbe, die munter in den flachen Wellen schwimmt und taucht. Das Wetter ist genau richtig für diese Etappe. Die Sonne scheint, und wir genießen die frische Seeluft. Erst nach 15 Kilometern Strand-Spaziergang treffen wir die ersten Menschen. Es sind einheimische Fischer, die hier nach essbaren Muscheln suchen. Mit von der Partie sind auch zwei Männer aus Tonga und Samoa ( in traditioneller Kleidung und barfuß ), die offensichtlich die “ grobe Arbeit “ erledigen. Wir unterhalten uns eine Weile mit den Fischern, die sichtlich erfreut über unser Interesse und die Abwechslung sind. Bis hierhin sind wir mit beinahe trockenen Schuhen gekommen, obwohl einige kleine Ströme unseren Weg gekreuzt haben. Der Waimatuku Stream ist allerdings zu breit, da gehen wir knöcheltief mit nackten Füßen durch. Eiskalt ist das Wasser, es lädt nicht zum Baden ein. Uns kommen ein paar Reiter mit Pferde-Sulkys entgegen. Das sieht einfacher aus als selber laufen – ist aber sicher auch kalt, denn schließlich bewegen sich nur die Pferde. Pause machen ist frisch, da muss man schon Pullover, Mütze und Handschuhe anziehen. Um 18.00 Uhr erreichen wir Invercargill, in nur 7 Stunden sind wir unserem Ziel 32 Kilometer näher gekommen. Wir verlassen den Trail in Richtung Innenstadt und mieten uns für die Nacht im Tuatara Backpackers ein. An der Rezeption werden wir sehr nett empfangen, der Preis für ein Zimmer mit Gemeinschaftsbad ist okay, und es ist erstaunlich sauber überall. Ein Glücksgriff sozusagen, da wir nicht reserviert haben und jedes Mal von unserer Unterkunft überrascht werden. Gelaufen sind wir genug, das Tagesziel ist erreicht. Ganz in der Nähe gibt es ein “ Little India „, da gönnen wir uns ein leckeres Abendessen. Ganz wie zu Beginn, als wir vor dem Start des Te Araroa drei Tage in Auckland verbracht und dort das “ Little India “ entdeckt haben. So langsam schließt sich der Kreis. Nur noch 1-2 Tage liegen vor uns, da kommen schon einige melancholische Gedanken auf.
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Der Plan für heute : 34 Kilometer bis nach Bluff durchlaufen, wenn das Wetter sich hält. Angesagt sind viel Wind und Regen, aber vielleicht können wir schneller sein und das Ziel erreichen, bevor uns die Front einholt. Beim Frühstück im Gemeinschaftsraum erleben wir eine nette Ueberraschung, denn wir treffen einen alten Bekannten wieder : Jürgen, der seit fünf Monaten mit dem Fahrrad durch Neuseeland reist und nebenbei die “ Great Walks“ wandert. Kennengelernt hatten wir ihn auf unserer einwöchigen Kanu-Tour, wo wir auf mehreren Campingplätzen gemeinsam gezeltet haben. Danach gab es noch ein zufälliges Wiedersehen im Wanganui Holiday Park, alles Mitte der Nordinsel ….. und jetzt hier im Backpackers in Invercargill, ganz am Ende der Südinsel. Die Welt ist klein, Neuseeland ist noch kleiner. Wir trinken natürlich einen Kaffee miteinander und tauschen die Erlebnisse der letzten Wochen in Kurzform aus, dann verabschieden wir uns wohl zum letzten Mal voneinander. Der heutige Weg wird nicht besonders attraktiv sein, das wissen wir aus unseren Planungs-Unterlagen und von anderen Hikern. Zunächst starten wir mit 10 Kilometern auf dem Estuary Walkway, der zwischen der Küste und der Hauptstraße aus dem Boden gestampft wurde. Schön ist das hier nicht, aber immerhin besser als das, was noch kommen wird. Zwischen uns und dem Ende des Trails in Bluff liegen nämlich nervtötende 16 Kilometer entlang der Interstate, natürlich ohne Fußgänger-Streifen. Thomas bastelt wieder seinen Abstandshalter aus Stock und gelbem Flattertuch, den er sich quer hinter den Rücken klemmt. Damit kommen uns die Autos hoffentlich nicht ganz so nahe, wir möchten nicht am letzten Tag auf dem Highway nach Bluff angefahren werden. Der Verkehr ist enorm, alle fahren schnell, sogar Trucks, Abschleppwagen und Autos mit Boots-Anhängern brausen dicht an uns vorbei. Ich schalte mein Gehirn ab und versuche, diese Strecke möglichst schnell hinter mich zu bringen. Thomas bekommt die Hasskappe und schimpft auf die “ Erfinder “ des Te Araroa. Irgendwann ist es vorbei, ein Wegweiser bedeutet uns, dass wir die Interstate jetzt verlassen dürfen. Der Ortseingang Bluff liegt vor uns, aber unser Weg geht nach rechts über Hügel und Klippen um den äußersten Landzipfel herum. Ein letztes Mal bergauf, ein letztes Mal über Weiden mitten durch die grasenden Kühe hindurch. “ Moin Mädels !“ ruft Thomas den glotzenden Wiederkäuern zu. Die Stimmung bessert sich zunehmend, ebenso nimmt der Wind zu. Es bläst uns fast von den Steinen, aber es bleibt immer noch trocken. Wir kommen zu einem Aussichtspunkt, an dem ein Monument an ein Flugzeug-Unglück aus dem Jahre 1998 erinnert. Eine kleine Privatmaschine ist damals nur 1,8 Meilen von Bluff entfernt ins Meer gestürzt, dabei sind fünf Menschen ums Leben gekommen. Wir laufen knapp 8 Kilometer auf dem Foveaux Walkway entlang der Südküste um Bluff Hill. Dann ist es vollbracht, wir können den magischen Wegweiser sehen. Das ist Stirling Point, der südlichste Punkt des Te Araroa. Wir haben ganz Neuseeland “ end to end “ durchwandert. Das sollte eigentlich ein ganz besonderer Moment sein, voller Emotionen, Stolz, Rührung, Tränen ….. aber die Wirklichkeit sieht leider mal wieder ganz anders aus. Wir trauen unseren Augen nicht, als wir gegen 18.00 Uhr müde und verschwitzt nach 34 heute gelaufenen Kilometern endlich am Ziel ankommen. Das darf doch nicht wahr sein ! Dort steht ein Reisebus an der Straße, und draußen tummeln sich etwa 30 flinke Asiaten. Die posieren und hampeln alle vor “ unserem “ Wegweiser herum, machen das Victory-Zeichen und fotografieren Selfies ohne Ende. Dabei haben die noch nie im Leben etwas vom Te Araroa gehört. Wir sind ernüchtert, erschüttert, enttäuscht und können es nicht fassen ! Wir sind jetzt hier, und die Asiaten mit ihrem Reisebus sind einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Es erscheint uns alles so unwirklich und grotesk, wie in einem schlechten Film. Wir wollen schon ohne ein Sieger-Foto von dannen ziehen, weil uns die Situation so blöd vorkommt.
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Aber ein junges Paar rettet uns den Tag, indem es uns anspricht und fragt, ob wir gerade den Te Araroa beendet haben. Dann werden wir von ihnen so herzlich beglückwünscht, dass wir es doch endlich begreifen können. Das ist lieb, das klingt ehrlich, sie freuen sich mit uns. Auf den nächsten zwei Kilometern bis ins Dorf beginnt es zu regnen. Aber wir haben es geschafft, nun ist es uns egal, ob die Rucksäcke nass werden. Wir möchten gerne die Nacht im Bluff Backpackers absteigen, aber dort ist alles komplett ausgebucht. Damit haben wir nun überhaupt nicht gerechnet, weil wir doch in den letzten Unterkünften fast immer die einzigen Gäste gewesen sind. Das ist ja nun wieder dumm gelaufen ! Wir überlegen kurz, ob wir ein teureres Hotelzimmer nehmen oder lieber gleich per Anhalter zurück nach Invercargill sollen. Die jungen Leute, die uns vorhin am Stirling Point so herzlich gratuliert haben, sind kurz vor uns eingetroffen und haben das letzte Zimmer gemietet. Nun bestehen sie darauf, dass wir ihren Raum bekommen, weil wir so müde und nass aussehen. Die Beiden sind mit einem Leihwagen unterwegs und fahren dann einfach gleich zurück nach Invercargill. Aber vorher laden sie uns noch auf ein Bierchen im Gemeinschaftsraum ein und möchten, dass wir vom Trail erzählen. Ein anderes Mädel, ebenfalls sehr nett und mit Work & Travel-Visum in Neuseeland, mischt sich ins Gespräch ein. Es gibt Bier und Chips, also doch noch eine kleine Party ! Ein Franzose möchte morgen den Te Araroa starten und von Süden nach Norden laufen. Oh Mann – der Typ hat überhaupt keine Ahnung und keine vernünftige Ausrüstung ! Kein Zelt, keine Stöcker, keine Karten und keinen Plan. Im DOC-Büro hat man ihm erzählt, er könne ganz einfach immer von Hütte zu Hütte laufen. Die Leute, die dort sitzen und solche Auskünfte geben, sind noch nie länger als ein Wochenende in Neuseeland gewandert. Wir geben ihm einige Tipps, unsere Karten und letzten Buchseiten kann er auch mitnehmen. Dann schenken wir dem naiven Franzosen noch meine Hiking-Stöcker, über die er sich mächtig freut. Das andere Paar überlassen wir dem Betreiber des Hostels zum Verleihen oder Verschenken. Unser Zimmer ist günstig, nur 45,- Dollar die Nacht, aber eher für nicht so verwöhnte Gäste eingerichtet. Bettwäsche gibt es nicht, die müsste man extra bezahlen. Unser Raum hat zwei Türen und kein Fenster. Die Vorhänge an den Türen kann man von außen zur Seite schieben und hineingucken. Alte Möbel, bunt zusammengewürfelt, Tücher und Farbe an den Wänden. Es gibt eine Toilette innen für -zig Leute, eine weitere im Außenbereich. Die Dusche sieht nicht so aus, als ob ich sie benutzen möchte. Heute möchten wir nur noch schlafen und packen ein letztes Mal unsere Schlafsäcke aus. Morgen werden wir dann früh sehen, dass wir zurück nach Invercargill kommen und uns ein schönes Zimmer im Tuatara mieten.
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