Wir segeln und wandern durch die Welt

Crazy Cook bis Lordsburg 18. – 22.04.2017

Dienstag pünktlich um 6.15 Uhr steigen wir in den vorbestellten Jeep von der CDT-Organisation. Außer uns sitzt noch ein junges Mädchen im Wagen, die den CDT alleine machen möchte, aber noch gar keine Erfahrung mit longtrails hat. Die erste Stunde fahren wir auf einer halbwegs brauchbaren Landstraße. Unser Fahrer „Radar“ macht mit uns einen kurzen Abstecher in das 50- Seelen-Dorf Hachita, wo wir an der öffentlichen Zapfstelle Wasser auffüllen können​. Von dort aus geht es weitere drei Stunden in halsbrecherischer Fahrt über holperige Schotterpisten.
Das Crazy Cook Monument ist wirklich schön anzusehen, ein toller Punkt, um den Start des Continental Divide Trail zu würdigen. Direkt daneben befindet sich die Grenze zu Mexico, kaum zu erkennen, wenn man es nicht weiss. Ein einfacher Stacheldraht-Zaun teilt das karge Land, theoretisch leicht zu überwinden. Eine Mauer gibt es ( noch ) nicht. Thomas traut sich sogar an einer Art Viehgatter auf die andere Seite und steht dann ca. 2 Minuten lang in Mexico  ( ganz ohne Pass-Kontrolle ).
Eine Stunde vor uns sind ein paar Leute gestartet, die mit dem ersten Jeep angekommen sind. Darunter ein sehr nettes Ehepaar, deren Ausrüstung top aussieht und auf viel Erfahrung schließen lässt. Sie stellen sich mit ihren Trail-Namen Bebo und Sharky vor. Hier auf dem CDT sind wir ab heute wieder Skipper und Walkabout.

Wir befinden uns jetzt in der Chihuahua-Wüste, das ist die größte aller nordamerikanischen Wüsten. Unser Weg führt an den Flanken der Big Hatchet Mountains entlang. Unsere Rucksäcke sind viel zu schwer, obwohl wir unsere gesamte Winter-Ausrüstung und noch mehr vorausgeschickt haben bis nach Chama in Colorado. Jeder hat 5 Liter Wasser im Rucksack, zusammen tragen wir also 10 Liter Wasser und Proviant für fünf Tage. Die Wüste ist gnadenlos. Erst nach 14 Kilometern gibt es ein wenig Schatten …. einen einzelnen Baum. Hier macht wahrscheinlich jeder Wanderer Pause. Nachmittags steigt das Thermometer auf 35 Grad. Die Luft flimmert in der Hitze. Verschiedene Arten von Kakteen zeigen die ersten Blüten, viel schöner als im Blumenladen. Bilanz des ersten von über 200 Hiking-Tagen :  25 km zurückgelegt,  meine Lesebrille ist zerbrochen, Thomas hat einen Wespenstich und eine kleine Blase an der Hacke zu beklagen. Tiersichtungen : Insekten, Vögel, kleine Echsen, Hasen und am Abend sogar 4 Antilopen in der Ferne. Um unser Lager herum sind große Höhlen in den Wüstensand gegraben. An den Eingängen liegen lauter Kieselsteine, so wie absichtlich dort hingelegt. Wir wissen noch nicht, was für Tiere in diesen unterirdischen Bauten leben. Für Kaninchen sind die Höhlen viel zu groß, und Hasen wohnen doch zumindest in unseren Breiten über der Erde. Nachts ein wundervoller Sternenhimmel über uns, so klar und zahlreich haben wir die Sterne sonst nur auf dem Ozean gesehen.

Morgens werden wir mit dem ersten Tageslicht wach und erleben einen blutroten Sonnenaufgang über den Bergen. Da weiss man doch gleich wieder, wofür sich die Anstrengung und das unkomfortable Leben lohnen ! Die Glieder schmerzen, die Gelenke knacken, aber immerhin haben wir weder Muskelkater noch Sonnenbrand vom gestrigen Tag. Gleich während unserer ersten Etappe begegnen wir einem Fahrzeug der Border-Patrol. Die Männer vom Grenzschutz stellen uns einige Fragen : woher, wohin, wie weit, wie viele andere Wanderer sind unterwegs, ob wir irgendwelche verdächtigen Objekte gesehen haben …. Aber die Beamten sind ausgesprochen freundlich und wünschen uns zum Abschied „Safe travels“ und „Happy trails“. Nur eine Stunde später hält wieder ein Auto der Border-Patrol bei uns. Dasselbe Spiel, dieselben Fragen, auch diese Offiziellen sind nett und sehr kompetent. Die passen gut auf hier, die Jungs !

Keine Wolke am Himmel, den ganzen Tag über gibt es wieder keinen Schatten. Die sengende Sonne lässt uns das Tempo zurück schrauben. Zur Pause am Nachmittag bauen wir uns ein behelfsmäßiges Schattendach, indem wir unseren Regenponcho in einem stacheligen Gestrüpp befestigen. Um 15.00 Uhr sind wir bereits ziemlich fertig, haben noch 8 Liter Wasser im Rucksack und werden es wahrscheinlich nicht mehr bis zur nächsten Wasserstelle schaffen. Heute führt der Trail nicht am Rande der Berge entlang, sondern geht über jeden Hügel. Anstrengend ! Die Hitze macht uns platt. Nach 30 Kilometern müssen wir einsehen, dass Weiterlaufen uns nicht viel weiter bringt, da unser Gang inzwischen recht langsam und schleppend geworden ist. Zudem hat Thomas sich eine zweite Blase eingefangen, diesmal am anderen Fuß. Gründe genug für ein relativ frühes Nachtlager.

Um 9.30 Uhr am nächsten Tag erreichen wir einen morastigen Teich. Daneben steht eine offensichtlich nicht mehr funktionstüchtige Windmühle, ein Relikt aus früheren Zeiten. Heute wird mit Hilfe einer elektrischen Pumpe das Grundwasser aus mehr als 50 Meter Tiefe über ein Rohr in den Tümpel geleitet. Das hat sich ein Farmer ausgedacht, um seine Rinder zu tränken. Es ist aber auch sehr willkommen für durstige Hiker, um hier Frühstücks-Pause zu machen und die Wasserbehälter aufzufüllen. Zwei schwarze Kühe kommen uns besuchen und stillen ihren Durst. An solche Viehtränken werden wir uns wohl gewöhnen  müssen. Kurz bevor wir unsere Rast beenden, erreicht auch Bebo das Wasserloch und erzählt uns, dass das junge Mädchen nicht mehr weiter wandern kann. Deren Rucksack sei viel zu schwer, sie schafft es einfach nicht mehr. Zudem hat sie lediglich noch einen halben Liter Wasser zum Trinken. Bebo ist jetzt einige Meilen vorausgelaufen, um Wasser zu holen und es ihr zu bringen. Ihr Mann hat einen anderen Weg genommen und ist über einen Abzweiger nach Hachita zurück, um Hilfe zu holen. Das Mädel wurde irgendwo im kläglichen Schutze eines Sonnenschirms geparkt und wartet darauf, abgeborgen zu werden. Das ist bitter, schon am dritten Tag den Trail verlassen zu müssen. Unsere Hilfe ist nicht weiter nötig, Bebo und Sharky haben alles im Griff. Also wandern wir weiter über hügeliges Gelände entlang der Big Hatchett Mountains. Manchmal versperren uns Zäune aus Stacheldraht den Weg. Das bedeutet, wir müssen häufig anhalten, die Rucksäcke absetzen, über den Zaun oder darunter hindurch klettern. Ganz schön lästig, denn das stört den Lauf-Rhytmus. Hasen mit ultralangen Ohren und verschiedenste Arten von Echsen sind unsere ständigen Begleiter in dieser Wüsten-Landschaft. Es weht ein leichter Wind. Sehr angenehm ! Leider werden Thomas seine Blasen nicht besser, sondern immer größer. Das trübt die Freude etwas und hält auf. Wir beenden unseren Tag an einem hohen Wassertank. Über eine hohe Leiter aus Metall kommt man an den oberen Rand, wo man durch eine ca. 50 Zentimeter weite Öffnung Wasser entnehmen kann. Es schwimmen ein paar Insekten darin, aber man darf hier nicht zu wählerisch sein. Wir filtern das Wasser, und es tut gut. Die Wiese ist leider voller Kuhfladen, aber das kennen wir ja schon vom Te Araroa. Alles trocken, wird einfach weggeräumt, bis wir genug Stellfläche haben. 😉 Der Wind hat zum Abend ordentlich zugenommen und rüttelt kräftig am Zelt. Wir müssen mehrmals neu abspannen und die Leinen mit dicken Steinen beschweren. Unter einigen der Steine, die wir aufheben, wohnen braun-gelb gestreifte Eidechsen. Sie haben sich Mulden unter den aufgewärmten Felsen gebuddelt, um so die Nacht zu verbringen. Bei der abendlichen Fußpflege muss ich leider feststellen, dass sich unter einem meiner großen Zehen eine Blutblase gebildet hat. Aufstechen, desinfizieren, Pflaster drauf und das Beste hoffen.

Einen Wecker brauchen wir nicht. Wir werden frühzeitig von selber wach. Im Busch direkt neben unserem Zelt überbieten sich verschiedene Arten kleiner Singvögel beim Morgenkonzert. Bereits nach drei Stunden strammen Laufens, als wir gerade an Frühstückspause denken, entdecken wir in der eintönigen  Wüstenlandschaft etwas Weißes leuchten. Schon am vierten Tag des CDT erwartet uns Trail Magic !  Ein älterer Herr mit Trail Namen “ Apple“ serviert eisgekühlte Getränke , Apple Pie und ein großes Sortiment an ungesunden, aber sehr kalorienhaltigen Snacks für unterzuckerte Hiker. Aber das Beste an dieser Pause ist der Schatten, den sein mit weißer Plastikplane umhülltes Metallgestell bietet. Er nennt diese Konstruktion “ The Dome „. Den ganzen Tag weht ein warmer Wind, was das Wandern etwas angenehmer macht. Thomas entdeckt eine gestreifte Echse mit Kragen, die sich vor uns aus dem Staub macht. Das ist eine Krustenechse, ein „Horned Lizard“. Des Weiteren stehen einige Schlangen-Begegnungen auf dem Programm. Ich laufe ahnungslos voraus und bemerke nichts …. Gleich dahinter läuft Thomas und wäre fast auf eine braune Schlange drauf getreten. Name unbekannt – wir sind noch nicht so vertraut mit der Flora und Fauna hier. Auf jeden Fall ist sie sehr schnell und verschwindet seitlich in den trockenen Grasbüscheln. Nur eine halbe Stunde später hat er eine weitere Schlange vor sich, die unseren Blindschleichen ähnelt. Die nächste Schlange voraus sehe ich dann endlich auch, wieder ein Stück weiter und etwa einen Meter neben dem Trail. Aber auch die hat kein Interesse an uns, sondern macht sich davon. Wir kommen an mehreren Vieh-Trögen  vorbei, in denen Wasser steht. Allerdings tummeln sich dort auch Unmengen von lebenden wie toten Insekten. Ein grünlich-gelber  Schleim reicht bis an die Oberfläche. Igitt !!! Zum Glück haben wir noch keine Not. Später haben wir dann aber doch ein Wasser-Problem. Die Quelle, die wir als unser Tagesziel auserkoren hatten, finden wir nicht. Zunächst sind wir zu weit gelaufen, kehren um, klettern über einige Felsen und suchen, suchen, suchen. Wir stolpern immer weiter, aber finden die Quelle nicht. Das ist schon frustrierend. Direkt neben uns liegt der Pyramid Peak, hinter dessen Gipfel wir einen spektakulären Sonnenuntergang bewundern können. Kurz bevor es ganz dunkel wird, schlagen wir unser Lager in einer sandigen Mulde auf. Es ist eindeutig unser bisher schönster Zeltplatz, fast wie in den Dünen. Wir haben leider nur noch einen Liter Wasser übrig. Das bedeutet, die Essensration wird gekürzt. Zum Kochen brauchen wir einen halben Liter, dazu gibt es einen Becher Trinken für Jeden. Das war’s, kein Tropfen Wasser mehr. Aber morgen ist ein neuer Tag …. Für heute haben wir genug getan. Mehr als 33 Kilometer auf dem Trail zurückgelegt, dazu kommen noch die Umwege beim Suchen. Zur Belohnung lassen wir den Abend gemütlich unter Milliarden funkelnder Sterne ausklingen. Jetzt würde ein Bierchen gut zur Stimmung passen.
😉

Wir haben eine ruhige Nacht in unserem Dünental verbracht. Allerdings hatten wir beide Probleme, die richtige Stellung zu finden. Die Beine schmerzen in jeder Lage, die Muskeln können sich nicht entspannen, sondern zucken auch in Ruhestellung. Es dauert noch ein paar Tage, bis sich Muskeln und Sehnen an die Dauer-Belastung angepasst haben. Beim Appalachian Trail 2012 sagte man uns, es dauert etwa 4-6 Wochen. Allerdings passt sich der Körper bei jedem neuen Longtrail schneller an, so als würde er sich erinnern.
Bei meiner ersten Morgentoilette störe ich einen Skorpion, der wegen der frühen Stunde noch ziemlich inaktiv hinter einem Stein liegt. Etwa 12 Zentimeter lang, braun und giftig. Aber er rührt sich nicht vom Fleck. Kurze Zeit später, während wir unser Zelt abbauen, rennt ein Koyote durch die Landschaft. Das ist wirklich beeindruckend, zwei solcher Natur-Schauspiele direkt nach dem Aufstehen hautnah zu erleben.
Bevor wir heute starten, machen wir unsere Hausaufgaben diesmal etwas gründlicher. Leider bemerken wir bei der Durchsicht unserer Unterlagen, dass auch die nächste und übernächste Wasserquelle nicht sicher sind. Ohne einen Tropfen bleibt uns nichts Anderes übrig, als möglichst früh loszustapfen, bevor es zu heiß wird. Wir kommen an einem Metalltrog vorbei, der wohl früher einmal als Tränke für Tiere gedacht war. Leider staubtrocken ! Weiter geht es …. Ein rostiger Tank in der Ferne lockt verheißungsvoll und lässt uns sogar einen kleinen Umweg machen. Aber auch diese Möglichkeit entpuppt sich als Fehlschlag, der Wassertank ist leider leer. Ab 8.00 Uhr laufen wir wieder in der sengenden Sonne, haben noch nichts gegessen und inzwischen richtig Durst. Aber es nützt ja nichts, wir müssen weiter. Endlich, nach 9 Kilometern, sehen wir einen Wassertank in der Ferne mit Zaun drumherum, es sieht insgesamt alles ganz gepflegt aus. Wir haben Glück und können dort Wasser entnehmen, nicht sauber, sondern mit Tierchen und Algen drin, aber wir freuen uns. Ein paar Büsche spenden Schatten, so dass wir dort eine gute Pause machen und unseren Flüssigkeitshaushalt wieder ins Lot bringen können. Danach laufen wir um den Pyramid Peak herum und einfach stumpf immer weiter auf der Spur, bis wir endlich Lordsburg erreichen. McDonalds, ein günstiges Zimmer in der Economy Lodge, Dusche, Waschen und das volle Komfort-Programm ! Die ersten 140 Kilometer sind geschafft, von denen so Mancher behauptet, es seien die härtesten Meilen auf dem CDT. 🙂

3 Kommentare zu “Crazy Cook bis Lordsburg 18. – 22.04.2017

  1. Ingrid Ebhardt

    Uff! Ich leide mit euch mit!
    Vielen Dank für diesen spannenden Bericht. Ich wünsche mir ein Foto vom Sonnenuntergang, eventuell auch eins vom Sternenhimmel…:D

    Bleibt gesund und alles Gute für euch!

    Liebe Grüsse von Ingrid

  2. Manni

    Großartig euch wieder auf einem Trail zu wissen! Always happy trails und plenty of trail magic!!!