Mittwoch, den 8. Juni, um 20.30 Uhr abends ist die Crew endlich wieder komplett. Die Walkabout ist reisefertig, sogar der Proviant ist schon an Bord. Es gibt eine verbesserte Ankerwinde, drei neue Batterien, neue Lichtmaschine, anderes Wasserfilter-System, die Scheiben der Sprayhood wurden ausgetauscht, neue Batterie-Ueberwachung und Kontroll-Paneele installiert, die Bord-Elektronik wurde überholt…. Frisch renoviert und gut in Farbe sieht unser Boot richtig schick aus. Thomas hat viel gearbeitet, und es hat natürlich auch Einiges an Geld gekostet. Jedes Jahr wieder fragen wir uns : “ Lohnt sich das ? “ Ja, es lohnt sich, die Walkabout immer wieder fit zu machen. Wir möchten unser Boot eines Tages sicher zurück in den heimischen Hafen segeln.
In den nächsten drei Tagen hatten wir Besuch von Sarah und Charles aus Montreal/Kanada. Die Beiden haben wir am letzten Tag des Trails in Bluff kennengelernt, danach zufällig noch einmal in Invercargill und in Dunedin wiedergetroffen. Freitag abends waren wir zu Gast bei Sharron, unserer guten Fee von der Town Marina. Es wurde gemeinsam gekocht und lecker gegessen. Anschließend haben wir einen privaten Dia-Vortrag gehalten und der Gruppe eine Auswahl Bilder vom Te Araroa gezeigt. Die Bordfrau hatte in Deutschland einen kleinen Unfall, deswegen sind wir im Zweifel, ob wir so überhaupt losfahren können. Am Montag dann vorsichtshalber Termin beim Medical Treatment Center, um die immer noch geschwollene und schmerzende Hand vorzustellen. Dort bekommt sie guten Rat und das “ okay “ zum Starten. Am letzten Abend gönnen wir uns ein Abschieds-Essen beim Mongolen “ all you can eat „.
Der Wetterbericht ist nicht schlecht, deswegen möchten wir Whangarei und die Riverside Drive Marina kurzentschlossen am Dienstag verlassen. Mittags ist alles vorbereitet und seeklar, aber der Motor springt nicht an. Ewiges Gebastel, Thomas hängt im Motorraum, Steve von der SY Crazyhorse kommt zu Hilfe. Inzwischen hat es angefangen zu regnen. Um 16.00 Uhr macht die Brücke zu, durch die wir hindurch müssen. Etwas später haben die Männer den Motor am Laufen. Aber nun kommen wir heute wohl doch nicht mehr weg, oder ? Steve kennt den Brückenwärter und ruft auf dessen Handy an. Unser Wunsch wird erfüllt – um 18.00 Uhr öffnet er die Brücke nochmal extra für die Walkabout. Inzwischen ist es stockdunkel, aber zum Glück kein Verkehr im Hatea River. Wir tasten uns entlang unserer alten Kurslinie bis nach Marsden Cove, wo wir im Oktober einklariert haben. Die Einfahrt ist mit roten und grünen Tonnen gut markiert, also recht gut zu befahren. Wir legen uns einfach an den erstbesten freien Steg.
Mittwoch früh kommt Marylin zu Besuch auf die Walkabout, ein Funk-Amateur, der von Thomas den Empfang von Wetterdaten mittels Pactor-Modem lernen möchte. Gleich im Anschluss erscheint Paul vom Zoll an Bord. Schnell und professionell bekommen wir unsere Ausreisepapiere und müssen damit Neuseeland in den nächsten zwei Stunden verlassen. An- und Abmelden in der Marina, innen und außen alles seetüchtig festzurren, Müll wegbringen, eine letzte Dusche, Mittagessen. An der Tankstelle füllen wir unseren Tank mit 80 Liter Diesel, dazu kommen weitere 30 Liter in Reservekanistern. Um 13.30 Uhr Ortszeit machen wir die Leinen los und tuckern mit einem Knoten Gegenströmung durch den Fluss. Ein bisschen Wehmut kommt auf, denn zu beiden Seiten sind Teile des Te Araroa zu sehen. Links liegt der Bream Head, rechts der kilometerlange Strandabschnitt von Marsden Cove bis nach Waiapu. Erinnerungen an schweisstreibendes Auf und Ab, unzählige Stufen, Laufen mit Rucksack gegen Wind und Regen …. Neuseeland hat uns sehr intensive Erfahrungen beschert, tolle Landschaften, coole Menschen. Wir kommen auf jeden Fall wieder !
An den ersten Tagen haben wir nur Sonnenschein und wenig Wind. Genauso, wie wir es beim Anfang einer neuen Etappe mögen. Wir kommen zwar nur langsam vorwärts, aber dafür sind die Schiffsbewegungen sanft. Es gibt nicht viel zu tun, entspanntes Segeln, so dass wir uns wieder gut an das Leben auf See gewöhnen können. Die ersten Nachtwachen sind immer hart, aber diesmal wird die Umstellung auf unseren 4-Stunden-Rhythmus durch helle Nächte mit sternenklarem Himmel und zunehmendem Mond erleichtert. Draußen zu sitzen ist richtig schön, allerdings muss man sich warm anziehen mit Faserpelz, Mützen und Handschuhen. Gleich in der ersten Nacht begleiten Delfine unser Boot. In Küstennähe begegnen uns zwei große Schiffe, danach ewig lange nichts mehr – endlich wieder alleine auf dem Ozean. Wir hatten einen guten Start und fühlen uns richtig wohl an Bord. Kaum seekrank, so dass es schon am dritten Tag eine warme Mahlzeit gibt. Nichts klappert und scheppert im Inneren – sehr angenehm. Wir schaffen es sogar, unsere Freiwachen fast komplett zu verschlafen. Dadurch sind wir zu Beginn total ausgeruht und können dem angesagten Tiefdruck-Gebiet gelassen entgegensehen. Am Samstag gelingt der erste Funk-Connect, so dass wir unsere Position herausgeben und neue Wetterdaten abrufen können.
Tatsächlich legt der Wind am vierten Tag zu und bläst ordentlich aus Ost. Die See wird unruhiger, die Wellenhöhe steigt. Damit werden auch die Schiffsbewegungen ungemütlich. Aber wir kommen zügig voran. Tages-Etmale von 116, 125, 112 und 117 Seemeilen in Folge sind für die Walkabout richtig gut und lassen die Entfernung zum Minerva Riff schnell schrumpfen. Nach 5 Tagen dreht der Wind und kommt mit ca. 25 Knoten aus Süd. Wir müssen die Besegelung wechseln und die beiden Spi-Bäume setzen. Beim Bergen des Groß-Segels reißt dieses an der Kante des Oberlieks aus, einfach nur so beim Herunterziehen per Hand. Wir hatten dieses Segel gebraucht gekauft, letztes Jahr hat es uns dann über 8710 Seemeilen bei der Pazifik-Ueberquerung gute Dienste geleistet. Einmal wurde es bereits in Tahiti genäht, aber das Material ist müde. Wir sollten es vielleicht doch besser wieder austauschen und nur noch als Reserve mitnehmen. Am Nachmittag dann der erste Regen unterwegs, es kommt unangenehm von hinten unter die Sprayhood und in die Kajüte geweht. Aber die Temperaturen sind deutlich gestiegen. Nachts können wir jetzt schon ohne Jacke draußen sitzen, die Bettdecke ist fast zu warm zum Schlafen. Ein ca. 30 Zentimeter langer Fliegender Fisch knallt nachts neben dem Cockpit an Deck. Wir sind wieder in den Tropen.
Der erste Funkkontakt mit der Meerbaer gelingt, obwohl unsere Freunde in 990 Seemeilen Entfernung in Nukualofa sind. Spannende Begegnung am frühen Abend : False Killer Whales ( zu deutsch Kleiner Schwertwal ) schwimmen ganz dicht neben dem Boot. Diese Meeres-Säuger werden 5 – 6 Meter lang. Einer von beiden ist verletzt, eine breite Wunde wie von einem Biss klafft tief am Rücken. Nach einer Woche beginnt der Bananen-Marathon. 7,5 Kilo Bananen, obwohl in unterschiedlichen Reifezuständen gekauft, wollen möglichst alle gleichzeitig gegessen werden. Wir sind immer noch schnell unterwegs, allerdings können wir unseren Kurs Richtung Minerva Riff nicht halten. Der Wind dreht weiter auf Ost und danach Nord-Ost. Aber wir lassen das Schiff erst einmal laufen, weil es so schönes Segeln ist und hoffen auf Wind-Drehung. Irgendwann sind wir schließlich viel zu weit nach Westen von unserer Kurslinie abgekommen. Immer noch bläst der Wind kräftig, so dass die Walkabout mit 6 Knoten Fahrt in die falsche Richtung prescht. So kann das nicht weitergehen, oder wir werden Probleme bei der Ansteuerung von Fidschi bekommen. Nachdem Thomas über Funk einen neuen Wetterbericht eingeholt hat, beschließen wir, dass wir vorerst beidrehen, um nicht noch weiter in diesem Tempo gen Westen zu fahren. Gesagt, getan – beim Einholen des Groß-Segels entdecken wir einem neuen Riss, diesmal im oberen Drittel in der Mitte. Okay, das Segel ist offensichtlich durch, wir müssen uns ein neues kaufen. Wieder einmal wird es geklebt, hoffentlich hält das nun noch ein Weilchen durch. Thomas sagt “ Es ist das Tape nicht mehr wert, das wir zum Reparieren verbrauchen.“
Die erste Woche hatten wir perfekte Bedingungen und sind sehr gut vorwärts gekommen. Zu Beginn unserer zweiten Woche auf See ist dann Ende mit guten Tages-Ergebnissen. Morgens um 9.00 Uhr haben wir die Segel eingeholt und beigedreht. Dann passiert den ganzen Tag nichts mehr. Der Wind bleibt weiterhin so ungünstig für unseren Kurs, dass wir nichts Anderes tun können als Abwarten. Wer will schon gegenan motoren ? Wir machen abwechselnd unsere Wache, halten Ausguck und lesen viel. Abends gibt es ein kleines Unterhaltungsprogramm der heimischen Tierwelt. Zunächst kommt ein großer Basstölpel gemächlich angeflogen, dreht eine Runde ums Boot und lässt sich dann nur ein Paar Meter von uns entfernt nieder. Er steckt seinen Kopf unter Wasser und sucht anscheinend nach Nahrung. Kurz darauf springt ein Gelbflossen-Thunfisch hinter dem Tölpel aus den Wellen und taucht gleich wieder ein. Nur einen Augenblick später kommt ein gelb-grün schillernder Mahi Mahi aus dem Wasser geschossen, dreht eine Pirouette in der Luft und landet elegant wieder im Wasser. Was für ein schönes Tier ! Für uns wären beide Fische viel zu groß gewesen, da wir keinen Kühlschrank an Bord haben und keine anderen Segler in der Nähe sind, mit denen man teilen könnte. Auch während der Nacht ändert sich die Windrichtung nicht. An Segeln ist so nicht zu denken. Abwarten und Tee trinken ….. eigentlich geht es uns ja ganz gut an Bord. Wunderschöne helle Nacht mit Tausenden von Sternen, die Luft ist mild geworden, alles ist friedlich um uns herum. Am nächsten Morgen um 11.00 Uhr bekommen wir endlich den erhofften Nordwind und setzen die Segel. Genau 26 Stunden haben wir beigedreht gelegen und sind während dieser Zeit etwa 20 Seemeilen zurück nach Süden getrieben. Nun müssen wir Kurs nach Osten gutmachen. Die Walkabout segelt nicht gerne am Wind, mehr als 3,5 Knoten sind auf diesem Kurs nicht herauszuholen. Aber egal, wenigstens läuft es wieder, und wir haben ja alle Zeit der Welt.
Die nächste böse Ueberraschung : unsere Toilette macht Probleme, sie pumpt nicht mehr ab. Eines der schlimmsten Dinge, die an Bord kaputtgehen können. Aber wir haben Glück – Thomas findet den Fehler recht schnell, nachdem er ein paar Schläuche und Ventile auseinandergenommen hat. Nur eine knappe Stunde hat die Reparatur gedauert, dann läuft alles wieder wie geschmiert.
Nach 10 Stunden unter Segeln stimmt die Richtung schon wieder nicht mehr, deswegen holen wir das ganze Tuch herunter und drehen erneut bei. So ist der Schaden am geringsten …. Haben wir auf dem Weg von Tonga nach Neuseeland im letzten Oktober von einer “ Südmauer “ gesprochen, die uns tagelang nicht durchgelassen hat, so erleben wir jetzt das Phänomen einer “ Nordwand „. Wir kommen einfach kein Stück weiter nach Norden. Tagelang eiern wir ohne Fortschritte in einer Distanz zwischen 130 und 150 Seemeilen vom Minerva Riff herum. Dort wollten wir ursprünglich einen Zwischenstopp einlegen und auf den richtigen Wind warten. Wie wir über Funk erfahren, liegen im Minerva Riff zur Zeit zwei Segelboote, die kurz vor uns gestartet sind und warten ebenfalls auf ihre Chance. Aber unsere Walkabout kommt noch nicht einmal bis dahin. Im Moment sieht es nicht gut aus, die beiden anderen Segler haben auch keine besseren Bedingungen als wir. Die aktuellen Wetterkarten lassen für die nächsten 4 Tage noch keine Aenderung erkennen. Das Barometer bewegt sich keinen Millimeter. Ganz einfach ausgedrückt : stabile Wetterlage mit dem Wind genau aus der verkehrten Richtung. Egal, was wir auch anstellen, es geht tagelang nicht vorwärts. Da ist es nur gut, dass wir uns so wohlfühlen auf See. Wir sind völlig in unserer Mitte und im Einklang mit der Natur. Für viele Fahrtensegler sind die langen Segelstrecken eher ein notwendiges Uebel, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Meistens wird schon lange vorher von der Ankunft geredet und alles darauf ausgerichtet, möglichst bald wieder die Annehmlichkeiten der Zivilisation genießen zu können. Wir empfinden das ganz anders, für uns ist der Weg das Ziel. Seit der Atlantik-Ueberquerung 2011 gefällt uns der Zustand ausgesprochen gut, lange Zeit auf See zu sein. Schon früher haben wir mit unserem kleineren Boot “ Njörd “ lange Törns zu den anderen Inseln oder zum Festland unternommen, nur um dort mal eben zwei Stunden an Land zu gehen. Hier auf dem Pazifik sind wir wunderbar entspannt und alleine. Das ist wie Urlaub ! Seit 14 Tagen haben wir kein anderes Schiff mehr gesehen. Für uns wäre Segeln in der Karibik ein Alptraum – viel zu überlaufen.
Es ist heiß geworden. Tagsüber brät die Sonne in der Plicht. Nachts landen Fliegende Fische an Bord und verbreiten ihren intensiven Geruch. Innen im Schiff sind die Temperaturen kaum auszuhalten. Demnächst wird unser Ventilator wieder zum Einsatz kommen. Und dann wird es Zeit für schöne Ankerplätze zum Schwimmen und Schnorcheln.
Zwei Wochen unterwegs …. eigentlich dachten wir, dass wir es innerhalb dieser Zeit bis nach Fidschi schaffen. Aber es ist immer noch kein Ende in Sicht. Morgens hören wir in der täglichen Funkrunde, dass die Segelyacht “ State of Mind “ zusammen mit einem weiteren Boot nun schon seit 4 Tagen im Minerva Riff Süd feststeckt und sich heute ein paar Meilen weiter bis Minerva Nord vortasten wird. Die haben in der Riverside Drive Marina direkt neben uns am Steg gelegen, ein paar Meter länger, schicker Segler …. aber nützt alles nichts ohne den richtigen Wind. Am Abend ist es dann völlig vorbei : totale Flaute, die Segel schlagen nur noch. Der Pazifik um uns herum ist ruhig wie ein Ententeich, deswegen starten wir den Motor und versuchen, ein paar Meilen in Richtung Norden zu fahren. Ausgerechnet in dieser Nacht regnet es mehrmals heftig. Wir werden an der Pinne sitzend von den tropischen Güssen durchweicht. Da klingen mir ja schon wieder die guten Ratschläge in den Ohren “ Ihr braucht einen elektrischen Autopiloten „. Nein, brauchen wir nicht und wollen wir auch nicht haben. Mehr als 23000 Seemeilen haben wir jetzt mit der Walkabout ohne elektrischen Autopiloten zurückgelegt, das wird auch in Zukunft so bleiben. Allerdings habe ich am nächsten Tag Muskelkater vom Steuern per Hand – zwei ganze Nachtwachen unter Motor gefahren, das macht immerhin 8 Stunden Arbeit. So stark wurden meine Oberarm-Muskeln seit der Kanu-Woche auf dem Whanganui nicht mehr beansprucht.
Unsere Abfahrt aus Neuseeland war gerade noch rechtzeitig. Seit unserem Start aus Whangarei jagt dort ein Tiefdruckgebiet das nächste. Nach gut zwei Wochen auf See bekommen wir die Ausläufer des letzten Tiefs noch bis zum 23. Breitengrad zu spüren. Es gibt endlich Wind – viel Wind. Innerhalb kürzester Zeit ist der Himmel zugezogen mit dunklen Wolken, und dann geht es los. Kriegen wir jetzt etwa noch eins auf die Mütze ? Erstmal wird die Genua verkleinert, dann kommt das erste Reff ins Groß. Reicht nicht, Genua noch weiter einrollen, das zweite Reff ins Groß binden und vom Kurs abfallen. So geht es. Der Wind pfeift heftig, der Seegang wird sofort aufgewühlt. Walkabout hat ordentlich Schräglage. Bei diesen Verhältnissen ist kein gemütliches Bordleben mehr möglich. Da kann man sich auf unserem Boot am Besten in die Ecke setzen oder liegen. Ein Gang zur Toilette wird schon zur großen Herausforderung. Nach all dem Gedümpel auf der bisherigen Ueberfahrt ist das nun mal wieder ein ganz anderer Schnack. Jetzt müssen wir uns nur noch entscheiden, wo wir hinfahren wollen. Nach Suva auf der Hauptinsel Viti Levu sind es noch ca. 400 Seemeilen, Nadi auf der Westseite liegt in ca. 470 Seemeilen Entfernung, bis nach Savusavu auf der nördlicheren Fidschi-Insel Vanua Levu hätten wir noch ca. 450 Seemeilen auf direktem Kurs vor uns. Oder sollen wir vielleicht doch lieber den Süden von Tonga anlaufen und in Nukualofa einklarieren ? Bis dahin hätten wir nur noch gut 200 Seemeilen Distanz vor uns liegen. Allen Orten gemeinsam ist, dass man nicht am Wochenende ankommen sollte. Entweder wird man von den Behörden außerhalb der regulären Arbeitszeiten gar nicht abgefertigt, was bedeuten würde, dass wir das Boot vor Montag nicht verlassen dürfen. Oder aber die Offiziellen kommen an Bord und verlangen dafür horrende Extra-Gebühren. Muss ja Beides nicht sein. Inzwischen ist Mittwoch, also werden wir mal sehen, wohin der Wind uns bringt und an welchem Wochentag wir ankommen können.
Vorbei ist es mit Urlaub und gemütlich in der Sonne segeln. Am Freitag, mehr als zwei Wochen nach dem Start, erwischt uns nochmal ein kräftiges Tief. Morgens um 8.00 Uhr beim Wachwechsel fangen die Segel an zu schlagen, und der Wind dreht ganz plötzlich um 180 Grad. Ringsum haben sich schwarze Wolkenwände zusammengebraut, was bedeutet, dass wir schnellstens die Segelfläche verkleinern sollten. Der Seegang wird immer höher, kurze steile Wellen laufen durcheinander und schütteln das Boot durch. Starkwind mit 40 Knoten, in Böen noch mehr, lässt uns vorwärts fliegen. Wir fahren zunächst Nord-West-Kurs, nach einigen Stunden wenden wir auf den anderen Bug und laufen Richtung Süd-Osten ab. Inzwischen haben wir das vierte Reff im Groß und das Vorsegel ganz eingeholt. Immer noch machen wir mit dieser Mini-Besegelung etwa 6 Knoten rauschende Fahrt. Hoffentlich hält das geflickte Groß-Segel durch. Ein Segel-Austausch auf hoher See ist kein Spaß. Nach 22 Stunden ist der Spuk vorbei, der Sturm lässt nach, und die Wellen glätten sich. Allerdings regnet es den ganzen Tag ohne Unterbrechung, von morgens 8.00 Uhr bis abends um 22.00 Uhr. Das Dumme daran ist, dass wir den Wind genau von hinten bekommen. Damit weht es uns bis ins Cockpit, unter die Sprayhood und bis in die Kajüte. Wir müssen alle drei Steckbretter einsetzen und das Luk vom Niedergang schließen, damit es uns nicht in die Koje regnet. Zusätzlich dichtet Thomas noch die Lüftungsschlitze vom Motorraum mit Tape ab, damit unsere Maschine nicht absäuft, falls doch mal eine Welle richtig einsteigen sollte.
In etwa 50 Meter Entfernung zum Boot entdecken wir zwei Pottwale, die uns eine Weile begleiten.
Es ist Meeresleuchten – die weißen Schaumkronen der sich brechenden Wellen sehen in der stockfinsteren Nacht etwas gruselig aus. Das Schiff legt sich weit von einer Seite auf die andere und rollt und rollt. Innen purzeln diverse Gegenstände aus den Schapps. An Schlaf ist so nicht mehr zu denken, zumindest nicht bei der Bordfrau. Draußen sitze ich während meiner Wache mit Schwimmweste und Sicherungsgurt angepickt und mache nicht viel mehr als Aufpassen und ab und zu den Kurs korrigieren. Meine rechte Hand ist immer noch nicht wieder voll einsatzfähig, so dass ich für alle Manöver und Leinenarbeit meinen allerbesten Arbeiter wecken muss.
So langsam wird es anstrengend. Wir entscheiden uns dazu, zunächst Tonga anzulaufen, um ein paar Tage auszuruhen und neuen Frisch-Proviant an Bord zu nehmen. Thomas sieht erneut den hohen Blas eines Wales in einiger Distanz voraus, aber so nahe wie in Patagonien kommen wir hier nicht an die Riesen heran.
Samstag abends befinden wir uns nur noch 15 Seemeilen vor der Ansteuerung nach Nukualofa. Schon den ganzen Tag über sind wir mit angezogener Handbremse ( d. h. gerefften Segeln ) gefahren, damit wir nicht in der Dunkelheit einlaufen müssen. Die Nacht über wollten wir mit ausreichend Sicherheitsabstand beidrehen und die Stunden verbummeln, dann frühmorgens bei Tageslicht in die Bucht einlaufen. Soweit der Plan ….. aber unsere Pläne ändern sich mal wieder. Wir erfahren um 20.00 Uhr über Funk, dass auf Tonga am Montag ein Feiertag ist und deswegen nicht gearbeitet wird. Irgendein Mitglied der Königsfamilie hat Geburtstag. Das hätte für uns zur Folge, dass wir uns die Nacht hier draußen um die Ohren schlagen muessen, morgen gegen Mittag ankommen, aber Sonntag und Montag noch nicht von Bord können, weil die Offiziellen von Zoll und Immigration erst am Dienstag zum Einklarieren erscheinen. Nein, da haben wir keine Lust drauf, diese Warterei erscheint uns ziemlich sinnlos. Also ändern wir ganz spontan unseren Kurs und legen auf Fidschi an. Etwa 430 Seemeilen in gerader Linie, das könnten wir in 5 Tagen schaffen, wenn dieser kräftige Wind aus Süd-Ost beständig bleibt. Dusche, Einkaufen und Ausschlafen werden also nochmal um ein paar Tage hinausgeschoben. In der Nacht sehen wir an unserer Steuerbord-Seite stundenlang den hellen Lichtschein der Insel Tongatapu. Dazu gibt es eine klar umrissene dunkle Scheibe mit einer sehr schmalen Mondsichel am Himmel. Endlich, nach mehr als zwei Wochen, entdecken wir auch Lichter auf dem Ozean. Ein Fischkutter bei der Arbeit, so küstennah kein Wunder.
Sonntag früh um 9.00 Uhr gibt es einen kräftigen Ruck an der Angel. Ein junger Mahi Mahi von 1,10 Meter Länge hat angebissen, genau die richtige Größe für uns Zwei. Der Fisch kämpft lange, aber Thomas gewinnt. Nach dem Ausnehmen und Putzen bleiben ungefähr 3 Kilo feinstes Filet übrig. Unser heutiges Festmahl ist gesichert. Das wertet unseren Speiseplan doch ganz enorm auf. Wir hatten in den letzten drei Wochen auf See Kartoffelsuppe, Bohnensuppe, Möhreneintopf, Rote Beete-Suppe, Kürbissuppe, Linsensuppe, Reis sowie Nudeln mit Tomatensauce als Hauptmahlzeit. Der Frisch-Proviant ist uns schon vor ein paar Tagen ausgegangen, da wir bereits viel länger unterwegs sind als geplant. Lediglich etwas Knoblauch ist noch da. Außerdem haben wir natürlich genug Konserven und etliche Kilos Reis an Bord, die wahrscheinlich bis zur Rente reichen werden.
Unsere Solarpaneele erzeugt keinen Strom mehr. Die Verbindungen der außen verlaufenden Kabel sind durchgegammelt. Das ist nicht das erste Mal, deswegen ist der Fehler schnell erkannt und repariert. Nun lädt das gute Stück wieder, wenn die Sonne scheint, und unser Strom-Haushalt ist in Ordnung.
Es war eine sehr gute Entscheidung, kurz vor Tongatapu abzudrehen und die Nase Richtung Fidschi zu wenden. An den letzten vier Tagen herrscht allerschönstes Segelwetter. Wir haben genau den richtigen Wind, manchmal bläst er ganz kräftig, aber immer von achtern. So kommen wir schnell voran und verbringen die Zeit an Bord mit der Planung unseres nächsten Longtrails in den USA. Nachts ist Sterne-Gucken und Musik hören angesagt. Besondere Vorkommnisse : Eine Gruppe von 5 – 6 Mahi Mahis schwimmt eine ganze Weile hinter unserem Schiff her. Die golden in der Sonne glänzenden Rückenflossen sind ein prächtiger Anblick. Aber geangelt wird nun nicht mehr – der Fang von Sonntag hat uns drei Mahlzeiten beschert, das reicht erstmal. Ein langer Baumstamm mit Wurzelballen und dicken Aesten dran treibt etwa 20 Meter neben dem Boot vorbei. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn die Walkabout im Dunkeln mit so einem Hindernis kollidiert. Wahrscheinlich wäre der Schrecken größer als der tatsächliche Schaden am Schiff.
Die Navigation zwischen Tonga und Fidschi erfordert große Aufmerksamkeit. Wir nähern uns von Süd-Osten und müssen uns den besten Kurs durch das Insel-Gewirr der Lau-Gruppe suchen. Unzählige Mini-Eilande, Korallenriffs, Felsen und sonstige Unterwasser-Hindernisse liegen auf unserem Weg. Es sollen nicht alle Gefahrenstellen kartographiert sein, bzw. es ist allgemein bekannt, dass die Positionen so manches Mal nicht stimmen. Tagsüber lassen wir besondere Vorsicht walten und halten penibel Ausschau nach verdächtigen Wasser-Verfärbungen oder brechenden Wellen. Aber wir müssen auch während der letzten beiden Nächte da durch. Dabei verlassen wir uns auf unseren Radar-Plotter mit elektronischer Seekarte. Zusätzlich haben wir alle möglichen Informationsquellen genutzt und umfahren zweifelhafte Stellen weiträumig. Ein bisschen hat das Segeln in diesem Gebiet wohl auch mit Glücksspiel zu tun. Nur noch 180 Seemeilen liegen vor uns bis zum Ansteuerungspunkt Savusavu, als wir die ersten sichtbaren Inseln der Lau-Gruppe an steuerbord vor uns liegen haben. Kambara, Maramba und Vuanggava Island passieren wir mit einem Sicherheitsabstand von etwa 5 Seemeilen. Eine hohe Dünung wirft Schiff und Mannschaft hin und her, in der Ferne sind brechende Wellen zu erkennen. Unser gewählter Kurs geht gut daran vorbei. Trotzdem ist es etwas unheimlich, nach drei Wochen in dieser Wasserwüste plötzlich Hügel aus dem Meer aufragen zu sehen.
Unsere letzte Nacht präsentiert sich ruhig und sternenklar. Ein Schiff kreuzt unseren Weg. Gegen 5.00 Uhr morgens ist am Horizont ein heller Schein zu sehen : die Südküste von Vanua Levu, der zweitgrößten Fidschi- Insel. Querab blinkt der Leuchtturm von Vuna Point auf der Insel Taveuni. Wir versuchen, anhand der Segelstellung unsere Ankunftszeit so einzurichten, dass wir früh, aber nicht vor Dienstbeginn, den Yachthafen erreichen. Passt gut, alles wunderbar gelaufen.
Unsere Passage von Neuseeland nach Fidschi hat ungewöhnlich lange gedauert. Aber bis auf nur zwei blöde Tage ( stundenlanges Motoren sowie Dauerregen ) war die Stimmung an Bord immer sehr gut. Zweimal haben wir während unserer Fahrt die Datumsgrenze überquert. Der Zeitunterschied zu Deutschland sollte jetzt wieder 10 Stunden betragen, wir sind der Nordhalbkugel voraus. Am Donnerstag, den 07. Juli, laufen wir morgens früh um 10.00 Uhr Ortszeit in Savusavu ein. Bei der Einfahrt in die Bucht werden wir schon von Hilde und Hermann erwartet. Unsere Freunde von der Pacifico überreichen uns im Vorbeifahren eine Tüte mit frisch gebackenem Schwarzbrot und einer halben Wassermelone. Sooo lecker – danke schön ! Darauf folgt eine Einladung für den Abend, Essen und Trinken sind für heute gesichert. In der Copra Shed Marina werden wir freundlich empfangen und bekommen auf Wunsch einen Platz am Steg zugewiesen. Eine Menge lästiger Papierkram ist zu erledigen, ein Dokument nach dem anderen muss ausgefüllt werden. Der ganze bürokratische Wahnsinn zum Einklarieren kostet uns insgesamt 250,- Dollar. Nach der Abfertigung durch Zoll, Immigration, Bio-Security und Gesundheitspolizei muss das Boot aufgeklart werden. Ein bisschen Flurschaden gibt es immer. So ist auf dieser Etappe eine Dose Cola explodiert und hat die ganze Kajüte vollgespritzt – klebt trotz Putzen noch überall. Ein anderes Mal ist eine Tüte Sahne am Herd umgekippt und hat sich bis auf den Fußboden und zwischen die Bodenbretter ergossen – riecht nicht gut trotz sofortigem Wegwischen. Unser Banana-Dinghi muss aufgebaut werden, bevor wir einen ersten Landgang mit Stadt-Erkundung machen können. Dann natürlich Duschen, Wäsche waschen, Bett frisch beziehen, unsere Seekoje aufräumen und die Walkabout wieder zum Wohnen herrichten. Nach 22 Tagen und Nächten auf dem pazifischen Ozean und 1890 zurückgelegten Seemeilen wissen wir einen ruhigen Platz und ungestörten Schlaf so richtig zu schätzen.