12. Tag Hiking on
Samstag, 29.03.
Heaviest rain ever – ever – ever !
Trotzdem quäle ich mich bis zur ersten Shelter, die natürlich rappelvoll ist. Mein Fuß pocht.
13. Tag – Snow in the morning
Sonntag, 30.03.
Na, mein Bedarf an Shelter ist für die nächste Zeit wieder gedeckt. Es war eng und kalt und hart. Gestern war noch lange munteres Geplauder im Gange, so dass an Schlafen nicht früh zu denken war. Habe lange Tagebuch geschrieben und mich dann weiter mit Lesen beschäftigt. Thoreau’s Walden – ziemlich zäh, was der da so über Wald und die Natur philosophiert. Heute in der Nacht wusste ich dann auch, warum der Schlafplatz neben dem älteren Mann als Einziger noch frei war : Zum Einen hat der neben mir so geschnarcht, als wollte er den ganzen AT abholzen. Außerdem litt er ganz furchtbar unter Blähungen, d. h. gelitten hat ja wohl nicht er, sondern eher die Anderen. Und ich direkt daneben – der Hauptgewinn sozusagen. Des Weiteren ein ständiges Husten, Rascheln, Lampe an, Pipi machen usw.
Und kann mir bitte mal jemand erkäeren, warum in einer Shelter die ersten Leute schon um 6 Uhr aufstehen, anfangen zu Knistern und sich laut unterhalten müssen ? Dieselben Menschen sitzen dann 3 Stunden später immer noch in geselliger Runde am Picknick-Tisch. Ich verstehe das nicht. Habe mir solange wie möglich meinen Schlafsack über die Ohren gezogen und mich tot gestellt. Meine Haferflocken zum Frühstück habe ich ebenfalls noch im Schlafsack sitzend gegessen. Es ist wieder eisig kalt, deswegen geht es mit Mütze, Handschuhen und Schal los. Ich würde gerne ein wenig Platz haben und in Ruhe mein Zeug packen, deswegen warte ich, bis um halb 10 endlich alle weg sind. Nur ein paar Zelte stehen noch ringsherum. Auf den Zelten liegt Schnee, auch der Waldboden rings um die Shelter ist weiß. Später sehe ich weiter in der Höhe sogar Eis.
Heute halte ich mich genau an meinen Plan : 1 Stunde Laufen, dann 1 Stunde Pause. Der Tag wird rundum schön. Aufsteigen in der Sonne ist richtig warm, während auf der anderen Seite der Bergflanke ein scharfer Wind weht und einen fast vom Weg pustet. Gegen Mittag passiere ich mein erstes Grenzzeichen. Habe Georgia nun hinter mir gelassen und befinde mich ab jetzt im Bundesstaat North Carolina. Als Nächstes muss ich auf den Bald Mountain mit 4666 Fuß hinauf, wo ich sogar Handy-Empfang habe. 2 kurze SMS nach Hause, dann geht leider nichts mehr durch.
Um 15.30 Uhr suche ich mir einen einsamen Zeltplatz auf weichem Laub und koche mir zum 1. Mal mit dem neuen Jetboil mein Abendessen. Es gibt Asia-Nudeln, angedickt mit Kartoffelpüree. Das Teil funktioniert super, einfach und schnell. Daran kann ich mich gut gewöhnen. Nachdem das Zelt aufgebaut und der Futterbeutel in den Bäumen aufgehängt ist, habe ich noch eine sonnige Stunde an meinem Platz. Bin sehr zufrieden mit der Situation, auch wenn ich heute nur 7 Meilen weitergekommen bin. Dafür musste ich 4 Stunden Laufen, wahrlich kein Rekord. Aber mir geht es gut. Bin sehr froh, wieder unterwegs zu sein. Mein Fuß piekt ähnlich wie gestern, der Knöchel ist leicht angeschwollen, aber es fühlt sich okay an.
14. Tag Beautiful Day
Montag, 31.03.
Knapp 30 Meilen nur bis Franklin. Das werden dann bei meinem Schneckentempo wohl noch mindestens 3 Tage sein. Aber macht nichts. Ich habe genug Proviant dabei, und das Wetter soll sonnig bleiben. Eigentlich ist es ja auch völlig egal, ob ich mein Zelt noch 4 oder 5 oder 6 mal im Wald aufstellen muss, bevor ich wieder in die Stadt komme.
Ich mache weiter wie bisher, langsam und vorsichtig zum Drangewöhnen. Bevor ich nicht schmerzfrei bin, werde ich bestimmt keine Wahnsinns-Etappen laufen.
In der Nacht hatte ich einen tierischen Traum: „Bin von Schnüffeln und Stubsen am Moskitonetz, wo ich immer mit dem Kopf liege, aufgewacht. Da stehen 2 Schwarzbären direkt an meiner Zeltwand. Oh, mir fällt ein, dass ich aus Versehen noch ein Stück Brot im Schlafsack habe. Hole es heraus, öffne den Reißverschluss des Moskitonetzes einen Spalt und füttere einen der Bären mit der Hand wie einen Hund. Dann trotten die Beiden wieder davon. Ich weiß nicht, ob sie geteilt haben.“
Der Tag fängt richtig gut an. Das Zelt ist trocken, und hinter den kahlen Baumwipfeln steigt langsam die Sonne auf. Hatte in mehr als 4500 Fuß Höhe mein Lager aufgestellt, so dass es beim Aufstehen noch empfindlich kalt ist. Links und rechts am Berghang, dort wo die Sonne gestern am Tage nicht hingekommen ist, da liegt noch Schnee. Dicke bis zu 20 Zentimeter lange Eiszapfen hängen an manchen Felswänden. Aber das Wetter wird schön, so wie ein richtiger Frühlingstag sein sollte. Laufen klappt heute besser, die Langsamsten auf dem Trail kann ich schon wieder überholen.
Die erste Pause mache ich am Deep Gap. Bis dahin bin ich schon 5 Meilen in 2 Stunden gekommen. Dort entferne ich die Fußbandage. Sie scheint mir zu eng zu sein, weil der Fuß noch geschwollen ist. Langsam möchte ich auch die Muskeln wieder trainieren. Au fein – am Deep Gap gibt es sogar Abfalltonnen. Das ist ja praktisch, dann muss ich meinen seit 3 Tagen gesammelten Müll nicht bis nach Franklin tragen. Eine Menge Leute machen dort Rast, vermutlich irgendwelche Wandergruppen. Der Platz ist sehr nett, aber ich verkürze meine Pause etwas, um vor denen wegzukommen.
Zur Belohnung darf ich dann volle 3 Stunden ganz alleine durch den Wald marschieren, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Es wird richtig warm. Man kann das 1. Mal im T-Shirt laufen. Und ich sehe die ersten Osterglocken blühen, beinahe wie zu Hause.
Es geht den ganzen Tag über einfaches Gelände. Die einzigen Herausforderungen heute sind der Aufstieg auf den Standing Indian Mountain mit knapp 5000 Fuß Höhe und die Überquerung eines kleinen Flusses. Da liegen zwar ein paar Trittsteine und morsche Baumstämme im Wasser, aber ich bin unsicher. Bin immer noch extrem vorsichtig und habe Angst vor einem Ausrutschen. Springen kann ich auch noch nicht. Deswegen wähle ich einen sehr umständlichen und sicher nicht besonders eleganten Weg, um den Strom zu überqueren. Geschafft !
Als meine Uhr langsam Richtung Feierabend zeigt, da gibt es leider weit und breit keine ebene Stelle, um mein Zelt aufzuschlagen. Links und rechts nur steile Hänge, Rhododendron-Tunnel, alles total zugewachsen und verwurzelt. Schließlich steige ich mit meinem ganzen Gepäck einen steilen Hang hinauf in der Hoffnung auf einen geraden Platz für mein Mini-Zelt. Den finde ich aber auch hier oben nicht. Ich habe keine Lust, wieder herunterzusteigen und weiterzusuchen. Also wähle ich einen Platz, der ein bisschen schräg ist und direkt neben 2 Bäumen, die mich vor dem Bergab-Rutschen bewahren werden. War etwas schwierig aufzustellen und sieht kurios aus. Wäre eigentlich ein Foto wert gewesen, aber das Handy ist ausgestellt, weil der Akku schon halb leer ist und noch bis Franklin halten soll.
Habe mir heute 5 Laufstunden erlaubt, ich will es ja nicht gleich wieder übertreiben. In dieser Zeit bin ich ungefähr 11 Meilen weitergekommen ( weiß nicht so genau, wo ich bin ).
Abends habe ich richtig Appetit auf Hiker-Food. An Kochen ist hier an diesem steilen Berg nicht zu denken. Also gibt es Tortillas mit Tunfisch und Käse, eine sehr gute Alternative. Gleich ist es 18.00 Uhr, und es wird schon wieder empfindlich frisch. Muss noch den Bärenbeutel aufhängen, das Zelt einräumen, Zähneputzen und dann ab in den Schlafsack.
15. Tag Albert Mountain and Fire Tower
Dienstag, 01.04.
Die letzte Nacht habe ich ziemlich gemütlich verbracht. Auf jeden Fall war die Temperatur angenehm, zum 1. Mal keine kalten Füße. Und ich habe sozusagen unverrutschbar freischwebend in meinem Zelt gehangen, das war auf jeden Fall weicher als der Boden. Wer mein Zelt nicht kennt, der muss sich das so vorstellen : An den Seiten befinden sich Netze zur besseren Belüftung. Eine Seitenlänge hatte wegen des Abhangs keinen Bodenkontakt und hing quasi etwas in der Luft. Da hinein ist die Iso-Matte gerutscht, auf der ich gelegen habe. Gestützt und gehalten wurde das Ganze durch die zwei dicken Baumstämme laengsseits. Hat sehr gut funktioniert, erst kurz vor dem Aufstehen hat sich einer der vorderen Heringe aus dem Boden gelöst.
Lange Zeit herrschte unheimliche Stille. Ich hätte nie gedacht, dass es nachts im Wald so ruhig sein kann. Dann setzten irgendwann ganz in der Nähe unheimliche Schreie ein. Das ging eine lange Weile so, während der ich rätselte, was für ein Tier so schreit. Inzwischen tippe ich auf einen Riesen-Uhu, so einen haben wir mal auf dem Trail gesehen, der war annähernd einen Meter groß.
Bis zum Mittag bin ich schon 7 Meilen in knapp 3 Stunden gelaufen. Geht gut, es zwickt manchmal noch ein bisschen, aber ich habe deutlich weniger Schmerzen. Am Mooney Gap ( wo ich auf Trail-Magic hoffte, aber leider nichts ) mache ich eine lange Pause in der Sonne. Hatte gerade mein ärmelloses T-Shirt angezogen, da habe ich ruckzuck schon wieder 3 Mückenstiche. Oh nein, sind die schon so früh im Jahr aktiv ? Dann lieber wieder langärmeliger Pulli und Schwitzen. Meine größten Feinde auf dem AT sind Mücken, Stechfliegen und Zecken.
Danach ist ein steiler Aufstieg auf den Albert Mountain mit 5250 Fuß Höhe zu bewältigen. Ganz schön anstrengend in der Mittagshitze. Das letzte Stück ist sogar eine richtige Kletterpartie über schroffe Felsen. Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf die White Mountains, die noch in so weiter Ferne liegen. Oben auf dem Top steht ein Feuerturm, da muss ich selbstverständlich hinauf. Es zieht ganz schön in den Waden beim Erklimmen der vielen Treppenstufen. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Von dort oben habe ich zum ersten Mal eine wunderbare Aussicht, Rundum-Blick bei klarem Himmel und Sonnenschein.
Der weitere Wegverlauf ist easy-going auf sanften Waldwegen, in Serpentinen immer um die Hügel herum. Unterwegs nahe einer Landstraße liegen 2 Kanister mit Wasser und eine Dose Cola – leider leer. Schade, ich hatte mich schon gefreut. In diesem einfachen Gelände bereitet das Laufen keine Schwierigkeiten, nur meine Schultern schmerzen vom Tragen. Gegen 16.00 Uhr beginne ich mit der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz. Aber es bietet sich wieder das gleiche Bild wie gestern : steile Hänge links und rechts, da ist nichts zu machen. Also marschiere ich immer weiter, bis ich schließlich 15 Meilen auf dem Tacho habe. So weit wollte ich doch gar nicht gehen ! Aber fein, dann bin ich morgen früh in der Stadt. Bis nach Franklin sind es jetzt nur noch 3 Meilen. Durch die lange Suche nach einem Campingplatz bin ich insgesamt 7 Stunden gelaufen. Der linke Knöchel ist wieder oder immer noch dick, aber ich denke, ich kann ab jetzt wieder normale Etappen planen.
Mein Zeltplatz liegt ganz oben auf einem Hügel, leider direkt am Weg. Fast gerade, viel weiches Laub als Untergrund. Ich warte noch mit Zelt-Aufbauen, bis es fast dunkel ist. Bis dahin kann ich 2 entspannte Stunden die Einsamkeit und die letzten Sonnenstrahlen genießen. Bin heute den ganzen Tag lang nur 4 Menschen auf dem Trail begegnet, die etwa mein Tempo hatten. Fein, so gefällt mir das.
16. Tag Breakfast in Franklin
Mittwoch, 02.04.
Ich war das erste Mal schon um 5.45 Uhr wach und wäre am Liebsten gleich los. Bis 7.00 Uhr hält es mich noch im Schlafsack, dann wird es langsam hell. Bin vor 2 Wochen gestartet, da war es um 8.00 Uhr morgens noch stockfinster. Toll, es wird jetzt wirklich Frühling ! Ich kann die Autos auf der 3 Meilen entfernten Interstate hören. Oder, wie wir immer so sagten : Ich rieche schon den Kaffee.
Vor lauter Freude rolle ich schnell das Zelt zusammen und stelle dann fest, dass der Packsack innen drin liegt. Aber egal, das soll nachher sowieso nochmal ausgepackt und saubergemacht werden.
Habe mir einen Platz der Superlative für mein Camp ausgesucht ! Konnte ich doch gestern noch lange in der Sonne sitzen und deren Untergang ansehen, so kann ich heute früh auf der anderen Seite des Berges einen grandiosen Sonnenaufgang bewundern. Einfach perfekt !
Der Weg bis zum Highway ist leicht und flott zu gehen, dafür brauche ich nur knapp eine Stunde. Und sobald ich an der Straße stehe, da hält schon ein schickes Auto, um mich die 10 Meilen bis nach Franklin mitzunehmen. Ich brauchte noch nicht einmal den Daumen heraushalten. Frauen-Bonus ?
Der ältere Fahrer bringt mich genau dorthin, wo ich aussteigen möchte. Zum Coffee-House auf der Main-Street, da gibt es leckeren Kaffee und Blaubeer-Waffeln. Kaum stehe ich wieder auf der Straße, da hält eine nette Frau an und fragt, ob sie mich irgendwohin bringen kann. Nein danke, ich möchte lieber zu Fuß gehen und die Stadt auskundschaften. Franklin ist mit 3600 Einwohnern schon ein etwas größerer Ort. Ich bummele die Hauptstraße entlang und mache mich dann auf den Weg zum etwas außerhalb gelegenen Hostel Sapphire Inn. Denke, da wird weniger los sein als im Hostel direkt gegenüber von Rockcafe und Outfitter. Auf dem Weg dorthin noch schnell ein paar Getränke gekauft, Geld aus dem Automaten gezogen und dann eingecheckt für 2 Nächte. Inzwischen bin ich frisch geduscht, habe ausgepackt, mein Zelt gereinigt, die Waschmaschine läuft.
Ich habe für die 40 Meilen von Hiawassee bis nach Franklin jetzt 5 Tage gebraucht statt der sonst normalerweise geplanten 3 Tagesetappen. Aber bin gut angekommen und habe insgesamt 120 Meilen auf dem Weg nach Maine geschafft, das sind ca. 190 Kilometer.
17. Tag Franklin off-day
Donnerstag, 03.04.
Die First Baptist Church im Ort bietet allen Hikern ein kostenloses Pfannkuchen-Schinken-Speck-Eier-Frühstück an. Ist ja wirklich nett und wird auch von vielen gerne angenommen. Allerdings kommt der Kirchen-Bus schon um 7.15 Uhr zum Abholen vor’s Hostel, und das ist mir viel zu früh. Ich möchte mein Bett genießen und ausschlafen. Habe heute 2 Stunden in der library mit Internet verbracht. Von da aus war ich im Pizza-Hut, um Chicken Wings und frischen Salat zu essen. Danach bin ich zum Eagle Creek Outfitter, wo der Shuttle-Bus vom Hostel die Leute hinbringt und wieder abholt. Dort war ich auf der Waage, habe bereits 3 Kilo in 2 Wochen abgenommen. Dann musste ich noch mit zum WALMART, obwohl ich eigentlich gar nichts einkaufen wollte. Aber so hatte ich wenigstens eine Mitfahrgelegenheit für den Rückweg. Im Bus habe ich zwei deutsche Mädels getroffen, Lisa und Jule, die mit ihren beiden Hunden den Trail laufen.
18. Tag Franklin off-day
Freitag, 04.04.
Für heute sind Gewitter und 80 % Chance auf Regen angesagt. Genau so sieht es auch aus am Himmel. Ich verlängere meinen Aufenthalt hier um eine Nacht, denn das muss ich mir nicht freiwillig antun. Einkauf beim Dollar General und Essen von McDonalds. Abends kann ich nicht schlafen, weil es die ganze Nacht hindurch sehr laut zugeht. Macht aber nichts, denn ich liege gemütlich in einem weichen Bett und habe mich inzwischen auch an das amerikanische Fernsehen gewöhnt.
19. Tag Ninas Geburtstag und voll verlaufen
Samstag, 05.04.
Nachdem uns der Shuttle-Bus vom Hostel am Eingang zum Trail beim Winding Stair Gap abgesetzt hat, bin ich erst einmal ganz entschlossen 2 – 3 Meilen in die falsche Richtung gerannt. Mein Buch sagt : „Forest Road“ – auf der bin ich dann eine Stunde lang gelaufen und habe mich über diesen breiten Weg gefreut. Irgendwann fing ich an mich zu wundern, warum keine „White Blaze“ an den Bäumen zu sehen sind. Nach einer Stunde mache ich lange Pause, um abzuwarten, ob die anderen Hiker nachrücken. Niemand kommt ! Also bin ich umgedreht und das ganze Stück auf der Forststraße wieder zurück bis zum Ausgangspunkt. Hatte leider ganz zu Beginn einen White Baze übersehen, der einen kleinen Abzweiger nach rechts bedeutete. Macht aber nichts. Das Wetter ist super. Ich bin total ausgeruht und voller Energie, obwohl im Zimmer über mir bis morgens um 5.00 Uhr eine laute Party tobte.
Am Winding Stair Gap war mittlerweile Trail Magic im Gange, aber ich bin gar nicht hin. Ich hatte sowieso viel zu viel Proviant im Rucksack, und außerdem bis dahin noch keine einzige Meile in die richtige Richtung geschafft.
Neuer Start also erst um 13.45 Uhr. Nach weiteren 2 Stunden habe ich die ersten Hiker überholt, die mit mir morgens im Bus saßen. Die werden sich wohl gewundert haben, wo ich jetzt herkomme.
Am Nachmittag mache ich nochmal einen Umweg von einer halben Meile, um eine Picknick-Area mit trash-cans zu suchen. Ich hatte mir 2 Joghurts mit auf den Weg genommen, inzwischen aufgegessen, aber die leeren Becher sind schon etwas doof im Rucksack. Schließlich habe ich den Picknick-Platz nach langer Suche gefunden, nur gibt es dort leider nicht die erhofften Mülleimer. Ich mache dort trotzdem eine lange Pause in der Sonne und esse ganz zivilisiert am Picknick-Tisch.
Auf dem gepflasterten Weg zu einem Aussichtspunkt kommt mir ein Wanderer entgegen, der auch morgens mit im Bus gewesen und gleichzeitig gestartet ist. Ein erfahrener Hiker, aber leider Pech gehabt. Er ist mit dem Fuß umgeknickt, will jetzt zurück in die Stadt und ein paar off-days nehmen.
Abends komme ich am Wayah-Bald-Steinturm vorbei. Dort sind wir 2012 in Hagel und Schneeschauer nur vorbeigerannt. Heute sind die Temperaturen angenehm, obwohl es schon nach 19.00 Uhr ist. Es gibt sogar einen kleinen Zeltplatz direkt daneben. Ich überlege kurz, ob ich da mein Lager aufschlagen soll, aber entscheide mich dagegen. Ich vermeide Plätze, die mit dem Auto erreichbar sind. Es ist Samstag-Abend, und wer weiß, ob nicht irgendwelche Verrückten noch nachts hier hochfahren, um am Turm Radau zu machen. Ich glaube, mich zu erinnern, dass das Gelände nach dem ersten Abstieg wieder flacher wird. Muss mich beeilen, denn die Sonne geht bald unter. Eine halbe Stunde später finde ich einen schönen Platz und stelle mit dem letzten Tageslicht schnell mein Zelt auf. Gegessen wird im Dunkeln mit Stirnlampe. So spät habe ich noch nie Feierabend gemacht, aber ich habe ja auch erst um 11.00 Uhr das Hostel verlassen und mir außerdem 5 Extra-Meilen eingehandelt. Gelaufen bin ich insgesamt mehr als 15 Meilen, allerdings nur 10,7 auf dem AT in die richtige Richtung.
20. Tag Bald Mountain
Sonntag, 16.04.
Habe mir eine neue Kombination für die Nacht ausgedacht, und das war auch gut so : 2 lange Unterhosen, langes Unterhemd, Daunenjacke, Mütze und Handschuhe. Damit habe ich sehr gut geschlafen und komme erst nach 9.00 Uhr aus dem Zelt. Der Himmel ist bedeckt, es ist frisch, aber trocken.
Der Weg ist ausgesprochen gut, mein Fuß macht keine Probleme. Ich bin wieder ziemlich alleine auf dem Trail. Am Burlington Gap steht eine große Dose mit getrockneten und gezuckerten Ananas-Scheiben. Nehme mir 2 Scheiben mit auf den Weg, die kann ich während des Aufstiegs auf den Bald Mountain ( 5080 Fuß) gut knabbern. Nicht wirklich lecker, eigentlich nur süß, aber es ist eine willkommene Abwechslung.
Bevor es auf den nächsten Berg geht, erlebe ich eine weitere kleine Trail Magic. Bin schon ein Stück den Weg hinaufgestiegen, da kommt mir von oben ein Hiker entgegen und lädt mich zu einem kalten Getränk ein. Das lässt man sich nicht zweimal sagen. Also den Rucksack und die Stöcke abgestellt und ein wenig den Hügel wieder hinunter bis zu seinem Wagen. Im Auto hat er eine große Kühlbox mit Mountain Dew-Zitronenlimonade, die ich mit Genuss trinke. Seine Worte dazu : „It will kick you up to this mountain.“ Er ist selber vor einigen Jahren den AT gelaufen und kann jetzt nur noch am Wochenende wandern. Heute hat er am Vormittag schon 10 Hiker erfreut, dann seinen Tagesausflug gemacht und verteilt nun die restlichen Limo-Dosen an alle, die noch vorbeikommen. Während wir mittlerweile zu Viert dort stehen und quatschen, bekommt er einen Anruf von Miss Janet, die einen verletzten Hiker zu ihm nach Hause bringen wird. Diese tolle Frau wird uns wohl den ganzen Trail bis nach Maine mit ihrer Trail Magic und ihren Fahrdiensten begleiten. Es gibt unheimlich viele Ex-Thru-Hiker, die der Appalachian Trail nicht mehr loslässt und die immer damit in Verbindung bleiben.
Also den letzten Aufstieg für heute in Angriff nehmen. Oben auf dem Wesser Bald Mountain steht eine hölzerne Aussichtsplattform, von der aus ich eine SMS senden kann. Danach beginnen 7 Meilen sehr steiler Abstieg bis zum Nantahala-Outdoor-Center ( NOC ), wo ich morgen früh ankommen möchte. Ich kann mich noch gut erinnern, dass unsere Knie nach diesem Berg ganz schön geknirscht haben. Deswegen wähle ich den „wohldosierten“ Abstieg, mache heute noch 3,5 Meilen bergab und habe morgen dann nur noch die andere Hälfte vor mir.
Ich finde genau zur richtigen Zeit einen guten Schlafplatz. Muss mein Zelt heute auf jeden Fall sorgsamer aufstellen und gut verspannen, denn es sind Gewitter und viel Regen vorhergesagt. Insgesamt war ich heute 7 Stunden unterwegs und bin 14,3 Meilen weitergekommen.
21. Tag Nantahala Outdoor Center
Montag, 07.04.
Kaum lag ich gestern im Schlafsack, da fing auch schon bald der Regen an. Und das nicht wenig – 14 Stunden Dauerregen ! Mein Zelt hat dichtgehalten. Danke SIL-NET. Der Schlafsack und mein Kissen sind feucht, der Proviantbeutel ist durch, von außen und von innen nass. Aber es ist gar nicht weit bis zum NOC. Zum ersten Frühstück gibt es nur einen Müsliriegel und einen halben Liter Milch, den ich bis hierhin getragen habe und nicht weiter schleppen will.
Ein Wasserfall kreuzt meinen Weg, der normalerweise sicher trocken auf den Felsgraten zu überqueren wäre, aber nach dem starken Regen in der Nacht nicht so leicht passierbar ist. Die Schuhe sind nass, aber das ist jetzt auch egal.
Pünktlich zur Mittagszeit erreiche ich das NOC und freue mich, dass das Restaurant schon geöffnet hat ( im Buch steht: ab Mitte April ). Es gibt Hamburger mit Pommes und WIFI. Juchhu !
Es regnet immer noch, die Berge sind von dunklen Wolken verhangen. Ich bin unschlüssig, was ich nun machen soll. Habe keine Lust, in einem überfüllten Männer-Schlafsaal zu übernachten. Aber bei diesem Wetter weiterlaufen und ein nasses Zelt aufstellen, das macht auch keinen Sinn. Zum Glück treffe ich die beiden deutschen Mädchen wieder, die mich netterweise in ihrem winzigen „cabin“ mit aufnehmen.
Mache einen ewig langen Weg entlang einer vielbefahrenen Straße, immer abwechselnd auf dem Highway oder im Morast, denn Fußgänger-Randstreifen gibt es hier nicht. Der kleine Lebensmittel-Laden ist teuer und schlecht sortiert, aber immerhin gibt es dort Schokolade.
Dann wird das Zelt zum Trocknen aufgehängt, alles ist total matschig und siffig. Anschließend geht es ab unter die heiße Dusche, die sogar recht sauber ist. Danach fühlt man sich wie neugeboren.
Auf dem Parkplatz sehe ich den Day-Hiker von gestern stehen, die Mountain Dew-Trail Magic. Kurz darauf treffe ich schon wieder Miss Janet und mache sie mit den beiden Mädchen bekannt.
Bin sehr froh, dass ich bei Lisa und Jule untergekommen bin und freue mich auf eine trockene und warme Nacht. Bekomme sogar eine eigene Matratze, während die Beiden sich ein Lager teilen. Was für ein Luxus !
22. Tag Cheoah Bald Mountain
Dienstag, 08.04.
Wir stehen früh auf und genießen ein nettes Frühstück zu Dritt. Es gibt griechischen Joghurt mit frisch gerösteten Cerealien, dazu eine Schale mit Melonenstücken. Lecker !
Bevor wir uns verabschieden und getrennt auf den Weg machen, sehe ich den nächsten Verletzten-Ausfall. Ein Hiker, den ich schon mehrmals getroffen habe, kommt hereingehumpelt. Er hat sich den Fuß verknackst und braucht nun ebenfalls ein paar off-days. Das ist ja eine richtige Epidemie ! Ich vermute, es liegt daran, dass es in der Nacht und morgens noch sehr kalt ist. Mache mich jetzt immer erst mit ein paar Dehn-Übungen warm, bevor ich loslaufe.
Mein nächstes Ziel soll die Fontana Dam Shelter sein, auch „das Hilton“ genannt. Bis dahin liegen 28 Meilen vor mir – 3 Tage oder vielleicht nur 2 Tage ? Im Moment ist es kühl, aber halbwegs trocken. Ich hoffe auf Wetterbesserung ….
Heute muss ich mit 8 Meilen bergauf starten, es geht von 1749 Fuß auf den Cheoah Bald Mountain mit 5062 Fuß. Den gesamten Anstieg von fast 900 Höhenmetern schaffe ich fast in einem Rutsch, nur einmal Pipi-Pause und einmal Wasserholen. Es ist anstrengend, aber ich strenge mich ja gerne an. Zwischendurch halte ich Zwiesprache mit dem Berg: „Du schaffst mich nicht ! Ich gehe einfach immer weiter, und irgendwann bin ich oben.“ Werde ich jetzt etwa schon komisch, weil ich so lange alleine unterwegs bin ?
Nach 4 Stunden sind die 8 Meilen bis auf den Gipfel geschafft. Ich hatte mir eigentlich für oben eine lange Pause versprochen, aber nach einer guten halben Stunde treibt es mich weiter. Es ist empfindlich kalt dort auf dem Top. Danach muss ich 5,5 Meilen wieder bergab, was sich zum Teil als Kletterpartie gestaltet. Jeder, der noch nicht auf dem Appalachian Trail gelaufen ist, wird sich hier denken: „Wollen die mich eigentlich verarschen?“ Aber ich kenne das ja schon, es geht wirklich über jeden Hügel. Wie viele Berge waren das auf dem gesamten Trail ? Waren das nicht insgesamt 5000 ? Einige davon habe ich bereits geschafft.
Im Laufe des Tages habe ich etwa ein Dutzend Leute überholt, die morgens mit mir beim NOC gestartet sind. Ein einziger junger Mann ist an mit vorbei gesprintet.
Am Stecoah Gap stehen Picknick-Tische, und es hängt ein schwarzer Sack mit Resten von Trail Magic an einem der Tische. Ein dicker grüner Apfel liegt noch auf einem der Tische. Aber den überlasse ich dem älteren ( oder ist der genau so alt wie ich ?) Wandersmann, den ich gerade überholt habe. Mein Proviantbeutel ist immer noch viel zu schwer.
Finde einen passenden Zeltplatz kurz vor der nächsten Shelter. Um 19.00 Uhr habe ich Feierabend. War 9 Stunden unterwegs, davon bin ich beinahe 8 Stunden gelaufen und habe heute 14,4 Meilen geschafft. Es gibt nur kalte Küche, weil ich zu wenig Wasser dabeihabe. Ich esse einen halben Block Käse ( 400 Kalorien ), Clementinen und M & M’s. Habe das Gefühl, mich damit gut und ausgewogen ernährt zu haben. Morgen früh ist es nur eine Meile bergauf bis zur Shelter, wo es dann auch Wasser geben wird.
Während ich beim letzten Tageslicht draußen vor meinem Zelt sitze, kommen tatsächlich nacheinander noch 4 Leute vorbei. Sie sehen alle ziemlich fertig aus, aber genau das sind die Hiker, die den Weg bis nach Maine schaffen werden.
23. Tag Fontana Dam
Mittwoch, 09.04.
Für die letzte und die kommende Nacht waren Temperaturen um den Gefrierpunkt angesagt. Ich habe eine angenehme Nacht verbracht, musste mir nur irgendwann noch einen Schal um die Nase binden. Es hat leicht geregnet. Leider macht das nasse Zelt mein Gepäck wieder schwerer.
Starten muss ich heute mit “ Jacob’s Ladder“. Wie der Name schon vermuten lässt, geht es fast senkrecht bergauf. Das wollte ich mir gestern Abend nicht mehr antun. Zum Glück dauert der Aufstieg nur eine halbe Stunde, dann bin ich oben. Shelter – Wasser – Frühstück ! Mein Müsliriegel ist gefroren.
Das Gelände ist gut zu laufen. Ein stetiges Auf und Ab, aber das ist ja nichts Neues. Der Tag bleibt kühl, ist zum Wandern eigentlich ideal. Zwischendurch lässt sich auch mal die Sonne blicken, aber in den Pausen fange ich an zu Frieren.
Gegen 17.00 Uhr erreiche ich den Fontana-Dam-Parkplatz. Hier gibt es Informationstafeln zu den Great Smoky Mountains, Toiletten und Getränke-Automaten. Von hier aus könnte man für 3 $ mit einem Shuttle-Bus ins Dorf Fontana Dam fahren. Aber ich entscheide mich gegen den „Stadt“-Besuch, weil dort rein gar nichts los ist. Ich muss keine Wäsche waschen und auch nicht einkaufen. Habe noch genug Proviant für 3 – 4 Tage dabei, natürlich keine leckeren Sachen mehr, aber dieses Zeug muss ja auch mal gegessen werden. Noch gut eine Meile weiter, dann bin ich an der Fontana Dam Shelter, wo ich die Nacht verbringen werde. Meine Tagesetappe heute waren 14,1 Meilen in insgesamt 8 Stunden.
Als Erstes wird mein Zelt zum Trocknen über einen Zaun gehängt. Das werde ich in den nächsten Tagen gar nicht brauchen, denn ab morgen bin ich im Great Smoky Mountains National Park. Dort ist das Campen am Weg verboten, man muss in den Sheltern übernachten. Kann ich mich also heute gleich dran gewöhnen.
Die Fontana Dam Shelter wird auch das “ Hilton“ genannt. Sie bietet auf 2 Etagen Platz für etwa 20 Personen, ist geräumig und hell. Nahebei gibt es Toiletten und sogar eine Dusche mit warmem Wasser. Nach der heißen Dusche koche ich auf einem der Picknick-Tische mit meinem Jetboil. Versuche, eine SMS nach Hause zu senden, habe aber leider kein Signal, denn Fontana Dam liegt in einem Loch.
Als ich wiederkomme, da herrscht draußen reges Treiben. Die Shelter ist voll. Bin mal gespannt, wie die Nacht wird !