Wir segeln und wandern durch die Welt

Atlantic City bis Pinedale 23.08. – 29.08.2017

Was für eine unglaublich ruhige Nacht ! Obwohl wir zwischen Restaurant und Straße zelten, sozusagen in vorderster Front und mitten auf dem Präsentierteller, schlafen wir gut. Bei nur 36 Dorf-Bewohnern ist es nach 21.00 Uhr sehr leise. Wir werden auch nicht von künstlichen Licht gestört, denn in Atlantic City gibt noch nicht einmal Straßen-Laternen. Morgens bekommen wir ein ordentliches Frühstück. Diesmal stellt unsere Western-Lady gleich eine volle Thermoskanne mit Kaffee auf unseren Tisch. Dann machen wir uns auf den Weg zur kleinen Kirche etwas oberhalb der Hauptstraße. Die St. Andrews Church ist eine hübsche Kirche mit Veranda, weißer Holzvertäfelung außen und einer knallroten Eingangstür. Auch von innen sehr gemütlich und ansprechend eingerichtet, auffallend schlicht statt Prunk und Protz. Die Mitglieder der Kirche haben im Vorraum eine sogenannte “ Angel Box “ , aus der sich Hiker und Biker bedienen dürfen. Von Instant-Mahlzeiten über Knabberzeug bis zu Toilettenpapier wird in einer großen Kiste alles kostenlos angeboten, was für uns Wanderer auf der Durchreise nützlich ist. Eigentlich brauchen wir nichts, weil wir uns ein Proviantpaket nach South Pass City geschickt haben. Ein paar Kleinigkeiten nehmen wir dennoch mit. Wir würden uns gerne bei den Spendern und Organisatoren bedanken, aber wir bekommen Niemanden zu Gesicht. Deswegen schreiben wir nur ein paar Dankesworte ins Buch. Tolle Aktion ! Von da aus führt unser Weg zum Waffen-Geschäft von Wild Bill. Dort gibt es Waffen aller Art, aber auch Einiges an Camping-Bedarf. Der kleine Laden ist gleichzeitig Tankstelle, Reparatur-Werkstatt und Hostel. Man kann aber auch ohne Übernachtung dort duschen oder Wäsche waschen. Sehr flexibel. Wir kaufen neue Batterien für die Taschenlampen. Spannende Geschichten über selbst erlegte Elche und Bisons ( bis zu 1 Tonne schwer ) gibt es bei Wild Bill gratis dazu. 😉 Jedes Jahr werden 350 Jagd-Lizenzen per Los-Verfahren ausgegeben, um die Bison-Bestände zu kontrollieren.
Etwa 7 Kilometer Fußmarsch sind es bis nach South Pass City. Ein Schild am Orts-Eingang informiert uns darüber, dass hier 4 Menschen, 3 Katzen und 3 Hunde leben. 🙂 South Pass City hatte seine besten Jahre zur Zeit des Goldrausches. Heute ist es eine Geisterstadt, die von vielen freiwilligen Helfern kunstvoll restauriert und als Freilicht-Museum aufgebaut wurde. Wir haben nachgefragt : Aktuell wohnen in South Pass City wirklich 4 Leute, die sich um die ganze Anlage kümmern. CDT-Hiker müssen keinen Eintritt bezahlen, aber sie dürfen eine Spende für den Verein der Museumsfreunde geben. Unsere Spende besteht darin, dass wir trotzdem Eintritt bezahlen. Dafür gibt es leckeren Kaffee umsonst und 10 Minuten freies Internet. Die verbringe ich damit, eine e-mail an den Salomon-Kundenservice zu schreiben und Fotos meiner kaputten Schuhe zu senden. So langsam wird es Zeit, dass ich Ersatz bekomme. Dann suchen wir das Gebäude, in dem wir unser Paket abholen können. Das ist eine große Hilfe, denn ohne diesen Service hätten wir mindestens 10 Tage Proviant tragen müssen. Wir haben eine Lieferung von Lebensmitteln für die nächsten 6 Tage, die wir draußen sortieren und aufteilen. Nachdem diese Arbeit erledigt ist und die Rucksäcke wieder prall gefüllt sind, starten wir unseren Rundgang. Da gibt es einen Krämerladen, eine Post, ein kleines Schulhaus, ein nachgebautes Hotel, ein Restaurant und etliche weitere Gebäude. Die meisten dieser alten Häuser sind mit viel Liebe zum Detail komplett eingerichtet. Offene Türen laden zur Besichtigung ein. Unser Rundgang ist eine interessante Reise in die Geschichte der Goldgräber. Man fühlt sich beinahe in die gute alte Zeit von Oma und Opa zurück versetzt. Jeder isst zum Schluss noch ein Eis, oder besser zwei, bevor wir uns wieder auf den Weg machen. Start ab South Pass City gegen 14.30 Uhr.


Wir steigen kontinuierlich an, die Ausläufer der Wind River Range liegen vor uns. Schon bald umgeben uns die ersten Bäume. Wald wäre zu viel gesagt, aber ein Wäldchen, das uns Schatten spendet. Wir laufen heute im Shoshone National Forest. Ein meckerndes Eichhörnchen amüsiert uns. Es schimpft wie ein Rohrspatz, während wir an “ seinem “ Baum vorbeilaufen. Wir hätten es wahrscheinlich gar nicht bemerkt, wenn es nicht so einen Spektakel veranstaltet hätte. So aber bleiben wir stehen, was das Eichhörnchen dazu bringt, sich wie Rumpelstilzchen aufzuführen und immer lauter zu werden. Das ist richtig putzig, wie sehr sich das hübsche Tierchen aufregt. 😉 Unser Wasser-Problem ist vorerst gelöst. Einmal müssen wir den Highway überqueren, dort hat ein netter Mensch am Straßenrand Trinkwasser in Kanistern deponiert. Wir machen keine Pause, sondern trinken nur schnell einen halben Liter im Stehen. Und ab jetzt gibt es alle paar Kilometer frisches Quellwasser oder kleine Bäche ( ohne Kühe ). Relativ früh am Abend machen wir Feierabend, denn wir haben den perfekten Platz gefunden. Gerader Waldboden oben auf einem Hügel, viel Licht abends und morgens, bequeme Felsen zum Sitzen. Haben am Nachmittag noch 15 Kilometer geschafft, damit sind wir ganz zufrieden. Thomas hat keine Beschwerden im Knie, obwohl unser Weg deutlich auf und nieder führte. Das lässt doch sehr hoffen, dass es weitergehen kann …. noch viel, viel weiter. 🙂 Wir staunen darüber, dass wir bereits wieder auf über 3000 Meter Höhe sind. Vom Flachland können wir uns vorerst verabschieden. Es geht zurück in die Berge. 🙂 Beim Abendessen ertönen ganz in der Nähe sehr merkwürdige Geräusche, ein hohes Schreien, wie wir es noch nie gehört haben. Wir fragen uns, was das wohl sein könnte …. Während wir schon im Zelt liegen, wiederholen sich die unheimlichen Schreie noch mehrmals. Es knackt zwischen den Bäumen, Schritte auf dem Waldboden, aber das Tier gibt sich nicht zu erkennen. Ab heute hängen wir die Proviantbeutel höher und sicherer auf, denn wir nähern uns dem Grizzly-Gebiet. Da kann man sich besser jetzt schon dran gewöhnen. Wir müssen uns selber dazu erziehen, alle Vorsichts-Maßnahmen sehr gründlich und konsequent einzuhalten.

Ich habe neuerdings eine Bären-Pfeife am Rucksack befestigt, ein Geschenk von Gideon aus Denver. Thomas trägt das Bären Spray in seiner Außentasche griffbereit. Wir werden es hoffentlich nie brauchen. Den ganzen Tag lang geht es aufwärts, nicht steil, aber stetig. Schöner Trail, die meiste Zeit im Schatten kleiner Bäume und gut markiert. Da kann man gar nicht meckern. 😉 Bizarre Fels-Formationen links und rechts von uns, rundgeschliffene Findlinge, die sich hoch aufeinander türmen. An manchen Stellen kann man Höhlen sehen, die wir aber diesmal nicht erforschen. Falken fliegen über uns durch die Lüfte. Plötzlich steht ein schwarzer Bulle vor uns mitten auf dem Weg, der hier knapp einen halben Meter breit ist. Daran kommen wir so nicht vorbei. Der Bulle sieht irgendwie behindert aus, auf jeden Fall läuft er ganz schlecht. Wir warten und lassen ihm genug Zeit zum Umdrehen. Damit kehren auch die nachfolgenden schwarzen Schatten um und weichen aus auf ein freies Feld neben dem Trail.
Eine hellbraune Schlange, lang und dünn, wird von Thomas aufgescheucht. Er hat sie gar nicht bemerkt, sondern ist einfach drüber gelaufen. Der Schlange ist nichts passiert, sie macht sich blitzschnell davon. Vor uns liegt eine Fluss-Überquerung. Normalerweise ist es kein Problem, über einen schmalen Baumstamm ans andere Ufer zu balancieren. Aber mir fällt das heute ohne Stöcker ziemlich schwer. Thomas ist blitzschnell auf der anderen Seite und wirft mir seine Stöcker zu. So geht es natürlich viel einfacher und ganz ohne nasse Füße. Mittagspause. Unsere Plastik-Schüsseln sind beide kaputt. Gestern haben wir einen Sprung in der ersten und heute zur Mittags-Mahlzeit einen Riss in der anderen Schlüssel entdeckt. Die haben wir seit dem Beginn des Te Araroa täglich benutzt, manchmal sogar zweimal. Nun sind sie nach fast 10 Monaten Trail-Leben beide gleichzeitig hinüber. 🙁 Unsere Alternativen, bis wir Ersatz finden : 1. Haferflocken mit Wasser kann man ganz prima aus dem Kaffee-Becher löffeln und 2. die warme Mahlzeit direkt aus dem Topf essen. Wir entdecken ein ungewöhnlich großes Insekt, welches mit ziemlicher Sicherheit die ausgewachsene Form unseres schleimigen Aliens ist. Etwa 5 Zentimeter lang, blauer Kopf mit langen Fühlern dran, gestreifter Leib, kräftige Sprungbeine, und es hat einen festen Stachel am Hinterteil. Der vermeintliche Schnabel unseres glibberigen Dings hat sich zu richtigen Beiss-Werkzeugen ausgebildet. Dieses Insekt ist bestimmt kein Pflanzenfresser, sondern ein kleines Raubtier. Es sieht nicht besonders sympathisch aus. Vermutlich haben wir dieses hässliche Vieh letzte Woche im Larven-Stadium auf dem Boden gefunden. Was genau es ist, das wissen wir aber immer noch nicht. Vielleicht eine Monster-Zikade ? Am Nachmittag treffen wir erneut auf unseren Sweetwater River, dessen Biegungen wir letztens in der Schlucht einen ganzen Tag lang gefolgt sind. Auch heute laufen wir lange Zeit parallel zum Fluss, der enorm schnell fließt. Wasser gibt es überall – was für eine Wohltat nach den trockenen Tagen in der Wüste ! 🙂 Unser Weg führt durch die Bridger Wilderness, immer weiter aufwärts. Noch laufen wir mehr oder weniger angestrengt über Hügel. Aber die ganz hohen Berge liegen schon dicht vor uns. Wir zelten am Fuße der Wind River Range, direkt vor dem Abzweiger, der uns morgen zum Cirque of the Towers bringt.

Beide sind wir in der Nacht wach geworden, weil ganz nahe ein Baum laut krachend umgestürzt ist. Natürlich nicht zu nahe, denn wir checken jeden Abend unseren Lagerplatz ganz genau auf kranke und tote Bäume. Früh am Morgen steigen wir zunächst 1,5 Stunden kräftig auf. Nach einer Fluss-Überquerung biegen wir ab auf unsere Alternativ-Route in Richtung Cirque of the Towers. Das ist eine spezielle Gebirgs-Formation von hohen Gipfeln aus Granit, die sich um einen Kessel gruppieren. Diese einmalige Landschaft wurde vor über 8000 Jahren von Gletschern geformt. Im Vorbeilaufen können wir zur rechten Seite einen Blick auf den Little Sandy Lake erhaschen. Kurz darauf passieren wir einen Teich mit gelben Seerosen, die aber leider noch nicht geöffnet sind. Dafür gibt es Johannisbeer-Sträucher neben dem Weg, für Jeden eine Handvoll zum Naschen. Steinpilze gibt es auch wieder, die hatten wir ja lange nicht. 😉 Irgendwo müssen wir den nächsten Abzweiger unserer Extra-Tour verpasst haben. Das Gelände wird immer unwegsamer und steiler. Das GPS bringt uns wieder auf die richtige Spur. Knapp oberhalb der Baumgrenze laufen wir über kompakte Felsen und Steinplatten. Erste Ausblicke auf die zackigen Spitzen der Berge ringsherum. Mittagspause machen wir an einem namenlosen See mit unglaublich klarem Wasser. Phantastische Kulisse ! Die Eichhörnchen bekommen inzwischen Stress. Sie bereiten sich anscheinend schon auf den Winter vor. Mehrmals sehen wir Eichhörnchen mit Tannenzapfen im Mund, die größer sind als der Kopf. 🙂 Grandiose Natur um uns herum, eine wilde zerklüftete Landschaft und totale Einsamkeit. Wir sind so begeistert, dass wir anscheinend mal wieder nicht gut aufgepasst haben. Die Spur, der wir gefolgt sind, wird immer dünner und verliert sich dann ganz im Unterholz. Ein Kontroll-Blick auf’s GPS zeigt, dass wir nicht auf der geplanten Route sind. Also schlagen wir uns weiter querfeldein am Berg entlang, bis wir zu einer offenen Stelle mit Aussicht kommen. Weit unter uns erblicken wir einen deutlichen Pfad, der gerade und schön parallel am Ufer des Flusses entlang verläuft. Das wird der richtige Weg sein. Wir sind viel zu weit aufgestiegen. Bei der nächsten Gelegenheit klettern wir durch loses Geröll einen Hang hinunter und erreichen so den Pfad im grünen Tal. Wie einfach man doch hier laufen kann ! Eine halbe Stunde wandern wir ganz entspannt neben dem Fluss und sind dabei umgeben von bunten Wiesenblumen, die lila, gelb und rot blühen. Um uns herum beeindrucken die steilen Felswände mit ihren schroffen Gipfeln. Manche der Zacken sehen wirklich aus wie Türme. Bei der Überquerung eines Baches rutsche ich von einem Stein aus und lande mit beiden Schuhen im Wasser. Macht nichts, die Wiese ist sowieso überall sumpfig und nicht trockenen Fußes zu schaffen. Noch einmal müssen wir 500 Höhenmeter aufsteigen. Ich laufe voraus, suche mir meinen Weg aufwärts und bin zielstrebig unterwegs zu der Lücke zwischen den Bergen, wo wir den nächsten Pass vermuten. Bis Thomas mich zurückpfeift, weil wir schon wieder verkehrt sind. Rechts von uns liegt ein Bergsee, noch Schnee an den Rändern und dickes Eis auf der Oberfläche. Sieht sehr schön aus. Das Dumme ist nur, dass der See laut unseren Karten links von uns auftauchen müsste. Im Eifer des Gefechts sind wir erneut falsch gelaufen, müssen umkehren, um den See herum und auf der anderen Seite wieder aufsteigen. Es geht heftig bergauf, das hatten wir seit Colorado nicht mehr. Alpine Landschaft mit niedriger Vegetation. Auch die niedlichen Picas ( Pfeifhasen ) und Murmeltiere lassen sich in dieser Höhe wieder beobachten.Tatsächlich liegt noch an manchen Ecken alter Schnee. Das erste Schneefeld, durch das wir stapfen müssen, gefällt mir überhaupt nicht. Steiler Hang, keine vorgefertigten Spuren, es geht tief hinunter. Jeder hat nur einen Stock in der Hand. Thomas geht vor und macht gute Fußstapfen mit seinen dicken Schuhen. Zum Glück sind es nur 50 Meter, natürlich kommen wir heile durch, aber ich mag es trotzdem nicht. Es folgt noch ein weiteres Schneefeld von ca. 500 Meter Gesamtlänge. Das liegt allerdings auf einem relativ flachen Stück und ist daher sehr gut zu überqueren. Das Wetter verschlechtert sich zusehends. Kurz bevor wir ganz oben am Pass auf 11600 Fuß Höhe sind, fängt es an zu regnen. Und kalt wird es …. aber besser Regen als Schnee. 😉 Auf der anderen Seite folgt ein steiler Abstieg mit Rundum-Blick auf die uns umgebenden Berggipfel. Thomas ist glücklich, weil seine Knie sich überhaupt nicht beschweren. Ich bin auch total froh über diese enorme Besserung. Aber mir fällt der Abstieg im Regen und auf rutschigem Geröll ohne meine Stöcker total schwer. Der nächste See unterhalb des Gipfels lädt uns zur längst verdienten Pause ein. Die Sonne kommt gerade wieder hinter den Wolken hervor. Schuhe ausziehen, trockene Socken anziehen, nasse Regensachen aufhängen. Thomas möchte gerne im Temple Lake sein Angelglück versuchen. Er hat sich extra für die Wind River Range Angelschnur und Köder gekauft. Wir hatten schwieriges Gelände heute und sind gleich drei Mal vom Weg abgekommen. Deswegen sind wir nur 15 Kilometer weiter als gestern. Es ist erst 16.30 Uhr, aber weil es an diesem See so traumhaft schön ist, beenden wir trotzdem den Tag am Ufer des Temple Lake. So wird uns der Abstecher zum Cirque of the Towers mit seinen Extra-Meilen wahrscheinlich zwei Tage Zeit kosten. Das ist es uns wert, denn schließlich kommen wir hier so schnell nicht wieder hin. 😉 Thomas hat gerade erst seine improvisierte Angel ausgeworfen, als schon der erste Fisch anbeisst. Petri Heil ! 🙂 Es gibt Forelle Blau und einen kleinen Zander. Passt gut zum Steinpilz. 😉

 
Thomas hat während der Nacht das Getrappel einer Herde von Tieren um unser Zelt herum gehört. Wahrscheinlich Bergziegen oder Dickhorn-Schafe auf dem Weg zur Tränke. Ich habe nichts gehört und nichts gesehen. Wunderschöne Morgenstimmung ! Die Oberkante der Berggipfel wird bereits von der Sonne angeleuchtet. Allerdings steht die Sonne noch nicht hoch genug, es ist kühl im Kessel. Eine der Besonderheiten unserer langen Wanderungen ist, dass wir jeden Morgen an einem anderen Ort aufwachen. Dieses Camp direkt am Ufer des Temple Lake, umgeben von den steilen Berggipfeln, ist einer unser besten Zeltplätze. Eigentlich hatten wir erwartet, dass hier mehr los ist. Die Wind River Range ist berühmt für ihre spektakuläre Szenerie, und es ist Wochenende. Trotzdem sind wir ganz alleine in der Schlucht, ringsherum nur hohe Türme aus Granit, die zum Teil noch mit Schnee bedeckt sind. Vor drei Tagen nach Verlassen von South Pass City haben wir den letzten Menschen gesehen, einen CDT-Hiker auf dem Weg nach Süden. Wir starten früh, stehen aber gleich vor einem Problem. Unser Weg führt um den See herum, aber dort liegt noch Schnee von etwa einem halben Meter Dicke. Es handelt sich nicht um eine gerade Fläche, sondern der See reicht direkt bis an einen Hang. Eine feste Schneewand mit Überhang bildet ein kaum zu überwindendes Hindernis. Thomas versucht, auf die Schneefläche zu steigen, um dort oberhalb des Wassers zu laufen. Aber sobald er einen Fuß dorthin gestellt hat, rutscht er ab. Keine Chance ! So früh am Morgen ist der Schnee knüppelhart gefroren. Die Schräge am Hang besteht aus purem Eis. Da bleibt keine andere Lösung als am Rand durch den See zu laufen. Tief ist es nicht in Ufernähe. Thomas ist mit seinen wasserdichten Hiking-Boots mit wenigen Schritten hindurch. Ich möchte nicht schon morgens um 8.00 Uhr für den Rest des Tages nasse Schuhe haben. Etwas umständlich und zeitraubend, aber ich ziehe Schuhe und Socken aus, um barfuß mit meinen Crocs durch den See zu waten. Das Wasser ist eisig ! Nachdem wir diese kritische Stelle passiert haben, muss ich noch einmal anhalten, Rucksack absetzen und mich wieder antüddeln. Meine Füße sind zwar im Moment eiskalt, aber ich bin sehr froh, dass ich diesen Umstand in Kauf genommen habe. Nicht lange danach werden wir gleich wieder herausgefordert. Die nächste steile Wand, an der wir entweder unten durch das Wasser oder oben am Hang entlang klettern müssen. Thomas entscheidet sich für Aufsteigen und Klettern, ich folge ihm. Er passiert eine knifflige Stelle relativ zügig, das hat er einfach viel besser drauf. Ich sehe mir die Passage genauer an und werde sofort unsicher. Es sind nur wenige Meter zu bewältigen, gute Griffe im Granitfelsen gibt es auch. Im Prinzip weiss ich ja, wie es geht und dass ich es kann. Dennoch ist eine Kletterpartie am steilen Hang so früh am Morgen nichts, was ich mir wünsche. Die Muskeln sind noch kalt, ich fühle mich noch nicht geschmeidig genug für so eine Aktion. Aber nützt ja nichts ….. es wird wohl Keiner kommen und mich abholen. Ich überwinde meinen inneren Schweinehund und taste mich zentimeterweise an der Felswand lang. Nach wenigen Minuten bin ich unter Schimpfen und Fluchen in Sicherheit angekommen und kann aufatmen. Der Tag hat gerade erst begonnen, und ich habe bereits in der ersten Stunde meine beiden Angstgegner ( Schnee und Klettern am steilen Hang ) besiegt. Wenn das kein guter Start ist ! 🙂 Es gibt ein wunderbares Echo zwischen den Bergen, wenn man von oben in die Schlucht hinein ruft. Wir machen eine Ton-Aufnahme für unseren Freund Piet. Oh, Helene ! 😉 Die nächsten Stunden vergehen wie im Flug. Ein See reiht sich an den nächsten : Miller Lake, Rapid Lake, Big Sandy Lake, Lonesome Lake, Texas Lake, Barren Lake, Billys Lake, Shadow Lake …. um nur die größten zu nennen. Uns begegnen zwei gut gelaunte Mädels, die eine Woche lang in der Wind River Range wandern. Die eine von Beiden ist Cloud, die wir bei den Trail Days in Silver City kennengelernt haben. Das war Ende April, ist mittlerweile also schon vier Monate her. Wir hatten damals gerade die ersten zwei Etappen mit Blasen an den Füßen hinter uns gebracht. Meine Güte – was sind wir schon lange mit Rucksack und Zelt unterwegs. Es ist ein Tag der Superlative. 🙂 Manchmal bekommen wir den Mund vor Staunen nicht wieder zu, so geniale Ausblicke haben wir auf die zackigen Türme ringsum oder auf schillernde Bergseen, in deren klarem Wasser sich die Gipfel spiegeln. Es gibt 360° -Panoramablick vom Feinsten. Wir sind einfach nur glücklich, in dieser grandiosen Natur wandern zu dürfen. 🙂 Aber dann kommt die Ernüchterung, denn vor uns liegt ein Schneefeld von ca. 300 Meter Breite. Es geht ziemlich steil abwärts. Da müssen wir durch, kein Ausweichen möglich. Thomas geht vor und macht mir eine Spur. Trotzdem ist es sehr eng, man muss ganz schmale Tritte direkt hintereinander setzen. Das alles ohne Micro-Spikes und mit nur einem Stock in der Hand. Bloß nicht nach vorne schauen, und erst recht nicht nach unten. Konzentrieren, Zähne zusammenbeißen, nicht nachdenken, sondern einfach weitergehen. Diese Schnee-Passage bringt mich an meine Grenzen. Ich hasse es ! Vor allen Dingen, wenn ich daran denke, was Cloud uns heute am Vormittag erzählt hat. Sie ist den kompletten CDT im letzten Jahr gelaufen und hat KEINEN Schnee gehabt. Uns begleitet der Schnee schon seit Cuba / New Mexico. Selbst jetzt im Hochsommer in Wyoming gibt es immer noch Ecken mit Schnee. Einfach unglaublich ! Der Jackass Pass mit 3300 Meter Höhe liegt auf unserer Strecke, ein Durchgang zwischen zwei hohen Gipfeln. Anfangs ist die Steigung durch Klettern und Hüpfen über dicke Felsbrocken gut zu meistern. Der Granit ist rauh und griffig. Nach der Hälfte wird es schwieriger, es gibt keinen eindeutigen Weg mehr. Einige Kletter-Einlagen erfordern volle Konzentration, aber insgesamt kommen wir bei diesem Aufstieg noch nicht einmal ins Schwitzen. Auf dem Pass liegt immer noch alter Schnee. Viele Wanderer haben eine gut ausgeprägte Spur gelaufen. Mir gefällt es nicht besonders, weil der Hang eine unangenehme Schräge hat, aber wir schaffen auch dieses Schneefeld ohne Zwischenfälle. Danach habe ich allerdings erstmal Pudding in den Beinen und muss mich setzen. Kein Wunder, wir sind seit 8.00 Uhr unterwegs und bereits 5 Stunden durchgelaufen ohne Pause. Zeit für Haferflocken und mehr, danach geht es mit neuer Energie weiter. Der Texas Pass ist noch höher ( 3500 Meter ) und wirklich schweisstreibend. Zuerst stapfen wir munter bergauf und immer höher, aber das letzte Drittel ist sehr nahrhaft. Da hilft nur Kopf abschalten, den Motor einschalten und aufsteigen, bis es vorbei ist. Oben liegt noch eine ordentliche Portion Schnee. Einen Teil davon können wir umklettern, aber es bleibt ein riesiges Schneefeld zwischen beiden Bergen. Zum Glück ist das Plateau beinahe waagerecht und das Zeug in der Nachmittags-Sonne angeschmolzen. Ein Sturz wäre hier nicht weiter tragisch, weil man nicht tiefer abrutschen würde. Wir laufen einfach drüber, ohne lange nachzudenken. Der Weg auf der anderen Seite hinunter ist maximal hässlich. Wir eiern ganz langsam und vorsichtig abwärts, denn das lose Geröll ist total rutschig. Nach der halben Strecke schmerzen meine Knie. So ein steiler Abstieg ist gar nicht gut ohne Stöcker. 🙁 Unten erwartet uns noch mehr Schnee, der aber weich und gut begehbar ist. Hier am Fuße der Berge liegt wunderbar idyllisch der Lonesome Lake. Der ist aber heute am Samstag überhaupt nicht einsam. Viele Tages-Wanderer mit Mini-Rucksack und Wochenend-Camper haben diesen schönen Flecken belagert. Nichts für uns, wir laufen zügig dran vorbei. Vom Texas Pass aus wird das Gelände offener. Es scheint, als würden wir die ganz hohen Gipfel hinter uns lassen. Ein schmaler Weg führt uns an einem rauschenden Fluss entlang. Zweimal müssen wir fjorden, aber das klappt super auf Baumstämmen. Gegen 18.00 Uhr haben wir den Abzweiger erreicht, der uns wieder auf den CDT bringt. Laufen noch eine Stunde bis zum nächsten Wasser, wo wir gleich nebenan einen schönen Zeltplatz auf grüner Wiese finden. Eine Zecke krabbelt auf meinem T-Shirt, aber die fliegt raus, bevor sie Blut abzapfen kann.

Kalt war es in der Nacht ! Die Wiese ist gefroren. Unsere Schuhe und das Zelt sind mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Wird es jetzt schon wieder Winter ? Wenige Minuten nach dem Start stehen wir vor unserem ersten Hindernis. Ein Fluss liegt im Weg und ist an dieser Stelle zu breit zum Überqueren. Wir laufen ein Stückchen am Ufer entlang und finden eine bessere Passage über Steine, die im Wasser liegen. Kurz darauf stehen wir wieder vor einem Seitenarm. Da kommen wir gut drüber, indem wir von Inselchen zu Inselchen hüpfen. Der Fluss hat sich auf dieser grünen Ebene mehrfach verzweigt. Noch einmal blockiert ein Wasserlauf unseren Weg. Wir geben den Versuch auf, die Schuhe trocken zu behalten und latschen einfach hindurch. Die Sucherei hält uns bloß unnötig auf. Dann beginnt die Steinpilz-Jagd. Wir haben nur noch eine Portion Haferflocken als Mittags-Mahlzeit. Thomas kocht sich 2-Minuten-Nudeln mit Steinpilzen. Besser er als ich. 😉 Es ist heiss. Die Sonne brät. Immer noch befinden wir uns in der Bridger Wilderness. Die Landschaft ist nicht ganz so spektakulär wie in den vergangenen beiden Tagen, aber der Cirque of the Towers ist auch kaum zu toppen. Unser Weg ist schön abwechslungsreich – oder schön UND abwechslungsreich. Wir laufen auf gutem Trail mal über Hügel, dann wieder durch Wald oder über grüne Ebenen. Viel Wasser, immer wieder ein See, ein Teich, ein Fluss oder ein kleiner Bach neben uns. Zwischendurch gibt es auch freie Flächen mit Wiese, auf denen liegen dicke Steine wie hingeworfen, und das schon seit mehreren Tausend Jahren. Tiere sehen wir kaum, denn das Gelände ist für die Sprinter und Galoppierer nicht geeignet. Hier oben gibt es keine Antilopen und keine wilden Pferde, nur ein einsames Reh steht auf einer Bergkuppe. Der Cross Lake, der Raid Lake und der South Fork Lake laden zum Baden und Verweilen ein. Aber wir wandern zügig weiter, weil wir die Möglichkeit sehen, dass wir es schon morgen zum Abend hin nach Pinedale schaffen können. Unsere Haferflocken sind alle, das Milchpulver ist leer, das letzte Getränkepulver ist aufgebraucht, und seit dem letzten Wasser-Behandeln ist nun auch noch eine Flasche unserer Wasser-Tropfen am Ende. Es wird Zeit, dass wir mal wieder einen richtigen Laden von innen sehen. Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Einkauf. 🙂 Zwei Flüsse sind noch zu überqueren, damit hatten wir am späten Nachmittag gar nicht mehr gerechnet. Der CDT ist immer für Überraschungen gut. 😉 Ich tappe schon beim ersten Versuch, auf kleinen Steinen hinüber zu balancieren, ins Wasser und habe mal wieder einen nassen Schuh. Von dort aus folgt ein langer Anstieg. Auch den habe ich nicht mehr erwartet. Eigentlich hatten wir schon fast den Feierabend im Sinn, aber dieser schmale Waldweg führt uns höher und höher hinauf. Macht aber nichts, denn so schaffen wir es bis vor den nächsten Pass. Was wir heute noch laufen, das müssen wir morgen früh nicht mehr machen. Es folgt ein weiterer Wasserlauf quer zu unserem Weg, dieser Fluss ist nicht tief, aber sicher 20 Meter breit. Keiner hat Lust, kurz vor Sonnenuntergang noch Wasser in die Schuhe zu bekommen. Die werden über Nacht nicht mehr trocken und sind am nächsten Morgen eventuell vereist. Nein, danke.Wir machen uns die Mühe und ziehen die Schuhe und Strümpfe aus. In Crocs waten wir auf die andere Seite. Und weiter geht es, immer bergauf. Mittlerweile sind wir bereits im Aufstieg zum Hat Pass. Wasser und Zeltplatz suchen, kurz vor Anbruch der Dunkelheit ist alles fertig.
Dem Knie von Thomas geht es tendenziell immer besser. Vor zwei Wochen in Rawlins konnte er nicht ohne Schmerzen die Treppen steigen. Inzwischen ist es richtig gut. 🙂
Gestern erst habe ich das Etui meiner Sonnenbrille verloren. Heute habe ich bei einer kurzen Pause meine Handschuhe liegen gelassen. Blöde Serie im Moment. 🙁 Vielleicht sollte ich mal meine Sinne beisammen halten und etwas besser aufpassen. 😉 Diese Verluste sind gerade nicht ganz so schlimm, denn ich habe in unserem Paket in Dubois noch Ersatz dafür. Im übernächsten Ort müssen wir unser postlagerndes Paket sowieso abholen und öffnen, um Medikamente und neues Karten-Material zu entnehmen.

Der erste Weckruf ertönt schon, als es draußen noch dunkel ist. Wir haben gestern gut vorgearbeitet, jetzt starten wir mit nur 300 Höhenmetern. Um 8.00 Uhr früh sind wir bereits über den Hat Pass ( 3320 Meter ) und befinden uns auf der anderen Seite im Abstieg. Vor uns liegen zwei einsame Seen, die Oberfläche wie mit Öl überzogen. Malerische Kulisse, die Gipfel der Berge spiegeln sich im glatten Wasser. Die romantische Szene erinnert stark an ein Ansichtskarten-Motiv. Den ganzen Morgen ackern wir auf und ab. Man merkt, dass wir wieder in den Bergen sind. Bis zur Mittagspause haben wir sechs Aufstiege zu bewältigen – nicht schlimm, nicht steil, aber man merkt es schon in den Waden. Schneehühner scheinen sich in dieser Region wohlzufühlen, insgesamt 5 Stück kreuzen unseren Weg. Gefieder Stein-Farbe. Jedes ist ganz alleine unterwegs. Im Mai und Juni haben wir die ersten Schneehühner nur paarweise angetroffen, etwas später im Sommer dann als Familien mit Nachwuchs. Heute sind nur Einzelgänger unterwegs. Wir passieren die Baldy Lakes, große Seen mit mehreren Zuläufen, die wir überqueren müssen. Ein weiterer namenloser Berg bietet uns von seinem Gipfel eine tolle Aussicht auf ein mit Flüssen und Teichen durchzogenes Tal. Das Ganze sieht aus wie eine Fjord-Landschaft in Norwegen, unzählige dicke Felsen und kleine Inseln ragen aus dem Wasser. Direkt vor uns erscheint eine neue Gebirgskette am Horizont. Schroffe Felsen, zackige Gipfel und Schnee in den Ecken. Das wird die nördliche Wind River Range sein, die wir nächste Woche auf dem Programm haben. Nach unserer Mittagspause verlassen wir den CDT, um einen Umweg nach Pinedale zum Einkaufen zu machen. Ganz schlecht zu erreichen, es sind nur für den Hinweg knapp 20 Kilometer zu Fuß auf dem Pole Creek Trail, danach nochmal eine halbe Stunde Autofahrt per Anhalter. Ganz schön kompliziert und zeitraubend, aber die Alternative wäre gewesen, für 10 – 12 Tage Proviant zu tragen. Das ist völlig indiskutabel ! Dann lieber einen Extra-Tag Laufen und zweimal Trampen. Es sieht so aus, als müssten wir durch einen See, um zu unserem Abzweiger zu kommen. Beide ziehen wir Schuhe und Strümpfe aus in der Absicht, trockene Füße zu behalten. Hält natürlich auf. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass es sich um einen breiten Fluss handelt, der sich in einer Senke zu einem See verbreitert hat. Dann stehen wir vor einem Holzschild, auf dem drei Richtungen benannt sind. Möchten wir nun den “ Upper Pole Creek Trail “ oder den “ Lower Pole Creek Trail “ laufen ? Keine Ahnung. 😉 Unsere Papierkarten geben nicht viel her, weil sie diesen weiten Umweg nicht drauf haben. Und für das GPS haben wir zwar die gesamten CDT-Karten gekauft, aber wir sind ja nun nicht mehr auf dem CDT. Wir entscheiden uns für den linken Weg, nur um kurze Zeit später wieder vor einem ca. 50 Meter breiten Wasserlauf zu stehen. Thomas hat schon keine Geduld mehr und latscht einfach durch. Ich hoffe immer noch, dass ich trocken bleiben kann. Anhalten, Rucksack abschnallen, Schuhe und Strümpfe ausziehen, in Crocs durch das knietiefe Wasser waten und auf der anderen Seite das ganze Prozedere anders herum. Ist schon etwas kompliziert und aufwändig. Es folgt eine Gabelung, an der wir uns erneut für rechts oder links entscheiden müssen. Eigentlich wissen wir gerade nicht so recht, was wir tun. Kein Plan. 😉 Wir folgen einfach dem Weg mit den meisten bekannten Fußspuren, die wir schon seit Tagen vor uns haben. Kurz darauf biegt dieser Pfad vor einem See scharf nach links ab, folgt dem Ufer eine Weile und wird dann immer schmaler. Das nächste Hindernis ist eine Felswand voraus. Die kann man vielleicht umgehen, indem wir aufsteigen und ein Stück klettern. Aber die Spur verliert sich, das sieht gar nicht gut aus. Thomas klettert noch eine Ebene höher, nur um zu sehen, dass es auch dort keinen Weg gibt. Also Kommando zurück, wieder absteigen, umdrehen und am Ufer entlang dahin, woher wir gekommen sind. Wir müssen tatsächlich durch den See ! Der ist nicht besonders tief, aber ungefähr 100 Meter breit. Diesmal laufen wir beide mit Schuhen durch. Ich bin genervt. Wir sind extra früh aufgestanden und haben uns tüchtig beeilt, nur um jetzt hier so viel Zeit zu verdaddeln. Ärgerlich. 🙁 Fast kriegen wir uns noch in die Haare …. Aber das dauert zum Glück nie lange. 🙂 Nach etwa 5 Kilometern, die wir gerätselt, gesucht, gezweifelt und uns verlaufen haben, steht da plötzlich ein Schild. Und zwar ein richtiger Wegweiser mit unserem Ziel “ Elkhart Trailhead „. Na also, geht doch. Alles richtig gemacht ! Wäre nur viel besser gewesen, wenn wir dieses Schild schon eine Stunde früher am Weg gehabt hätten. Das Gelände ist nicht so einfach, wie wir gehofft hatten. Es geht ständig auf und ab, mal über Geröll, dauernd sind Baumwurzeln im Weg oder ein kleiner Bach zum Durchwaten. Schnell geht hier leider gar nicht. Inzwischen haben wir die Stadt für heute schon fast abgeschrieben. Es sind immer noch 15 Kilometer bis zum Wander-Parkplatz. Wir kommen über ein flaches Stück mit grüner Wiese und trauen unseren Augen nicht : Lamas. Ein dunkelbraunes zottiges Tier und ein weißes Lama mit braunen Flecken grasen dort in aller Seelenruhe. Keine Menschen in der Nähe, aber gegenüber sieht es nach Camping aus, da hängen Sattelzeug und Packtaschen über einem Baum. Lamas sind die idealen Lasttiere für diese steilen Wege im Gebirge. Und wir müssen alles selber tragen ….. Etwa eine Stunde später kommt uns auf dem schmalen Pfad eine kleine Karawane entgegen. Vorneweg reitet ein Cowboy auf einem stattlichen Hengst, dahinter folgt eine Reihe von Packtieren. Insgesamt 7 Esel, Maultiere und ein Pony sind an einer Leine hintereinander angebunden und laufen langsam im Schritt den Hügel hinunter. Wir weichen aus und warten abseits des Weges. Kurz darauf folgt eine Frau auf einem Pferd, die noch ein weiteres Reitpferd hinter sich her führt. Sie fragt uns, ob wir Lamas gesehen haben. Ja, haben wir und geben ihr den Ort und die ungefähre Entfernung an. Wo wollen die bloß mit den Tieren und den prall gefüllten Packtaschen hin ? Man könnte meinen, das sei ein Wander-Zirkus auf Reisen. Aber da, wo die hinreiten, wird es keine Zuschauer geben. Vielleicht ein Wander-Zirkus auf Urlaub in der Wind River Range ? Das ist ja alles merkwürdig ! 😉 Auf jeden Fall haben uns diese unerwarteten Vierbeiner den Nachmittag gerettet und die Stimmung aufgeheitert. Unser Trail wird irgendwann besser, so dass wir unser Ziel gegen 19.30 Uhr erreichen. Auf dem Wander-Parkplatz stehen Dutzende von Autos, aber heute fährt natürlich Niemand mehr weg. Wir brauchen Wasser zum Kochen. Am Toiletten-Häuschen gibt es eine Pumpe, aber die ist abgestellt. Schön blöd, nachdem wir die letzten Tage immer Wasser im Überfluss hatten. Wir laufen einige Hundert Meter um die Ecke zu einem Campingplatz. Da gibt es eine Pumpe, aus der Wasser kommt, aber ein Schild sagt : “ Kein Trinkwasser „. Bleiben möchten wir hier sowieso nicht, denn wir zahlen keine 7,- Dollar für einen Platz, wenn wir sonst überall kostenlos zelten können. Gleich beim ersten Wohnwagen sitzen Leute draußen und fragen uns, ob wir Wasser brauchen. Auch der Nachbar aus dem Campervan gegenüber ist aufmerksam geworden und winkt mit seinem Wasser-Kanister. Sehr nett ! Problem gelöst. Mal wieder sehr hilfsbereit, die Amis. 🙂 Genauso, wie wir es gewohnt sind. 😉 Unser Zelt stellen wir auf einer Ebene unterhalb des Parkplatzes zwischen Bäumen auf. Zum Abendessen gibt es den letzten Not-Proviant. Während wir schon in der Waagerechten liegen, hören wir Getrappel von größeren Tieren, die um unser Lager streifen.

Wir werden schon sehr früh geweckt vom lauten Gemecker sich streitender Eichhörnchen. Die werden langsam aggressiv, weil es bereits auf den Herbst zu geht. Laute Schritte von Huftieren nähern sich, während wir noch im Halbschlaf dösen. Da laufen doch tatsächlich einige Elche ganz nah neben unserem Zelt vorbei, eine fast schwarze Elch-Kuh mit zwei männlichen Jungtieren. Viel zu früh, es ist erst 6.00 Uhr. Wir drehen uns nochmal um. Kurze Zeit später kommt die Elch-Familie zurück und läuft erneut über unseren Lagerplatz. Unglaublich ! Das ist ja wie Kino. 😉 Kaffee gibt es nicht, zum Frühstücken haben wir auch nichts mehr. Also packen wir zusammen und stehen bereits um 7.30 Uhr an der Straße. Ganz schlechte Uhrzeit, um hier wegzukommen. Die Tages-Ausflügler, Angler und Camper werden ja sicherlich nicht morgens aus dem Wald kommen, sondern erst am späten Nachmittag nach Hause fahren. Wir warten eine volle Stunde, nichts passiert, kein einziger Wagen verlässt den Parkplatz. Aber dann kommt ein sehr sportlicher Mann mit seriöser Ausrüstung aus dem Wald. Thomas spricht ihn an und fragt, ob er uns mitnehmen kann. Die ganz simple Antwort : “ Ja klar. “ Der Fahrer ist ein Immobilien-Makler aus der Nähe von Denver. Ben hat 8 Stunden Autofahrt bis zum Elkhart Trailhead auf sich genommen, nur um 3,5 Tage in der Wind River Range wandern zu können. Heute musste er sehr früh aufbrechen, um den weiten Weg zurück zu machen und morgen pünktlich auf der Arbeit zu sein. Glück für uns …. sonst hätten wir hier vielleicht bis zum Nachmittag gestanden. Ben bringt uns die 25 Kilometer bis nach Pinedale und setzt uns vor einem Café ab, wo es endlich ein ordentliches Frühstück gibt. Ein Sheriff in Uniform betritt den Laden, grüßt uns freundlich und fragt, ob wir den Continental Divide Trail laufen. Er ist total interessiert und super freundlich, ein netter Empfang ist das hier. 🙂 Anschließend drehen wir eine Runde durch den Ort und suchen die St. Andrew’s in the Pines – Kirche. Wir haben gehört, dass CDT-Hiker dort willkommen sind und kostenlos übernachten dürfen. Eine gut eingerichtete Küche mit vollen Schränken darf mit benutzt werden. Es ist alles da und steht für die Allgemeinheit zur Verfügung. Die Hotelzimmer in Pinedale liegen alle in der oberen Preis-Kategorie zwischen 100,- und 150,- Dollar. Im Gemeinschaftshaus der Kirche treffen wir Midnight, den wir schon ganz zu Anfang in Pie Town kennengelernt haben. Seine Freundin Animal ist nicht mehr dabei, sie hat den Trail abgebrochen. Midnight hat mit einem Kumpel im Kinder-Spielzimmer geschlafen, möchte aber heute noch weiter. Super, denn die Beiden machen Platz für uns. Wir richten uns im Spielzimmer ein und haben sogar so etwas wie einen privaten Raum. 🙂 Alle anderen schlafen im großen Gemeinschaftsraum auf dem Fußboden. Dann ist da noch Steve, der anscheinend kein Zuhause hat. Steve ist ein unauffälliger älterer Mann, der schon länger hier in der Kirche wohnt. Mittags kommt ein junger Mann mit einem kleinen Kind vorbei, lässt es ein paar Minuten spielen und geht wieder. Hm …. wer oder was war das denn ? Später kommt er noch einmal wieder und bekommt von einer Diakonin reichlich Essen eingepackt. Der junge Mann hat Familie, aber kein Geld …. Jeden Tag erscheint er bei der St. Andrew’s – Kirche, um sich Essen und sonstige Spenden abzuholen. Das finden wir ja wieder absolut cool ! Diese Großzügigkeit und Gastfreundschaft ist gelebte Nächstenliebe ! Die Türen stehen immer für Jedermann offen. 🙂 Es folgt ein Gang zur Post, um unsere Lieferung von REI abzuholen. Meine neuen Stöcker sind da, die Bestellung hat prima geklappt. Außerdem gibt es noch einen neuen Wasserfilter ( ja, schon wieder ), Wassertropfen zum Desinfizieren und zwei Paar Socken. Duschen gibt es nicht bei der Kirche, aber dafür haben andere Hiker einen super Tipp. Am Nachmittag besuchen wir für 7,- Dollar pro Person das Aquatic Center. Im Regal “ Lost and Found “ finden wir sogar eine passende Badehose für Thomas. 😉 Zuerst wird ausgiebig geduscht und danach im heißen Sprudelbad entspannt. Im Strömungs-Bad lassen wir uns durch die langen gewundenen Bahnen treiben, alles völlig ohne Anstrengung. 🙂 Die Wasserrutsche macht Spaß. Fitness-Raum, Sporthalle und Kletterwand brauchen wir eher nicht, wir möchten uns nur ausruhen. Bei den Umkleidekabinen steht eine Personenwaage. Das wird interessant, seit 4 Monaten haben wir unser Gewicht nur geschätzt. Beide essen wir gleich gut oder schlecht, und beide laufen wir dieselben Meilen. Jeder von uns hat bisher ungefähr 10 Kilo abgenommen. Abends kommt eine Gruppe der Anonymen Alkoholiker ins Haus und nutzt den Gemeinschaftsraum. Wir verbringen diese Zeit mit einem leckeren Essen beim Chinesen. Danach gibt es noch ein nettes Wiedersehen mit Testament und seinen Freunden, die erst ganz spät erscheinen und ihre Matten zum Schlafen ausbreiten. Wir hätten nicht erwartet, dass wir so lange Zeit dasselbe Tempo wie die jungen Leute halten können. 🙂