Wir segeln und wandern durch die Welt

Monarch Pass bis Twin Lakes 02.07. – 07.07.2017

 

 

Wir verbringen ganze vier Stunden im Café am Monarch Pass. Es ist Wochenende und eine Menge los, aber wir besetzen einen Tisch in der Ecke etwas abseits vom Touristen-Trubel. Und wir sind gute Gäste : Kaffee, Hot Dog, Chili-Beans mit Käse, Eis, Cola, Kaffee, Chili Beans mit Käse, Eis …. genau in dieser Reihenfolge. Thomas kann sich mit Spiegel und warmem Wasser rasieren, den Wasserfilter reinigen, und wir erledigen den nötigsten Internet-Kram. Was uns besonders freut : Wir lernen das ältere Paar kennen, welches uns vor drei Tagen auf dem Trail entgegen gekommen ist und so freundlich gegrüßt hat. Der Mann mit dem weißen Haupt hat den Trailnamen „Team“ , seine Frau mit den Silberhaaren nennt sich „Infinity“. Zusammen ausgesprochen ergibt das „Team Infinity“ was bedeutet „Team Unendlichkeit“ . Es gefällt mir unendlich gut, dieses Bild und diese Stimmung, die ich dabei im Kopf habe. Im Trail Register vom Monarch Pass haben die Beiden sich direkt nach uns eingetragen. Als Kommentar haben sie geschrieben : „Another day in paradise !“ Diese Zwei wissen sehr gut zu schätzen, dass sie beide gesund sind, jeden Tag ein neues Abenteuer erleben dürfen …. und das auch noch gemeinsam. Wir sind schwer beeindruckt und froh, solche besonderen Menschen unterwegs zu treffen. Unser Proviant-Paket muss auf die Rucksäcke verteilt werden. Eine Dose Pfirsiche essen wir sofort, damit wir diese nicht schleppen müssen. Den Müll sowie den Karton dürfen wir am Monarch Pass entsorgen. Unsere Geräte sind inzwischen aufgeladen. Die Leute im Souvenir-Shop und Café sind wirklich sehr freundlich und hilfsbereit. Um 16.00 Uhr geht es los, und wieder geht es richtig hinauf. Schon bald steigen wir auf Ski-Loipen ohne Schnee hoch bis zur Monarch Ski Area. Das Gebiet sieht jetzt etwas trostlos aus, die Ski-Lifte, Hütten und Gerätschaften sind verlassen bis zur nächsten Saison. Unser Weg führt immer weiter aufwärts an den Flanken der Berge entlang. Es gibt nur noch vereinzelte Schneereste an den Hängen, gelegentlich eine Schnee-Verwehung, über die wir stapfen. Mehr nicht, unsere Spur ist weitgehend trocken. Wir finden ein Federbüschel, verschiedene Federn sind mit Tape zusammengeklebt. Sieht aus wie der Hut-Schmuck von Papa Raven. Wir heben es auf und werden es eine Weile mitnehmen. Federn wiegen ja nun wirklich nicht viel. 😉 Es dauert nicht lange, da befinden wir uns schon wieder oberhalb der Baumgrenze. Felsen und Geröll, es grüßen die Murmeltiere. Die einzige Vegetation hier oben sind niedrige Pflänzchen, die sich vor dem heftigen Wind ducken. In den Ecken zwischen den Steinen wachsen bunte Blümchen, Steinkraut in weiß, rosa und lila. Wirklich erstaunlich, wie sich solche Arten trotz aller Widrigkeiten durchsetzen und vermehren. Diese Hochgebirgs-Landschaft ist schroff und sehr einsam, hat aber ihren ganz besonderen Reiz. Viel höher geht es nicht mehr. Es ist tüchtig kalt, ein schneidender Wind treibt uns schnell vorwärts. Der Bald Mountain ist mit seinen 13684 Fuß ( 4174 Metern ) der höchste Berg für heute. Wir müssen nicht bis auf den Gipfel, der CDT verläuft zum Glück etwa 100 Meter unterhalb. Nachdem wir mehrere Berge überquert haben, wechselt die Spur auf die windgeschütztere Seite. Mehrere Gebirgs-Seen liegen idyllisch unter uns. Auf dem größten der drei Seen schwimmen noch dicke Eisschollen. Die Farbe ist blau-grün wie die Gletscher in Patagonien. Superschön ! Wir können uns gar nicht satt sehen an dieser grandiosen Natur. Nachdem wir einige Berge überquert haben, steigen wir endlich etwas ab. An einem kleineren See finden wir ein Fleckchen, das gerade genug Fläche für unser Zelt bietet. Das Wasser im See ist sowas von sauber, wirklich glasklar. Und keine Moskitos, dafür ist es zu kalt. 🙂 Immerhin haben wir unseren Schlafplatz in mehr als 4000 Meter Höhe. Unser Wasserfilter hat seinen Platz wieder bei Thomas im Schlafsack, damit er nicht kaputt friert. Im Proviant-Karton hatten wir noch Platz für zwei Dosen Bier, die wir vom Monarch Pass vier Stunden lang hierher getragen haben. Nun können wir damit den gelungenen Abschluss der Zahn-Operation feiern. 🙂

Gleich nach dem Aufstehen drehen wir eine Runde an unserem kristallklaren See, in dem sich die Berge und ein paar Bäume spiegeln. Es sieht nach einem Schlechtwetter-Tag aus. Morgens ist der Himmel grau und bewölkt. Unser Wander-Revier ist der San Isabel National Forest. Die Landschaft erinnert uns stark an Maine im Nord-Osten der USA. Breite Waldwege mit Mischwald, dazwischen dicke Baumwurzeln und Felsbrocken. Etliche Seen reihen sich aneinander, heute sehen sie kalt und unwirtlich aus. Bereits kurz nach dem Start fallen die ersten Regentropfen. Während unserer Frühstückspause sitzen wir unter unserem Regenponcho, den wir als Schutzdach zwischen einige Bäume gespannt haben. Keine große Lust zum Weitergehen …. lange Pause. Danach fallen dann ein paar Minuten dicke Hagelkörner vom Himmel. Der Wind ist schneidend kalt. Wir nähern uns dem Chalk Creek Pass und steigen immer höher auf. Hier liegt noch erstaunlich viel Schnee, aber der ist weich und griffig. Was stört, ist der Wind, der sich inzwischen wie Sturm anfühlt und genau von vorne kommt. Wir segeln zwar nicht gegen den Wind, aber wir haben einen steilen Anstieg im Schnee über den Pass vor uns. Den Wind direkt auf die Nase, so bekommt man kaum genug Luft zum Atmen. Dick vermummt sind wir, den Poncho über alles gezurrt, die Sonnenbrille dient diesmal als Schutz gegen die Böen. Nach einer guten Stunde wird es auf der anderen Seite merklich ruhiger. Wir können uns entspannen und entblättern. Was für ein wahnsinniges Gefühl, diese Anstrengung und dazu die kalte Luft, die einem die Farbe auf die Wangen treibt – wie Segeln an einem Tag mit rauen Bedingungen ! Am Nachmittag kommt dann doch noch streckenweise die Sonne durch, aber es wird nicht zu heiß. Wechselbäder – warm – kalt…. Anziehen, Ausziehen, wieder etwas Überziehen. Es ist einfach unglaublich schön hier oben, umgeben von den hohen Bergen, auf deren Gipfeln noch der Schnee leuchtet. Wir laufen langsam, kommen aus dem Staunen nicht heraus und genießen das Leben. Immer mal wieder bleiben wir stehen, schauen uns strahlend vor Glück an, und einer von uns Beiden sagt sowas wie : “ Mensch, was ist das toll hier !“ Wir passieren die Reste einer alten Mine, Ruinen, Schrotthaufen. Ein Bach fließt dort direkt aus dem Berg. Die Öffnung ist mit einer Klappe abgesperrt und mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ein kleiner Tunnel, sieht spannend aus, aber leider kann man nichts weiter erkennen. Auf unserer Papierkarte entdecken wir, dass es auch noch einen Alpine Tunnel geben soll. Den möchten wir uns auf jeden Fall näher ansehen, er liegt auch genau in unserer Richtung. Der Weg dorthin geht bergauf und führt an der Nordflanke entlang. Viel Schnee, immer wieder müssen wir uns durch waagerechte Tritte eine halbwegs sichere Spur bauen. Dabei wird uns erneut sehr deutlich bewusst, wie anstrengend und zeitraubend das Laufen so ist. Fast oben angekommen gilt es, ein weiteres breites Schneefeld zu überwinden. Es wird schon leicht eisig und glatt am Hang, also ist besondere Vorsicht geboten. Dann stehen wir auf dem Gipfel, checken Papierkarte und GPS, weil wir den Tunnel nicht gefunden haben. Mist, wir sind schon zu weit ! Der Eingang zur Alpine Station befindet sich auf der Westseite, da hätten wir vor der letzten Traverse geradeaus auf die andere Seite absteigen müssen. Was nun ? Einfach abhaken und weiterlaufen ? Nein, wir möchten uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Wir setzen unsere Rucksäcke ab und lassen diese am Gipfel liegen. Ich nehme nur mein Handy mit, damit wir Fotos machen können. Thomas steckt seine Taschenlampe ein, denn das Kind im Manne möchte natürlich gerne den Tunnel von innen erforschen. Dann stapfen wir zurück durch das letzte Schneefeld und steigen auf der Westseite steil bergab in ein tiefes Tal zwischen schroffen Bergen. Es geht bereits gegen 19.00 Uhr, als wir an der verlassenen Bahnstation ankommen. Die Sonne schafft es nicht mehr bis nach unten. Richtig kalt ist es hier im Kessel. Der Eingang zum Alpine Tunnel ist mit dicken Felsbrocken versperrt, da gibt es nichts mehr auszukundschaften. Aber wir können noch genug andere interessante Dinge aus der Vergangenheit ansehen. Da gibt es verrottete Holz-Schwellen, Schienen-Stränge, einen Wendeplatz, Weichen. Noch weiter unten stehen gut erhaltene Häuschen. Es sieht wirklich aus, als wäre die alte Bahnstation noch in Betrieb. Dabei ist es schon über 100 Jahre her, dass der letzte Zug auf dieser Strecke gefahren ist. Eröffnet wurde diese Linie 1880 zum Abtransport von Bodenschätzen aus dem Bergbau. Schon bald wurden auch Passagiere mitgenommen. Bis 1910 konnten Touristen eine spannende Fahrt durch die Berge erleben. Die Szenerie wirkt sehr lebendig, denn sie wurde von freiwilligen Helfern liebevoll restauriert. An einem kleinen Haus hängt ein Schild, das besagt, außerhalb der Saison sei das Büro geschlossen. Man solle den Hintereingang benutzen und die Tür wieder gut verschließen wegen der Tiere. Okay, wir gehen hinten herum und tatsächlich ist die Tür unverschlossen. Ein komplett eingerichtetes Häuschen mit mehreren gemütlichen Zimmern erwartet uns. Antike Möbel, in jedem Raum ein Bollerofen, ein Bettgestell mit Sprungfedern wie in der guten alten Zeit. Im Wohnzimmer steht ein wunderschöner Sekretär mit einem Opa-Stuhl davor. Hier liegt ein dickes Buch aus, in dem sich jeder Besucher eintragen kann. Wir schauen uns die letzten Seiten an, ob wir irgendwelche Namen kennen. Kein einziger CDT-Hiker hat sich hier verewigt. Die machen in der Regel nicht solche Extra-Touren mit mehreren Kilometern Umweg hoch und runter. Aber wir haben ja immer Angst, dass wir etwas verpassen 😉 Jetzt bereuen wir es, dass wir unsere Rucksäcke nicht dabei haben. Sonst hätte man in diesem niedlichen Gästehaus super übernachten können. Die alte Bahnstation wurde originalgetreu wieder aufgebaut und wie ein Museum eingerichtet. Das Besondere daran ist, dass die Tür nicht abgeschlossen ist und man einfach so hineingehen kann. Das ist wieder ganz typisch für die Amerikaner. Sie sind stolz auf ihre historischen Plätze und pflegen ihre Traditionen. Es gibt viele Freiwillige, die sich ehrenamtlich für solche Projekte zur Verfügung stellen und gemeinsam daran arbeiten. Hier wird nichts mutwillig beschädigt, zugemüllt oder entwendet. Dieser Ausflug in die Vergangenheit kostet uns einige Kilometer und beschert uns einen späten Feierabend, hat sich aber auf jeden Fall gelohnt.
Wir zelten etwas oberhalb vom Tunnel Lake auf mehr als 3700 Meter Höhe. Es ist bereits 21.00 Uhr, als wir endlich einen halbwegs geraden Platz finden. Wieder kalt, aber keine Moskitos. 😉 Ausnahmsweise essen wir im Zelt, danach gibt es noch einen heißen Kakao zum Aufwärmen. Beide sind wir uns einig : Es war wieder ein grandioser Tag ! 🙂

Die letzten beiden Nächte waren unheimlich ruhig, kein Wind und keine Tiergeräusche. Lediglich das Rauschen des Wassers neben uns, sonst absolute Stille. Heute ist Independence Day, der wichtigste Feiertag in den USA. Aber die Party und das Feuerwerk finden ohne uns statt. Wir sind gerade ungefähr in der Mitte einer Etappe und froh, dass wir endlich richtig Gas geben können. Alle Wehwehchen sind ausgeheilt, wir fühlen uns gut und sind voll motiviert. Es geht zunächst drei Kilometer in Serpentinen bergab bis in ein grünes Tal. Nachdem wir dieses durchquert haben, führt unser Weg nur noch ganz knackig bergauf. Und das vor unserem Haferflocken-Frühstück ! Zum Glück befinden wir uns auf der Südseite, also ohne Schnee. Ein strenger Geruch liegt in der Luft. Wildkatze oder Bär waren vor Kurzem noch in der Nähe. Mittagspause machen wir mitten auf dem Weg zwischen Granitfelsen aus Mangel an besseren Alternativen. Wir müssen unseren Beinen eine Stunde Ruhe gönnen. Und wir brauchen unsere Haferflocken. Hier oben gibt es keinen Bach und keine Quelle, aber genügend Schnee-Schmelze. Das Wasser müssen wir zum Trinken anwärmen. Weiter geht es entlang der Nordflanken. Hier liegt immer mal wieder ein breites Schneefeld vor uns, welches uns dann ganz ordentlich aufhält. Wir treffen einen Wanderer, der einen Teil des Continental Divide Trails von Norden nach Süden läuft. Nachdem wir einige Informationen über die weiteren Strecken und die Schnee-Verhältnisse auf beiden Seiten ausgetauscht haben, erzählt er uns vom Island Trail. Den kannten wir bisher noch nicht, aber er kommt jetzt auf unsere Liste. 😉 Der Himmel verdunkelt sich mehr und mehr, der Wind nimmt unangenehm zu. Und dann fallen Schneeflocken vom Himmel. Es ist der 4. Juli, und es schneit in Colorado. Das winterliche Wetter erwischt uns ganz plötzlich und ausgerechnet an einer sehr ausgesetzten Stelle. Wir befinden uns mitten in einem ausgedehnten Geröllfeld, ähnlich einer Mond-Landschaft. Weit und breit kein Baum und kein Strauch in der Nähe, hinter dem wir Schutz suchen könnten. Da müssen wir jetzt durch, Thomas in kurzer Hose, ich mit einer dünnen weißen Bluse über der Leggings. Brrr – Eiseskälte, die Hände frieren fast an den Stöckern fest. Aber schon nach einer halben Stunde ist der Spuk zum Glück vorbei. Bald kommt die Sonne wieder hinter den Wolken hervor, trocknet und wärmt uns. Überall in diesem alpinen Gelände turnen Murmeltiere herum. Wir beobachten sie in allen Größen und Varianten, die Fellfarben reichen von hellbraun bis dunkelbraun mit schwarzen Flecken. Ein besonders neugieriges Murmeltier hoppelt vor uns auf dem Trail entlang, bleibt stehen, sieht sich um und scheint dann neben dem Weg zu warten. Nur etwa einen Meter von uns entfernt bleibt es in aller Seelenruhe sitzen. So zutraulich sind diese Tiere sonst nicht. Vielleicht ist es krank ? Wir hatten noch nie ein Murmeltier so zum Anfassen nahe vor uns. Ein nettes Foto-Motiv, aber leider ist mein Handy gerade mal wieder platt. Die nächste Pause an einem Bach stellt uns vor eine schwierige Entscheidung. Ein wunderschöner Platz, frisches Wasser im Überfluss, aber eigentlich noch zu früh zum Bleiben. Vor uns liegt allerdings eine ganz ungünstige Passage mit einem langen und steilen Anstieg, danach weitere 12 Kilometer in der Höhe ohne Wasser. Wahrscheinlich schaffen wir diese Strecke nicht mehr vor Anbruch der Dunkelheit. Ja, und dann müssen wir am steilen Hang einen geeigneten Platz zum Zelten finden. Der Himmel sieht durchwachsen aus, es könnte auch noch mehr Wind und Regen geben. Das wäre natürlich in der Höhe echt unangenehm. Wir sind sehr unentschlossen, aber auch noch nicht zufrieden mit unserer Tages-Distanz. Wir kochen einfach frühzeitig hier am Bach, damit wir nicht zu viel Wasser tragen müssen, füllen jeder noch einen Liter ab und nehmen gegen 18.00 Uhr die nächste Etappe in Angriff. Es geht immer noch an den Nordseiten der hohen Berge entlang, abwechselnd durch Schnee oder Geröll. Mühsam und nicht besonders schnell. Der Schnee hält sich hartnäckig und nervt. Nur noch eine Traverse, dann führt der Weg uns auf die Südseite. Wunderbar ! Es gibt eine schmale Spur am Berg entlang, auf der wir fast rennen können und noch einige Meilen machen. Westlich von uns glitzert der Mirror Lake in der untergehenden Sonne. Schwieriges Gelände heute, lange gelaufen. Vier hohe Gipfel nacheinander – da weiss man, was man getan hat. Gegen 20.30 Uhr finden wir 100 Meter unterhalb des nächsten Gipfels eine kleine Vertiefung, in die unser Zelt gut hineinpasst. Schöner Platz, solange das Wetter ruhig bleibt. Sogar Wasser haben wir kurz vor Feierabend noch gefunden, obwohl es eigentlich keins geben sollte. Schneeschmelze sei Dank …. unser Kaffee am Morgen ist gesichert. 🙂

Es ist alles friedlich geblieben, kein Regen und kein Wind. Nicht selbstverständlich in über 4000 Meter Höhe. Aber irgendetwas ist anders als sonst. So haben wir den Himmel noch nie gesehen, um uns herum ist es nach drei Richtungen milchig-dunstig am Horizont. Bedeutet das eine Wetter-Änderung ? Oder brennt es in einem der Täler, so dass die Luft davon trübe wird ? In der Nacht meinen wir beide den Geruch von Feuer wahrgenommen zu haben. Der kann ja von kilometerweit her gekommen sein. Zunächst liegt der Rest des Aufstieges vor uns, den wir gestern nicht mehr ganz geschafft haben. Hier bietet sich uns ein phantastischer Rundum-Blick. Nach allen Seiten sind wir umgeben von Bergketten, die Gipfel sind noch mit Schneekronen bedeckt. Unten im Tal sattes Grün, dichte Wälder, dazwischen liegen einige Seen. Nur zwei Schneefelder sind noch auf der Nordseite im Weg. Man könnte diese inzwischen sogar oberhalb oder unterhalb umgehen, aber wir sind nicht besonders scharf auf zusätzliche Höhenmeter. Uns begegnet ein Ehepaar, welches einen Tagesausflug zum Gipfel macht. Wir beantworten die üblichen Fragen ( woher wir kommen, wie lange wir schon unterwegs sind, was unser Ziel ist ). Daraufhin packt die Wandersfrau ihren Rucksack aus und schenkt uns einen dicken rotbackigen Apfel “ für den weiten Weg nach Canada „. Das ist wirklich eine tolle Überraschung. Immerhin ist es schon 10 Tage her, seit wir das letzte Stück frisches Obst gesehen bzw. gegessen haben. Wir fragen nach der Ursache für den dunstigen Himmel, der Mann hält ein Feuer durchaus für möglich. Nach einer Stunde steilen Abstiegs kommen wir am Cottonwood Pass an. Hier befinden wir uns immer noch auf 3700 Meter Höhe, obwohl wir doch gerade die ganze Zeit nur nach unten gegangen sind. Am Parkplatz stehen viele Autos, die Insassen strömen aus zu kurzen Spaziergängen in die Umgebung. Wir kommen mit einem jungen Paar ins Gespräch, die von unserer langen Wanderung so beeindruckt sind, dass er unbedingt ein Foto von uns für sein Album machen möchte. Manche Leute sind schon echt witzig ! Uns ist hier zu viel los, wir sehen zu, dass wir uns schnell vom Cottonwood Pass entfernen. Eine Stunde später, während unserer Mittagspause, werden wir schon wieder angequatscht. Nette Leute, die ein paar Stunden im Gunnison National Forest wandern möchten. Natürlich fragen sie uns aus, weil wir anders aussehen als die Menschen, die sich hier nur eine Stunde die Beine vertreten. Auch sie sind total begeistert von dem, was wir gerade machen und verabschieden sich mit vielen guten Wünschen. “ Good job. Well done. “ So viel Lob und Anerkennung bekommen wir hier für eine Aufgabe, die wir gerade erst zu einem Drittel erledigt haben. Etwas später holen wir dieses Paar ein und werden nochmals zurückgehalten. Die Beiden möchten uns unbedingt etwas schenken, weil wir ja so viele Tage ohne Einkaufen überleben müssen. Sie holt Protein-Riegel und eine Tafel Schokolade aus ihrer Tasche, er hält uns einen schönen großen Apfel vor die Nase. Den Apfel nehmen wir natürlich sehr gerne an, auch wenn es schon der zweite heute ist. 🙂 Bei den anderen Sachen müssen wir uns wehren und den Leuten glaubwürdig versichern, dass wir genügend Proviant dabei haben. Wir haben wirklich keine Lust, Dinge anzunehmen, die wir nicht sogleich aufessen. Es geht weiter abwärts und immer tiefer in den Keller. Man denkt besser gar nicht darüber nach, dass wir das Alles später wieder hinauf steigen müssen. Wir laufen den Texas Creek Trail, und der hat es in sich. Niemand hat hier aufgeräumt, so dass wir wieder über unzählige Baumstämme klettern oder aber drum herum laufen und uns einen eigenen Weg suchen müssen. Beides ist auf Dauer ziemlich anstrengend und hält auf. Am Ufer des Texas Creek ist eine kleine Zeltstadt aufgebaut. Etliche Zelte, die alle gleich aussehen, stehen dicht beieinander, aber keiner ist zu Hause. Wahrscheinlich ein Pfadfinder-Lager oder etwas Ähnliches. Vor uns rauscht der Fluss, ziemlich breit und mit einer ordentlichen Strömung. Unser Weg geht auf der anderen Seite weiter. Wir suchen eine Stelle, an der wir trockenen Fußes hinüber kommen, aber es gibt nur einen spindeldürren Baum, der uns als Brücke nicht überzeugt. Da ist es sicherer, wenn wir vorsichtig durch das knietiefe Wasser waten. Drüben angekommen sehen wir einen ganzen Haufen Mädchen-Schuhe im Gras liegen. Sicherlich ein Dutzend Sandalen, die wahrscheinlich den Bewohnern der Zeltstadt gehören. Wir folgen dem Pfad eine ganze Weile am Fluss entlang, bis wir abermals die Seite wechseln müssen. Schwierig über kleine und große Steine, meine Füße sind schon wieder nass. Schon eine ganze Weile hat es in der Ferne gedonnert, nun ist das Gewitter näher gekommen. Dunkle Wolken am Himmel, dann fängt es an zu regnen. Wir machen eine kurze Snickers-Pause auf einem Baumstamm, den Regenponcho über uns und die Rucksäcke ausgebreitet. Lieber schnell weiter, denn so gemütlich ist es nicht, da im Regen zu sitzen. Noch ein drittes Mal müssen wir durch den Fluss, dieses Mal nutzen wir die darüber liegenden Äste, um ans andere Ufer zu gelangen. Wir sind etwa eine Stunde neben dem Texas Creek unterwegs, als wir lautes Singen und Gelächter vor uns hören. Eine Gruppe von ca. 14-16 jährigen Mädchen kommt uns in Wanderschuhen entgegen. Die Sandalen für die Fluss-Querungen haben wir ja bereits unterwegs gesehen. Trotz Regen sind sie alle super gut gelaunt und haben ihren Spaß. Die jungen Damen erzählen uns, dass sie die Spuren eines Mountain Lion ( Puma ) gesehen haben und deswegen so einen Lärm machen. Unser Trail führt zum Ende des Tages nochmal heftig bergauf. Die Mücken sind außer Rand und Band. Während des Laufens setzen sich 3 – 4 dieser Blutsauger auf die Hände oder ins Gesicht und stechen. Das ist schon ziemlich frech ! Inzwischen regnet es nicht mehr, aber ich lasse meinen Poncho trotzdem als Insekten-Schutz an. Irgendwann stehe ich vor der Wahl : Totschwitzen oder Mückenstiche ? Unser Lagerplatz ist ebenfalls verseucht. Trotz mehrerer Schichten Kleidung gelingt es den Biestern immer wieder, ein Stück nackter Haut zu erwischen. Wir schaffen es gerade noch, draußen zu kochen, bevor wir mit unseren Schüsseln ins Zelt flüchten.


Früh am Morgen hängen die Blutsauger bereits an unserem Moskitonetz – zum Glück nur von außen. Ruckzuck haben wir abgebaut, fertig gepackt und sind zurück auf dem Trail. Zum Warmwerden gibt es 600 Höhenmeter Aufstieg. Schweigend stapfen wir bergauf, wir haben beide noch keine Sprechstunde. Nach zwei Stunden erreichen wir unseren ersten Gipfel heute …. und machen erstmal ein ganz dummes Gesicht. Links und rechts hohe Berge, alles zur Nordseite, die Wände noch meterdick mit Schnee bedeckt. Der Grat dazwischen ist komplett zugeweht. Eine feste Schicht von komprimiertem Schnee, stellenweise vereist und mit deutlichen Überhängen, von denen man nicht weiss, wann sie zusammenstürzen. Wir schauen erst links, dann in der Mitte, wo wir denn am Besten absteigen können. Wir entscheiden uns für etwas oberhalb der vereisten Schnee-Wächten auf der rechten Seite. Es sieht alles nicht besonders vertrauenerweckend aus. Ist das unsere bisher gefährlichste Stelle ? Auf jeden Fall scheint es die steilste Stelle zu sein, die wir uns nun mühsam zentimeterweise nach unten arbeiten. Mein Adrenalinspiegel steigt, Schweissausbruch und flatternde Nerven. Konzentration und Ruhe sind das Geheimrezept, lieber langsam als zu schnell unten ankommen. Auf der anderen Seite sehen wir den Lake Ann malerisch im Tal liegen. Das Wasser leuchtet blau im Morgenlicht. An den Rändern schwimmen noch Eis-Schollen mit hellgrünen Kanten. Sieht nach einem wunderschönen Zeltplatz aus, aber uns zieht es weiter, damit wir morgen zum Frühstück in Twin Lakes ankommen. Im weiteren Verlauf ist die Natur wieder wild und ursprünglich. Der CDT bleibt spannend. Ein kleiner Wasserfall kreuzt unseren Weg. Auf dicken Felsen turnen wir dran vorbei. Füße, Socken und Schuhe sind nass. Kurz darauf kommen wir zu einem größeren Wasserfall, der sich in drei Stufen nach unten ergießt. In Französisch Polynesien sowie auf den Fiji-Inseln haben wir in den vergangenen zwei Jahren so phantastische Wasserfälle gesehen, die sind von diesem sicher nicht zu toppen. Wir sind schon etwas verwöhnt, deswegen machen wir uns noch nicht einmal die Mühe, den Abstecher hinauf bis zu seinem Ursprung zu gehen. Viele einfache Kilometer wandern wir entlang eines Flusses, an dem wir ein Paar mit Angelruten treffen. Wir kommen ins Gespräch und beantworten diesmal ganz andere Fragen : Was kochen wir ? Wie oft müssen wir einkaufen ? Wie viel wiegen die Rucksäcke ? Die Beiden sind wirklich interessiert und erzählen uns, dass sie auch irgendwann den ganzen Continental Divide Trail laufen möchten. Heute wollen sie nur bis zum Lake Ann und sind schon ziemlich am Schnaufen. Für uns gibt es an diesem Tag zwei ganz heftige Aufstiege, einen direkt nach dem Aufstehen und den anderen kurz vor Feierabend. Wir möchten noch bis über den Hope Pass und hoffen, dass dieser nicht solche Schikanen für uns bereithält wie der Lake Ann Pass am Vormittag. Dunkle Wolken am Himmel verheißen nichts Gutes. Es grummelt schon wieder in der Ferne. Als wir an der letzten Wasserquelle vor dem dicken Anstieg zum Pass sind, da donnert es direkt über uns und fängt gleichzeitig an zu regnen. Was tun ? Schnell das Zelt aufbauen und trocken bleiben, aber schon um 17.30 Uhr den Tag beenden ? Gefällt uns nicht so besonders, denn dann bleiben zu viele Meilen für morgen übrig. Erstmal abwarten und eine warme Mahlzeit kochen …. Wir setzen uns mit unseren Regenponchos zugedeckt ins Gras und zählen die Sekunden zwischen Blitz und Donnerschlag. Während des Essens ist das Gewitter direkt über uns. Wir sind schon beinahe so weit, unser Nachtlager frühzeitig hier aufzubauen. Bei Gewitter weiter in die Höhe zu steigen und über einen Pass zu klettern ist sicher keine vernünftige Idee. Aber nach dem Abwaschen und Wegräumen scheint es so, als wäre das Schlimmste überstanden. Das Grollen ist nicht mehr so nah und kommt jetzt mehr von rechts. Die Abstände zwischen Blitz und Donner werden immer größer. Das Gewitter ist weiter gezogen. Was bleibt, das ist der Regen. Aber wir packen uns wasserdicht ein und sind wild entschlossen, es noch bei Tageslicht über den Pass zu schaffen. Wir stapfen los und schieben uns langsam, aber beständig, immer weiter nach oben. Ich finde es sogar angenehmer, diesen anstrengenden Berg im Regen und nicht bei Sonne und Mittagshitze zu erklimmen. Steil, steiler, am steilsten. Schon bald befinden wir uns wieder oberhalb der Baumgrenze. Der Hope Pass ist auf unserer Seite komplett schneefrei. Schön kalt ist es …. oder kalt und schön. 😉 Oben steht eine Art Gipfelkreuz mit bunten tibetanischen Gebetsfahnen. Überraschender​ Anblick, das hätten wir nicht erwartet. Wir bekommen einen ersten Ausblick auf Twin Lakes bei schlechtem Wetter. Auf der Südflanke gibt es noch erstaunlich große Schneefelder, die wir überqueren müssen. Hört das denn nie auf ? Alter Schnee und dazu neuer Regen – das hatten wir ja auch noch nicht. Zum Glück friert es nicht, so bleibt die weiße Pracht trotz Niederschlag ziemlich gut begehbar. Auf der anderen Seite des Passes strömt viel Wasser den Trail entlang. Schmelzwasser und Regen suchen sich ihren Weg nach unten in der Spur, die eigentlich für die Wanderer gedacht ist. Abwärts laufen wir wie durch ein Sumpfgebiet. Aber wir kommen weit, nur noch knapp 10 Kilometer morgen bis zum Frühstück. 🙂 Bei unserer abendlichen Rechnerei stellen wir fest, dass wir an diesem Tag insgesamt 1200 Meter aufgestiegen sind, ein Gipfel am Morgen und der Hope Pass zum Ende des Tages.

Schon sehr früh werden wir durch seltsame Geräusche geweckt. Ein unbekannter Vogel hat nichts Besseres zu tun, als direkt neben unserem Zelt zu keckern und zu meckern. Es ist kühl und klamm im regennassen Wald. Kaffee​pulver ist auch alle. So schnell wie sonst selten packen wir unser Zeug zusammen und laufen los, noch bevor die Sonne aufgeht. Ein richtig schöner Weg durch dichten Nadelwald, zu unserer großen Freude geht es immer nur bergab. Vor uns ragt majestätisch der Mount Elbert in den Himmel, dessen Besteigung wir einen Tag nach Twin Lakes auf dem Programm haben. Der Mount Elbert ist mit 4401 Metern der höchste Berg in den nordamerikanischen Rocky Mountains. Links von uns rauscht ein Fluss, der ganz offensichtlich viel mehr Wasser führt als normal. Eigentlich würde der direkte Weg nach Twin Lakes durch diesen Fluss führen, aber wir versuchen eine andere Variante, die von der Strecke her etwas weiter ist. Ob wir so trocken ankommen ? Unsere längere Route wird nirgends beschrieben, aber wir haben gut gepokert. Zwei Jäger kommen uns entgegen, die sich offensichtlich in der Gegend auskennen. Sie erzählen uns, dass einer der abzweigenden Trails den Fluss über eine Brücke quert. Von da aus kommen wir zur Straße, die dann bis nach Twin Lake führt. Perfekt ! Genau so machen wir es. Wir laufen an ein paar Teichen mit Biberdämmen vorbei. Sieht alles sehr sumpfig aus. Wir sind froh, dass wir eine gute Alternative zum Durchwaten gefunden haben. Der Wasserstand war eindeutig zu hoch, wie wir später von Jonny B. Good hören. Ihm ist das Wasser bis über den Bauchnabel gegangen, starke Strömung noch dazu. Ungefähr 10 Kilometer entspanntes Wandern mit leichtem Rucksack, weil der Proviantbeutel leer ist. Dafür benötigen wir knapp 2 Stunden, so dass wir bereits um 9.00 Uhr im Dorf ankommen. Eigentlich hatten wir uns auf ein zünftiges Frühstück gefreut, deswegen steuern wir als Erstes das einzig erkennbare Motel-Restaurant auf der Hauptstraße an. Essen gibt es erst ab 12.00 Uhr, also kein Frühstück. Zimmer gibt es auch nicht, am Wochenende ist alles ausgebucht. Die nächste Station ist der kleine General Store. Die Preise im Laden sind gepfeffert, aber was will man sonst erwarten in dieser von Touristen überlaufenen Gegend ? Trotzdem werden wir hier angenehm überrascht. Der Inhaber ist super freundlich. Wir machen einen kleinen Einkauf, Sandwiches, Käse und Bananen. Den Kaffee dazu gibt es umsonst. In einer Ecke steht sogar eine gut ausgestattete Hiker-Box, aus der wir uns bedienen können. Wir fragen nach einer Unterkunft und bekommen einige Tipps und Telefonnummern. Das 170-Einwohner-Dorf ist anscheinend ausgebucht. Aber Thomas telefoniert ein bisschen herum und kann für uns ein Zimmer in einem Privathaus organisieren. Die Besitzer sind mehrere Monate nicht im Lande und lassen derweil Gäste bei sich wohnen. Gestern schon hatten wir uns darüber unterhalten, wo unsere Schmerzgrenze beim Übernachtungs-Preis liegt. Wir waren uns einig : 80,- Dollar pro Nacht sind das Limit, anderenfalls zelten wir irgendwo außerhalb des Ortes. Die Verwalterin nennt am Telefon den Preis von 100,- Dollar pro Nacht, lässt aber mit sich verhandeln. Okay, ist gebongt ! Für 80,- Dollar haben wir heute ein ganzes Haus mit Garten für uns alleine. 🙂 Kein Fernseher, kein Computer, aber dafür Kunst, Antiquitäten und schlaue Bücher. Morgen wird noch ein weiteres Zimmer belegt. Ein netter Nachbar fährt Thomas mit seinem Wagen in die nächstgrößere Stadt Buena Vista zum Einkaufen. Wir dürfen alle Räume nutzen, auch die gut eingerichtete Küche. Thomas zaubert am Abend ein leckeres Menü, während ich mich um die Wäsche kümmere. Tolle Party ! 🙂