Die Durchquerung der berühmt-berüchtigten Bellot Strait liegt vor uns. Bei der Anfahrt zum Ankerplatz in der Depot Bay macht sich leichte Nervosität breit. Alles ist sehr eng und unübersichtlich. Inseln, Steine und ein Wrack liegen auf unserer Linie. Die Seekarten sind hier nicht akkurat, dafür ist das Gebiet zu abgelegen. Weiße Flecken auf dem Plotter, schlecht bis gar nicht kartographiert. Gleichzeitig müssen wir das Radar, die App mit den Navionics Charts und das Echolot im Auge behalten. Gesunden Menschenverstand, Vorsicht und ein bisschen Glück braucht der Mensch. Alles klappt wunderbar, wir haben uns umsonst verrückt gemacht. Zwei Segler liegen bereits in der Ankerbucht, die sind auf dem Weg von Westen nach Osten. Vor einer Stunde haben wir über Funk ein Gespräch mitgehört, in dem vor einem Polarbären am Strand gewarnt wird. Nichts zu sehen, und an Land wollen wir heute sowieso nicht mehr. Wir möchten nur einen kurzen Stopp einlegen, um danach mit dem ablaufenden Wasser durch die Bellot Strait fahren zu können. Der Tidenstrom kann bis zu 9 Knoten betragen, diese starke Strömung darf man auf gar keinen Fall gegen sich haben. Abendessen, Abwasch, Abfrage von Wetter und Eiskarten. Uns erreicht eine Nachricht von Calin, dass die Seabelle und die Thindra es geschafft haben. Außerdem der Hinweis, dass hier schon wieder eine andere Zeitzone herrscht, wir müssen die Bordzeit nochmal um 6 Stunden verändern. Ist ja komisch, in Pond Inlet haben wir unsere Uhren doch erst zurückgestellt. In Deutschland ist es jetzt 8 Stunden später. Das Handy zeigt noch Grönland-Zeit an, weil wir seitdem keinen Internetzugang für die automatische Einstellung hatten. Alles sehr merkwürdig. Wir sind verwirrt. 😉 Während unserer Pause läuft der Ofen und gibt eine Ahnung von Wärme und Gemütlichkeit. Deswegen fällt es uns besonders schwer, das Wohnzimmer gegen eine nass-kalte Nacht zu tauschen. Ofen aus, der Kamin wird abgebaut und innen verstaut. Wir überwinden unseren inneren Schweinehund, schlüpfen in die Polar-Kleidung und verlassen den Ankerplatz ganz aufgeregt in Richtung Bellot Strait. Sind noch gar nicht weit gekommen, da ruft Thomas mich nach draußen. Das gibt es doch nicht ! Da paddelt ein Eisbär im Wasser, gerade mal 10 Meter vom Boot entfernt. Ein echter, ausgewachsener, lebendiger Polarbär, dem die Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt offensichtlich gar nichts ausmachen. Er dreht sich um, schaut über die Schulter zu uns hinüber und schwimmt dann weg in Richtung von Brands Island. Diese Meisterschwimmer können mehr als fünf Kilometer in der Stunde zurücklegen, 200 Kilometer am Stück sind keine Seltenheit. Vor lauter Faszination vergessen wir, ein tolles Beweisfoto zu schießen. Haben das Handy viel zu spät in der Hand, um den Augenblick mit der Kamera festzuhalten. Natürlich könnten wir mit Leichtigkeit hinterher, aber wir wollen das Tier nicht jagen. Was für ein toller Augenblick, so ein Erlebnis bekommt man nicht alle Tage geschenkt. 🙂
Danach wird es doof. Richtig doof. 🙁 Beim Blick auf unsere abnehmende Geschwindigkeit kommen wir zu dem Schluss, dass wir beginnende Gegenströmung haben. Wir können es nicht leugnen, auch wenn wir es zuerst nicht wahrhaben möchten. So ein Mist ! Müssen also zugeben, dass wir uns voll vertan haben, bei der Tide verrechnet, und das an so einer wichtigen Schlüsselstelle. Es wird vermutlich mit der dauernden Zeit-Umstellerei zu tun haben. Voll ärgerlich. Ich grummel so vor mich hin und sage gar nichts mehr. Bin ziemlich enttäuscht, dass wir die Gemütlichkeit der warmen Stube verlassen haben und nun doch viel später als geplant durch die Bellot kommen. Damit hinken wir unserem ohnehin schon knappen Zeitplan hinterher und werden es vermutlich vor dem nächsten Sturm nicht mehr bis Cambridge Bay schaffen. Sehr schade. Aber es nützt ja nichts, wir kehren um. Drei Stunden und knapp 10 Seemeilen später erreichen wir erneut die Depot Bay.
Beim Ankermanöver erleben wir die bisher gefährlichste Situation seit Beginn unserer Passage. Anker fällt auf 5 Meter Wassertiefe an derselben Stelle wie vorhin, danach geben wir in der Regel Rückwärts-Schwung zum Einfahren. Ich lege zum richtigen Zeitpunkt den Rückwärts-Gang ein und gebe Gas. Thomas steht vorne am Bug und ruft „Rückwärts !“. Ich schreie zurück „Mache ich doch !“ Mehr Gas. Wir wollen nach achtern, aber das Schiff macht Fahrt voraus. Es dauert einen Moment, bis der Groschen fällt. Das ist so unbegreiflich, dass wir es Beide erstmal nicht checken. Walkabout fährt nach vorne in Richtung Strand. Mittlerweile zeigt das Echolot nur noch 2,80 Meter unter dem Kiel, und das Ufer kommt immer näher, weil wir so viel Schwung haben. Bremsen kann ich nicht, der Rückwärts-Gang funktioniert ja nicht. Schaffe gerade noch eine schnelle Kurve mit Vollgas, um wieder in tieferes Wasser zu kommen. Passt so gerade. Dann sind wir raus aus der Gefahrenzone und schauen uns etwas blass an. Was war denn das jetzt ? Getriebe kaputt ? Das wäre der Super-Gau ! Für unser Portemonnaie und in dieser abgelegenen Gegend sowieso. Das Wetter ist ruhig, kaum Wind, keine Welle, da wird der Anker auch ohne Einfahren halten. Thomas klettert ( mal wieder ) mit Taschenlampe in den Motorraum und entdeckt schnell die Ursache des Problems : Das Schalt-Gestänge ist gebrochen. Kleine Ursache, große Wirkung. Das hätte auch ganz leicht schiefgehen können. Der Käpt’n atmet auf. Kein irreparabler Motorschaden, nicht das „Aus“ für unsere Weiterfahrt, sondern nur eine gebrochene Metallstange. Oben kann man die Gänge jetzt nicht mehr bedienen, sondern wir müssen unten direkt am Motor schalten. Au weia ! Das darf man ja eigentlich überhaupt Niemandem erzählen.
Unser Freund Hermann von der Pacifico nennt es „das andere Konzept“ auf der Walkabout. 😉 Unsere Kinder sagen dazu „Müller-Reisen“. 😉
Wir müssen weiter, deswegen stellen wir uns den Wecker auf 3.00 Uhr und werden mit der nächsten Tide durchgehen. Der Wind soll ab morgen Mittag kontinuierlich stärker werden, schräg von vorne. Keine Lust, die nächsten Tage in Warteposition zu verbringen. Die Bellot Strait ist 17 Seemeilen lang und an der engsten Stelle nur 1 Seemeile breit. Es gibt starke Gezeitenströme, die bis heute noch nicht endgültig erforscht sind. Mal viel bis sehr viel, vielleicht aber auch gar nicht, abhängig von zahlreichen Komponenten, z. B. der Mondphase. Es können Bedingungen wie in einem Wildwasser-Fluss herrschen. Selbst Kenner der Region können den unberechenbaren Wasser-Durchfluss nicht verstehen oder erklären. Auf jeden Fall ist die Durchfahrt eine knifflige Sache, die man nur bei optimalen Bedingungen angehen sollte. Wir haben Glück, denn das Nadelöhr zwischen Prince Regent Inlet und Peel Sound präsentiert sich völlig ohne Eis. Die Seekarten scheinen exakt zu sein. Wir passieren den Magpie Rock, der scheint an der richtigen Stelle zu liegen. Ein bisschen unheimlich ist es, den Bug in Richtung auf die enge Einfahrt zu steuern. Zu beiden Seiten hohes Land, die ganze Szenerie ist dazu noch in dichten Nebel getaucht. Wir fahren nicht nach Sicht, sondern ich steuere ausschließlich nach der elektronischen Seekarte auf dem Plotter und der blinkenden Anzeige auf dem Radar-Bildschirm. Volle Konzentration ist gefragt. Zunächst läuft die Strömung mit. Gute Geschwindigkeit, aber nicht zu schnell. Dann wird die Walkabout immer langsamer. An der engsten Stelle fahren wir nur noch mit 2,2 Knoten. Mir steht der kalte Schweiß im Nacken. Sollten wir hier starke Gegenströmung kriegen, dann müssen wir wieder umdrehen. Mit unseren 36 PS kommen wir da nicht gegenan. Mehr Gas. Der Motor muss ordentlich arbeiten. Wir schaffen es bis auf 2,8 Knoten und haben etwas mehr als die Hälfte der Strecke geschafft. Das kann dauern, aber Hauptsache, es geht irgendwie noch vorwärts. Im letzten Drittel kommen wir plötzlich wieder besser voran. Schneller und schneller geht es mit bis zu 8 Knoten Fahrt Richtung Ausgang. Nach 3,5 Stunden haben wir es geschafft und können aufatmen. 🙂
Zur Belohnung erwartet uns im Peel Sound auf der anderen Seite von Somerset Island ein schöner Segelwind. 5 Beaufort aus Nord-West, Kurs 240°. Nach Setzen der Segel und Einstellen der Windsteuer-Anlage läuft das Boot wie von selbst durch die Franklin Strait nach Süden. Ganz ohne Diesel zu verballern, ohne Lärm und Gestank. Man hat die Hände frei für andere Dinge, kann den Platz mal für ein paar Minuten verlassen, und es gibt etwas mehr Zeit für Gemeinsamkeit. Der weitere Weg führt durch den Larsen Sound, eine große offene Wasserfläche. Hier droht bereits wieder Eis-Gefahr, aber zum Zeitpunkt unserer Durchquerung haben wir keine Probleme damit. Alles frei, wunderbar. 🙂
Gerade erst sind wir froh, dass wir die gefürchtete Bellot Strait ohne Schikanen überwunden haben, da droht bereits die nächste Barriere. Die Eiskarten zeigen es ganz deutlich, dass unsere Route in ein paar Tagen dicht sein könnte. Zur Zeit besteht noch eine Lücke, aber wir müssen uns beeilen, da sich das Eis jeden Tag ein paar Seemeilen weiter in unsere Richtung bewegt.
Ruppige Nacht. Böiger Wind und aufgewühlte See, die Wellen brechen. Schaukel-Kurs 200° in Richtung der Nordspitze von King William Island. Die neuen Eiskarten werden mit Spannung erwartet. Geht es auf direktem Weg weiter, oder müssen wir den Umweg über Gjøa Haven machen ? Wir segeln durch die Victoria Strait an King William Island vorbei. Alles scheint gut zu sein, aber das kann sich schnell ändern. Von Norden wird dichtes Packeis durch den M’Clintock Channel nach Süden geschoben. Damit könnte auch unser weiterer Weg nach Cambridge Bay verschlossen werden. Ja, es verdichtet sich schon wieder, und wir haben erst Ende August. Wir kennen die ungefähre Position, bis zu der das Eis inzwischen vorgedrungen ist und hoffen, dass wir früh genug an der Stelle sind, wo noch ein Streifen offenes Wasser zu finden ist.
Anscheinend haben wir den Kurs richtig gewählt. Während der Nacht begegnen uns ein paar Eisschollen und Growler von der Größe eines Kleinwagens. Nur ein kurzes Gastspiel, danach sind wir klar. Walkabout ist trotz 2 Reffs im Groß und doppelt gereffter Genua flott unterwegs. Temperatur im Deckshaus magere 4° Celsius. Wohlfühlen geht anders. Grau ist wieder die vorherrschende Farbe. Wasser, Himmel, Stimmung grau. Bisher haben wir 1000 Seemeilen in der Nordwest-Passage zurückgelegt. Kein Tag, an dem ich nicht ans Umkehren gedacht habe. Aber jetzt gibt es kein „Zurück“ mehr, sondern nur noch „Vorwärts“ bis nach Nome. Eine eventuelle Überwinterung in der Arktis müssen wir einkalkulieren, falls uns das Eis nicht durchlässt.
Gegen Morgen wird der Wind weniger, wir schaffen es nur noch auf 2,5 Knoten. Die aktuell eingeholte Wetterprognose sagt, es soll auch die nächsten Stunden flautig bleiben. So geht das nicht weiter, wir müssen schneller sein. Genau 24 Stunden konnten wir gut segeln, nun ist es leider vorbei. Zähneknirschend starten wir den Motor. Nein, diese Art zu reisen ist nicht schön. Immer in Bewegung, wie auf der Flucht. Am Horizont ist ein blendend weißer Streifen zwischen grauem Wasser und grauem Himmel zu sehen. Eisblink. Es macht uns wieder einmal bewusst, dass uns die Zeit im Nacken sitzt. Wir müssen uns beeilen. Patagonien im Winter ist auch kalt und grau und stürmisch, aber dort kann man Tage und Wochen auf bessere Bedingungen warten. Hier nicht.
Cambridge Bay werden wir vor dem nächsten Sturm nicht erreichen. Sehr schade, ich hatte mich darauf gefreut, die Wartezeit in einem Ort mit Dusche, Einkaufsladen und eventuell sogar Internet abzusitzen. Das klappt nun nicht, wir müssen unsere Erwartungen zurückschrauben. Das neue Ziel ist Jenny Lind Island in etwa 100 Seemeilen Entfernung. Dort werden wir Schutz finden vor dem bösen Nord-West.
Ein paar Stunden können wir die Segel setzen, machen mit vollem Groß und Genua knapp 6 Knoten Fahrt. Kurs nicht optimal, wir fahren zu weit westlich, aber das ist hier kein Wunschkonzert. Nach einer Weile schläft der Wind leider wieder ein. Maschine an. Irgendwas ist anders. Der Motor läuft nicht rund. Zwischendurch fällt die Leistung ab, so als würde er gleich ausgehen. Was ist denn nun los ? Kürzlich war der Filter zum Tagestank verstopft, vielleicht ist noch Dreck in der Leitung ? Oder Luft im System ? Aber warum läuft der Motor dann überhaupt ? Thomas klemmt den Tagestank ab. Beim nächsten längeren Stopp wird alles überprüft und wieder angehängt. Zum Schluss noch den Motor entlüften, starten und …. hört sich besser an. Der Käpt’n schreibt dazu ins Logbuch : Wenn das so weitergeht, dann suche ich mir einen Job als Motor-Mechaniker. 😉
Rechtzeitig vor dem Starkwind biegen wir um eine sandige Landzunge in die Jenny Lind Bay. Ein Fischerboot mit dem ziemlich deutsch klingenden Namen „Martin Bergmann“ liegt bereits dort. Die suchen ebenfalls Schutz vor dem, was da anrollt. Kurzer und netter Funkkontakt. Wir fahren eng dran vorbei und verziehen uns in eine flache Ecke vor dem Strand. Um 16.00 Uhr fällt der Anker auf 4 Meter Wassertiefe. Wir haben gerade noch Zeit, an Deck aufzuklaren und die Segel ordentlich zu verzurren. Dann geht das Getöse los, der Wind pfeffert uns um die Ohren. Die Insel ist platt wie ein Pfannkuchen, umgeben von einem ewig langen Strand. Das hatten wir so nicht erwartet. Ganz flach, kein Baum, kein Strauch, keine Gebäude. Fast ungehindert fegen die Böen über Jenny Lind. Es bildet sich sofort enormer Fetsch. Kabbelige Wellen rauschen durch die Bucht. Alles ablandig, Wind und Wellen laufen an uns vorbei Richtung Ausgang. Und wir haben guten Ankergrund auf Sand. Kein Grund zur Sorge, wir fühlen uns hier sicher aufgehoben. Das Einzige, worauf wir achten müssen, ist die Eis-Entwicklung. Unser schlaues Buch schreibt, dass diese Bucht zur Eisfalle werden kann.
Freitag, Samstag, Sonntag vergehen, der Sturm will einfach nicht nachlassen. Landgang gestrichen. Wir brauchen das Dingi gar nicht zu Wasser lassen. Viel zu viel Wind und Fetsch in der Bucht. Das Boot legt sich in den Böen ordentlich auf die Seite, aber es rührt sich nicht von der Stelle. Manchmal ein kurzer Anflug von Seekrankheit bei mir und leichte Kopfschmerzen, aber das könnte auch am Sauerstoff-Mangel liegen. Ich backe ein leckeres Körner-Brot, danach schiebe ich gleich noch einen Kuchen in den warmen Ofen. Das Gas ist alle. Thomas muss die Backskiste ausräumen und eine neue Flasche anschließen. Damit hatten wir schon gerechnet, die Füllung einer Flasche reicht ungefähr für 3 Monate. Der Proviant wird überprüft und umgestaut, die Listen dazu aktualisiert. Stundenlange Motor-Wartung. Schon wieder. Immer noch ist irgendwo Luft im System. 🙁 So nutzen wir die erzwungene Wartezeit mehr oder weniger effektiv. Auf jeden Fall wird es nicht langweilig.
Eine gute Nachricht erreicht uns von Darek. Das Problem mit dem Wassereinbruch ist offensichtlich gelöst. Die „Hayat“ ist ein paar Tage hinter uns, sie werden heute durch die Bellot Strait fahren.
Nach 50 Stunden Zwangsaufenthalt verlassen wir unsere Jenny-Insel. Kurzes Grüßen zu den Fischern hinüber, die gerade an Deck aktiv sind. Die Jungs müssen wohl wieder an die Arbeit. Ein Walross schwimmt in der Bucht, unverkennbar mit seinen langen Schnurrhaaren. Es legt sich auf die Seite, schaut zu uns hinüber und hebt eine Flosse. Sieht witzig aus, so als würde es uns zum Abschied winken. Beim Start 5-6 Beaufort aus Nord-West, Wind und hackige Wellen von vorne. Wir legen einen Kurs an, der einigermaßen bequem bleibt und trotzdem Geschwindigkeit bringt. Der Weg verlängert sich dadurch um einige Seemeilen. Die Wetter-Beruhigung wird nicht allzu lange dauern. Wir haben ein Zeitfenster von etwa 24 Stunden, bis das nächste Tief anrollt. Thomas macht seine tägliche Meldung an die NORDREG, das ist die kanadische Küstenwache. Keine Pflicht für ein kleines Segelboot wie die Walkabout, aber wir geben freiwillig regelmäßig unsere Position und Schiffsdaten an. Das dient alles der eigenen Sicherheit, denn so wissen die im Notfall sofort, in welchem Gebiet sie suchen müssen.
Am nächsten Tag lässt der Wind deutlich nach. Mit ungerefftem Groß und Fock segeln wir im schrägen Winkel gegen Wind und Wellen. Nicht besonders effektiv. Wir schalten den Motor zur Unterstützung dazu und kommen damit auf 4,5 Knoten. Auf der linken Seite liegt Melbourne Island. Das ist wieder eine dieser nichtssagenden Pfannkuchen-Inseln, riesig groß im Durchmesser. Es dauert mehrere Stunden, bis wir dran vorbei sind. Zum Abend hin klart es auf. Wir erleben unseren ersten Sonnenuntergang in der Arktis. Im Westen glüht der Himmel stundenlang. Die Nacht wird bitterkalt, neuer Minus-Rekord im Steuerhaus. Dunkel ist es von 23.00 Uhr bis etwa um 3.00 Uhr. Sternenhimmel – noch eine Premiere in der Arktis. 🙂
Kein Eis weit und breit. Dutzende von toten Vögeln treiben im Wasser. Gänse, Möwen, verschiedene Arten. Dafür finden wir gerade überhaupt keine Erklärung. Wir sehen aber auch mehrere Walrosse und Seerobben, zum Glück quicklebendig.
Sonne-Wolken-Mix am Morgen. Nachmittags setzt sich für ein paar Stunden die Sonne durch, am Himmel ziehen nur ein paar Schönwetter-Wolken vorbei. Tut gut. Ist das die Ruhe vor dem Sturm ?
Alles sehr friedlich bei der Anfahrt nach Cambridge Bay. Von Wind ist noch gar nichts zu spüren. Spiegelglatt ist das Wasser in der Bucht. Nacheinander kommen mehrere Motorboote mit interessierten Menschen zu uns, während wir durch die 10 Seemeilen lange Einfahrt Richtung Hafen tuckern. Die Leute möchten wissen, wer wir sind, wohin wir fahren, woher wir kommen …. „Das ist aber weit weg !“ 😉 Man redet hier also bereits vor der Ankunft mit den Einheimischen.
Wir müssen uns einen guten Plan machen, weil die Walkabout zur Zeit etwas eingeschränkt beim Manövrieren ist. Aber kein Problem, der Hafen ist leer, und es gibt großzügig Platz zum Einparken. Das blaue Fischerboot „Martin Bergmann“ aus der Jenny-Bucht liegt an der Pier. Niemand reagiert auf unseren Anruf per Funk, anscheinend haben die Männer Feierabend und sind nicht an Bord. Wir gehen längsseits neben „Admiral von Bellingshausen“, die wir bereits in Pond Inlet kennengelernt haben. Ein schickes Segelboot von 24 Metern Länge mit wechselnder Crew. Viele helfende Hände, sehr nett. 🙂
Ankunft 18.00 Uhr nach genau 24 Stunden, insgesamt ein sehr entspannter Törn von 115 Seemeilen. Zu spät, um noch irgendetwas an Land zu erreichen. Mañana. Im Visitor Center kann man angeblich duschen, da freuen wir uns schon sehr drauf. Außerdem gibt es eine High School mit Bücherei, in der wir eventuell einen Internet-Zugang bekommen. Tanken, Ersatzteile für den Motor besorgen und Lebensmittel-Einkauf, mehr haben wir nicht auf dem Programm. Morgen soll es heftig blasen, am Mittwoch wird es dann hoffentlich weitergehen auf die nächste Etappe.
Hallo,
Glückwunsch zur erfolgreichen Durchquerung der Nordwest Passage.
Kurze Info:
Ich war auf der Fridtjof Nansen als ein Funkspruch der Seabelle einging (Motorschaden). Die Fridtjof Nansen hat daraufhin den Kurs geändert um Hilfe zu leisten. Die Bordmechaniker haben über 2 Stunden versucht den Schaden zu beheben ((Salzwasser im Motor). Der Schaden konnte auf See nicht behoben werden.Die Seabelle wurde letztendlich von einem anderen Boot in Schlepp genommen.
Gruß Wolfgang
Hallo Wolfgang,
danke für deine Glückwünsche und für die Info zur Seabelle. Sonia und Calin haben es auf eigenem Kiel bis nach Tuktoyaktuk geschafft, das heißt nur unter Segeln. Wir haben die Beiden dort noch getroffen. Die Seabelle wurde den Mackenzie River hinauf geschleppt und steht jetzt in Inuvik an Land. Die Reparatur ist noch nicht erledigt, sie arbeiten dran. Diese Saison wird das nichts mehr mit Weitersegeln, denn das Eis naht. Sie müssen tatsächlich in der Arktis überwintern. Was für ein Pech !
Wir haben das entsprechende Quentchen Glück gehabt und sind gestern heile in Sand Point angekommen.
Herzliche Grüße von der Walkabout