Samstag hat es in Silver City am Nachmittag tatsächlich etwas geschneit. Dazu wehte ein kräftiger Wind, und die Temperatur ging herunter bis auf 1 Grad Minus. Sonntag früh knistert die Luft noch vor Kälte. Zum Laufen ist es allerdings ideal. Und der Tag wird später richtig schön ! Blauer Himmel, Sonnenschein satt. In der Chihuahua-Wüste haben wir uns permanent mit langer Kleidung verhüllt, als Schutz gegen die sengende Sonne, gegen Stacheln und Getier. Heute laufe ich zum ersten Mal mit kurzärmeligem T-Shirt und muss gut aufpassen, damit ich keinen Sonnenbrand auf den Armen bekomme. Zunächst müssen wir 8 Kilometer der Hauptstraße folgen bis zu einem Wander-Parkplatz. Mehrere Autos halten, weil sie uns mitnehmen möchten, aber wir lehnen jedes Mal dankend ab. Weiter geht es einige Kilometer auf einem Forstweg, bis wir zur Gila River Alternate abbiegen. Ein paar kleine Bäche können wir problemlos und mit trockenen Schuhen überqueren. In den nächsten 3 Tagen wird das anders aussehen, da werden wir ständig mit nassen Schuhen durch den Fluss waren. Der Vorteil der Gila River Route liegt klar auf der Hand : Wir müssen kein Wasser mehr schleppen. Alle Hiker, die auf den Trail Days befragt wurden, nehmen diese Variante des CDT anstatt die wasserarme Tour durch die Black Range zu machen. Steinmännchen zeigen in ganz ordentlichen Abständen den weiteren Verlauf an. Gegen Abend führt uns der Weg durch eine bizarre Fels-Landschaft. Wunderschöner Sonnenuntergang ! Als wir unser Lager einrichten wollen, stelle ich fest, dass ich meine Sitzmatte unterwegs verloren habe. Die war wohl nicht ordentlich am Rucksack befestigt. Schade, aber wir halbieren die Matte von Thomas. Zum Sitzen reicht die Hälfte, und so sparen wir wieder etwas Gewicht. Die Heringe lassen sich natürlich nicht in den felsigen Boden einschlagen. Wir müssen dicke Steine sammeln, um unser Zelt aufzustellen. Es wird etwas frisch draußen, also Tee trinken, warmes Essen und schnell ab in den Schlafsack.
Die Blasen aus den ersten Tagen sind Vergangenheit und kommen hoffentlich auch nicht wieder. Dafür meldet sich das Knie mit einem leichten Protest. Grund genug, das Tempo etwas zu reduzieren und ein paar Meilen weniger am Tag zu laufen. Aber aus dem gemütlichen Wald-Spaziergang wird heute nichts. Sogleich nach dem Aufstehen steigen wir an, immer weiter in die Höhe, zwischendurch gibt es einige kleine Kletterpartien. Anstrengend ! Die Landschaft ist atemberaubend. Es kommt uns vor wie eine Mischung aus den White Mountains und Wandern auf den Kanaren. Es gibt Bäume, Felsen, Schatten, Wasser ….. macht richtig Spaß, diesem schmalen Pfad zu folgen. Die Gegend hat in der letzten Zeit sehr unter Sturm und Regen gelitten. Deswegen ist die Spur oft ausgewaschen. Wir klettern über umgestürzte Bäume, die den Trail versperren oder suchen uns einfach einen Weg querfeldein durch die Büsche. Unmengen von Schmetterlingen flattern um uns herum, manche sind auffallend groß. Die meisten Falter haben kräftige Farben, knallgelb mit hellblauem Rand oder leuchtend orange mit Punkten. Von den anderen wilden Tieren sehen wir nichts, obwohl es hier Bären, Pumas, Wölfe, Kojoten, Schlangen und noch so Einiges geben soll. Die meisten Viecher haben wohl mehr Angst vor uns als wir vor denen und nehmen lieber vor den Menschen Reissaus. Meine Matte ist wieder da. Ein junger Mann, den wir gestern zweimal überholt haben, hat sie gefunden und mitgenommen. Zum Dank für das Hinterhertragen bekommt er von uns eine Dose Cola, über die er sich mehr freut als wir über die Sitzmatte. Ich hatte mich eigentlich schon mit der Hälfte und dem weniger Gewicht angefreundet. Ja, wir haben noch 3 Dosen Cola aus der Stadt etliche Meilen geschleppt. Das ist ein echter Luxusartikel unterwegs, und der junge Mann alias „Prospector“ nimmt unser Dankeschön gerne an. Auf 2650 Meter Höhe wird es kühl während unserer Pause. Aber ich habe mir doch einen Sonnenbrand auf den Armen geholt, trotz Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 30 – morgen also lieber wieder mit langen Ärmeln. Von dort aus folgt ein langer Abstieg in den Sheep Corral Canyon. Da liegen die umgefallen Bäume quer über die Schlucht, so dass wir unter den Hindernissen durchklettern müssen. Ein Stück weiter hat ein Waldbrand in der Vergangenheit einige Schäden angerichtet. Die schwarz verkohlten Baumstämme liegen durcheinander wie Mikadostäbe. Wir finden ein rostiges Hufeisen am Wegesrand. Es liegt sogar richtig herum und wird uns damit Glück bringen auf dem weiten Weg nach Canada. Auf Serpentinen folgen wir einer schmalen Spur weiter abwärts und immer tiefer, bis wir gegen 18.00 Uhr endlich den Gila River erreichen. Wir machen nur noch 5 – 6 Querungen, an der tiefsten Stelle reicht das Wasser bis zum Po. Aber es tut gut, die Beine zu kühlen, und die Füße werden sauber. Dann suchen wir uns bald einen einsamen Zeltplatz direkt am Ufer, wo wir die ganze Nacht das Rauschen des Wassers hören können.
In der Nacht bin ich von unbekannten Tier-Geräuschen wach geworden. Es klang ganz ähnlich wie das Röhren eines Hirsches. Ein Bärenhaufen in der Nähe unseres Lagers zeigt uns, dass wir Besuch hatten. Unsere Proviantbeutel hängen zum Glück unversehrt an einem Baum etwas abseits. Kaum dass wir losgelaufen sind, da entdecken wir sehr deutliche Abdrücke von Bärenpfoten im Sand vor uns. Kein Foto, denn unsere beiden Handys sind wasserdicht verpackt tief in den Rucksäcken vergraben …. zu umständlich. Ein Stück weiter sind Hufabdrücke von Antilopen zu sehen, die wohl auch gerne unsere Spur benutzen. Wilde Erdbeeren wachsen zwischen Sand und Geröll. Alles voller weißer Blüten, aber leider noch ohne Früchte. Unzählige Male stapfen wir von einer Seite des Flusses zur anderen und suchen nach dem besten Weg. Es gibt hier keinen Trail, man muss selber gucken, wo man weiter kommt. Immer wieder tauchen wir in den Gila River ein, laufen hüfttief durch das erfrischende Nass. Bei blauem Himmel und Sonnenschein gar kein Problem. Die Strömung ist stärker als erwartet. Obwohl wir ja vom Te Araroa sehr vertraut sind mit Fluss-Überquerungen, ist es manchmal schwierig, im tiefen Wasser die Balance zu halten. Der Gila River ist nicht zu unterschätzen. Bereits am Vormittag haben wir eine heiße Quelle direkt am Fluss entdeckt. Schon aus einiger Entfernung konnte man den Qualm sehen und Schwefelgeruch wahrnehmen. Diese war allerdings nur knöcheltief, so dass an Baden nicht zu denken war. Kurz vor Feierabend haben wir noch einen Abstecher zu einer größeren heißen Quelle gemacht. Eine etwa einen halben Meter tiefe natürliche Badewanne, Temperatur genau richtig, ca. 38 Grad. Sehr angenehm ! Ich bin allerdings nur mit den Füßen hinein. Thomas wollte eigentlich ganz drin baden, stand auch knietief drin, hat es sich dann aber anders überlegt. Der Grund der Quelle modderig und schleimig, eine dicke Schicht Algen oben drauf. Natur pur ! Die letzte Dusche war erst vorgestern, so nötig haben wir es dann doch noch nicht. Neben dem Swimmingpool wächst frische Minze. Davon nehmen wir ein paar Blätter mit und kochen uns einen leckeren Pfefferminz-Tee.
Gestern war es am Abend noch richtig mild, in der Nacht zu warm für lange Unterwäsche. Morgens um 7.00 Uhr zeigt das Thermometer nur 1 Grad über Null. Die Socke fühlen sich steif gefroren an. Gleich nach dem Start geht es wieder ab in die nassen Fluten. Der Gila River ist so früh noch eiskalt, Füße und Beine werden schnell taub. Aber schon nach einer Stunde kommt die Sonne über die Berge und wärmt. Diese ständigen Temperatur-Unterschiede sind wie eine Kneipp-Kur für den Körper. Heute haben wir uns nur eine kurze Etappe vorgenommen. Wir laufen bis Doc Campbell’s Post, wo wir ein großes Paket mit Futter hingeschickt haben. Paul, der Inhaber, ist deutscher Abstammung und vor 50 Jahren in die USA ausgewandert. Sehr nett ! Wir beschließen, uns für ein oder zwei Nächte auf dem nahegelegenen Campingplatz einzuquartieren. Kostet nur 6,- Dollar pro Person die Nacht incl. Hot Pools, da kann man nicht meckern. Gleich nebenan befinden sich die berühmten Gila River Hot Springs, in deren heißem Wasser wir unsere Muskeln entspannen. Morgen ist ein Tagesausflug zu den Gila Cliff Dwellings geplant, nur 6,5 Kilometer bis dahin, und das ganz ohne schweres Gepäck.