Wir segeln und wandern durch die Welt

Great Smokey Mountains bis Hot Springs

24. Tag Great Smoky Mountains

Donnerstag, 10.04.

Erstaunlicherweise lagen die meisten Hiker schon um 21.00 Uhr im Schlafsack. Um 22.00 Uhr fing noch jemand draußen an, auf der Mundharmonika zu spielen. Und um 23.00 Uhr kam noch ein später Wanderer herein, der sich seinen Schlafplatz hergerichtet hat. Ansonsten war es ruhig und angenehm in dieser Nacht.

Aber bereits um 5.00 Uhr früh sind die ersten Wahnsinnigen aufgestanden. Es war noch stockfinster und bitterkalt. Schlafen konnte ich zwar nicht länger, aber ich habe mir noch weitere 2 Stunden den Schlafsack über die Ohren gezogen. Trotzdem ein früher Start in den Tag.

Das Visitor-Center, wo ich auf Kaffee hoffte, hat leider noch geschlossen. Passiere den Fontana Dam-Stausee und werfe mein Permit, die Durchgangserlaubnis, in den Kasten am Eingang zum Great Smoky Mountains National Park. Weil der Stausee tief im Kessel liegt, muss ich erst einmal knapp 10 Meilen in die Höhe aufsteigen. Aber die Wege sind sehr schön, links und rechts sind blauer Himmel und Sonne zu sehen. Leider sind die Bäume immer noch kahl.

Auf dem Weg zum Doc Knob Mountain gibt es einen kleinen Seitenweg zu einem weiteren Feuerturm – natürlich bergauf. Zuletzt 80 Stufen einer Leiter erklimmen, damit man von oben eine super Aussicht über die gesamten Great Smoky Mountains genießen kann. Während ich dort oben eine ausgedehnte Pause mache, haben mich 8 der anderen Hiker aus der Hilton-Shelter eingeholt. Ich packe schnell meinen Kram zusammen, bin vor denen wieder auf dem Trail und sehe sie auch den ganzen Tag nicht wieder.

Im Nationalpark leben viele Schwarzbären, die aber hier sehr scheu sind im Gegensatz zu denen im Shenandoah National Park. Man sieht nur deutlich die vielen Spuren, die sie auf dem Weg hinterlassen. Zum Schutz vor den Bären sind die Schutzhütten in den Smokys mit dicken, schwarzen Plastikplanen zugehängt, damit diese nachts nicht zu Besuch kommen.

Gegen 14.30 Uhr erreiche ich die Mollies Ridge Shelter, wo wir schon vor 2 Jahren übernachtet haben. Und da sitzt doch tatsächlich derselbe Ridgerunner wie damals. Was für ein Job ! Er unterhält sich mit einem jungen Paar, welches hier die Nacht verbringen möchte. Wie, jetzt schon Feierabend ? Ein paar Meilen gehen aber noch ! Der Ranger fragt mich nach meinem Namen und ob ich mein Permit eingeworfen habe. Ich erkläre ihm, dass ich nicht dableiben möchte, sondern eine Shelter weiter laufe. In Gedanken füge ich hinzu : oder bis zur übernächsten vielleicht.

Genau das schaffe ich auch bis 18.00 Uhr. Etwas abseits vom AT beziehe ich Quartier in der Spence Field Shelter. Von den anderen Bekannten aus der letzten Nacht ist nur ein junger Mann hier. Er erzählt mir, dass er schon um 5.45 Uhr losgelaufen ist. Dafür war er jetzt eine Stunde vor mir hier. Die anderen Mit-Wanderer sind alle auf der Strecke geblieben, zu weit ist die Entfernung für Anfänger. Immerhin 16,7 Meilen plus Umwege, dafür war ich insgesamt 9,5 Stunden auf den Beinen. Habe Hunger wie ein Wolf ! Nach dem Abendessen koche ich mir zum 1. Mal einen großen Topf Ostfriesen-Tee. Schmeckt lecker und wärmt von innen.

Wie der morgige Tagesplan aussieht, da bin ich mir noch nicht ganz schlüssig. Eine Shelter liegt in 13,5 Meilen Entfernung, das ist mir eigentlich zu wenig. Was soll ich denn schon um 15.00 Uhr an einer Shelter ? Die andere Möglichkeit wäre 20 Meilen weit entfernt. Das möchte ich mir doch lieber nicht fest vornehmen, zumal auf dem letzten Stück dann noch der höchste Punkt des ganzen Appalachian Trails liegt.

25. Tag Clingmans Dome

Freitag, 11.04.

Kaum war es gestern dunkel in der Shelter, da ging das Geknusper der Mäuse schon los. Mein Proviant war es nicht, ich hänge meinen Futterbeutel immer Bären- und Mäusesicher auf. In der Nacht wehte ein heftiger Wind, deswegen war ich ganz froh über den dicken Plastik-Vorhang. Habe trotzdem wieder mit Mütze und Handschuhen geschlafen. Bin davon aufgewacht, dass meine Nasenspitze eiskalt war. Ohne mein Thermarest-Inlet wären die Temperaturen nachts kaum auszuhalten.

Der Rummel geht wieder zeitig los. Ich starte um 8.15 Uhr auf den Trail, bis dahin habe ich sogar schon warm gefrühstückt.

Mein Tag ist klar strukturiert, denn ich laufe immer von einer Wasserquelle bis zur nächsten, die heute in gutem Abstand voneinander verteilt sind. Muss also immer nur eine Flasche Wasser tragen. Vorbei geht es an der 1. und an der 2. Shelter. Bei der nun kommenden muss ich mich entscheiden. Es ist 16.00 Uhr, und ich habe bisher 13,5 Meilen zurückgelegt. Fast alle bleiben hier, aber mir ist es noch zu früh für geselliges Beisammensein. Also weiter, noch 3 Meilen bis zum Clingmans Dome.

Das Gesicht des Waldes verändert sich. Neben den braunen Baumstämmen breitet sich immer mehr Fichtenwald aus.  Tut gut, mal wieder etwas Grünes zu sehen ! Und es duftet ganz wunderbar nach Fichtennadeln.

Auf diesem letzten Abschnitt liegt noch Schnee in den Ecken, aber der Weg ist frei. Gegen 18.00 Uhr komme ich am höchsten Punkt des Appalachian Trails an, der auf 6655 Fuß liegt. Erstmal Hunger ! Ich koche mir etwas Warmes zu essen, bevor ich frisch gestärkt auf den Turm steige. Der Himmel ist klar, man kann weit in alle Richtungen über die Great Smoky Mountains blicken.

Nach einer langen Pause muss ich noch ein letztes Mal den Rucksack schultern und 4 Meilen weiter bis zur Shelter laufen. Die liegt dummerweise eine halbe Meile vom Trail weg.

Inzwischen wird es richtig dunkel, der Wald erscheint mir heute ein bisschen gruselig. Selbst mit Stirnlampe ist der Weg auf diesem sehr feuchten und schwarzen Abschnitt schwer zu erkennen. Als ich gegen 21.00 Uhr ziemlich erledigt an der Shelter ankomme, da habe ich tatsächlich 20,5 Meilen geschafft. Dafür habe ich den ganzen Tag geackert.

Weil ich ja schon am Clingmans Dome gekocht habe, muss ich nur noch meinen Futter-Beutel an die Kabel hängen, Zähneputzen und mein Lager herrichten. Kein soziales Leben mehr, auch keine Lust mehr zum Schreiben. Ich bin nur noch müde, aber meinen Füßen und Beinen geht es erstaunlich gut. Habe mir einen Sonnenbrand im Gesicht geholt, weil die Sonnencreme ganz unten in meinem Rucksack verkramt war und ich zu faul, sie herauszuholen.

26. Tag Gatlinburg

Samstag, 12.04.

Die Nacht war okay, zum Glück angenehme Gesellschaft, immer noch sehr kalt.

Um 5.00 Uhr morgens geht bereits wieder der allgemeine Betrieb los. Da ich sowieso nicht mehr einschlafen kann, habe ich diesmal mitgemacht und laufe schon um 6. 00 Uhr mit Stirnlampe den dunklen, matschigen Weg bis zum AT zurück. Habe meine Zahnbürste vergessen, weil ich kein Licht in der Shelter anmachen wollte, um die Anderen nicht zu stören.

Der Wald ist stockschwarz und modderig. Man muss gut aufpassen, dass man den Trail findet, denn links und rechts gehen seitlich Wasserspuren ab, die man genau so gut für einen Weg halten könnte. Ab 7.00 Uhr wird es hell. Es herrscht eine friedliche Morgenstimmung, einige Vögel zwitschern. Eigentlich ist es ganz toll, so früh alleine durch den Wald zu stapfen.

Weil ich gestern sehr weit gekommen bin, habe ich heute nur 5 Meilen vor mir bis zum Newfound Gap. Da wartet schon ein anderer Frühaufsteher an der Straße. Daumen hoch, Auto hält. Perfekt ! Auf der offenen Ladefläche kauernd gibt es eine zugige Fahrt ins 15 Meilen entfernte Gatlinburg. Der ältere Herr hält sogar zwischendurch kurz an, um uns das Visitor-Center zu zeigen. Dann macht er einige Erinnerungsfotos von uns exotischen Hikern und notiert sich unsere Namen und wo wir herkommen.

Gatlinburg ist ein Touristen-Mekka mit 5000 Einwohnern, unzähligen Restaurants und Attraktionen. Total verrückt und schrill – ich weiß noch nicht so wirklich, ob mir das gefällt oder nicht.

Ich gehe erst einmal ins „Flapjack“, weil es zum Einchecken noch zu früh ist. Da gibt es eine Thermoskanne voll Kaffee und einen Berg Pfannkuchen mit Blaubeeren, den ich nicht schaffe. Das alles für nur 10,- Dollar, das sind ungefähr 7,50 Euro.

Fahre am Nachmittag mit einem Trolley-Bus hinaus aus der Stadt nach Food City. Dieser riesige Laden mit seinem Überangebot nervt mich total ab. Der Unterschied zur Einsamkeit im Wald ist einfach zu krass. Immerhin Proviant für 4 Tage eingekauft, und eine neue Zahnbürste ist auch dabei.

27. und 28. Tag Gatlinburg

Sonntag, 13.04.

Bei mir im Hostel funktioniert das Internet nicht mehr. Dafür und zum Telefonieren muss ich jetzt in den Outfitter-Laden ganz in der Nähe gehen, wo es kostenloses WIFI gibt. Bei der Gelegenheit kann ich mich gleich für einen Shuttle am Dienstag zurück zum Newfound Gap eintragen.

Wollte eigentlich gerne wieder im Flapjack frühstücken gehen, aber draußen warten schon etwa 30 Personen darauf, dass Tische freiwerden. Vielleicht ist das doch keine so gute Idee am Sonntag. Dafür gibt es zur Mittagszeit Cheeseburger und Pommes bei Wendys. Meinen Salat schaffe ich nicht mehr, den nehme ich für’s Abendessen mit.

Wasche und trockne meine wenigen Klamotten, danach mache ich einen kleinen Bummel durch die winzigen Gassen des Ortes. Nach und nach trudeln einige bekannte Gesichter ein, die sich auch im Grand Prix Motel einmieten. Abends gibt es 2 Folgen „Indiana Jones“ im Fernsehen – da kann ich gut folgen, weil ich die Filme kenne.

Montag, 14.04.

Ich genieße mein weiche, warmes Bett und habe tatäechlich bis 9.20 Uhr durchgeschlafen. Schnell einen Kaffee und einen Joghurt, dann mache ich mich auf zur Trolley-Haltestelle. Muss dort eine halbe Stunde auf einen der kleinen Busse warten und habe dann noch mehr als eine Stunde Fahrt vor mir. Die Bücherei liegt, wie meistens, sehr weit außerhalb des Ortes. Kostet viel Zeit, aber die library bietet gutes Internet, die Homepage ist aktualisiert. Fotos einstellen klappt leider auch hier nicht, das wird dann vielleicht irgendwann nachgeholt.

29. Tag Gatlinburg

Dienstag, 15.04.

6.30 Uhr aufgestanden, geduscht und meinen Rucksack fertig gepackt. Tür auf – nein ! Es gießt so stark, dass die Straßen schon unter Wasser stehen. Über den Bergen ist alles schwarz, das sieht nach mehr Regen aus. Es macht keinen Sinn, bei diesem Wetter loszulaufen. Außerdem gibt es in den Nachrichten eine Frost-Warnung für die kommenden 2 Nächte.

Schnell zum NOC, um meinen 10.00 Uhr-Shuttle abzusagen. Ich bleibe in Gatlinburg und mache einen Gammeltag. Es regnet den ganzen Tag ununterbrochen weiter bis um 18.00 Uhr. Das ist DIE Gelegenheit, mal eben zum Pizza Hut hinüber zu laufen. Dann die Heizung an, sehr komfortabel. Der Fernseher läuft, ich amüsiere mich bei Forrest Gump. Pizza und heiße Schokolade im Bett. Gute Entscheidung ! Der Wetterkanal am Abend spricht von „record rainfalls“.

30. Tag Eis und Schnee auf dem Trail

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Mittwoch, 16.04.

Blauer Himmel, Sonnenschein und 0 Grad. Bin heute voll motiviert. Quäle mir zum Frühstück die Reste der Pizza von gestern rein. In der Mikrowelle aufgewärmt ist das nicht gerade meine Lieblingsspeise am Morgen. Aber eine gute Grundlage. Mein Rucksack fühlt sich an, als hätte ich Steine geladen. Viel Proviant für die 5 Tage bis Hot Springs !

Am NOC stehen ein paar Bekannte aus meiner 1. Shelter hinter Hiawassee. Die sind jetzt genau da, wo ich auch bin. Dabei hatte ich in der Zwischenzeit 5 komplette off-days, an denen ich nicht eine Meile auf dem AT gelaufen bin. Der Clingmans Dome wurde wegen Schnee gesperrt. Einige Hiker müssen warten, bis die Straße dorthin wieder freigegeben wird. Da habe ich Glück gehabt, dass ich schon vor einigen Tagen bei allerbestem Wetter dort oben war. Während wir noch auf den Shuttle warten, bietet sich ein netter Opa an, ein paar Hiker zum Newfound Gap zu bringen, wo der Trail weitergeht. Bin dabei. Aus dem Auto heraus sehen die Great Smoky Mountains aus wie ein Winter-Wunderland.

Um 11.00 Uhr sind wir oben. Genau dort am Besucher-Parkplatz verläuft die Grenze zwischen North Carolina und Tennessee. Gatlinburg liegt in Tennessee.

Au weia – der Weg ist vereist. Durch den starken Regen gestern und den Frost in der Nacht hat sich der Trail in eine Eisbahn verwandelt. Das finde ich nun gar nicht lustig. Man kann keine großen Schritte machen, sich immer nur langsam und vorsichtig voran tasten. Die ersten 4 Stunden geht es abwechselnd durch Schnee und über Eisflächen. Einmal rutsche ich aus, mein Rucksack zieht mich nach hinten, und ich lande platt auf dem Hintern. Nur im Schnee, ohne Schmerzen, aber die Hose ist patschnass.

Am Nachmittag hat die Sonne endlich genug Kraft, um die weiße Pracht zum Schmelzen zu bringen. Immer wieder fallen Schneelawinen oder dicke Eisbrocken von den Bäumen herunter. Das fühlt sich an wie eiskalte Dusche. Der Weg wird matschig. Von nun an laufe ich durch hohen Schlamm oder fließendes Wasser. Die Schuhe sind durch.

Bei einer Pause an den Eagle Rocks sehe ich, dass meine Füße bereits total verschrumpelt und aufgequollen sind. Oh, das ist gar nicht gut, das gibt Blasen. Bleibe also etwas länger sitzen und esse mein erstes Snickers auf diesem Trail. Davon haben wir im Jahr 2012 bestimmt jeder mehr als 100 Stück verdrückt. Ich konnte diese so wichtige Trail-Nahrung zum Schluss nicht mehr sehen. Immerhin 250 Kalorien für mich und 52,7 Gramm weniger im Gepäck. Dann wechsele ich noch die Socken, obwohl die neuen natürlich auch gleich wieder feucht sind. Aber ein bisschen hilft das auf jeden Fall.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, so gegen 20.00 Uhr, erreiche ich die Tri-Corner-Knob-Shelter. Mein Nacken und die Schultern schmerzen, denn ich habe heute sicherlich 2 Kilo mehr als sonst über die Berge getragen.

Bin sehr froh, dass ich es noch bis hierhin geschafft habe. Trotz des späten Starts und der widrigen Verhältnisse auf dem Trail sind wieder 15,6 Meilen Richtung Norden abgehakt.

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31. Tag Ende der Smoky Mountains

Donnerstag, 17.04.

Die Nacht war gut. Es herrschte früh Ruhe, angenehme Gesellschaft, keine Schnarcher. Meine dünne Iso-Matte wird immer bequemer. Oder ich bin einfach nur so müde abends, dass mir der fehlende Komfort nichts ausmacht. Wahrscheinlich liegt das daran, dass ich jetzt wirklich immer stramm von morgens bis abends laufe. Als ich aufstehe, zeigt das Thermometer in der Shelter  – 2 Grad an. Meine gestern noch feuchten Socken sind steif gefroren.

Starte um 7.30 Uhr dick angezogen, um auf Temperatur zu kommen. Der Weg ist wieder vereist, aber diesmal geht es etwas besser, denn die Hiker von gestern haben viele Spuren hinterlassen. Nach gut einer Stunde finde ich einen wirklich schönen Platz zum Frühstücken. So gerade, dass ich sogar meinen Jetboil aufstellen und mir einen großen Topf Tee kochen kann. Der geht besser hinunter als das eiskalte Wasser. Die ersten Sonnenstrahlen scheinen durch die Bäume.

Ein Mann kommt vorbei, der sich als Deutscher zu erkennen gibt. Er ist eine Woche nach mir gestartet und erzählt, dass er in der Nacht vor Neel Gap ( also Ende seines 3. Tages ) – 7 Grad hatte. Das habe ich gar nicht mitgekriegt, denn zu der Zeit habe ich in Hiawassee meinen kranken Fuß hochgelegt.

Das Wetter bleibt den ganzen Tag sonnig. Leichtes Gelände – easy going. Dann passiere ich die Davenport Gap Shelter und laufe noch 2 Meilen weiter. Damit bin ich heraus aus dem Great Smoky Mountains National Park und kann jetzt wieder mein Zelt aufstellen, wo ich will. Nun brauche ich nur noch Wasser, um unabhängig zu sein. Ein kleiner Fluss kommt genau an der Stelle, wo mein Buch es angegeben hat. Rundum etwas flaches Terrain und ein super-bequemer Sitzstein. Prima, dann kann ich ja gleich hier kochen. Es gibt die allseits beliebten 3-Minuten-Ramen-Nudeln, diesmal mit Kartoffelpüree und Parmesankäse angereichert. Als der Topf leer ist, habe ich das Gefühl, nochmal das Gleiche essen zu können. Also gibt es noch zwei Clementinen zum Nachtisch, die muss ich dann morgen auch nicht mehr tragen. Abwaschen, Rucksack packen. Es ist erst 18.00 Uhr, und ich bin bereits 16,7 Meilen gelaufen.

Werde mich gleich nach einem Platz für die Nacht umsehen. Zunächst geht der Weg eine ganze Weile am Fluss entlang weiter. Sehr hübsch ! Dann muss ich einen Highway überqueren, ein Stück Straße gehen und unter einer Autobahn-Brücke durchlaufen. Das gefällt mir gar nicht. Endlich führt der AT über eine steile Steintreppe nach oben wieder in den Wald hinein. Jetzt nur noch schnell weg vom Verkehrslärm und um 19.00 Uhr Feierabend. Das waren schon wieder 18,6 Meilen, und das völlig ohne Stress mit 4 langen Pausen. Es sind nur noch 33 Meilen bis nach Hot Springs. Freue mich sehr auf diese niedliche Stadt, die direkt auf dem Trail liegt.

 32. Tag Max Patch Summit

Freitag, 18.04.

Als ich morgens mein Zelt zusammenpacke, entdecke ich die ersten Knospen an den Bäumen. Na, endlich ! Während ich noch frühstücke, laufen ein paar Begleiter aus den letzten Shelter-Tagen an mir vorbei. Die sind gestern alle in der Standing Bear Farm abgestiegen, um dort im Schlafsaal zu übernachten. Das ist nichts für mich. Ich bin froh, wieder alleine mein Zelt aufstellen zu können. Dieselben Gesichter sehe ich den ganzen Tag immer wieder. Entweder passieren sie mich oder ich laufe an denen vorbei. Einer der Jungens hat mir den Beinamen „reliable “ ( zuverlässig ) gegeben. Auch wenn ich morgens noch gesagt habe, dass ich nicht so viele Meilen machen will wie sie, am Abend haben wir uns doch immer wieder am selben Platz eingefunden. Also komme ich, meistens etwas später, aber immer zuverlässig dort an, wo die jungen Leute ihr weitgestecktes Ziel haben.

Der Trail führt über den Snowbird Mountain. Eine kleine Forststraße verläuft bis auf den Gipfel, und oben am Top gibt es Trail Magic. Ein Mann von der Feuerwehr steht da mit Camping-Stühlen, Donuts und Cola. Ungeplante Pause, und weil ich ganz alleine mit dem Feuerwehrmann sitze, muss ich mich morgens schon tüchtig unterhalten  🙂

Kurz darauf sehe ich mein erstes „Deer“. Ein gewaltiges Exemplar dieser hier recht verbreiteten Hirsche springt vor mir über den Weg. Ich finde das nicht so wahnsinnig spannend, aber eine mir entgegenkommende Hikerin ist deswegen ganz aufgeregt.

In der Mittagspause entdecke ich eine neue Blase am kleinen Zeh, die sofort verarztet wird. Treffe nochmal den Ranger von letzter Woche. Er möchte wissen, wie ich die letzten kalten Nächte überstanden habe. Sehr nett und besorgt . Er läuft jeden Tag denselben Weg ab, um die Shelter zu kontrollieren und eventuell dort liegengebliebene Sachen einzusammeln.

Nächste große Tagesaufgabe ist der Max Patch Summit mit 4629 Fuß Höhe. Dieser Berg ist ebenfalls über eine asphaltierte Straße mit dem Auto zu erreichen. Direkt hinter der Fahrbahn steht eine weiße Kühlbox. Leider leer, nur noch der Abfall der Trail Magic liegt darin. Bin wohl zu spät.

Oben auf dem Gipfel des Max Patch Summit fängt es leicht an zu regnen. Schnell weg hier ! Aussicht gibt es sowieso keine, der Himmel ist bedeckt, und es weht ein kalter Wind dort oben. Von da aus sind es nur knapp 2 Meilen bis zur Roaring Fork Shelter, wo wir vor 2 Jahren erst um 22.30 Uhr angekommen sind. Vom Gipfel aus geht es weiter über schmale Wege, durch Morast, immer weiter verschlungenen Pfaden folgend. Dann durch mehrere Zaunpfosten hindurch, auf der anderen Seite des Zaunes entlang, durch dunkle Hecken von Rhododendron und immer wieder über kleine Bäche und durch Matsch. Es erscheint mir wie ein Wunder, dass wir diesen Weg zur Shelter damals in der Finsternis gefunden haben. Diesmal laufe ich dran vorbei, denn es ist erst 17.00 Uhr. Ich komme mir vor wie in einem Urwald. Es ist dunkel und sehr feucht hier, überall um mich herum liegen umgestürzte Baumstämme. Ich muss einige provisorische Brücken überqueren, was nicht immer trocken gelingt.

Laufe noch am Lemon Gap vorbei, wo sich wieder ein paar Bekannte in geselliger Runde mit ihren Zelten aufgebaut haben. Laufe lieber weiter und finde einen versteckten Platz auf der anderen Seite eines kleinen Flusses. Ziemlich eng hier, die hintere Ecke des Zeltes steht im Matsch. Zu viel darf der Wasserspiegel in der Nacht nicht steigen, dann gibt es nasse Füße. Als ich im warmen Schlafsack liege, höre ich von der eine Meile entfernten Shelter Musik und Gesang. Da bin ich ja wieder froh, dass ich nicht dabei bin ! Neben mir das Rauschen des Baches ist einschläfernd. Mein Magen knurrt ! Dabei habe ich doch gerade eben erst warm gegessen.

Bin wieder gut vorangekommen und habe 19,2 Meilen geschafft. Das bedeutet, morgen kann ich mir einen entspannten Tag mit wenig Laufstunden machen. Bis nach Hot Springs sind es nur noch 13,7 Meilen, aber soweit möchte ich gar nicht. Lieber komme ich erst Sonntag zum Frühstück dort an, das spart eine Übernachtung im Hostel.

33. Tag Trail Magic im Regen

Samstag, 19.04.

Habe wunderbar ungestört geschlafen. Als ich um 5.45 Uhr zum ersten Mal wach werde, da ist es draußen noch trocken, aber viel zu früh zum Aufstehen. Das nächste Mal werde ich um 7.30 Uhr wach, da prasselt der Regen auf’s Zelt. Deswegen bleibe ich noch weitere 3 Stunden liegen, bis das Schlimmste vorbei ist. In meinem engen Zelt alles in den Rucksack packen und mich wasserdicht anziehen, das ist eine Kunst für sich. Aber auch darin habe ich inzwischen eine gewisse Routine entwickelt.

Der Baumstamm, der gestern noch als Brücke diente, wurde über Nacht glatt weggespült. Also muss ich springen. Klappt wunderbar, keine Probleme mehr mit dem Knöchel.

Der Trail ist nass und matschig. Nach einer halben Stunde hört auch der Nieselregen auf. Ich muss anhalten und unbedingt raus aus meinen Regenklamotten. Schwitze mich tot in dem Zeug.

Am Wegesrand ist das erste zarte Grün zu sehen. Frühlingsblumen blühen zu beiden Seiten, und ich kann eine Menge Eichhörnchen beobachten. Sind die endlich aus dem Winterschlaf erwacht ? Kein Mensch ist in meiner Richtung unterwegs. Wahrscheinlich sind die alle schon an mir vorbei, während ich im Zelt auf ein Ende des Regens gewartet habe. Nach 2 Stunden ist es leider vorbei mit der Hoffnung auf Wetterbesserung. Ausgerechnet während meiner Mittagspause beginnt es wieder zu tröpfeln. Ich muss mir zwischen zwei Tortilla-Wraps meine Regenhose und -jacke anziehen. Für den Rest des Nachmittags hört es leider nicht mehr auf. So hatte ich mir den Tag mit wenig Laufstunden nicht vorgestellt.

Am Garenflo Gap endlich eine willkommene Abwechslung : 2 Thru-Hiker aus dem Jahr 2012 stehen dort und bieten das volle Programm. Mit einem von den beiden haben wir sogar damals für eine Nacht die Shelter geteilt. Trail-Magic mit frischem Obstsalat und kalten Getränken. Es gibt sogar Bier und Whisky. Wer will, der kann eine Pfeife rauchen. Nein, danke. Nach Obstsalat und Cola bringt der Typ mich auf der anderen Seite der Straße ein Stück den Hang hinauf. Da stehen schon mehrere Zelte von Hikern, die den Absprung nicht mehr schaffen und hier den Tag beenden wollen. Auf einem Lagerfeuer brodelt ein riesiger Topf mit vegetarischer Suppe. Es schwimmen undefinierbare Sachen darin herum, schmeckt aber sehr lecker. Nach der Suppe wird sogar noch ein Kaffee angeboten.

Während wir dort im Regen stehen und über Trail-Erlebnisse plaudern, kommt ein Ridgerunner aus dem Wald. Er berichtet uns, dass er soeben 3 Bären ganz in der Nähe gesehen hat. Ob die wohl auch Veggi-Suppe haben wollen ? Irgendwann schaffe ich es, mich endlich von der inzwischen ganz lustigen Gesellschaft zu verabschieden. Stapfe noch weitere 3 Stunden durch den Regen und an der letzten Shelter vor Hot Springs vorbei. Eigentlich wollte ich gerne dort übernachten, weil ich keine Lust hatte, mein ohnehin schon nasses Zelt im Regen auf nassem Untergrund aufzubauen. Aber die Shelter ist klein, nur für 6 Personen gedacht. Bei der Trail Magic wurde erzählt, dass schon 8 Hiker vor mir durchgekommen sind. Dazu die 4 Leute, mit denen ich dort geredet habe. Wird wahrscheinlich voll sein, denke ich mir. Es stehen auch schon ein paar Zelte drumherum, aber das kann ich überall besser haben.

Nach einer weiteren Stunde kann ich die Häuser von Hot Springs sehen. Bin gleich da, es wird Zeit, einen Platz für die Nacht zu finden. Ungefähr eine Meile vor der Straße zum Dorf gibt es eine ganz passable Stelle. Fast gleichzeitig stoppt auch der Regen. Nochmal Schwein gehabt ! Baue schnell mein Zelt auf, welches so in der nächsten Stunde noch fast trocken wird. Ich beende diesen regenreichen Tag gegen 20.30 Uhr mit nur 13 gelaufenen Meilen. Unter mir sehe ich die Lichter von Hot Springs und höre Musik aus dem Dorf. Manchmal rattert mit lautem Tuten ein Zug vorbei. Die Zivilisation ist schon ganz nah.

34. Tag Hot Springs

Sonntag, 20.04.

Habe morgens nur eine halbe Stunde zu laufen und erreiche das 1. Hiker-Hostel bereits vor 9.00 Uhr. Dort gibt es eine Einzelzelle für 25 US$ – aber es steht wirklich nur ein Bett drin, sonst nichts. Wohnzimmer, Küche und Bad werden gemeinschaftlich genutzt. Bin nicht so begeistert, aber lasse mir vorsichtshalber eine Reservierung machen. Dann gehe ich zunächst einmal im 650-Seelen-Dorf frühstücken. Das „Smoky Mountain Diner“ bietet 4 Rühreier, dazu Potato Wedges und Toast mit Butter für nur 6 US$. Kaffee inclusive – wie immer – soviel man möchte. Guter Start in den Tag !

Dann frage ich im Hostel gegenüber nach einem Single-Room. Dort wird ein Mini-Raum mit Pritsche für Thru-Hiker zum Sonderpreis von 20 US$ angeboten. Aber auch hier bin ich nicht so richtig zufrieden. Zu viele Leute wuseln mir in der Gemeinschafts-Küche herum. Das ist mir alles viel zu gesellig. Schließlich entscheide ich mich für das etwas teurere Alpine Court-Motel. Hier habe ich ein richtig gemütlich eingerichtetes Zimmer mit eigenem Bad und Fernseher. Wie gut, dass ich mir diesen Luxus leisten kann ! Na, so richtig teuer ist es auch nicht, aber die jungen Leute auf dem Trail müssen viel mehr auf’s Geld achten. Ist schon sehr angenehm, wenn man die Wahl hat und sich an den off-days wohlfühlen und entspannen kann.

Nach der dringend nötigen Dusche mache ich mich noch einmal auf den Weg, um in den anderen beiden Hostels die Reservierungen abzusagen. Dann suche ich mir einen WIFI-Spot, aber das Internet läuft hier im Dorf nicht besonders gut. Die Bücherei ist heute wegen Oster-Sonntag geschlossen. Am Nachmittag stehen Hausarbeiten an : Zelt zum Trocknen aufbauen, die gesamte Ausrüstung reinigen, Waschsalon und Einkauf für die kommenden 5 Tage.

35. Tag Hot Springs

Montag, 21.04.

Am Oster-Montag hat die Bücherei geöffnet. Ich darf für 1 US$ unbegrenzte Zeit an den Computer, um meinen Blog zu schreiben. Leider wird meine Handy-Kamera auch hier nicht vom PC erkannt, ich kann immer noch keine Fotos einstellen.

War gerade beim Outfitter und habe mir ein paar Liners gekauft. Diese sehr dünnen Struempfe werden unter den Wandersocken getragen und sollen helfen, Blasen zu verhindern.

Heute um 14.00 Uhr bietet das Hiker’s Ridge Ministries Resource ein kostenloses Mittagessen für alle Hiker an. Habe ich gar keine Lust drauf, denn ich kann von hier aus schon die ganze Meute dort Schlange stehen sehen. Aber dieses ist wieder einmal ein Beweis für die Herzlichkeit und die wahnsinnige Hilfsbereitschaft der Menschen entlang des Trails ! Das ist eine meiner schönsten und wichtigsten Erinnerungen, die ich von unserem Thru-Hike 2012 aus den USA mitgenommen habe.