Wir segeln und wandern durch die Welt

CDT – Mammoth bis Big Sky / Bozeman

Was für ein Stress in Mammoth Hot Springs ! Tausende von Menschen flanieren in diesem kleinen Kurort herum. Nichts für uns. Ein Motel können oder wollen wir uns hier nicht leisten. Lieber ziehen wir nach ein paar Stunden Pause weiter auf die nächste Etappe. Das Internet läuft ganz schlecht, wir schaffen nur gerade das Nötigste. Wahrscheinlich ist das Netz total überlastet. Nach Planung und Einkauf für weitere 4 Tage sind wir froh, wieder in der Einsamkeit der Natur verschwinden zu können. Vorher schauen wir uns natürlich die berühmten Sinter-Terassen an. Ein absolutes Muss, und wirklich ein atemberaubend schöner Anblick. Allerdings muss man die Menschenmassen ausblenden, die nur schnell aus dem Wagen steigen, um ein paar Fotos zu schießen.

Wir sind anscheinend die einzigen, die zu Fuß unterwegs sind. Kein anderer Mensch in Mammoth läuft mit schwerem Rucksack herum. Wir sehen auch Niemanden, der eine Dose Bär-Spray am Gürtel trägt. Alles Auto-Touristen. Die größte Schwierigkeit ist, aus diesem künstlich angelegten Ort wieder herauszufinden. Auf den Schautafeln und „You are here“-Karten sind nur die Auto-Routen oder ganz kurze Wanderwege für Spaziergänger abgebildet. Unser Trail wird gar nicht erwähnt, ist auch nirgendwo ausgeschildert. Da werden unsere navigatorischen Fähigkeiten mal wieder ordentlich auf die Probe gestellt. Wir laufen erstmal raus aus dem ganzen Rummel, schlagen uns dann querfeldein einen Hügel hinauf. Wir sehen einen komischen Vogel, ziemlich groß, mit einem roten Fleck über dem Schnabel. Er sieht aus wie eine Mischung aus Emu und Schwan. Fliegen kann der anscheinend nicht, also ein Laufvogel. Und wie der läuft …. Wir machen aus angemessener Distanz ein Foto, wollen aber den Vogel nicht stören oder jagen. Aber der läuft sicherlich eine Viertelstunde vor uns her, immer im selben Abstand, egal wohin wir uns wenden. Sehr merkwürdig. Dabei macht er die ganze Zeit komische Klacker-Geräusche, die uns nach einer Weile richtig auf die Nerven gehen. Wenn er uns von seinen Jungen weglocken will, dann müsste es doch eigentlich irgendwann gut sein, weil wir immer in derselben Richtung weiterlaufen. Entweder ist dieser Vogel sehr dumm oder besonders schlau ??? Auf jeden Fall ist es ein Kanada-Kranich, wie wir später zweifelsfrei herausfinden.
Schließlich erreichen wir die Auto-Route, die um die Sinter-Terassen herum verläuft. Nun müssen wir nur noch herausfinden, ob wir der Straße nach links oder rechts zu unserem Trailhead folgen müssen. Ein Auto steht in einer Parkbucht, da fragen wir. Wir haben die richtigen Leute angequatscht, sehr hilfsbereit. Mit unseren Karten und deren Handy-GPS können wir unseren Standort genau bestimmen. Ganz nebenbei ist das eine sehr nette Familie, die mit zwei Jungs und einem süßen Hunde-Welpen unterwegs ist. Die stammen aus Texas und sind 2400 Kilometer durch die USA gefahren, um im Yellowstone Urlaub zu machen. Eine Wahnsinns-Entfernung, uns erscheint das völlig verrückt.

Bis zu unserem reservierten Campingplatz liegen am Nachmittag noch weitere 18 Kilometer vor uns. Zu unserem Trail gibt es keinen Wegweiser, aber schließlich finden wir doch eine schmale Spur, die von der Straße in den Wald führt. Es geht hinauf und über den Snow Pass. Zum Glück liegt hier kein Schnee, sondern ringsherum ist alles grün. Danach folgt der Glen Creek Trail, der uns bis auf 2700 Meter Höhe bringt. Die kleinen Fell-Tierchen wuseln überall herum. Wir müssen aufpassen, dass uns keines unter die Füße gerät. Und dann haben wir unser erstes Grizzly-ganz-nah-Erlebnis. Im Unterholz rechts vom Weg knackt es laut, und bevor wir uns versehen, springt ein Bär vor Thomas über den Weg. Es ist ein braun-roter Grizzly, der etwa 5 Meter vor uns den Trail kreuzt. Der ist wahrscheinlich genauso überrascht wie wir. Eine Schrecksekunde lang wissen wir gar nicht, was wir machen sollen. Wir bleiben einfach nur stumm stehen und schauen dem Bären hinterher, der zügig nach links trabt. Der ist wohl weniger auf Angriff als eher auf Flucht aus. In etwa 30 Meter Entfernung bleibt das Tier stehen und schaut zu uns hinüber. Wahrscheinlich muss der auch erstmal die Situation einschätzen. Die Trillerpfeife nützt überhaupt nichts, unsere Bären sind anscheinend alle taub. Dann fängt der Grizzly an, Blümchen von der Wiese zu fressen. Das sieht nun gar nicht mehr gefährlich aus. Wir wagen es, ein Foto zu machen, bevor wir langsam weitergehen. Nach ein paar Minuten dreht der Bär uns seinen Hintern zu und verschwindet in der entgegengesetzten Richtung hinter einer Hügelkuppe. Trotzdem drehen wir uns auf dem nächsten Kilometer noch alle 5 Minuten um und schauen über die Schulter nach hinten.

Ein weiteres Mal springt ein braunes Tier aus dem Wald, aber das ist nur ein junger Hirsch-Bock. Es dauert eine ganze Weile, bis der Adrenalinspiegel wieder normal ist. Das waren jetzt 5 Bären in 5 Tagen. Wenn das so weitergeht, dann kommen wir am Ende auf eine stattliche Anzahl.
Entlang des Glen Creek wird das Gelände sumpfig um uns herum, und sofort haben wir Moskito-Alarm. So schnell kann man gar nicht gucken, wie wir unsere Rucksäcke abstellen, lange Kleidung anziehen, ich noch zusätzlich Regenjacke und Handschuhe drüber. Wir haben in den letzten Wochen wirklich genug Stiche kassiert. Endspurt, um 20.00 Uhr haben wir es fast geschafft. Unser gebuchter Campingplatz liegt hinter dem Gardner River. Erwartet hatten wir einen kleinen Bach, aber tatsächlich liegt ein Fluss vor uns. Da kommen wir nicht hinüber, ohne Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Der CDT ist immer für Überraschungen gut. Macht aber nichts, denn gleich dahinter führt ein schmaler Pfad zu unserem Feierabend-Ziel.

Schlecht geschlafen, obwohl es wunderbar ruhig war. Entweder hatte ich von der langen Pause am Nachmittag zu viel Koffein im Blut, oder die nahe Grizzly-Begegnung am Abend hat mich beunruhigt. Irgendwelche Nagetierchen haben während der Nacht kleine Löcher in die Erde um unser Zelt herum gegraben. Ganz entspannter Start in den Tag, denn wir haben nur knapp 20 Kilometer bis zu unserem nächsten Platz vor uns. Anders waren die Reservierungen nicht möglich. Strahlend blauer Himmel, Zeit für Sonnenhut und Sonnenschutz-Creme, Lichtschutzfaktor 30. Noch einmal kreuzt der Gardner River unseren Weg. Wir halten uns nicht lange auf, da latschen wir einfach durch. Spätestens in der Mittagspause werden Schuhe und Strümpfe wieder trocken. Thomas riecht Wild ganz in der Nähe. Ich rieche gar nichts, meine Nase ist zu. Wir laufen den Sportsman Lake Trail und schwitzen tüchtig im Aufstieg. Atemberaubend schöne Landschaft, an der wir uns nicht satt sehen können. Wir klettern bis auf über 10.000 Fuß hoch, das sind mehr als 3000 Höhenmeter. Einige kleine Schneeflecken liegen links und rechts. Oben auf dem Pass sehen wir die nächsten hohen Berge mit viel Schnee. Das wird unsere Tagesaufgabe für morgen sein. Auf dem Bergkamm gegenüber weiden einige Wapiti-Hirsche. Die haben uns erspäht, stellen sich nebeneinander auf und schauen zu uns herunter. Dann setzen sie sich geschlossen in Bewegung und traben hintereinander den Hang hinunter. Wir möchten nicht zu früh an unserem gebuchten Platz ankommen, weil der wieder am Wasser liegt und garantiert nicht frei von Moskitos ist. Da bleiben wir doch lieber in der Höhe, machen eine lange Pause, genießen die Sonne und Luft an der Haut. Vom Pass aus führt unser Weg lange in Serpentinen abwärts, nur um am nächsten Hang wieder aufzusteigen. Auf der Nordseite liegt noch immer viel Schnee, aber der ist um die Mittagszeit so weich, dass man gute Tritte darauf setzen kann.

Zwei weitere Male müssen wir durch einen kleinen Fluss, etwas unerwartet, vielleicht kommt das viele Wasser von der Schneeschmelze. An den Bäumen sehen wir tiefe Kratzer von Bärenpfoten. Das Gebiet, in dem wir gerade unterwegs sind, wird als „Grizzly Management Area“ ausgewiesen. Am Himmel brauen sich dunkle Wolkenbänke zusammen. Zunächst sieht es so aus, als würden wir trocken davonkommen, weil die Wolken anscheinend wegziehen. Aber zu früh gefreut – um 16.00 Uhr kracht es laut über uns und beginnt zu regnen. Wir haben es gar nicht mehr weit bis zu unserem Campingplatz, aber binnen einer Stunde ist alles nass. Blitz und Donner folgen kurz hintereinander, heftiger Wind aus verschiedenen Richtungen, weil sich gerade wieder mehrere Gewitterzellen über uns austoben. Wir schmeißen unsere Rucksäcke hinein, die nassen Sachen bleiben draußen, und warten erst einmal ab. Hunger ! Wir können nicht im Zelt kochen und essen wegen der Bären. Das Unwetter dauert volle 4 Stunden, es hängt direkt über uns fest. Ein Reh beeindruckt das überhaupt nicht, wir können es aus dem Zelt heraus beobachten. Gegen 20.00 Uhr stoppt der Regen. Thomas wagt sich nach draußen und kocht. Das Reh ist überhaupt nicht scheu, es grast nur 3 Meter neben ihm.

Morgens klingelt der Wecker bereits um 5.00 Uhr, denn vor uns liegen 30 Kilometer mit heftigem Aufstieg. Keine große Lust zum Aufstehen, denn die Welt draußen ist nasskalt, alles grau. Über den Wiesen steigt Nebel auf, weil die Feuchtigkeit verdunstet. Habe morgens zwei Paar trockene Strümpfe angezogen, auch Thomas hat es nicht über sich gebracht, in die patschnassen Socken von gestern zu steigen. Es dauert keine halbe Stunde, da müssen wir durch einen Fluss. Dumm gelaufen – nun sind 7 Paar Strümpfe nass.
Am ersten Abzweiger können wir zwischen zwei Routen wählen. Wir entscheiden uns für die längere und höhere Strecke, noch nicht ahnend, wie anstrengend dieser Tag sein wird. Der Pfad führt nach Osten in Richtung der aufsteigenden Sonne. Der Himmel ist tiefblau und wolkenlos. Wir hoffen, dass es so bleibt, denn wir werden lange Zeit in der Höhe laufen. Gewitter auf dem Bergkamm möchten wir lieber nicht erleben.  Wir laufen zunächst den High Lake Trail. Der gleichnamige See ist eher unscheinbar. Zwei Stunden später erreichen wir den Crescent Lake. Sensationelle Lage am Fuße der Gipfel, die sich im Wasser spiegeln. Wirklich schön. Weiter geht es mit Aufsteigen, wir haben viel Arbeit vor uns. Ich laufe etwas voraus, als es plötzlich links neben dem Weg laut kracht und poltert. Das muss ein schweres Tier sein, das sich einen Weg durch’s Unterholz bricht. Ich bleibe stehen und sehe gerade noch einen braunen Pelz mit dem charakteristischen Buckel am Nacken. Schon wieder ein Grizzly, der vor uns das Weite sucht.
Der nächste See ist der Shelf Lake. Er liegt auf 2800 Meter Höhe. Das letzte Stück bis dahin war unheimlich anstrengend. Wasser gibt es aus dem See, wir müssen trinken und einen Moment ausruhen.

Ein Iltis huscht vorbei, während wir dort unsere Pause genießen. Es ist unheimlich heiß in der Mittagssonne. Das Zelt wird aufgebaut, die Regensachen, Socken und allerlei anderer Kram zum Trocknen ausgebreitet. Dauert natürlich ein bisschen, aber danach ist wieder alles gut. Es ist viel angenehmer, zum Feierabend ein trockenes Zelt zu haben. Vor uns liegt der Sky Rim Trail, eine lange Wanderung über den Grat mit Schnee auf den Gipfeln. Die nächsten 15 Kilometer wird es kein Wasser geben, das müssen wir von hier mitnehmen und den Rest des Tages tragen. Anfangs normaler Aufstieg, der uns ins Schwitzen bringt, aber grundsätzlich nicht schwierig. Erst im letzten Drittel gibt es mehr und mehr Schnee, manchmal ist der Trail komplett darunter verschwunden. Der Gipfel des Big Horn Peak ist mit 9930′ Fuß bzw. 3026 Metern der höchste in der Reihe unserer heutigen Bergkette. Es dauert einige Stunden, bis wir uns so weit hochgeschraubt haben. Schönes Laufen oben auf dem Grat, tolle Aussicht  nach allen Seiten. So sehen wir auch die schwarzen Wolken immer näherkommen.

Rechts von uns blitzt und donnert es bereits. Wir hoffen, dass sich das Gewitter an der gegenüber liegenden Bergkette austobt. Aber auch von vorne kommen immer mehr dunkle Wolken, da laufen wir genau hin. Auf den nächsten Gipfeln regnet es bereits. Um 17.00 Uhr erwischt es uns, eine Stunde später als gestern. Zum Glück sind wir schon im Abstieg vom Big Horn Peak. Eine kleine Herde wilder Ziegen steht hinter einer Hügelkuppe und schaut verwundert auf die Wanderer, die es plötzlich sehr eilig haben. Es gibt keine deutliche Spur, die nach unten führt. Wir halten uns nicht lange damit auf, den richtigen Weg zu suchen, sondern hasten auf kürzestem Wege bergab, bis wir eine Ebene tiefer in den Schutz einiger Bäume kommen. Inzwischen ist das Gewitter sehr nahe, Blitz und Donner folgen in kurzem Abstand hintereinander. Wir stellen uns zwischen die Tannen und warten die Spitze des Unwetters ab. Erst regnet es, dann fallen dicke Hagelkörner auf uns nieder. Nach einer halben Stunde können wir weiter. Es regnet zwar noch, und ein kräftiger Wind fegt über den Bergkamm, aber das Gewitter hat sich entfernt. Immer mehr Gipfel tun sich vor uns auf. Damit haben wir nicht gerechnet. Eigentlich dachten wir, dass wir nach dem Big Horn nur noch absteigen. Aber es geht immer wieder hinunter und hinauf, immer zwei Ebenen Abstieg und danach eine Ebene wieder bergauf. Dabei haben wir schon lange genug davon. Links von uns zeigen sich völlig andere Berge. Die sind sehr schroff, gezackt und kahl. Während wir uns diese fremdartigen Felsen genauer angucken, sehen wir genau dort einen Fuchs entlang rennen.

Zwischen den Hängen liegen hohe Schneewälle, über die wir vorsichtig stapfen. Geht alles gut, drückt nur ein bisschen das Tempo. Der Weg zwischen den Schnee-Traversen ist nach dem Regen sehr rutschig. Da kommen wir ebenfalls nur noch langsam vorwärts. Die Beine werden immer schwerer. Der Trail führt genau entlang der Grenze zum Yellowstone National Park, das bedeutet, zur rechten Seite hin sind wir außerhalb und dürfen überall zelten. Und wieder geht es bergab, ein Stück durch eine Senke und den nächsten Hügel wieder hinauf. Man kann den Verlauf des Weges lange im Voraus sehen, und immer auf’s Neue führt der Pfad nach oben auf die nächste Spitze. Irgendwann haben wir so gar keine Lust mehr und stellen das Zelt auf. Mehr als 12 Stunden unterwegs, davon nur 2 Stunden Pause. Es reicht. Vermutlich hätten wir noch einen oder zwei Kilometer weiter bis zum Abzweiger, der uns hier heraus bringt. Aber vor uns liegt der nächste Gipfel, da fehlt gerade völlig die Motivation. Dumm ist nur, dass wir nicht genug Wasser zum Kochen haben, gerade noch einen knappen Liter zum Trinken. Nach diesem anstrengenden Tag müssen wir ohne warme Mahlzeit überleben, Käse und Snickers liefern ersatzweise die Kalorien. Kaffee im Schlafsack fällt morgen früh auch aus, wird dann bei der ersten Pause nachgeholt.

Noch einmal tobt sich während der Nacht ein Gewitter über uns aus, begleitet von heftigem Regen. Wir schlafen tatsächlich bis um kurz vor 8 Uhr, da wir keinen Wecker gestellt haben. Ein erster Blick durch das Netz im Eingang zeigt blauen Himmel und Sonnenschein. Auch das Zelt ist bereits wieder getrocknet. So weit, so gut. Der Weg ist sehr rutschig. Der nasse Lehm klebt penetrant an den Schuhen und macht die Füße schwer. Und es geht gleich wieder bergauf, und nicht nur einmal. Genau das, was wir gestern schon an weiterem Wegverlauf gesehen haben. Von einem Aussichtspunkt in der Höhe können wir tief unten im Tal den Ramshorn Lake erkennen. Da möchten wir heute Nachmittag hin und noch etliche Kilometer weiter. Etliche Male müssen wir noch hinauf und hinunter. Haben wir gestern bereits 8 Gipfel dieser Bergkette geschafft, so liegen heute noch 4 weitere Hügel, wenn auch niedriger, vor uns. Schon wieder anstrengend, oder wir sind schlapp, weil wir noch nicht richtig gefrühstückt haben. Nach 1,5 Stunden erreichen wir den Abzweiger, der eigentlich gestern unser Tagesziel gewesen wäre. Gut, dass wir uns nicht weiter gequält haben. Wasser finden wir hier immer noch nicht, dafür müssen wir eine Stunde weiter laufen. Um 11.30 Uhr gibt es endlich eine lange Pause mit Kaffee und warmem Abendessen.
Frische Pfoten-Abdrücke im Matsch. Vor nicht allzu langer Zeit ist ein kleiner Bär auf unserem Weg gelaufen. Der Ramshorn Lake scheint ein beliebtes Ausflugsziel für Reiter zu sein. Vor uns sind bereits 8 Pferde in diese Richtung gegangen und kommen uns nun entgegen. 32 Pferdehufe haben den Weg total verwüstet und für Wanderer unbegehbar gemacht. Wir müssen aufsteigen, aber durch Modder und den zerpflügten Pfad kommen wir nur sehr langsam vorwärts. Schon am Mittag nimmt die Bewölkung zu. Bisher waren Nachmittags-Gewitter an der Tagesordnung. Wir sind gespannt, ob es auch heute wieder knallt am Himmel. Es ist heiß, hohe Luftfeuchtigkeit, wir haben ständig Durst. Trifft sich gut, dass wir den ganzen Nachmittag ständig über und durch kleine Bäche müssen. Unsere Route ist nicht beschildert und wird auch nicht oft von Wanderern benutzt, deswegen gibt es manchmal nur eine sehr dünne Spur. Müssen heute gut aufpassen, weil es verschiedene Kreuzungen gibt. Der Yellowstone National Park liegt hinter uns, leider ist damit auch unsere schöne große Karte vom Yellowstone erledigt. Nun arbeiten wir mit Farb-Ausdrucken von Jemandem, der diese Variante im Jahr 2009 gegangen ist. Wir befinden uns jetzt im Gallatin National Forest. An einer Weg-Gabelung gibt es die Möglichkeit, nach rechts oder links abzubiegen. Eigentlich wissen wir, dass wir nach Nord-Westen müssen, also nach links. Der Trail heißt aber nicht so wie erwartet. Wir schlagen trotzdem die Richtung ein, die wir uns vorher überlegt haben. Laufen 5 Kilometer auf dem Ramshorn Trail, der ziemlich matschig ist. Dann kommt ein Schild mit zwei Abzweigern, nun wissen wir, dass wir richtig gegangen sind. Unser nächster Trail ist der Porcupine Trail, der steht eindeutig mit Pfeil auf dem Schild. Endlich wird der Weg besser, weil trockener. Eine schmale Spur führt in sanftem Bogen über saftige Sommerwiesen. Sehr schönes Wandern, schnelles Vorankommen.

Links von uns steht eine Reihe dunkler Fichten, gleich dahinter fließt in einer Schlucht der Porcupine Creek. Freie Aussicht nach vorne auf die schneebedeckten Berge vom Ski-Gebiet Big Sky, wo wir morgen ankommen werden. Der Porcupine Creek macht eine Schleife und kreuzt unseren Trail. Bisher sind die Schuhe trocken geblieben, weil alle Querungen auf Baumstämmen oder Steinen möglich waren, aber da müssen wir jetzt durch. Eigentlich ist es ganz angenehm, nach vielen Stunden auf den Beinen durch’s kalte Wasser zu laufen. Eine weitere Gabelung lässt uns kurz zögern. Der Hauptweg ist gut gekennzeichnet und führt geradeaus, aber im hohen Gras seitlich gibt es eine Spur und eine einzelne Stange als Wegweiser. Wir setzen uns ins Kraut, studieren die Karten und Google Maps. Plötzlich sehen wir einen Wolf, der über das freie Feld rennt und hinter einem Hügel verschwindet. Es soll hier sehr viele davon geben, aber sie sind scheu, so dass dieses unser erster Wolf auf dem CDT ist. Kaum dass wir unseren schmalen Weg mit der Stange eingeschlagen haben, da verdichten sich die Wolken. Es grummelt am Himmel, schon bald sieht man die ersten Blitze. Wir laufen noch ein Stückchen weiter, bis die ersten Tropfen fallen. Passt gerade gut, wir befinden uns in flachem Gelände. Grüne Wiese mit ein paar Bäumen, ein kleiner Bach plätschert, Kaffeewasser ist gesichert. Ruckzuck ist das Zelt aufgestellt, wir werden noch nicht einmal richtig nass. Aus dem Schlafsack heraus können wir den Sonnenuntergang beobachten. Der sieht irgendwie bedrohlich aus, tiefrot mit schwarzen Flecken, als ob da noch mehr kommen soll.

Es hat die ganze Nacht hindurch geschüttet. Dafür ist unser Zustand recht gut. Das Zelt hat dicht gehalten, aber trotzdem sind sämtliche Klamotten feucht. Um uns herum ist nasse Wiese mit kniehohem Gras. Da kann man sich die trockenen Socken gleich sparen. Aufstehen und Packen ist kein Spaß unter solchen Bedingungen. Aber wir haben gestern gut vorgearbeitet und sind voll motiviert, weil zur Belohnung ein Stadt-Aufenthalt mit allem Komfort winkt. Gestern sind wir am Nachmittag auf gutem Trail weit gekommen. Wir genießen die frische Luft und die tolle Morgenstimmung, kaum dass wir unterwegs sind. Es sind nur noch etwa zwei Stunden, bis wir aus dem Wald heraus und auf dem Highway sind, der nach Big Sky führt. Wir sind natürlich die ersten Wanderer auf dem Trail, wie unschwer zu erkennen ist. Keine menschlichen Fußabdrücke auf unserem Weg, aber wir können den frischen Spuren eines Wolfes folgen. Der hatte wohl auch keine Lust, durch die floddernasse Wiese zu streifen.
Kurz bevor wir den Trail verlassen, liegt der Gallatin River vor uns. Wir haben keine Geduld, möchten gerne schnell in der Zivilisation ankommen. Also waten wir ein letztes Mal mit Schuhen hindurch, bevor der Weg immer breiter wird und schließlich an der Straße endet. Flott unterwegs, es geht noch schneller, als wir denken. Bereits um 8.00 Uhr früh sitzen wir gutgelaunt vor der High School bei freiem Internet und suchen nach einer Unterkunft. Big Sky ist ein mondäner Ski-Ort, der auch ohne Schnee ganzjährig Saison hat mit Kanu-Fahren, Rafting, Zip-Line, Radfahren, Reiten und durch die Nähe zum Yellowstone. Schockierende Preise – einfach unbezahlbar für uns. 🙁 Es gibt eine Lösung, die zwar etwas umständlich ist, aber wir sind ja flexibel. Fahren mit dem Bus ca. 1,5 Stunden bis nach Bozeman. Das ist eine Universitätsstadt mit ca. 37.000 Einwohnern, etwa 70 Kilometer nord-östlich von Big Sky gelegen. Die Busfahrt kostet nur 5,- Dollar pro Person, auf demselben Wege werden wir auch ohne Trampen gut wieder zurückkommen zum Trail. Auch in Bozeman sind die Preise für ein Zimmer höher als wir es gewöhnt sind. Aber okay, das gönnen wir uns jetzt nach einer 10-Tage-Etappe ohne Dusche, Waschmaschine und Bett. Wir buchen ein Motel außerhalb der Stadt, dafür nur einen Kilometer vom Walmart entfernt, der unsere liebste Einkaufsquelle ist. Waschsalon gibt es gleich nebenan, äußerst praktisch. Um 16.30 Uhr Gewitter mit Regen – wir freuen uns, dass wir es im Zimmer trocken und sauber haben. 🙂