Wir segeln und wandern durch die Welt

Rawlins bis Atlantic City 16.08. – 22.08.2017

Die Landschaft im Great Divide Basin wird von Sagebrush bestimmt. Der Wüsten-Beifuss wächst überall und lässt die Ebene vor uns braun-gelb aussehen. Fiese Kakteen mit langen festen Stacheln stehen dazwischen. Man muss wieder gut aufpassen, wo man sich hinsetzt. In der Pause werden wir von Fliegenden Ameisen heimgesucht. Erst sind es nur wenige, aber dann fällt eine ganze Armee über uns her. Zeit zum Weiterlaufen. Die Luft über der Steppe flimmert in der Sonne. Seit heute sind wieder Echsen links und rechts des Trails zu sehen. Insgesamt haben wir 7 der grau-braunen Krötenechsen ( Horned Lizard ) entdeckt. Die sind hier deutlich kleiner als die Echsen in New Mexico. Einige sind eindeutig Jungtiere, die Baby-Echsen können mit ihren kurzen Beinen schon richtig schnell flitzen. Wahrscheinlich sind die erst vor Kurzem geschlüpft, weil der Winter in diesem Jahr so lange gedauert hat. Östlich von uns sieht man rote Felswände, die dieser Gegend wohl ihren Namen gegeben haben. Besonders schön sieht das aus, als die Sonne schon tiefer steht und die Felsen anleuchtet. Von Rawlins aus sind wir mit 4 Liter Flüssigkeit gestartet. Es liegen nun wieder 30 trockene Kilometer vor uns. Das Wasser für den Abend und für morgen entnehmen wir bei der Fish Pond Springs. Thomas muss sich tief über Kopf in ein Fass beugen, um an das kühle Nass zu kommen.

Von der Quelle aus entdecken wir vereinzelte Pferde, die in einiger Entfernung grasen. Das müssen die berühmten Mustangs sein. 🙂 Mustangs heißen die wild lebenden Pferde Nordamerikas. Es sind eigentlich keine Wildpferde, sondern die Nachkommen verschiedener europäischer Hauspferde-Rassen. Für die Zucht nicht so geeignete Tiere wurden früher einfach von den Farmern in die Freiheit entlassen. Dort haben sie sich mit den echten Wildpferden gepaart und dadurch den Gen-Pool mehr und mehr verändert. Ich mache mich auf die Pirsch und versuche, langsam näher heranzukommen. Aber meine Vorsicht ist unbegründet, die Tiere sind überhaupt nicht scheu. Inzwischen kann man zwei verschiedene Herden ausmachen, eine Gruppe von 8 erwachsenen Pferden und eine 5-er Gruppe auf der anderen Seite. Die größere Herde kommt auf uns zu, das Ziel ist die Wasserstelle. Sie gehen gemeinschaftlich an den Teich und trinken. Danach legen sie sich nacheinander zum Abkühlen ins Wasser, schütteln sich, um sich gleich darauf im Wüstensand zu wälzen. Ein faszinierendes Schauspiel ! Was haben wir für ein Glück, dass wir gleich an unser ersten Nachmittag im Great Basin die wilden Pferde zu sehen bekommen ! Und dann noch so nahe und ganz unbekümmert in Aktion. Wir können es kaum fassen. Klarer Fall von “ zur richtigen Zeit am richtigen Ort „. 🙂 Lange bleiben wir stehen und beobachten das Treiben. Die Tiere sehen bis auf etliche Narben im Fell gesund aus, die Körper schlank und voller Spannkraft. Zum Schluss kommen sie tatsächlich auf uns zu und stellen sich vor uns in einer Reihe auf. Man könnte sie beinahe anfassen. Dann traben sie geschlossen davon. Wahrscheinlich wären wir sonst noch länger geblieben. Wir sind ganz benommen von diesem tollen und unerwarteten Erlebnis. 🙂 Nachdem wir ein Stückchen weiter gelaufen sind und einen Hügel umrundet haben, sehen wir “ unsere Herde “ der 8 zutraulichen Wildpferde wieder. Außerdem können wir eine weitere Herde am Hang beobachten, diesmal offensichtlich nur Mütter mit Kindern und Schwangere. Diese kleine Gruppe besteht aus 5 Stuten und 3 Fohlen, die dicht beieinander stehen. Wir gehen nicht ganz so nahe heran, weil wir nicht stören wollen. Ein paar Fotos, dann lassen wir sie in Ruhe und marschieren weiter. Nicht lange danach entdecken wir schon wieder braune und schwarze Punkte in der Ferne, genau in unserer Richtung. Nein, diesmal sind es keine Pferde. Beim Näherkommen erkennen wir, das es sich um Kühe handelt. Wir laufen mitten durch eine Kuh-Herde von mindestens 30 Tieren. Links und rechts von uns stehen sie und glotzen uns an, bevor sie wie auf Kommando umdrehen und flüchten. Dumm wie Brot. 😉 Zwischendurch sehen wir immer mal wieder Antilopen an den Hängen. Unser Weg wäre ziemlich eintönig, wenn wir nicht die Tiere hätten. 😉 Beim Abendessen entdecken wir noch ein besonders merkwürdiges Ding vor uns im Gras liegen. Es sieht ein bisschen aus wie eine Biene mit schwarz-gelben Streifen am Hinterteil, dazu ein dicker runder Kopf und schwarze Augen. Die Konsistenz ist glibberig, zwei Kugeln aus gallertartiger Masse. Ein weiches Etwas, wie gerade geschlüpft, etwa 3 Zentimeter groß, dazu 6 angewinkelte Beine. So weit könnte man denken, es sei die Larve einer Riesen-Heuschrecke. Wir sind natürlich neugierig und drehen das kleine Ding vorsichtig um. Da staunen wir noch mehr, denn auf der Unterseite sieht man so etwas wie einen Schnabel. Wie passt das denn alles zusammen ? Keine Ahnung, was für ein Lebewesen wir da gefunden haben. Dieses Ding erinnert uns doch sehr an ein Alien. 😉

Schon eine Stunde nach dem Start führt unser Weg ein kurzes Stück am Highway entlang. An der Straße steht eine Styropor-Kiste mit Wasser für CDT-Hiker. Es ist nur noch eine kleine Flasche drin, die nehmen wir mit als Notfall-Wasser. Nach zwei Kilometern geht es zum Glück wieder weg vom Verkehr und ab in die Einsamkeit der Red Desert. Genau wie in der Wüste New Mexicos sehen wir Löcher von 30 – 40 Zentimeter Durchmesser. Das sind die Baue von Kojoten, die ihre Höhlen gerne im Sandboden graben. Außerdem gibt es viele Termitenhügel, die im feinen Sand wie Türme aufragen. Schon früh am Morgen haben wir eine erneute Begegnung mit wilden Pferden. Es handelt sich um zwei braune und zwei weiße Tiere, sehr schön anzusehen. Drei Stuten und ein stattlicher Hengst, der offensichtlich gut auf seine Frauen aufpasst. Diese Mustangs sind zwar neugierig, laufen vor uns auf dem Trail und drehen sich gelegentlich um, wollen aber schließlich doch lieber nichts mit uns zu tun haben. Zur Linken zieht eine Herde Gabelböcke an uns vorbei. Die gehören hier wohl ins alltägliche Bild. Dutzende von Krötenechsen im Miniatur-Format krabbeln über den Weg. Manche sind so klein wie Käfer, aber sonst ist alles dran, ganz wie die Alten. Gut getarnt, grau-braun wie die Farbe des Sandes, sind sie immer erst im letzten Moment zu erkennen. Bloß nicht drauftreten ! Das Wetter ist gnädig. Der Himmel leicht bewölkt, dazu weht ein warmer Wind. Am Nachmittag gibt es nur tote Tiere in der Umgebung. Der Trail verliert sich irgendwo in der weiten Wüsten-Landschaft. Teile von Pferde-Knochen liegen neben dem Weg. Aus dem Schädel und Skelett-Fragmenten haben Hiker einen Pfeil in die richtige Richtung zusammengesetzt. Man muss sich nur zu helfen wissen, wenn es keine Markierungen gibt. 😉 Wir nehmen diesen Hinweis dankbar an und folgen dem “ Pfeil „. Offensichtlich macht der CDT hier eine 90° Kurve. Nur wenig später sehen wir etwas abseits unserer Spur eine verendete Kuh liegen. Ich mache einen großen Bogen, damit ich mich dem Kadaver von Luv nähern kann. Rieche nichts. Als nächstes entdecke ich den ausgeblichenen Schädel eines Kojoten, der wohl schon länger in der Sonne liegt. Auf dem weiteren Weg liegt das Skelett von einem großen Tier, vermutlich einem Rind. Viel ist nicht mehr zu erkennen, die Knochen vom Schädel fehlen. Kurz darauf kommen wir schon wieder an einem Kuh-Kadaver vorbei. Eine Hälfte des Kopfes ist noch gut erhalten mit Fleisch und Fell. Der Rest ist ordentlich abgenagt und besteht nur aus sauberen weißen Rippen. Weitere Teile des Skeletts liegen im näheren Umkreis verstreut im Wüstensand. Ist ja nicht besonders lecker, auch wenn es hier in der Wildnis wohl ganz natürlich ist. Ich komme mir vor wie auf einem riesigen Tier-Friedhof. 🙁 Da waren uns aber die wilden Pferde, die vor Temperament und Lebensfreude sprühen, viel lieber ! 🙂 Um 16.00 Uhr erreichen wir endlich unsere nächste Wasserquelle. Bis hierhin mussten wir mit dem Wasser auskommen, das wir seit gestern 17.00 Uhr getragen haben. Insgesamt 30 Kilometer waren das, eine lange Distanz. Von hier aus bis zum nächsten Wasser haben wir jetzt nochmal eine Etappe von 25 Kilometern vor uns. Das bedeutet, wir müssen wohl oder übel 5 Liter tragen. Das hatten wir aber in der Wüste auch nicht anders erwartet. 😉

Während der Nacht konnten wir aus unserem Zelt heraus die Sterne sehen. Wir lieben es, draußen zu schlafen. Am Freitag bekommen wir die volle Packung Sonne. Da gibt es kein Entrinnen, schon morgens um 8.00 Uhr werden wir gekocht.
Das rechte Knie von Thomas ist nicht gut. Wir müssen reduziert laufen, das sind in diesem flachen Gelände aktuell zwischen 30 und 35 Kilometer am Tag. Die Landschaft bleibt den ganzen Tag gleich. Auch die Aussicht zu beiden Seiten verändert sich nicht. Einzig die Tier-Sichtungen sind unterschiedlich. Früh​ am Morgen sehen wir eine Gruppe von vier Mustangs in der Ferne. Das könnte der Pascha von gestern mit seinem kleinen Harem sein. Später nochmal eine Herde von ca. 20 Wildpferden, die dicht gedrängt an einem Wasserloch stehen. Ab und zu weiden Rinderherden auf dieser grenzenlosen Ebene. Vereinzelte Antilopen springen durch die Gegend. Die sind immer am Rennen, ständig auf der Flucht, wenn sie uns Menschen nur von Weitem sehen. Unzählige Echsen fühlen sich offensichtlich wohl in diesem Klima. Uns ist es heute entschieden zu heiß. Blauer Himmel, kein Wölkchen, kein einziger Baum, kein bisschen Schatten. Früh am Morgen laufe ich zwei Stunden in Shorts, danach bevorzuge ich lieber wieder meine Sonnenschutz-Kleidung. Lange Hose, langärmelige Bluse, Sonnenhut, Sonnenbrille, Halstuch und Handschuhe wie Michael Jackson. Wenn wir gegen die Sonne laufen, ziehe ich mir das Tuch über Mund und Nase bis zum Rand der Sonnenbrille hoch und sehe dann aus wie ein Bandit. 😉 Thomas muss wegen seiner Knie-Bandage in kurzer Hose gehen. Seine gleichmäßig braun gebrannten Waden erinnern mich an knusprige Hähnchen-Schenkel. 🙂 Gegen Mittag erreichen wir einen künstlich angelegten See, wo wir recht gutes Wasser entnehmen können. Da steht ein Holzschild, an dessen zwei Pfosten wir unseren Poncho befestigen, um der Sonne zu entgehen. Lange Pause, wir möchten gar nicht mehr weiter. Wasser und Schatten – da fällt das Weiterlaufen schwer. Nachmittags begegnen wir einer weiteren Herde Mustangs, insgesamt sieben Stück. Diese Gruppe fällt dadurch auf, dass sie alle sehr unterschiedliches Fell haben. Da gibt es braun und schwarz und gescheckt, eine Stute ist vorne hellgrau, die hintere Hälfte ist weiß. Diese Pferde sind nicht scheu und zeigen ein gewisses Interesse an uns. Sie bleiben eine Weile stehen, schauen uns entgegen, kommen ein paar Schritte näher. Dann, wie auf Kommando, drehen sie um und galoppieren geschlossen über die weite Steppe davon. Ein toller Anblick ! Sehr muskulös und doch elegant. So schöne Tiere ! 🙂 Stunde um Stunde marschieren wir in einer trockenen Dünen-Landschaft und spulen unsere Meilen ab. Es gibt nicht viel zu sehen. Hin und wieder eine Herde Gabelböcke, dann nochmal einige wilde Pferde in der Ferne. Zum Abend hin sind wir plötzlich von Kühen umzingelt. Wir müssen uns wohl oder übel mit denen das Wasser teilen. Der Kuh-Tümpel sieht schlimm aus, völlig verunreinigt. Eigentlich ist mehr brauner Matsch als Wasser im Teich. Aber auf den zweiten Blick entdecken wir ein Rohr, aus dem sauberes Wasser in den Tümpel läuft. Wir wissen zwar nicht, wie das funktioniert und wo die Pumpe ist, aber anscheinend handelt es sich um sauberes Grundwasser. Wir füllen unsere Flaschen, packen 5 Liter Wasser ein und marschieren vollbeladen noch ein Stündchen weiter. Beim Auspacken am Lagerplatz stelle ich fest, dass ich etwas Wichtiges verloren habe. Ich laufe schon seit Rawlins ohne meine Hiking-Stöcker, weil ich sie in diesem flachen Gelände nicht brauche. Damit gebe ich auch den offenen Stellen in meinen Hand-Innenflächen mal eine Chance zu heilen. Die Stöcker habe ich klein zusammengeschoben außen in meinen Seitentaschen vom Rucksack befestigt. Heute nicht – ich habe sie an unserem letzten Zeltplatz im Gebüsch liegenlassen. Ungefähr 35 Kilometer zurück …. das wären zwei volle Tage Laufen, um die Stöcker wieder zu holen und erneut bis hierhin zu kommen. Nein, danke. 🙁 Ich ärgere mich kurz über meine Blödheit, Thomas schreibt die Dinger sofort ab. Vielleicht hat sie ja ein nachfolgender Hiker gefunden und mitgenommen. Im nächsten Ort werden neue bestellt, kosten knapp 100,- Euro, aber auf so ein wichtiges Ausrüstungsteil können wir nicht verzichten.

Gestern hatten wir spät am Abend noch Besuch von einem großen Tier. Man konnte spüren, wie sich schwere Tritte näherten. Da war ein ganz tiefes Muhen und Grunzen, wie wir es von Kühen noch nie gehört haben. Dazu kontinuierliches Mampfen von Gras, während die stampfenden Schritte weiterziehen. Kühe laufen normalerweise nicht im Dunkeln durch die Gegend, und schon gar nicht alleine. Wir vermuten, dass ein kräftiger Bulle um unser Zelt herum gelaufen ist. Beim Leuchten mit der Taschenlampe gab es nichts zu erkennen, nur tiefschwarze Nacht draußen. Aber wir sehen am Morgen sehr große Hufabdrücke eines Paarhufers auf dem Weg. Die eintönige Landschaft ändert sich, es wird tatsächlich ein wenig hügelig. Ein leichter Anstieg von 350 Metern bringt uns in ein Gelände, wo sogar vereinzelt mickrige Kiefern stehen. In der Ferne voraus ist eine hohe Bergkette zu erkennen. Zackige Konturen, auf den Gipfeln liegt immer noch Schnee. Das muss die Wind River Range sein, unsere nächste Aufgabe nach dem Durchqueren des Great Divide Basin. Auf dem Trail sind deutliche Spuren von Katzen zu sehen. Die Raubkatze muss ziemlich lange Krallen haben, die sich tief in den Sand eingegraben haben. Keine Wolke am Himmel. Es ist heiß. Sonnencreme mit Schutzfaktor 50 für’s Gesicht. Mittags wird die Prozedur noch einmal wiederholt. Am Besten hilft meine Vermummungs-Taktik. Wir machen an einer eingezäunten Wasserquelle Pause, erstaunlicherweise ist dort alles voller Kuhfladen. Da fragt man sich doch, wie die Kühe dorthin gekommen sind. Anscheinend sind sie über den Zaun aus Holzbalken gesprungen. Der Kadaver eines großen Tieres liegt an einer Seite. Schwarze Vögel steigen davon auf. Es stinkt fürchterlich. Ich kann gar nicht genau sagen, was es war, weil ich nicht näher herangehen mag. Vermutlich ein Rind, das von den Greifvögeln und vierbeinigen Raubtieren jetzt fein säuberlich zerfleddert wird. Die Wasserquelle ist nur ein müdes Rinnsal. Wir nehmen gerade so viel, wie wir aktuell zum Kochen und Trinken brauchen. Den ganzen Tag wandern wir in der prallen Sonne durch die Crooks Mountains. Dazu weht ein kräftiger Wind, meistens kommt er von vorne. Und der Trail geht tatsächlich wieder über jeden Hügel, der im Weg liegt. Wir laufen Schleifen, Serpentinen, Umwege, anscheinend sinnlose Wegführung. Haben heute wieder eine 20 Kilometer lange wasserlose Strecke vor uns. Feierabend gibt es erst an einem See, der allerdings noch in weiter Ferne liegt. Wir haben beschlossen, auf jeden Fall bis zu diesem Teich zu laufen, damit wir nicht so viele Liter stundenlang tragen müssen. Es wird ein langer Tag ! Das Knie von Thomas hat sich gebessert, er hat in diesem einfachen Terrain kaum Schmerzen. Trotzdem machen wir mehrere Pausen zwischendurch und erreichen unseren Feierabend-Platz erst um 20.00 Uhr, kurz bevor die Sonne untergeht. Eigentlich hätten wir noch hinunter zum morastigen Teich steigen , Wasser holen und filtern müssen …. aber es gibt Trail Magic von Hawkeye. 🙂 Auf einer etwas breiteren Schotterstraße finden wir mehr als ein Dutzend Kanister mit sauberem Wasser. Das erleichtert die Sache natürlich, wir nehmen gleich zwei Kanister mit zu unserem Lager. Ich habe wohl einmal zu viel über’s Essen gemeckert. Zur Strafe muss ich heute kochen. 😉

Dieser phantastische Sternenhimmel über der Wüste ist genauso unendlich wie der Himmel über dem Ozean. Ohne weitere störende Lichter kann man sogar die Milchstraße erkennen. Einfach nur schön ! 🙂 Die Nacht war sehr ruhig und friedlich. Die Reparatur meiner Luftmatratze war ein voller Erfolg. Sie hält die Luft, und ich kann wieder durchschlafen. 🙂 In der ersten Stunde des Tages kommen wir nicht weit. Zunächst begegnen wir einem Paar, welches per Rad auf dem Continental Divide Bike Trail unterwegs ist. Die Beiden haben sich verfahren, und wir vergleichen die Fahrrad- mit unseren Wanderkarten, um sie auf den richtigen Weg zu schicken. Als Nächstes kommen wir an einem Schild vom Continental Divide vorbei, unter dem wir eine massive Holzkiste entdecken. “ Wasser für CDT- Hiker “ steht darauf. Wir brauchen gerade kein Wasser, denn wir haben noch einmal aus den Kanistern am See aufgefüllt. Trotzdem öffnen wir die Kiste – typisch Hiker 😉 – und freuen uns. Darin stehen nicht nur einige Kanister mit frischem Wasser, sondern außerdem noch einige Flaschen Gatorate mit Orangen-Geschmack. Jeder trinkt gleich vor Ort eine Flasche leer, während wir das beigelegte Buch studieren. Natürlich bedanken wir uns mit netten Worten und tragen uns ins Hiker-Register ein. Auch diese Trail Magic kommt von Hawkeye, der sich auf einem beiliegenden Blatt vorstellt. Er selber ist den CDT in zwei Etappen 2014 und 2015 gelaufen. Zusätzlich versorgt er die Wanderer mit einigen interessanten Informationen aus der Gegend. Er schreibt zum Beispiel, dass hier immer ein starker Wind weht, der mit Sonnenuntergang einschläft. Ja, das haben wir auch schon gemerkt. Hat die vor uns liegende Bergkette vielleicht deswegen den Namen “ Wind River Range “ ? Und in diesem Jahr hat es dort oben doppelt so viel Schnee gegeben wie in einem normalen Jahr. Auch das steht im Text von unserem edlen Spender, der es ja wissen muss. Es wundert uns nicht, denn wir hatten ja schon in den San Juan Mountains das zweifelhafte Vergnügen mit besonders hohen Schneemengen. Völlig unerwartet nähert sich ein Jeep von hinten und hält neben uns an. Darin sitzt ein Mann in unserem Alter, sehr nett und gemütlich, buntes T-Shirt, Zopf. Typ : Hippie – Woodstock – Love and Peace. Er kommt aus Colorado und hat sich den Montag extra frei genommen, um die Eclipse am bestmöglichen Punkt in der Wind River Range zu erleben. Auf der Heckklappe seines Wagens prangt ein Aufkleber, der uns für den Rest des Tages nicht mehr aus dem Kopf geht : “ I am already against the next war !“ – Ich bin jetzt schon gegen den nächsten Krieg ! – Das würden wir gerne unterschreiben. Die Eclipse ist in den Vereinigten Staaten bereits vor Monaten in Presse und Fernsehen hochgejubelt worden. Ein Jahrhundert-Ereignis …. und wir sind ganz nahe dran, weil die Zugbahn des Mondes mitten durch Wyoming verläuft. In Rawlins, unserer letzten Stadt mit 9200 Einwohnern, werden zum Wochenende 60.000 Gäste erwartet. In ganz Wyoming sollen zur Zeit der Eclipse nach ersten Schätzungen ungefähr 500.000 Besucher kommen, um dieses Natur-Schauspiel zu verfolgen. Die Hauptstraßen sind von Donnerstag bis Dienstag für Schwer-Transporter gesperrt. Trotzdem wird es ellenlange Staus und Versorgungs-Engpässe geben. Was für ein Touristen-Wahnsinn ! Wir sind froh, dass wir zu der Zeit nicht in einer Stadt sind ( Zimmer sind sowieso längst ausgebucht ). Wir werden ganz alleine auf dem Trail sein und uns die Sonnenfinsternis ohne großes Theater drumherum ansehen. 🙂
Eine Stunde unterwegs und noch nicht einen Kilometer weit gekommen. Da müssen wir heute noch ein bisschen am Schnitt arbeiten. Mitten auf der Straße liegt eine plattgefahrene Schlange, so flach und trocken wie ein Ledergürtel. 🙁 Der weitere Tag zieht sich dahin, ohne dass viel passiert. Die Landschaft ist eintönig, die Sonne brennt heiß, der Wind von vorne macht es auch nicht besser. Wir beschließen, dass wir ab dem späten Nachmittag den Trail verlassen und eine Alternativ-Route laufen werden, auch wenn diese etwa 20 Kilometer länger ist. Das Wasser an der Weasel Spring für die Mittagspause ist okay. Ein Fass mit festem Deckel drauf, da können kaum Verunreinigungen drin sein. Während wir entspannt auf dem Boden im Gras sitzen, entdecke ich eine Zecke an meiner Socke, schon kräftig mit Blut vollgesogen. Oh nein, da müssen wir jetzt auch verstärkt drauf achten ! Zecken, Moskitos und die neuseeländischen Sandflies werden nie zu meinen Freunden gehören. 😉 Weiter geht’s, stur folgen wir dem Weg, kein Ende abzusehen. Eine Herde Gabelböcke, haufenweise Kühe mit ihren Kälbern, ein paar Echsen. Nach vier Tagen reicht es mir eigentlich. Ich habe genug von der Sonne und vom Laufen in der Wüste. Struppige Dünen-Landschaft wie auf Juist nach einer Dürre-Periode. Die Stunden gehen nicht um, wir spulen ganz stur Meile um Meile ab. Mir ist langweilig. Nur wenig später trauen wir unseren Augen nicht. Da stehen massenhaft wilde Pferde im Tal rechts von unserem Trail. Bei einer ersten Schätzung kommen wir auf 70, das nächste Durchzählen ergibt 80 Tiere. Aber es sind noch viel mehr, eine riesige Herde. Um die 100 Mustangs grasen friedlich nebeneinander und in allerbester Sichtweite. Alle möglichen Fellfarben und Schattierungen, dazu die langen Mähnen und Schweife, ergeben ein wunderschönes Bild. Ein grandioses Erlebnis ! Schade, dass die nicht alle geschlossen mit wehenden Mähnen davon galoppieren, es müsste toll aussehen. 🙂 Das war nun gerade gar nicht langweilig, sondern hat ordentlich Herzklopfen verursacht. Trotzdem nehmen wir gegen 17.00 Uhr einen Abzweiger zum Willow Creek, dem wir mehrere Kilometer folgen. Es geht immer an diesem Bach entlang, der sich in unzähligen Kurven durch eine enge Schlucht windet. Wir folgen dem Verlauf, so gut es geht, steigen immer mal wieder hinüber und zurück. Es sieht so aus, als ginge es bald nicht mehr weiter. Wir sind weit abseits vom Trail, hier läuft wohl kaum jemals ein Mensch. Eine ganz dünne Spur ist hin und wieder sichtbar und im nächsten Moment wieder verschwunden. Wahrscheinlich gab es vor 50 Jahren mal einen Weg, aber inzwischen ist alles zugewachsen. Viele Kühe weiden entlang des Baches, und genauso sieht auch der Boden aus, kein Quadratmeter ohne Kuhfladen. So langsam befürchten wir, dass unsere Extra-Tour in einer Sackgasse endet. Ganz weit hinten, erst im letzten Moment einsehbar, macht die Schlucht eine letzte Biegung und öffnet sich zu einem weiteren Canyon. Unser Bach vereinigt sich mit dem größeren Sweetwater River. Der fließt schnell und plätschert​ dabei munter vor sich hin. So sauberes Wasser haben wir seit Colorado nicht mehr in der freien Natur gehabt. Einmal müssen wir den Fluss überqueren, weil die Spur am anderen Ufer weiterführt. Wir waten mit Schuhen zwischen dicken Steinen hindurch auf die andere Seite. In der Mitte ist das Wasser tiefer als erwartet, die Strömung so stark, dass ich unsicher werde. Habe ja nichts mehr zum Festhalten, bis Thomas mir einen seiner Stöcke anreicht. Schuhe nass, Strümpfe nass, aber wir möchten sowieso bald Feierabend machen. Finden einen schönen Zeltplatz direkt neben dem Fluss, da hole ich gleich 5 Liter Wasser. Während ich unsere Flaschen fülle, sehe ich einen kleinen Flusskrebs auf einem Stein in der Strömung sitzen. Na, das ist ja nun mal wieder ganz was Anderes. 😉 Wir nutzen die neue Wasser-Situation natürlich gründlich aus. Gespült wird heute ausnahmsweise mit fließendem Wasser, auch beim Zähneputzen müssen wir nicht sparsam sein. Einschlafen bei den beruhigenden Geräuschen des Wassers geht immer besonders gut und erinnert an das Rauschen der Brandung zu Hause. 🙂

Wir haben so gut wie gar keine Informationen zu unserer gewählten Route. Unsere Karten geben dazu keinerlei Weg-Beschreibung. Wir laufen also auf gut Glück am Ufer entlang, immer auf der Suche nach dem besten Pfad. 😉 Heute ist Montag, endlich der große Tag der Sonnenfinsternis ! Eine halbe Stunde vor dem Natur-Ereignis suchen wir uns einen schönen Pausenplatz, holen schon mal Wasser, bereiten unser Kochgeschirr vor und gehen im Fluss baden. Haare waschen, Rasieren, das volle Programm. Stadtfein machen wir uns, denn morgen erreichen wir Atlantic City – ein großer Name für eine winzige Ansiedlung. Laut Internet hat dieses Dorf nur knapp 50 Einwohner, aber dort soll es eine Burger-Bude geben. Montags geschlossen, deswegen gehen wir ja auch erst morgen hin. 😉 Dann ist es endlich soweit. Der Mond schiebt sich scheibchenweise immer weiter vor die Sonne. Der Himmel wird milchig, es wird merklich dunkler um uns herum. Und es wird auch deutlich kühler, als das wärmende Licht vom Mond abgeschattet wird. Komische Stimmung – es ist, als ob die Welt stehengeblieben ist. Alles still um uns herum. Noch nicht einmal ein Vogel zwitschert. Auch der Wind scheint für einen Moment eingeschlafen zu sein. Dann ist der Zauber vorbei, die Sonne kommt Stück für Stück wieder zum Vorschein. Das ganze Spektakel hat, von unserem Platz aus beobachtet, insgesamt ungefähr 20 Minuten gedauert. Die totale Sonnenfinsternis dauerte vielleicht 5 Minuten, aber unser Standort war sicher nicht optimal.

Den ganzen Tag bleiben wir nahe am Sweetwater River. Entweder geht es direkt am Fluss entlang, ein anderes Mal klettern wir etwas oberhalb am Hang. Manchmal verengt sich die Schlucht, zu beiden Seiten versperren dann hohe Felswände den Weg. Wir müssen immer wieder die Seite wechseln. Insgesamt 18 Mal fjorden wir den Sweetwater River mit einer Breite zwischen 15 und 20 Metern. Die meisten Überquerungen sind einfach und nur knietief. Gelegentlich reicht das Wasser uns bis zum Po, dann wird auch die Hose nass. Natürlich kommen wir hier nur langsam vorwärts, aber dafür werden wir mit einer tollen Landschaft belohnt. Wilde Natur, viel Grün, schroffe Felsen zu beiden Seiten. Wir haben auf dieser Route Schatten und Wasser im Überfluss. Gute Wahl ! 🙂 Und es bleibt spannend. 😉 Vor uns löst sich mit viel Getöse ein schwarzer Schatten aus dem Gebüsch, dann noch einer und noch einer. Keine Bären …. es sind nur drei schwarze Kühe mit ihren Kälbern, die nun dummerweise über einen längeren Zeitraum vor uns herlaufen. Ausgebleichte Rinderknochen liegen weit verstreut entlang des Flusses. Pferde sind wohl zu schlau, um sich hier herumzutreiben. Wir sehen etliche Antilopen, die sich auch an den steilen Hängen sehr sicher und schnell bewegen. Insgesamt sind wir acht Stunden am und im Fluss unterwegs. Unsere Extra-Tour am Sweetwater River kostet uns einen ganzen Tag. Aber es ist wunderschön hier, eine willkommene Abwechslung zum eintönigen Laufen durch die Wüste. Nur der Weg aus der Schlucht heraus wird blöd. Den richtigen Ausweg haben wir gefunden, aber dort gibt es keinen Pfad. Wir müssen mehrere Hügel überqueren, über Stacheldraht-Zäune klettern und uns querfeldein durch stacheliges Gestrüpp schlagen. Das macht keinen Spaß und dauert weitere zwei Stunden. Um 19.30 Uhr haben wir endlich den CDT wieder gefunden und laufen noch ein Stündchen, um die Entfernung nach Atlantic City zu verkürzen. Langer Tag, aber ganz nach unserem Geschmack und gar nicht langweilig. 😉 Thomas hat trotz anspruchsvollem Gelände und wechselnder Herausforderungen heute keine Beschwerden. Wir sind sehr froh, dass sein Knie sich anscheinend überlegt hat, auch weiterhin mitzumachen. 🙂

Unserer erster Blick aus dem Zelt zeigt öde flache Landschaft in gelb-braunen Farbtönen. Eine Gruppe schwarzer Kühe hat sich angenähert. Die Damen stehen in respektvollem Abstand und schauen uns bei der Morgen-Routine zu. Es sind nur ungefähr 15 Kilometer bis nach Atlantic City. Diese Häuser-Ansammlung liegt nicht auf dem CDT, sondern erfordert einen kleinen Umweg. Langweilige Schotterstraße, dieselbe Ansicht wie die ersten vier Tage in der Wüste. Unsere Rucksäcke sind angenehm leicht. Die Futterbeutel sind leer, und wir müssen kein Wasser mitnehmen. Wir tragen zwar mehr Proviant in den letzten beiden Etappen, aber wir essen auch viel besser. Mehr Masse, mehr Kalorien und mehr Geschmack. 🙂 Inzwischen kann ich zu jeder Tageszeit Öl-Sardinen essen, zum Frühstück, als Vorspeise oder als Dessert nach der Haupt-Mahlzeit. Hauptsache Fett und Protein ! 😉 Zwei tote Hasen liegen am Straßenrand, erstaunlich große Tiere. Und wir kommen an zwei plattgefahrenen Schlangen vorbei. Das ist schon eine Kunst, bei dem wenigen Verkehr unter ein Auto zu geraten.

Schnelles Vorwärtskommen, gegen 12.00 Uhr mittags sind wir bereits da. Die erwartete Imbiss-Bude erweist sich als waschechter Western-Saloon. Echt urig ! 🙂 Die Lady in “ Miner’s Grubstake “ empfängt uns herzlich und kocht eine frische Kanne Kaffee für uns, obwohl die Frühstücks-Zeit schon vorbei ist. Es gibt sogar eine Speisekarte, das Essen ist lecker. Allerdings wird auf Papptellern serviert. Ganz ähnlich wie auch in Pie Town, einem winzigen Dorf in New Mexico, ist hier wohl auch das öffentliche Tragen von Waffen nichts Ungewöhnliches. Viele männliche Besucher des Saloons tragen Revolver am Gürtel. Neben der Eingangstür steht ein Gewehr, wahrscheinlich um böses Gesindel abzuschrecken. Der ganze Laden ist mit Relikten aus der Vergangenheit dekoriert. Der präparierte Kopf eines riesigen Bisons hängt im Gastraum an der Wand und schaut uns beim Essen zu. Wir kommen uns wirklich ein bisschen vor wie im Wilden Westen. Nach aktuellen Aussagen eines Einheimischen leben hier zur Zeit genau 36 Menschen. 😉 Wir treffen einen Radfahrer auf dem Weg von Canada nach Mexico. Nach kurzem Gespräch und Informations-Austausch schenkt er uns sein nicht mehr benötigtes Bären-Spray. Das ist für uns sehr wertvoll, wir hätten uns sonst vor dem Eintritt in den Yellowstone National Park im Waffengeschäft eine Dose kaufen müssen. In der Zukunft werden wir es auf dem Trail nicht nur mit Schwarz- und Braunbären zu tun haben, sondern dort leben auch die gefährlicheren Grizzlys. Wir fühlen uns wohl in Atlantic City und werden eine Nacht bleiben. Die Lady vom Saloon erlaubt uns, auf dem Rasen vor ihrem Restaurant das Zelt aufzubauen. Super ! Übernachtung kostenlos, aber auch ziemlich clever. Wir lassen einen Haufen Geld hier, denn wir verzehren Mittagessen, Abendessen und etliche Dosen kalter Getränke zwischendurch. Das Frühstück morgen ist auch gesichert, danach geht es dann weiter nach South Pass City. 🙂