Inzwischen sind wir seit 3 Monaten auf dem Continental Divide Trail unterwegs und haben seit der mexikanischen Grenze ungefähr 2100 Kilometer zurückgelegt. Bilanz der Bett-Wanzen-Geschichte : 2 Bisse bei mir, Thomas hat keinen einzigen abgekriegt. In der Höhe können die Bed Bugs nicht überleben. Damit ist diese unangenehme Angelegenheit hoffentlich ausgestanden. Ich habe in Denver schon wieder meine Hose enger gemacht, damit sie nicht vom Hintern rutscht. Beim guten Ausgeh-Hemd von Thomas musste ein Knopf neu angenäht werden. Außerdem hat er sich ein neues Lieblings-Teil gekauft als Ersatz für seinen mittlerweile schulterfreien Kapuzen-Pulli ( Riesenloch). 😉 Mein Poncho ist repariert, habe den Riss mit Zelt-Flickzeug überklebt. Der nächste Regen kommt bestimmt. Zum Postkarten-Schreiben sind wir wieder nicht gekommen. Die Freizeit-Angebote einer Großstadt sowie die vielen Stunden, die wir in Gesellschaft verbracht haben, lassen 4 Tage wie im Fluge vergehen. In den kleinen Dörfern entlang des Trails haben wir manchmal schon nach einem Tag alles erledigt und uns richtig ausgeruht – weil man einfach nichts unternehmen kann. Da gibt es mehr Ruhe und Entspannung als wenn man den ganzen Tag unterwegs ist. Morgens zeigen wir unseren Freunden auf ihrem Fernseher noch einige Etappen unserer Reise. Das dauert länger als geplant, weil wir noch eine Kleinigkeit zusammen essen und die Zeit verquatschen. Wir dürfen eine Tasche mit aussortierten Sachen bei Cindy und Gideon lassen, denn wir werden uns bestimmt wiedersehen. Dann bringen die Beiden uns dorthin zurück, wo wir wieder auf den CDT gelangen. Immerhin 1,5 Stunden Autofahrt für einen Weg, zurück müssen sie natürlich auch noch. Sehr nett, das spart uns eine Menge Zeit. Überhaupt haben wir diese hilfsbereiten und gastfreundlichen Menschen sehr ins Herz geschlossen. Der Abschied fällt mal wieder schwer. Wir bekommen viele gute Wünsche und „God bless you.“ mit auf den Weg. Während wir noch auf dem Parkplatz stehen, beginnt es zu nieseln. Da können wir uns gleich wasserdicht verpacken, das Handy sichern, den Poncho über den Rucksack ziehen. Es donnert …. unser tägliches Nachmittags-Gewitter ist im Anmarsch. Wir laufen im Regen los, das Unwetter kommt immer näher. Direkt über uns donnert und kracht es enorm laut. Wir sind nahe dran, aber zum Glück noch nicht hoch genug. Gefährlich wird das Gewitter erst, wenn wir über der Baumgrenze sind und ungeschützt zelten müssen. Drei Stunden lang folgen wir einem Wanderweg bergauf. Haben heute nur 10,5 Kilometer geschafft, aber bevor wir weiter aufsteigen und noch nasser werden, beenden wir den Tag lieber um 18.00 Uhr im Schutz dichter Bäume. Kalt genug ist es trotzdem, denn wir befinden uns schon wieder auf beinahe 4000 Meter Höhe. Kein gutes Klima für Bett-Wanzen. 😉
Bereits nach 5 Stunden stetigen Aufstiegs sind wir wieder ringsum von hohen Bergen umzingelt. An den Hängen liegt immer noch Schnee, aber der Weg ist frei. Was für ein gewaltiger Unterschied zum im Flachen gelegenen Denver mit seiner stehenden Hitze und Luft-Verschmutzung ! Hier oben ist die Luft klar und frisch, wir kommen noch nicht einmal ins Schwitzen. Meine Nase läuft schon seit dem Aufstehen, wahrscheinlich um den Dreck der Großstadt auszuspülen. Eine Spur, die gerade breit genug zum Laufen ist, führt über mehrere Gipfel. Aber immer schön moderat, Aufstieg, etwas Abstieg, erneuter Gegenanstieg, wieder ein Stück hinunter ….. So kann man es gut aushalten, das ist nicht besonders anstrengend. Eine ganze Weile bleiben wir mehr oder weniger in der Höhe und wandern locker auf dem Grat entlang. Zwischendurch läuft der Weg entlang der Berg-Flanken, ohne dass wir auf den höchsten Punkt kraxeln müssen. Einfach und sehr schön. 🙂 Plötzlich flattert ein weibliches Schneehuhn ganz aufgeregt näher und setzt sich direkt vor mir auf den Weg. Es macht merkwürdige Geräusche, klingt fast wie ein Fauchen. Dann sehen wir den Grund für diese Vorstellung : 2 winzig kleine Küken rennen orientierungslos herum, eins verschwindet nach rechts, das andere flitzt in die linke Richtung davon. Wir wollen ja nicht stören, deswegen gehen wir langsam und vorsichtig an der kleinen Familie vorbei. Schneehuhn-Mama und ihre Kinder tragen ein braun-geflecktes Sommerkleid und sind in dieser Umgebung fast nicht auszumachen. Wir passieren den Jones Pass, wo sich die Alternativ-Route von Silverthorne wieder mit dem CDT vereinigt. Heute wandern wir den ganzen Tag in der Vasque Peak Wilderness im Arapaho National Forest. Ab 14.00 Uhr kommen schwarze Wolken schnell näher, kurz darauf grummelt es bereits am Himmel. Es donnert vor uns und hinter uns. Die ersten Tropfen fallen, gleichzeitig kracht es furchtbar laut direkt über uns. Blitz und Donner in kurzer Folge, und wir laufen völlig ausgesetzt oberhalb der Baumgrenze. Wir ziehen uns in Windeseile regenfest an und machen, dass wir hier weg kommen. Zum Glück befinden wir uns kurz vor einem Abzweiger, der nach unten führt. Wir rennen fast, damit wir aus der Gefahrenzone kommen. Mit Regen von oben und Gewitter im Nacken geht es echt schnell voran. Nach knapp zwei Stunden ist der Spuk vorbei. Vor uns ist der Weg jetzt mit dicken Hagelkörnern gepflastert. Die Berge rechts von uns sind mit einer frischen Schicht Neuschnee gepudert. Die Sonne kommt heraus, wärmt und trocknet alles wieder. Es geht zum Ende des Tages noch einmal sehr steil hinauf zum Stanley Mountain. Eine massive Wand, an der entlang wir uns in Serpentinen immer höher schrauben und dabei doch noch richtig ins Schwitzen kommen. Auf dem Gipfel finden wir sogar eine Art Gipfel-Zeichen, einen Metallstab, an dem ein zerfetztes weißes T-Shirt im Wind flattert. Kurze Zeit später überholen wir einen Mann, der seiner Kleidung und seinem Rucksack nach ein CDT-Hiker sein muss. Richtig geraten. Er stellt sich als „Solar Sam“ vor und ist sicherlich 10 Jahre älter als wir. Als Erstes sagt Sam zu uns, dass wir ihn anschreien müssen, weil er sein Hörgerät im Rucksack hat. Das ist ja schon ein bisschen kurios. Aber wozu braucht man ein Hörgerät, wenn man alleine in dieser Wildnis über die Berge wandert ? 😉 Die Unterhaltung klappt ganz gut. Ein netter Mann, der es hoffentlich bis nach Canada schaffen wird. Unser Tagesziel ist der Berthoud Pass, wo es einen Trailhead mit Parkplatz, eine Schutzhütte und Toiletten gibt. Wir sind uns nicht sicher, wie es dort mit Wasser aussieht. Ein sehr athletischer Mann kommt von hinten angerannt. Vor einigen Stunden ist er uns schon auf dem Trail entgegen gekommen. Er hat keinen Rucksack, nur zwei kleine Wasserflaschen am Shirt befestigt, trägt aber Gewichte an beiden Handgelenken. Sehr schnell, sehr sportlich, sieht professionell aus. Thomas fragt ihn, ob wir unten am Parkplatz Wasser finden. Der Mann glaubt, dass es dort keins gibt, aber er hat zwei Kanister im Wagen, davon können wir uns bedienen. Es sind noch etwa 3 Kilometer bis dahin, aber er wartet vor seinem Auto auf uns. Wir füllen uns 4 Liter Wasser ab und haben damit genug, um Feierabend zu machen. Der sportliche Mann heißt Bob und trainiert hier für zwei Marathon-Läufe, die im September stattfinden. Heute ist er 18 Meilen gerannt, das sind knapp 30 Kilometer. Wir haben dieselbe Strecke in langsam zurückgelegt, allerdings mit schwerem Gepäck. Bob ist Präsident eines Running-and-Cycling-Clubs. Er kommt aus Golden, einem Vorort von Denver. Wir bekommen seine Visitenkarte in die Hand gedrückt und sollen uns bei ihm melden, wenn wir wieder in der Gegend sind. Nun haben wir einen weiteren Grund, nach Beendigung unseres Trails nochmal einige Tage in Denver zu verbringen. 🙂
Gestern waren wir insgesamt 12 Stunden unterwegs und sind später als gewöhnlich zum Schlafen gekommen. Deswegen kommen wir morgens nicht so früh aus den Federn. Während wir noch im Schlafsack liegen und Kaffee trinken, bekommen wir Besuch von einer Senioren-Gruppe. Ein halbes Dutzend älterer Leute, die uns ein fröhliches „Good Morning“ zurufen und nach irgendeinem Wanderweg fragen, den wir nicht kennen. Zum Warmwerden gibt es knapp zwei Stunden Anstieg auf den Flora Peak.
Ein kleines Stück hinter dem Gipfel treffen wir erneut auf Solar Sam. Er spricht ein paar Brocken Deutsch und erzählt uns, dass er 1960 als Student ein halbes Jahr in Deutschland verbracht hat. Moment mal …. wann war das ? Es stellt sich heraus, dass dieser Mann bereits 74 Jahre alt ist. Er ist, genauso wie wir, an der mexikanischen Grenze gestartet. Hut ab ! 🙂 Genau in unserer Mittagspause verdunkelt sich der Himmel, und die ersten dicken Tropfen fallen. Schnell Regenjacke angezogen, die Rucksäcke mit dem Poncho zugedeckt, das Handy sicher in Plastiktüte verpackt. Wir sitzen ungefähr 10 Minuten beim Essen im Regen, dann hört es auf und die Sonne kommt heraus. Es hat also gerade lange genug geregnet, dass mal eben alles nass geworden ist. 😉 Wir laufen immer noch im Arapaho Forest. Nach der Pause geht es durch Geröll-Felder abwärts und immer weiter hinunter bis in ein tiefes Tal. Sehr angenehm, aber leider dauert dieser bequeme Zustand nicht lange an. Wir müssen nämlich die Bergkette wechseln, das bedeutet, auf der anderen Seite wieder alles hinaufstapfen. Unter unserem Hang liegen auf verschiedenen Ebenen mehrere kleine Seen. Die unteren sind von Sonntags-Ausflüglern mit Paddelboot und Kanu belagert. Der obere See ist noch zur Hälfte von einer Eis-Schicht und Schnee bedeckt.
Bisher war unser heutiger Weg seit der Begegnung mit Solar Sam total einsam. Aber am Abend wird die Ruhe empfindlich durch anhaltende Schüsse gestört. Das gehört doch nun wirklich nicht hierhin. Wir sind ziemlich verstört und beunruhigt. Da steht ein roter Jeep ziemlich schräg am Hang. Ein sehr geländegängiges Fahrzeug, das einfach so über Wiese und Geröll bis hierhin gefahren ist. Ein junges Pärchen ballert wie wild in der Gegend herum. Zuerst schießen sie mit einem Gewehr auf eine Scheibe in einer Schneewand. Als sie uns kommen sehen, packen sie das Gewehr weg und knallen mit einer Pistole in die Luft. Anscheinend gibt der Mann seiner Frau Schieß-Unterricht. Sehr unangenehm, wir grüßen und laufen schnell vorbei. Wir tragen 4 Liter Wasser den Berg hinauf, weil es die nächsten 15 Kilometer nichts geben soll, wir aber irgendwo zwischendurch unser Lager aufschlagen möchten. Und was finden wir etwas unterhalb des Gipfels ? Mehrere Rinnsale mit Schmelzwasser, sauber und rein. Der Aufstieg zum James Peak mit 4052 Metern Höhe ( 13294 Fuß ) ist lang und knackig. Insgesamt geht es 7 Kilometer stramm bergauf, ungefähr doppelt so viele Höhenmeter wie der am Morgen. Dafür brauchen wir 3,5 Stunden und erreichen den Gipfel um 19.45 Uhr. Lausig kalt ist es hier oben. Trotzdem sind wir froh, dass wir es noch geschafft haben und beglückwünschen uns gegenseitig zur Besteigung des zweiten 13.000-ers an diesem Tage. Noch ist alles gut. Wir drehen eine Runde auf dem sehr überschaubaren Plateau, machen ein paar Fotos und möchten dann auf der anderen Seite hinunter. Aber wir finden den Abstieg nicht. Es sieht alles nur steil und unpassierbar aus. Das GPS spinnt. Unsere Papierkarten stimmen nicht. Wir laufen suchend vor und zurück, ohne dass wir eine Möglichkeit sehen, ein paar Etagen tiefer zu kommen. Langsam werde ich nervös. Gleich wird es dunkel, ein eisiger Wind weht, ich möchte nicht über Nacht hier oben bleiben. Es gibt zwar so eine Art Schutzwall aus Felsblöcken, die wie eine Mauer im Kreis angeordnet sind. Aber in dieser Höhe auf Geröll ein Notlager zu errichten, das gefällt uns natürlich überhaupt nicht. Nach einer Viertelstunde findet Thomas doch endlich eine dünne Spur, die abwärts führt. Wir waren nur völlig verpeilt und haben den Weg nicht gefunden, weil wir ihn beide an einer anderen Seite vermutet haben. Falsche Erwartung, die unser logisches Denken für einen Moment blockiert hat. Aber es ist ja auch schon spät. 😉 Wir folgen der Spur nach unten, so schnell wir können. Inzwischen versinkt die Sonne westlich von uns über den Bergen, der ganze Himmel leuchtet blutrot. Es dauert noch eine Weile, bis wir einen halbwegs geeigneten Platz finden. Das Zelt-Aufstellen ist eine große Herausforderung, weil es auch eine Ebene tiefer immer noch heftig weht. Aber mit Geduld und vielen dicken Steinen zum Beschweren schafft Thomas es, uns doch noch ein gemütliches Lager zu errichten. Später Feierabend ….. schon wieder. Unter uns leuchten die Lichter einer größeren Stadt. Das müsste Winterpark sein, ebenfalls ein Ski-Ort mit allem Komfort und noblen Hotels. Da zieht es uns nicht hin. Aber wenn heute der 4. Juli oder Silvester wäre, dann hätten wir hier oben einen Logenplatz für’s Feuerwerk.
Ruhige Nacht auf dem James Peak, das schöne Wetter hat sich zum Glück gehalten. Ein langer Abstieg, danach geht es auf schmalem Pfad entlang der Südflanke bis zum Rogers Pass. An der Steilkante bleiben wir stehen und staunen über klare Gebirgs-Seen. Die Ufer sind immer noch dick mit Schnee gesäumt, auf dem Wasser schwimmen letzte Eisschollen. Dort kommen uns zwei Männer in Hiking-Klamotten mit vollem Gerödel entgegen. Sie erzählen von Nepal, vom Himalaya und von einem Trail zum Heiligen Berg. Hört sich alles sehr spannend an, kommt aber erstmal nicht auf die ToDo-Liste. Unsere Liste ist bereits so lang, dass wir wahrscheinlich in den nächsten 20 Jahren keine Langeweile bekommen werden. 😉 Wir verquatschen eine halbe Stunde, dann trennen sich die Wege. Unsere Route führt weiter zum Rollins Pass, danach am King Lake vorbei. Der Trail verläuft weiterhin auf und ab. Viele kleine Gipfel, über die wir in einer langen Reihe wandern. Colorado zwickt ganz ordentlich in den Waden. Immer über 4000 Meter, blauer Himmel, Sonnenschein. Sehr schön ! 🙂 Heute beobachten wir mehrmals, wie die kleinen Felltierchen mit frischem Grünzeug im Mund herumlaufen. Das haben wir bisher noch nie gesehen. Anscheinend ist jetzt die Zeit für Nachwuchs, und die Kinderschar im Bau will mit Futter versorgt werden. Mit ihren runden Ohren und Knopfaugen haben sie Ähnlichkeit mit unseren Goldhamstern, sind nur deutlich größer. Das Gebiet hier nennt sich Indian Peaks Wilderness. Es folgt eine lange Traverse bis zum Devils Thumb Pass. Von da aus geht es in den Abstieg. Endlich kommen wir mal wieder unter die Baumgrenze. Schlagartig präsentiert sich uns eine ganz andere Landschaft. Es wird grün um uns herum, kleine Bäche plätschern, Wiesenblumen blühen in allen erdenklichen Farben. Auf einmal wandern wir durch richtigen Wald mit hohen Bäumen, Wurzeln, bizarren Felsen. Sieht total wild und unberührt aus hier, aber der Pfad ist gut erkennbar. Statt hohen Bergen gibt es jetzt nur noch Hügel, die wir rauf und runter laufen. Plötzlich sehen wir einen weiblichen Elch in etwa 100 Meter Entfernung grasen. Das Tier erstarrt zur Salzsäule, als es uns entdeckt. Eine Einheimische, die mit ihrem Hund vorbeiläuft, erzählt uns, dass die Elch-Kuh zwei Babies hat. Wir möchten natürlich gerne die Jungen sehen und bleiben ein paar Minuten ruhig stehen. Die Elchmutter hat inzwischen ihre Tätigkeit von vorhin wieder aufgenommen und frisst seelenruhig weiter. Von den Elchkindern ist nichts zu sehen. Na, dann eben nicht. Wir gehen weiter, beinahe beschwingt von dem einfachen schönen Waldweg. Das fühlt sich genauso an wie auf dem Appalachian Trail. Endlich kommen wir mal wieder etwas schneller vorwärts. Dann sehen wir eine orangefarbige Metallkiste einsam neben dem Wegesrand stehen. Darauf steht fett gedruckt “ Trail Magic „. Wir können es kaum glauben ….. hier in dieser Einsamkeit, fernab von jeder Straße. Die stabile Kiste ist bärensicher, kindersicher, frauensicher. Auf jeden Fall bekomme ich sie nicht auf. Thomas muss auch erstmal eine Weile ausprobieren, bis er die Technik herausgefunden hat, mit der sich die Metallbügel zur Seite schieben lassen, damit sich der Deckel öffnen lässt. Uns fallen fast die Augen aus dem Kopf ! Die Kiste ist voll mit verschiedenen Sorten Chips und Oreo-Keksen. Wie toll ! Wir freuen uns wie blöd über diese gelungene Überraschung. 🙂 Also machen wir erstmal Pause, obwohl es noch nicht an der Zeit dafür ist. Thomas findet Hirsch-Salami in der Kiste. Extra für Hiker, die hat ungewöhnlich viel Protein. Nein danke, ich möchte kein Hirsch-Fleisch essen. Viel lieber habe ich Chips und Oreos. Tausend Dank am die Trail Angel Moon & Honey, die vermutlich selber schon den CDT gelaufen sind und deswegen genau wissen, was am Besten ankommt. 🙂 Frisch gestärkt vergehen die letzten Kilometer wie im Flug. Kurz bevor wir einen Bach erreichen, an dem wir unser Lager aufschlagen, sehen wir eine riesige Herde von Wapiti-Hirschen, die auf der Wiese rechts vom Weg weiden. Wir zählen ungefähr 30 Tiere, Hirsche, Weibchen und viele Jungtiere. So viele Tiere in einer Gruppe haben wir noch nie gesehen. Sie lassen sich nicht stören, während wir Wasser holen und unser Zelt auf der anderen Seite des Weges aufbauen. Anscheinend ist der Sicherheitsabstand groß genug. Während Thomas das Essen zubereitet, laufe ich noch einmal zurück, um etwas näher an die Tiere heranzukommen und ein paar Fotos zu machen. Aber damit sind die Wapitis gar nicht einverstanden. Waren sie vorher weit auf der Ebene verteilt, so rücken sie jetzt immer dichter zusammen und bilden eine Mauer aus ihren Körpern, wahrscheinlich um die Jungtiere zu beschützen. Und sie stoßen merkwürdige Geräusche aus, die Laute klingen wie heiseres Bellen. Ich trete den Rückwärts-Gang an und gehe auf unsere Seite zum Zelt. Thomas fragt mich, ob da noch Jemand mit Hunden kommt. Es dauert lange, bis die Tiere sich wieder beruhigt haben und das Bellen verstummt.
Wir wachen auf vom Tropfen des Regens auf dem Zeltdach. Der Himmel ist bleigrau. Bis wir bereit zum Aufstehen sind, hat es sich ausgetropft. Die Sonne kämpft sich langsam durch. Rings um unser Zelt herum riecht die Wiese streng nach Tieren. Habe in der Nacht zweimal etwas gehört, was auf Besuch schließen ließ. Unsere Plastik-Schüsseln vom Abendessen liegen nicht mehr an ihrem Platz, da war wohl Jemand dran. Egal, wir haben sehr gut geschlafen. Bis nach Grand Lake, unserem nächsten Einkaufs-Stopp, sind es noch ungefähr 35 Kilometer. Unser Ziel für heute ist es, möglichst weit zu kommen und nahe dem Ort zu zelten. Damit sparen wir das Geld für die Übernachtung und sind zum Frühstück in der Stadt. Bereits eine Stunde nach dem Start erreichen wir einen Wander-Parkplatz mit bärensicheren Abfalltonnen. Dort werden wir unseren Müll der letzten vier Tage los. 🙂 Ein schöner Weg ohne weitere Schikanen, leichtes Laufen in hügeligem Gelände. Diese Etappe führt eigentlich den ganzen Tag an Seen entlang, die viel von Anglern, Campern und Spaziergängern genutzt werden. Am Monarch Lake finden wir trotzdem einen einzeln stehenden Picknick-Tisch für die Mittagspause. Abseits vom Hauptweg, alleine auf einem Felsen über dem See, viel Wind, aber dafür keine Moskitos. Perfekt ! Eine Hälfte des Sees ist komplett mit Seerosen-Blättern überzogen. Leider sind sie bei diesem bedeckten Wetter alle geschlossen, keine einzige Blüte ist zu sehen. Wir halten kurz an der Ranger Station an und unterhalten uns mit der Frau, die dort ihren Freiwilligen-Dienst macht. Vor der Hütte ist eine Futterstation für Kolibris aufgehängt, an der reges Treiben herrscht. Die grün-bunten Vögelchen schwirren mit lauten Flügelschlägen um dieses Karussell, das mit Zuckerwasser gefüllt ist. Sehr hübsch ! 🙂 An Campingplätzen vorbei führt unser Weg zum Shadow Mountain Lake. Zunächst begegnen wir noch ein paar Tages-Touristen, aber schon bald wird unser Pfad immer schmaler und zugewachsen. So weit weg von ihrem Campingplatz gehen die meisten Leute nicht mehr spazieren. Wir wandern eine Weile nah am Wasser entlang, stellenweise gibt es sogar ein kleines Stückchen Strand. Dann steigen wir leicht an und laufen an einer steilen Kante direkt über dem See weiter. Einsam und sehr schön. Vor uns auf dem Weg liegt Bären-Kacke. Dieser Haufen ist aber nicht von einem kleinen Schwarzbären. Da muss schon ein ganz stattliches Exemplar in der Nähe gewesen sein. Nur wenig später bekomme ich einen Riesenschrecken. Direkt links vor mir knackt es in den Bäumen, und ein großer dunkelbrauner Schatten macht sich davon. Ich denke natürlich im ersten Moment, ich habe den Bären aufgescheucht. Aber es ist nur eine Elch-Kuh, die vor mir flüchtet. Sie bleibt 30 Meter weiter ganz entspannt auf der Wiese stehen und lässt sich fotografieren. Nachmittags knallt die Sonne so stark, dass ich anhalten und mir Sonnencreme ins Gesicht schmieren muss. Außerdem ein Hemd mit langen Ärmeln anziehen, denn die Unterarme werden schon rot. Nur eine Stunde später werden wir eiskalt erwischt. Ohne Vorwarnung knallt es, ein Gewitter, das wir nicht haben kommen sehen. Verrücktes Colorado-Wetter ! 😉 Wir setzen uns auf einen Baumstamm, ziehen die Regenponchos über alles und versuchen vor allem, unsere Rucksäcke vor dem plötzlichen Wolkenbruch zu schützen. Es dauert nur ein paar Minuten, dann sind unsere Hinterseiten durch und durch nass. Nach einer halben Stunde heftigen Regens ist das Gewitter vorbei. Das Wasser steht in den Schuhen, aber unsere Ausrüstung konnten wir halbwegs trocken halten. Einige Minuten Regenpause, wir marschieren weiter, aber dann beginnt es wieder zu tröpfeln. Macht jetzt auch nichts mehr, nasser geht es sowieso nicht. Wir möchten noch ein paar Kilometer schaffen. Ein Schild weist uns darauf hin, dass wir nun im Rocky Mountain National Park sind. Ein älterer Herr, der mit seinem Motorboot am Ufer des Mountain Lake festgemacht hat, fragt uns, ob wir auf dem Weg nach Canada sind. Und das, obwohl es noch ca. 2600 Kilometer bis dahin sind. Auf jeden Fall konnte der Mann sich denken, warum wir im Regen mit schwerem Gepäck um den See laufen. Er wünscht uns viel Glück für den Rest unseres Abenteuers. 🙂
Eigentlich wollten wir früh aufstehen und möglichst schnell in Grand Lake ankommen. Aber es regnet. Wir drehen uns auf die andere Seite und schlafen noch ein bisschen. Dann trinken wir einen Kaffee …. immer noch ergiebiger Regen. Wir legen uns wieder hin und entspannen noch eine Runde. Den Beinen und Füßen kann das nicht schaden. Gegen 9.00 Uhr gibt es eine Lücke in dem Wolken, es tropft nur noch ein wenig. Packen und los ! Durch nassen Wald und sumpfige Wiesen geht es bis zur Straße. Ein Bagger-Fahrer kommt uns entgegen. Er grüßt ausgesprochen freundlich und macht das „Daumen hoch“ – Zeichen. Kurz darauf begegnen wir einem Ehepaar, das gerade einen Morgen-Spaziergang am See entlang macht. Sie fragen, ob wir den ganzen Continental Divide Trail laufen, wie lange wir schon unterwegs sind, ob wir in der Stadt bleiben …. Ja, das wissen wir selber noch nicht so genau. Grand Lake ist ein 500-Einwohner-Dorf, allerdings auch ein beliebtes Ferienziel. Schon seit gestern haben wir den Ort mit seinen Ferienhäusern malerisch am See liegen sehen. Sieht teuer aus. Vielleicht verbringen wir nur ein paar Stunden hier, machen den nächsten Einkauf und gehen direkt weiter auf die nächste Etappe. Oder aber wir fragen, was eine Nacht auf dem Campingplatz kostet. Das schlechte Wetter lässt Beides nicht besonders attraktiv erscheinen. Wir können gerade noch nicht nachdenken – zunächst brauchen wir ein ordentliches Frühstück. Eine Brücke führt auf die andere Uferseite, wo sich anscheinend alles trifft. Es gibt unzählige Hotels, Restaurants und Cafés in Grand Lake. Überall ist es rappelvoll. Erst im dritten Café finden wir einen kleinen Tisch. Inzwischen regnet es schon wieder heftig. Während wir noch mit dem Frühstück beschäftigt sind, sehen wir das Ehepaar von vorhin wieder. Sie kommen zu uns an den Tisch und laden uns zu sich nach Hause ein. In Anbetracht des schlechten Wetters muss man uns nicht lange überreden. Ich bin so begeistert, dass ich sogar vergesse, Thomas nach seiner Meinung zu fragen. Bevor wir lange darüber nachdenken können, habe ich bereits spontan zugesagt. Die Leute waren uns von Anfang an sympathisch. Aber dass die jetzt zurückgekommen sind und uns in den Cafés suchen, das ist wirklich eine Überraschung ! Dankend nehmen wir das Angebot von Shelley und Jim an. Die Aussicht auf einen trockenen Platz, ein Bett, eine Dusche und Waschmaschine ist wirklich verlockend. Die Gastfreundschaft dieser Menschen, mit denen wir vorhin lediglich ein paar Minuten auf der Straße geredet haben, ist überwältigend. 🙂
Baah!
Klingt das schön, immer wieder! Und anstrengend…
Ich hab‘ mal ein Link auf unserer Blogseite gesetzt, ich hoffe, es freut ein paar Leser.
Andrea aus Trinidad
Hallo Andrea,
danke und sehr gerne. Vielleicht treffen wir uns mal irgendwo auf der Welt ?
Walkabout wartet in Neuseeland, ab November segeln wir wieder.
Lieben Gruss,
Frauke
Wie immer freue ich mich über die umfangreichen Berichte. Ich könnte die Strecke nicht so ausführlich beschreiben, ich hätte die Hälfte schon vergessen. 😀
Toll finde ich die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen, denen ihr auf dieser Tour begegnet!
Ich wünsche euch weiterhin viel Glück auf eurem Weg, erbauliche Naturerlebnisse, weiterhin glückliche Begegnungen mit Menschen.
Herzlichst Ingrid
Hallo Ingrid,
ja, die Naehe zu den Menschen und die umwerfende Gastfreundlichkeit sind die Dinge, die uns immer wieder weitertreiben. Wir lieben die langsame Art des Reisens.
Lieben Gruss,
Frauke und Thomas