Schlecht geschlafen im Toaster House. Vollmond ? Ein eigenes Zimmer ist ja ganz schön, aber kein Sauerstoff in dem kleinen Raum, das Fenster nicht zum Öffnen. Direkt nebenan die Toilette, welche mindestens zehn Mal in der Nacht besucht würde. Wir sind früh wach und flüchten vor den Anderen, indem wir Punkt 8.00 Uhr zum Frühstücken ausgehen. In Pie Town gibt es genau drei Cafés. Wir haben sie alle ausprobiert. Mexikanisches Mittagessen, Eier mit Speck und Toast, Hamburger, Apple Pie mit Vanilleeis, Blueberry Pie …. Kalorien reichlich und Kaffee bis zum Abwinken. Einkauf im 5 Kilometer entfernten General Store – schlecht sortiert und teuer. Kurzer Besuch im Mini-Postamt, Planung der nächsten Etappe, alle Geräte sind wieder voll geladen …. Dann gibt es nichts mehr zu tun. Das Toaster House füllt sich zum Nachmittag hin immer mehr. Gegen 17.00 Uhr sind außer uns bereits wieder 15 Hiker in der Küche oder auf der Veranda versammelt. Das Wetter sieht okay aus. Kurzerhand beschließen wir, unseren Raum einem neu angekommenen Pärchen zu überlassen. Schnell packen wir unser Zeug zusammen und können in 3 Stunden noch 7.5 Meilen zurücklegen. Wir sind froh, dass wir wieder alleine sind und unsere Privatsphäre haben. Wir lieben unser neues Zelt, das von unserer Mutter gesponsert wurde. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Moder und auch herzlichen Dank an Jörn für’s Mitbringen aus den USA.
80 Kilometer auf einer einsamen Landstraße, zum Glück Schotter und nicht asphaltiert. Da gibt es natürlich nicht viel zu berichten. Eine Mini-Schlange am Wegesrand und ein kleines Felltierchen von der Größe eines Hamsters, welches vor uns über die Straße flitzt. Und dann unser Stopp bei der Thomas Mountain Ranch, wo wir John und Anzie kennenlernen. Ein großes Schild am Zaun ermuntert alle CDT-Hiker, das Grundstück zu betreten und es sich während einer Pause hier gemütlich zu machen. Ein liebenswertes Ehepaar, beide Ende 80, seit 66 Jahren miteinander verheiratet, die uns in ihre zum Wohnen eingerichtete Scheune einladen. Innen sieht es aus wie in einem Museum. Draußen gibt es eine Pumpe, die herrlich erfrischendes Wasser liefert. Leider stellen wir erst 10 Kilometer später fest, dass Thomas seine Lesebrille dort vergessen hat. Zurückgehen kommt nicht in Frage – wir laufen nach Norden. Die Ersatzbrille ist zerbrochen, d. h. wir müssen in Grants mal wieder Brillen kaufen. Die Landschaft ist gerade ziemlich öde. Ein Auto hält an, während wir in der glühenden Mittagssonne auf der staubigen Landstraße marschieren. Im Wagen sitzen zwei Mexikaner, die uns fragen, ob wir Wasser möchten. Eigentlich brauchen wir nichts, haben wir doch noch 3 Liter für die nächsten zwei Stunden. Aber gekauftes Wasser in angenehmer Trink-Temperatur wird natürlich sehr gerne angenommen. Die Männer reichen uns 3 Flaschen durch’s Fenster, die wir gleich an Ort und Stelle vernichten. Dann verabschieden sich die netten Mexikaner mit den Worten : „You’ll make it.“ was soviel heisst wie „Ihr schafft das !“ Am Abend schmerzen die Füße ganz ordentlich. Wir sind nun schon 50 Kilometer seit Pie Town auf der Straße gelaufen.
An einer Viehtränke mit Solarpaneele, wo wir unser nächstes Wasser holen möchten, kommen wir mit dem Farmer ins Gespräch. Er erzählt uns, dass er 5000 Rinder auf seinem riesigen Land stehen hat. Weiden wären noch für 2000 Tiere mehr da, aber in Dürre-Perioden würden Wasser und Gras nicht für so viele Rinder ausreichen. Unvorstellbar, wie viel Platz es in New Mexico für Mensch und Tier gibt !
Wir tauchen ein in den Armijo Canyon. Endlich wird das Gelände wieder abwechslungsreicher. Schluchten, steile Wände aus rot-weißem Gestein, dicke Felsbrocken am Wegesrand, eine verlassene Hütte. Die Tierwelt lässt sich nicht blicken. Mal hin und wieder ein Hase, viele Kühe mit ihren Kälbern, Termitenhügel, ein Kojoten-Bau. Es ist nicht besonders spannend auf dieser Etappe. Wir laufen durch den Sand Canyon, danach durch den Cebolla Canyon. Frisches Wasser gibt es aus einem Rohr an einem Vieh-Trog mit Solarbetrieb. Hier befinden wir uns im „Malpais“, das bedeutet auf deutsch „Schlechtes Land“. Unser Weg bis zum nächsten Wasser führt leider fast 20 Kilometer am Highway entlang. Zum Glück herrscht in diesem Teil des Landes nicht viel Verkehr. Rechts leuchten die Sandstein-Klippen „The Narrows“ in der Sonne. Das sind 150 Meter hohe steile Felswände von gelb-brauner Färbung. Diese grenzen direkt an den rechten Fahrbahnrand. Auf der linken Seite sind gigantische schwarze Lava-Blöcke übereinander geschoben, das ist das Malpais.
Am späten Nachmittag entdecken wir eine Schlange direkt neben der Fahrbahn. Sie ist ca. 1,20 Meter lang, schlank, hellbraun und am ganzen Körper mit einem hübschen Muster gezeichnet. Nur ein paar Hundert Meter weiter liegt noch ein Exemplar dieser Sorte neben der Straße. Diese sieht genauso aus, ist aber viel kleiner, nur ca. 40 Zentimeter lang. Anscheinend hat diese Schlange gerade gefressen, denn der Bauch ist dick und unregelmäßig gewölbt. Warum liegen diese Tiere bloß so nahe am Highway ? Am Abend lahmt mein linker Fuß. Wir schaffen es nicht mehr bis zu Mumm’s Water Cache, sondern beenden den Tag bereits um 19.00 Uhr. Ein kleiner Park an den Sandstein-Klippen bietet sich an. Wir finden einen sehr schönen Platz direkt unterhalb des „La Ventana Arch“. Das ist ein durch Witterung entstandener natürlicher Sandsteinbogen im Felsen mit einer Öffnung, durch die das Licht scheint. Mit seinen sagenhaften 41 Metern Durchmesser ist La Ventana ( Das Fenster ) tagsüber ein Ausflugsziel, aber in der Nacht wird wohl Niemand vorbeikommen.
Aus unserem Zelt heraus können wir den Sonnenaufgang über den Klippen beobachten. Früh unterwegs, der letzte Rest vom Highway will bezwungen werden. Unser erstes Ziel ist die Wasser-Station. Dort lagern mehrere Kisten voll mit fertig abgefülltem Wasser. Was nicht so praktisch ist : Es handelt sich hierbei um 0,5 Liter-Flaschen. Wir leeren 6 Flaschen sofort, machen eine lange Frühstücks-Pause und kochen Kaffee. Danach füllen wir weitere 6 Flaschen um zum Mitnehmen, so dass wir noch 3 Liter für die nächste Etappe haben. Den Müll können wir zum Glück hier lassen. Jetzt liegen 12 Kilometer auf dem Zuni-Acoma Trail vor uns. Früher war dieses ein Verbindungsweg für die Völker der Zuni und Acoma. Die Pueblo-Indianer nutzten ihn als Handelsweg, bis sie immer weiter verdrängt und hinter Zäune verbannt wurden. Eine schwarze Lava-Landschaft mit tiefen Schluchten und ineinander geschobenen Gesteinsmassen. Hier brauchen wir kein GPS und keine Karten, die Route ist durchgehend gut gekennzeichnet. Wir hüpfen von Steinmännchen zu Steinmännchen. Das ist anstrengend für die Gelenke, aber macht Spaß. Fuß-Schmerzen sind weg. Zu Beginn des Trails steht auf einem Schild, dass man für diesen Weg 7-8 Stunden einplanen soll. Das gilt wahrscheinlich für „normale Wanderer“ mit Flip-Flops. Wir sind in knapp 4 Stunden da durch, obwohl wir uns nicht beeilen und die wilde Landschaft total genießen. Es ist heiß. Tiefblauer Himmel ohne Wolken, die Sonne brät. Ich trage wieder meine Wüsten-Schutzkleidung : Sonnenhut, Sonnenbrille, lange Hose und langes ( ehemals ) weißes Hemd. Dazu Lichtschutzfaktor 30 für Gesicht und Hände. Riesige Heuschrecken und flinke Echsen fühlen sich anscheinend wohl in dieser schwarzen Lava-Welt. Autsch ! Ein Kaktus-Stachel bohrt sich beim Laufen in meinen rechten Knöchel. Erster Gedanke ist, dass mich etwas gebissen hat. Es tut richtig weh, damit kann man keinen Schritt weiterlaufen. Der Stachel ist ganze 2 Zentimeter lang und sehr fest, er hat sich wie die Nadel einer Spritze ins Fleisch gebohrt. Das Biest lässt sich zum Glück in einem Stück herausziehen. Eine halbe Stunde später nochmal ein ähnlicher Schmerz, diesmal an der Hacke. Sofort stehenbleiben und untersuchen …. da stecken gleich zwei dieser langen Stacheln oberhalb des Schuhs in meiner Haut. Auch diese lassen sich gut entfernen. Seit gestern steckt ein abgebrochenes dünnes Stück Kaktus in meinem großen Zeh. Ein weiterer Splitter hat sich schon vor einigen Tagen in meinen rechten Daumen eingearbeitet. Der muss dann morgen nach der Dusche endlich heraus operiert werden. Nach der tollen Zuni-Acoma-Route marschieren wir weitere 17 Kilometer auf einer Schotterstraße, die wieder ziemlich quälend für unsere Fuß-Sohlen ist. Zum Abend hin dann noch ein harter Anstieg über Geröll. Man gönnt sich ja sonst nichts. 😉 Wir zelten in 2700 Meter an einem Teich. Schon beim Abendessen kann man deutlich spüren, dass die Nacht in dieser Höhe wieder kälter sein wird.
Ja, es war frostig während der Nacht. Trotzdem stehen wir sehr früh auf. Wir haben eher knapp mit Proviant kalkuliert. Das bedeutet, wir beeilen uns, in die Stadt zu kommen. Das nächste Wasser können wir an einer Windmühle tanken. Die liegt zwar ein Stück abseits vom Trail, aber der Umweg lohnt sich. Schon von Weitem sehen wir das Windrad in der Sonne blitzen und blinken. Es scheint nagelneu zu sein und dreht sich kräftig im Wind. Das verspricht frisches klares Wasser aus der Erde. Aber damit nicht genug …. daneben steht eine große Kiste mit Wasser in Plastikflaschen zum Mitnehmen. Der nette Farmer war so vorausschauend, dass er den Wanderern sogar Wasser anbietet, falls sein Wind-Kraftwerk einmal nicht funktioniert. Wirklich eine große Hilfe für Alle, die durstig vorbeikommen. Am Mittag sitzt eine Echse auf dem Weg von einer Art, wie wir sie noch nie vorher gesehen haben. Sie ist grün mit Punkten und hat einen relativ breiten Körper. Bleibt auch ganz entspannt sitzen und lässt sich fotografieren.
Es fängt gerade an zu regnen, während wir aus dem letzten Canyon nach Grants einlaufen. Zunächst nur ein paar Tropfen, dann immer heftiger und bitterkalt. Wir hatten kein Frühstück, deswegen lockt das Schild mit dem großen gelben „M“ schon aus der Ferne. Um dorthin zu kommen, müssen wir die Autobahn überqueren. Oder durch ein Betonrohr der Kanalisation unter der Autobahn hindurch …. natürlich die Idee von Thomas Müller-Reisen. 😉 Ist aber halb so schlimm …. innen hat es fast Stehhöhe, steinigen Untergrund, keine schlimmen Entdeckungen. Es stinkt nicht, und man wird drinnen nicht nass. Sicherer als über die Autobahn sprinten ist es auch. Statt McDonald’s wählen wir doch lieber ein Kentucky Fried Chicken für unseren Fleisch-Hunger. Dort gibt es Internet, so dass wir uns bequem ein Zimmer für zwei Nächte mieten können. Das Motel liegt allerdings etwas ausserhalb, mehr als 6 Kilometer entfernt. Als wir das Schnell-Restaurant verlassen, da fängt es gerade an zu schneien. Kalt ! Thomas spricht einige Leute an und fragt, ob sie uns ein Stück mitnehmen können. Aber heute haben wir kein Glück, Jeder hat eine andere Ausrede. Schließlich schultern wir unsere Rucksäcke und gehen doch zu Fuß. In gut einer Stunde haben wir unser Ziel erreicht, können warm duschen und alle Sachen trocknen. Morgen werden wir einen ganzen Tag nicht auf dem CDT laufen. Der letzte off-day war in Silver City und ist mittlerweile schon drei Wochen her. Wir müssen viel essen und trinken und uns ausruhen. Zum Einkaufen gibt es den Walmart direkt nebenan und ein chinesisches Restaurant mit “ All-You-Can-Eat “ für 12,- Dollar nur ein paar Häuser weiter. 🙂
Am Computer lesen sich eure Berichte wunderbar! Vielen Dank dafür!
Für solche Strapazen muss man einen festen Willen haben, dieses Abenteuer bestehen zu wollen.
Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft, Mut und Glück.
Liebe Grüsse
Ingrid
Ich werde langsam zum Stammleser eurer Berichte. Macht großen Spaß zu lesen.
Liebe Grüße aus Oldenburg, Jo
Danke für die Blumen und liebe Grüsse auch an Dagmar