Wir segeln und wandern durch die Welt

Great Smokey Mountains ab 22.04.2012

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22.-24.04.2012  Bodenfrost mit ice-grass, Schnee auf dem Zelt, Eis am Schlafsack, Eiszapfen an den Felsen. Wir benutzen unsere Ersatzsocken als Handschuhe. Brrr !

26.04.-27.04.2012  Regentage, Gewitter, alles ist feucht, wir haben nichts Trockenes mehr zum Anziehen. Aber wir sehen unsere erste Schlange im Laub am Wegesrand. Es ist eine braungemusterte, etwa 70 Zentimeter lange, giftige Copperhead.

28.04.-05.05.2012  Great Smokey Mountains National Park. Hier braucht jeder zum Zelten eine Camping-Permit. Alle, die nur ein paar Tage oder Wochen wandern oder nur einen Teil des Appalachian Trails laufen, muessen Reservierungen fuer die Shelter (Schutzhuetten) machen. Aber fuer Thru-Hiker, die den ganzen Weg an einem Stueck machen, werden immer 4 Plaetze freigehalten, damit sie einen Schlafplatz im Trockenen haben. Es gibt im ganzen Nationalpark nur zwei erlaubte Plaetze zum Zelten. Da Thomas Probleme mit seinen Fuessen hatte, wollten wir eigentlich nur noch halbe Tagesetappen wandern. Allerdings ist der erste Campingground 113, an dem wir eigentlich uebernachten wollten, wegen Baerenaktivitaeten gesperrt. So muessen wir uns zu den schon gelaufenen 9 Meilen noch 5,4 Meilen weiterquaelen bis zur Mollies Ridge Shelter. Wir machen am gesperrten Platz eine lange Pause und sehen dort tatsaechlich unseren ersten Schwarzbaeren in einiger Entfernung. Bis dahin hatten wir immer nur Spuren auf dem Weg gesehen, Exkremente und manchmal den typischen Wildgeruch in der Nase gehabt. Abends lernen wir dann Jonathan kennen. Er ist ein Original, der ueber sich selbst lachen kann. Er sagt von sich: „I am lazy and I am slow.“ Ausserdem ist er Koch aus Leidenschaft und startet jeden Abend seine cooking-show. Jeden Abend braut er sich sein Abendessen aus Fluessigei, Tunfischpaste, vielen Tueten und diversen Gewuerzen zusammen. Das Ergebnis sieht zwar scheusslich aus, aber Jonathan nennt es „eatable“.

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29.04.2012  Wir sehen unseren ersten maennlichen Riesen-Turkey, etwa 1,50 Meter gross. Sehr beeindruckend ! Der Great Smokey Mountains National Park verwoehnt uns mit superschoener, abwechslungsreicher Landschaft und Bilderbuchwetter. Hier moechten wir gerne noch einmal hinkommen.

30.04.2012  Riesen-Turkey, diesmal weiblich. Ausserdem kommen wir an den hoechsten Punkt auf dem Appalachian-Trail. Das ist der Clingmans Dome mit 6643 Fuss Hoehe. Wir steigen auf die Aussichtsplattform, aber die Aussicht haut uns nicht um. Wir haben schon so viele schoene Dinge gesehen ! Obwohl wir fuer 5 Tage Essen eingekauft hatten, gehen unsere Vorraete schon am 3. Tag wieder zur Neige. Deshalb beschliessen wir, am naechsten Tag in die Stadt Gatlinburg zu trampen. Wir haben staendig riesigen Hunger ! Man kann gar nicht so viele Kalorien zu sich nehmen, wie man beim Laufen verbraucht.

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01.-03.05.2012  Gatlinburg ist grossartig ! In unserem Buch wird es als „Touristen-Mekka“ beschrieben. Und tatsaechlich vereint diese Kleinstadt alle amerikanischen Klischees auf engstem Raum in sich. Ausserdem wohnen wir in einem netten Hiker-Hostel fuer ganze 32,- USD pro Appartement und Nacht, das sind nur etwa 25,- Euro. Wer da nicht laenger bleibt, der ist selber schuld. Wir verlaengern eine Nacht und nehmen hier gerne unseren ersten Zero-Day. So wird ein Tag genannt, an dem man null Meilen auf dem Trail macht.

Hier muessen wir uns leider schon von einigen Bekannten verabschieden: Ruth hat Probleme mit den Knien und wird nach Main fliegen. Auch Jonathan faehrt nach Hause. Er hat Blasen an den Fuessen  und einen wundgescheuerten Ruecken vom Tragen seines Rucksackes.

04.-05.05.2012  Dauerregen, jeden Morgen von 8 bis 11 Uhr etwa 3 Stunden lang ergiebiger Niederschlag. Wir warten gemuetlich in der Shelter ab, bleiben lange im Schlafsack liegen und Fruehstuecken dann ausgiebig im Trockenen. Abwarten und Tee trinken ! Die Davenport Gap Shelter ist die letzte Schutzhuette, die noch mit einem Baerengitter versehen ist. Es ist immer dunkel darin und man fuehlt sich wie im Gefaengnis, wenn nachts die Tuer ins Schloss faellt.

Nachdem wir den Nationalpark hinter uns haben, machen wir mittags einen kleinen Abstecher zur Standing Bear Farm. Wir werden dort von einem schmuddeligen Alt-Hippie mit Bierdose in der Hand empfangen. Er bringt uns zu seinem kleinen Tante-Emma-Laden mit den Worten “ Help yourself “ , dann laesst er uns da alleine stehen. Wir sollen die genommenen Artikel auf einem Zettel notieren und das abgezaehlte Geld in einem Umschlag hinlegen. So einfach ist das !

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06.05.2012  Nachmittags versperrt uns eine schwarze, glattglaenzende Schlange komplett den Weg. Es ist eine nicht sehr giftige Black Racer. Sie ist mehr als 1 Meter lang und laesst sich auch dann nicht stoeren, als wir sie mit kleinen Stoeckchen bewerfen. Schliesslich verkriecht sie sich doch und laesst uns vorbei.

07.05.2012  Wir wandern zum ersten Mal bis in die Dunkelheit hinein. Auf dem Weg zur Roaring Fork Shelter muessen wir ueber den Max Patch Summit laufen. Beim Aufstieg bietet sich uns eine phantastische Aussicht: Vollmond auf der einen Seite des Berges, auf der anderen Seite gleichzeitig ein tiefroter Sonnenuntergang. Aber es ist windig und bitterkalt dort oben. So laufen wir schnell mit Stirnlampen weiter und erreichen gegen 21.30 Uhr die Shelter, wo ein paar junge Leute bereitwillig zusammenruecken. An diesem Tag schaffen wir 18,7 Meilen, das sind immerhin fast 30 Kilometer. So weit sind wir bisher noch nie an einem Tag gelaufen.

08.05.2012  Hot Springs ist eine richtig nette Kleinstadt, die direkt auf dem Appalachian Trail liegt und eigentlich nur aus einer einzigen Strasse besteht. Es gibt dort einen guten Outdoor-Ausruester, einen Waschsalon, ein Post-Office, eine Stunde freies Internet in der Buecherei und einen Dollar-General-Supermarkt, in dem man billig einkaufen kann. Also alles, was das Hiker-Herz begehrt. Thomas kauft sich hier neue Wanderschuhe und wirft seine alten Schuhe vor dem Outfitter-Laden in die Muelltonne. “ Dead Boots “ sagt der Inhaber des Ladens dazu. Abends essen wir in der Taverne gegenueber leckeren Salat, Cheeseburger mit Tacos und einer extra Portion-Pommes, dazu gibt es Bier. Und es sind fast alle da ! Wir treffen unheimlich viele bekannte Leute wieder.

09.05.2012  Regen, Regen, Regen – weil es so kalt und nass ist, wandern wir ohne Fruehstueck erstmal 4 Stunden durch. Pause machen wir erst nach 8,6 Meilen in der vollen Little Laurel Shelter. Es haengen dort eine Menge Leute herum, die alle nicht motiviert sind, bei diesem miesen Wetter zu laufen. Ja, einige scheinen dort sogar zu „wohnen“. Nach dem Essen und Ostfriesentee zum Aufwaermen geht es noch einmal 4 Stunden ohne Anzuhalten weiter. Ziel ist eigentlich, die Nacht in der naechsten Shelter trocken zu verbringen. Aber dort bietet sich uns das gleiche Bild: viel zu viele Hiker auf zu engem Raum. Also laufen wir daran vorbei und muessen unser Zelt  irgendwo im nassen Kraut aufschlagen. Abends ist es schon dann wieder so kalt, dass wir mit langer Unterwaesche in die Schlafsaecke kriechen. Immerhin haben wir so trotz der schlechten Verhaeltnisse 18,3  Meilen geschafft, waehrend andere den Regen in den Schutzhuetten aussitzen.

11.05.2012  Morgens ist es noch immer sehr kalt,  wir gehen ohne Fruehstueck los. Aber schon nach ein paar Meilen erreichen wir ein wunderschoenes Hochplateau mit Grillplatz, gruener Wiese, super Aussicht und Sonnenschein. Hier gibt es die erste Pause mit den letzten Tortillas und Cornflakes-Resten.

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Eine weitere tolle Ueberraschung erwartet uns am Spivey Gap nach 6,6 Meilen: Hinter einem plaetschernden Bach steht eine grosse Thermo-Box mit Eiswuerfeln, Cola, Sprite usw. – ein weiterer Fall von “ Trail Magic „. Daneben liegt ein Zettel mit den Worten: „Enjoy! Happy Trails ! “ unterzeichnet mit  “ firefly 30 „.  Wir breiten unsere Iso-Matten aus, knabbern Nuesse und unseren letzten Rest Kaese und geniessen dazu jeder 2 Dosen Cola.

Abends schlagen wir unser Lager an einem verlassenenWaldweg auf. Wir werden durch ein ungewoehnliches Geraeusch geweckt. Ein Blick aus dem Zelt, wir trauen unseren Augen kaum: ein Quad kommt mit Hoechstgeschwindigkeit auf der an unseren Zeltplatz angrenzenden Dirty Road angedonnert, wendet direkt neben uns und braust wieder davon. Sehr seltsam, wo wir doch sonst immer nur die Geraeusche des Waldes und der Tiere um uns haben. In dieser Nacht schlafen wir dann nur noch unruhig weiter.

13.-15.05.2012  Rainy, foggy, muddy days ! Wir laufen tagelang durch Pfuetzen und Modder, von oben und von unten nass. Kommen wegen der schwierigen Verhaeltnisse auch nur noch langsam voran. Einen Tag kapitulieren wir nach 9,2 Meilen, am naechsten Tag machen wir auch nur 12 Meilen. Nee, so macht das Wandern keinen Spass.

17.05.2012  Wir sind schon um 6.50 Uhr unterwegs, weil wir nach Damascus zum Hiker-Festival wollen. Der Tag faengt mit Nebel und Matsch an, aber es bleibt trocken. Gegen Mittag setzt sich die Sonne durch, und wir machen eine schoene Pause auf dem Hochplateau „Doll Flats“. Gruene Wiese, Sonne, Schuhe aus – was will man mehr ? Und wer frueh aufsteht, der kommt auch frueh an. Wir erreichen schon gegen 15.30 Uhr das Hiker-Hostel Kincora, bis dahin haben wir schon 15,6 Meilen hinter uns gebracht. Da es noch ca. 50 Meilen bis nach Damascus sind, die wir zu Fuss nicht mehr puenktlich schaffen, fragen wir nach einem Shuttle. Der Inhaber des Hostels bringt uns fuer 55,-  USDollar dorthin, und wir schlagen unser Zelt in Tent-City auf, kurz bevor ein maechtiges Gewitter mit starkem Regen ausbricht.

18.-20.05.2012  Damascus Trail-Days, das ist ein Hiker-Festival, an dem alle teilnehmen, die in diesem Jahr auf dem Trail sind oder den AT irgendwann einmal gelaufen sind. Man trifft alle Leute wieder, die einen irgendwann mal ueberholt haben und auch diejenigen, die langsamer laufen und jetzt hinter uns sind. Es ist eine sehr schoene Atmosphaere in dieser kleinen Stadt. Die Anwohner sind uns gegenueber sehr wohlgesonnen. Alle sind freundlich und hilfsbereit, denn die Wanderer sind gerngesehene Gaeste. Herausragend bei diesem Festival sind die Leistungen der Kirche, die mit vielen fleissigen Helfern ein umfangreiches Gratis-Angebot bereitstellt. Die “ Hat-Angels “ laden uns zu Kaffee, Cookies und Schokolade mit Marshmallows auf ihre Terasse ein. Sie haben bunte Muetzen gehaekelt und verschenken diese an alle Hiker. Ich kann mich zum Glueck erfolgreich dagegen wehren: “ No, thank you. I never wear a hat, not even in winter.“ Man bekommt umsonst Fruehstueck, Mittagessen, Abendessen und Kuchenbuffet. Ausserdem bietet die Kirche kostenlose Duschen an, Internet, Haareschneiden, Reparaturservice, Naehen der defekten Kleidung, Medical-Screening mit Behandlung ( meistens Fuesse verarzten ) sowie einen Gratis-Shuttle zurueck zum Trail und vieles mehr. Wirklich unglaublich, was hier alles fuer die Hiker getan wird, damit diese Tage ein voller Erfolg werden ! Weiterhin kann man Vortraege besuchen, Contra-Dance lernen, es gibt mehrere Buehnen mit Life-Musik und Talentshows, viele Buden mit Angeboten der Ausruester-Firmen. Geschenke wie Wandersocken, Blasenpflaster, Trail-Mix zum Selbermischen und viele, viele Tueten mit  zusammengestellten Sachen, die wir gut gebrauchen koennen. Alles gratis, es wird einem beinahe aufgedraengt. Wir geniessen hier ein freies Wochenende in lockerer Atmosphaere und mit netten Leuten. Am Sonntag lassen wir uns vom Kirchen-Bus an der Stelle absetzen, wo wir den Trail verlassen haben. Es fehlten uns ja noch 50,7 Meilen, und wir wollen schliesslich jeden Meter gehen ! So kommt es, dass wir am Dienstag abends noch einmal nach Damascus einlaufen. 26,1 Meilen sind wir an diesem Tag gewandert, das sind tatsaechlich 41,76 Kilometer.